Zusatzpunkte in Klausur

  • Hallo zusammen,


    seit kurzem arbeite ich als Vertretungslehrer an einem Berufskolleg. Jetzt habe ich eine Matheklausur schreiben lassen und bei der Korrektur merke ich, dass ich die Klausur wohl etwas zu anspruchsvoll gestellt habe. Das liegt vermutlich daran, dass ich manchmal noch Schwierigkeiten habe, mein Denken auf Schülerniveau herunterzuschrauben. Tatsache ist jedenfalls, dass ich jetzt im Nachhinein denke, dass einige Aufgaben etwas „unfair“ den Schülern gegenüber waren.


    Ich überlege nun, ob ich für zwei, drei Teilaufgaben, die kaum jemand auch nur probiert hat, Zusatzpunkte gebe (also so, dass man auch ohne diese Punkte die volle Punktzahl erreichen kann). Meine Frage an euch: Wäre das zulässig, die Aufgaben im Nachhinein zu Zusatzaufgaben zu machen?


    Und wo ich schon mal beim Fragen bin: Darf Durchgestrichenes gewertet werden, wenn sonst keine andere Lösung angegeben wird? Klar, wenn eine richtige Lösung durchgestrichen ist und eine falsche Lösung daneben steht, werte ich die falsche. Aber wenn einfach die richtige Lösung durchgestrichen und sonst nichts hingeschrieben wurde, wie sieht’s dann aus?


    Wäre sehr dankbar für einige hilfreiche Infos!


    PS: Ich habe nach älteren Threads zu dieser Frage gesucht, aber nichts Hilfreiches gefunden. Womöglich fehlten mir die richtigen Suchbegriffe ...

  • Du bewertest die Klausur. Du legst auch die Maßstäbe fest. Mache es einheitlich und transparent. Die Schüler müssen die Notengebung nachvollziehen können. Eine Begründung für die Anpassung des Maßstabes hast du ja schon geliefert.


    Aber Vorsicht. Dass die Schüler reihenweise etwas nicht können, muss nicht immer daran liegen, dass es zu schwer war. Deshalb sollte man nicht automatisch eine "schwache" Klausur umbewerten. Grundlage sollte sein, was die Schüler in dem jeweiligen Abschnitt hätte lernen sollen. Da dürfen auch Mal schwere Sachen bei sein. Nach der Grundlage ist hoffentlich auch dein Unterricht ausgelegt.


    Schau die darauf hin die Aufgaben noch Mal an, und beurteile dann, ob sie (objektiv) zu schwer waren.


    Werfe für spätere Klausuren auch noch Mal einen Blick auf die Formulierung der Aufgabenstellungen. Ist alles so verstanden worden, wie du es gemeint hast? Wurden vielleicht Teile übersehen? Oder treten bestimmte Missverständnisse gehäuft auf?


    Nur zur Ergänzung: von welchem Bildungsgang reden wir hier?


    Prost!


    Pausenclown

  • Danke für deine Antwort, Pausenclown! Es geht um die Fachoberschule. Ich werde mir das also noch mal genau anschauen und dann entscheiden, ob und wenn ja, was ich mit Zusatzpunkten bewerte.


    Noch mal zu den durchgestrichenen Lösungen - gibt's dazu irgendwelche Vorgaben? Wie handhabt ihr das?

  • Klar, wenn eine richtige Lösung durchgestrichen ist und eine falsche Lösung daneben steht, werte ich die falsche. Aber wenn einfach die richtige Lösung durchgestrichen und sonst nichts hingeschrieben wurde, wie sieht’s dann aus?


    Dann steht nichts da. An irgendeiner Vorschrift kann ich das nicht belegen, aber alles, was durchgestrichen ist, ist für mich ungültig. Sonst hätten die Schüler es ja nicht durchstreichen brauchen.

    • Offizieller Beitrag

    was durchgestrichen ist, halte ich auch für durchgestrichen.


    Warum sollte ich es trotzdem gelten lassen? Ich muss doch die Schüler ernst nehmen, und das kann ich nicht, wenn ich in einer Klausur (!) ihre schriftlichen Aussagen für ungültig erkläre; durchgestrichen, obwohl die Lösung richtig gewesen wäre: dann hat der Schüler sich für diese Lösung (in dem Fall die falsche) entschieden.
    Sonst kann ich auch anfangen, falsche Lösungen einfach zu ignorieren. Oder richtige in Frage zu stellen?
    Ich muss mich doch nach dem richten, was er geschrieben hat. Oder eben gestrichen hat. Mehr habe ich als Korrektor nicht.


    Wieso meinst du denn, die Aufgaben seien zu unfair gewesen? Unfair und schwer ist ja etwas Verschiedenes.

  • OK, danke für die Rückmeldungen. Klingt einleuchtend.


    Friesin:


    "Unfair" habe ich geschrieben, weil ich im Nachhinein denke, dass ich die Schüler auf diese Teilaufgaben nicht genügend bzw. nicht in der richtigen Weise vorbereitet habe. Mir ist nicht immer bewusst, welcher Abstand zwischen dem Denken der Schüler und meinem Denken besteht, da unser Hintergrundwissen ja völlig unterschiedlich ist. Und das möchte ich ungern die Schüler ausbaden lassen.

  • Durchgestrichen ist durchgestrichen, meine ich auch. Nichtsdestotrotz kann man da Bemerkungen dran machen. Immerhin ist es ein Gedanke, den der Schüler hatte, auch wenn er ihn zurückgezogen hat. Dafür kann er ein Feedback bekommen, wenn auch keine Punkte. Insbesondere der Hinweis, das er an der einen oder anderen Stelle auf der richtigen Spur war, kann ihm beim nächsten Mal helfen.


    Nur so als Idee.


    Pausi

  • Hallo tep, Mathearbeiten geraten rasch mal "zu schwer". Da ist es oft nicht ganz einfach, herauszufinden, wo genau die Ursache ist. Es kann sein, dass du tatsächlich zu viel erwartet hast und nicht gesehen hast, wo Schwierigkeiten lagen. Die kommen wirklich oft unvorhersehbar. Mir fällt immer wieder auf, wie schwer offenbar der Umgang mit 0 und 1 ist. Dass 1*x tatsächlich dasselbe wie x ist. Dass man eine 0 problemlos ist einen Term einsetzen kann und dabei nicht in Panik ausbrechen muss. Und wie man aus einem Text eine Rechenaufgabe herausliest - seehr schwierig. Da wirst du dich sicher noch oft wundern.


    Andererseits kommt es durchaus vor, dass ganze Klassen einfach unvorbereitet in die Klausur kommen. Du hast alles im Unterricht gemacht und trotzdem ist nichts da. Dann ist es notwendig, auch mal eine ganze Klausur richtig schlecht zu bewerten. Hilft nix. Es ist auch am BK oft so, dass Schüler mit wirklich erbärmlichen Vorkenntnissen kommen. Denen darf man nicht vorgaukeln, dass das, was sie wissen, irgendwie reicht. Viele Mathearbeiten fallen bei uns schlecht aus - leider.


    Du findest das mit der Zeit heraus. Ich habe manchmal Aufgaben im Nachhinein aus der Wertung genommen. Muss man ja manchmal - wenn sie unlösbar, weil falsch gestellt sind. Ich habe auch schon Arbeiten ein zweites Mal schreiben lassen. Das wäre auch eine Option, wenn du gar so unglücklich mit dem Ergebnis bist.


    Dieses Durchstreichen ist eine furchtbare Unsitte. Ein Akt der Verzweiflung. Ich sage den Schülern immer wieder, dass sie mir doch bitte die Chance geben sollen, ihnen irgendwelche Teilpunkte zu geben, indem sie auch unfertige Lösungen abgeben. Durchgestrichen ist nun mal durchgestrichen.


    Das Halbjahr hat ja gerade erst angefangen. Sprich mit den Schülern, aber mach nicht zuviel Zugeständnisse. Versuche herauszufinden, wo ihre Schwierigkeiten lagen und wie denen abzuhelfen ist. Meistens sind es allerdings die fehlenden Grundlagen. Bruchrechnen vor allem.


    Vielleicht auch mal die Arbeiten von Kollegen anschauen. Oder ihnen deine zeigen. Das kann sehr beruhigend sein. Wenn man immer wieder erlebt, dass Schüler an einfachen Dingen scheitern, kriegt man schnell eine Bewusstseinstrübung.


    Ich gebe den Schülern vor der Arbeit meistens eine Übungsklausur. Darin kommt alles vor, was sie können müssen. Die Übungsklausur wird ausführlich besprochen, und damit ist man doch relativ sicher. Es gibt dann in der Klausur immer eine Aufgabe, die wirklich nach Schema F wie in der Übungsklausur zu lösen ist und Punkte gibt. Und eine Aufgabe, die etwas anspruchsvoller ist - denn eine 1 muss man sich wirklich verdient haben.

    • Offizieller Beitrag

    Ganze Aufgaben als Zusatzaufgabe zu deklarieren halte ich für schwierig. Schüler, die die gekonnt haben, bestrafst Du zwar in dem Moment nicht, andere könnten aber argumentieren, dass durch die Bearbeitung der Aufgaben Zeit für andere aufgaben gefehlt hat, die sie dort investiert hätten, wenn sie gewusst hätten, dass die "Zusatzaufgaben" nur Zusatzpunkte bringen. Von daher würde ich eher die schlecht ausgefallenen Arbeiten, wenn es notwendig sein sollte, mit weniger Punkten belegen und meine Punktverteilung eben ändern. Das hängt aber auch davon ab, ob die Schüler das hätten können müssen oder, ob ich den Fehler bei mir finde und es eben zu schwer war.

  • Welche Aufgaben jetzt Zusatzaufgaben sind, muss ja nicht dazu gesagt werden.
    Der Hinweis "Es gab 120 Punkte, bei 110 Punkten gibt es schon eine Eins" reicht da eigentlich schon.
    Und wer Zeit in eine Aufgabe gesteckt hat, die er nicht lösen konnte, hat immer Pech - ob das jetzt eine Zusatzaufgabe war oder nicht.


    Noch eine weiterführende Frage zum Bewerten von falschen Antworten:


    Wie geht ihr mit Lösungen um, die die Aufgabe zu 100% korrekt beantworten, aber zusätzlich noch falsche Teile beinhalten?


    Frage: Wieso ist der Pinguin ein Vogel?
    Antwort: Er hat Federn. Er legt Eier. Er hat einen Schnabel. Er frisst Fische.


    Wenn es drei Punkte für die Aufgabe gibt, wie viele gebt ihr in solchen Fällen?

  • Wie geht ihr mit Lösungen um, die die Aufgabe zu 100% korrekt beantworten, aber zusätzlich noch falsche Teile beinhalten?

    Wie soll etwas, dass falsche Teile beinhaltet, "zu 100% korrekt" sein?

    Frage: Wieso ist der Pinguin ein Vogel?

    Ah, es gar nicht mehr um Mathematik. Das ist übrigens eine interessante Frage. In Biologie kenne ich mich nicht so aus. Dass der Pinguin ein Vogel ist, ist ja schon eine erkenntnis. Aber _wieso_ das so ist, finde ich echt spannend. Womöglich hätte die Evolution ähnliche Anpassungskonzepte auch auf ein Säugetier adaptieren können. Warum hat sie sich wohl für einen Vogel entschieden? Oder kann man die Evolution so gar nicht betrachten.

    Antwort: Er hat Federn. Er legt Eier. Er hat einen Schnabel. Er frisst Fische.

    Die Antwort enttäuscht natürlich. Sie liefert die Indizien dafür, dass ein Pinguin ein Vogel ist, auf die Ursache geht sie nicht ein.

    Wenn es drei Punkte für die Aufgabe gibt, wie viele gebt ihr in solchen Fällen?

    Keine.


    Pausi

  • In solchen Fällen überlege ich mir vorher, wie viele Punkte ich für eine falsche Antwort abziehe. Hier wäre das wohl einer.


    Es schließt sich daran aber die Frage an, ob eine aus zwei richtigen Antworten bestehende Lösung so gut wie die von dir genannte ist. Das ist dann Ermessensspielraum.


    Häufig mache ich es so, dass ich in der Aufgabe die Anzahl der genannten Merkmale vorgebe und dann z.B. auch nur die ersten z.B. 3 Antworten werte. Das wissen die Schüler vorher. Ich möchte nämlich nicht in die Situation kommen, dass ich mir die richtigen Antworten rauspicken muss. Hier würde das bedeuten, dass "Fische - Eier - Federn - Schnabel" 2 Punkte geben würde, "Eier-Federn-Schnabel-Fische" aber 3. Kann man natürlich nur machen, wenn die Schüler das Prinzip kennen.

    • Offizieller Beitrag

    ich ziehe für jede falsche Antwort eine Punkt ab.
    Einfacher macht man es sich selbst, wenn man bereits in die Aufgabenstellung schreibt: Nenne 3 Kriterien.
    Wenn dann davon 2 richtig sind, gibt es eben 2 Punkte. Wenn jemand totz der Aufgabenstellung 4 Kriterien notiert, werden ebenfalls die falschen abgezogen.

  • So mache ich das bei Aufzählaufgaben auch - bei drei zu nennenden Elementen lese ich auch nur die ersten drei geschriebenen Elemente durch und nicht mehr.
    Bei komplexeren Aufgaben mit dem Operator begründe statt nenne ist es nicht ganz so einfach.
    Wie handhabt ihr es da?
    Wenn gewünscht, sauge ich mir da auch ein Beispiel aus den Fingern, aber ich denke, wer etwas dazu beisteuern kann, kennt solche Situationen auch so.


    @Pausenclown, jetzt komplett OT:
    So eine Aufgabe wäre für die Fünftklässler denkbar, da ist der evolutionäre Aspekt natürlich noch nicht besprochen.
    Ganz genau (und damit auch sachlich richtig) würde ich die Aufgabe wie folgt formulieren:
    Begründe, durch welche Merkmale der Pinguin zu den Vögeln zuzuordnen ist.


    Was du meinst, ist auch weniger eine Evolutions- als eine Kladistik-/Systemnatikfrage, aber auch hier ist die Antwort eigentlich das, was die Fünftklässler geben - der Pinguin ist tatsächlich ein Vogel, weil er Federn hat. Federn sind die Alleinstellungsmerkmale der Tiergruppe, die wir als Vögel bezeichnen.
    Nach der "Ursache" zu fragen, warum der Pinguin ein Vogel ist, ist letzten Endes ein Fehlverständnis zwischen den Bezeichnungen der Menschen (wir geben nun mal allem Namen) und den tatsächlichen Gegebenheiten der Natur.

  • Nach der "Ursache" zu fragen, warum der Pinguin ein Vogel ist, ist letzten Endes ein Fehlverständnis zwischen den Bezeichnungen der Menschen (wir geben nun mal allem Namen) und den tatsächlichen Gegebenheiten der Natur.

    Dann ist das wohl auch keine geeignete Fragestellung für eine Klausur/Klassenarbeit. Dann ist es doch auch Wurst, wie man da nun die Punkte vergibt.


    Pausi

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