Positive Aufmerksamkeit

  • Hallo zusammen,


    ich habe eine Situation die mir zu schaffen macht.
    Ich habe im August eine 8. Klasse (Hauptschule) übernommen.
    Seit Beginn habe ich mit 3 Schülern relativ große Probleme. Sie mischen den kompletten Unterricht auf (nicht nur bei mir, auch bei anderen Kollegen).
    Es vergeht immer viel zu viel Zeit um einigermaßen die "Kontrolle" zu gewinnen. Ich habe schon sehr viel ausprobiert, aber diese Machtkämpfe gehen immer weiter...
    Nun habe ich mir vorgenommen, viel mehr Aufmerksamkeit in den schulischen Erfolg der anderen zu investieren als mich mit den Störern zu beschäftigen.
    Ich überlege mir nur wie genau ich das anstelle...
    Habt ihr Tipps und Ideen, oder könnt mir aus eurer Erfahrung erzählen wie ihr vorgeht.
    Vielen Dank schonmal
    LG panthasan

  • Hallo, panthasan!


    Nimm doch mal die Suchfunktion und gib das Wort "Störung" ein, am besten in der "erweiterten Suche"! Ebenso kannst Du andere Worte (zB. Disziplin, auffällig usw.) eingeben.


    Ach ja: Willkommen im Forum!

    • Offizieller Beitrag

    Oder es antworten einfach ein paar Kollegen konkret auf die Fragestellung. Es wird ja schließlich nicht nach einem Universalrezept gefragt.

    Bolzbold #5

    Gutmensch und Spaß dabei (= das GG und der Diensteid sind schon 'ne gute Sache 😉)

    "Und hast du die Ausrufezeichen bemerkt? Es sind fünf. Ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand die Unterhose auf dem Kopf trägt." (T. Pratchett)

  • Hallo zusammen,

    Hey :)



    Nun habe ich mir vorgenommen, viel mehr Aufmerksamkeit in den schulischen Erfolg der anderen zu investieren als mich mit den Störern zu beschäftigen.

    Ich glaube nicht, dass das funktioniert. Wenn du die 3 links liegen lässt, werden sie noch unverschämter vermute ich. Es ist nicht wahrscheinlich, dass sie dann denken: oh, wie schön habens die anderen, da wollen wir doch lieber mitmachen. Im Gegenteil: Als unterrichtender Lehrer erlebt man das anders aber als Außenstehender bekommt man von älteren (schwierigen Schülern) durchaus zu hören "ach, den Lehrern bin ich doch egal"- sie wollen auch gesehen (wahrgenommen, wertgeschätzt) werden, nur drücken sie das ungesund aus...


    Was heißt denn "sehr viel ausprobiert"? Was hast du bisher versucht? was hat vielleicht ansatzweise geklappt? Wie stören die drei? warum stören sie- was ist deine persönliche Sicht auf ihre Gründe? Was sagen die Kollegen- kann man vielleicht gemeinsam Maßnahmen durchziehen?
    (generell gilt: schnell sein, sofort eingreifen, im Akutfall nie diskutieren, angedrohte Maßnahmen durchziehen, trotzdem den Einzelnen wertschätzen: das Verhalten, nicht die Person bewerten)

  • Auszeit? Abholen lassen? Auf jeden Fall würde ich Maßnahmen überlegen und dann auch durchsetzen, die einen vernünftigen Unterricht möglich machen.


    Wie sieht es denn bei euch mit der Berufsorientierung und der Schulpflicht aus? Viele Achtklässler haben diese ja bald erfüllt. Manchmal hilft es den Schülern schon, wenn sie orientiert sind, in welche Richtung es weiter läuft und wozu sie überhaupt in der Schule sind. Ich würde mal abklären, wie es weiterlaufen soll. Wie sind denn die Leistungen so?


    Gib´mal noch ein paar mehr Infos - manchmal hat man aus Erfahrung ein bestimmtes Bild vor Augen und dann passt es doch gar nicht zur Situation. ;) :sterne:

  • 1. ... aber als Außenstehender bekommt man von älteren (schwierigen Schülern) durchaus zu hören "ach, den Lehrern bin ich doch egal"- sie wollen auch gesehen (wahrgenommen, wertgeschätzt) werden, nur drücken sie das ungesund aus...



    ...
    2. (generell gilt: schnell sein, sofort eingreifen, im Akutfall nie diskutieren, angedrohte Maßnahmen durchziehen,
    3. trotzdem den Einzelnen wertschätzen: das Verhalten, nicht die Person bewerten)



    Gefällt mir sehr, denn so ist es wirklich!
    zu 1. Jeder Mensch möchte angesehen werden, auch von uns Lehrern. Selbst Grundschüler (2. Klasse) sagten letztens zu meiner Frau: "Sie nehmen uns wenigstens ernst."
    Hier kannst Du ansetzen. Nimm Dir EINEN der drei schnell mal in der Pause beiseite und mach ihm OHNE Standpauke in zwei, drei Sätzen klar: "XY, das einzige, was ich will, ist, dass Du AUCH etwas lernst. Und ganz nebenbei: Ein Mann ist ein Mann, wenn er 'was kann."
    Sollte er (wirklich!) alles können und darum stören, dann so: "XY, Du machst das alles mit links, aber die Anderen eben nicht. Sei so höflich und gib den Anderen die Chance, es wenigstens so zu lernen, wie Du es schon vor der Stunde kannst! ... Wenn es Dir zu langweilig ist, dann lies etwas; das erlaube ich Dir hiermit, aber sei rücksichtsvoll und halt den Mund!"


    ... usw. usf., je nach Schüler, das muss man ggf. anpassen. Aber nochmals: KEINE Standpauke, nur diese paar Sätze! UND: Nicht auf Diskussionen einlassen a la "Der YZ lacht ja auch immer." Bleib bei diesem EINEN: "Ja, aber ich will, dass DU zum Mann wirst und lernst, DU, nur DU !!"


    Die anderen beiden Störer werden den einen, den Du Dir geschnappt hast, natürlich fragen. Wenn es eben KEINE Standpauke gab, werden sich alle drei wundern. Wundern öffnet das Unterbewusstsein ...


    zu 2. Auch, wenn es Dich anfangs nervt: Greife IMMER ein, unmittelbar! Das lässt alsbald nach, weil es wirkt.
    zu 3. Nach dem Eingreifen: Sofort wieder freundlich sein - zu allen, auch zum Zurechtgewiesenen!


    Ich weiß, 2. und 3. sind etwas anstrengend und das bedarf eventuell einiger Überwindung und des Trainings, sofort wieder von energisch fordernd auf freundlich und ruhig umzuschalten. Aber es wirkt und es wird sich bewähren.


    Viel Freude beim Unterricht!

  • Erstmal DANKE für eure Antworten.
    Was ich probiert habe...
    Also zuerst Einzelgespräche mit den Schülern in denen ich das was row-k zuletzt geschrieben hat auch durchgeführt habe...
    Betreuung durch unsere Sozialpädagogen...
    Regelverstöße ahnden...
    Diskussionen nicht zulassen...
    Weiterhin freundlich sein...
    Gespräche mit Eltern...
    Gespräche mit Kollegen...
    Gemeinsames System zur Reflexion....
    "Belohnungssystem" für gesamte Klasse...
    Zielvereinbarungen wochenweise...


    Letztendlich habe ich festgestellt, dass diese Jungs nach Aufmerksamkeit schreien (zum Teil auch tatsächlich: schreien)

    Derzeit nehmen sie wohl tatsächlich auch etwa 80-90% meiner Aufmerksamkeit in Anspruch...
    Nun möchte ich die Aufmerksamkeit auf die Schüler konzentrieren, die ruhig sind und mitarbeiten (diese kamen bislang nämlich zu kurz)..mir wäre wichtig, dass eben jene "Störer" merken, dass auch sie Aufmerksamkeit erhalten, wenn sie sich an Regeln halten und mitarbeiten (aber halt nicht bei negativem Verhalten)

  • Hmm. Viel PROBIERT hast Du ja. Aber hast Du konsequent auch das Generelle DURCHGEZOGEN?


    (generell gilt: schnell sein, sofort eingreifen, im Akutfall nie diskutieren, angedrohte Maßnahmen durchziehen, trotzdem den Einzelnen wertschätzen: das Verhalten, nicht die Person bewerten)

  • Kennst du das Buch "Gute Lehrer müssen führen" von Günther Hoegg? Obwohl ich jetzt auch schon drei Jahre eigenständig unterrichte, hat es mir doch noch viele gute Tipps gegeben. Einige haben die Kollegen hier schon angesprochen (schnell und immer reagieren, konsequent, etc.), aber es zeigt einem einige Situationen doch noch einmal aus einem anderen Blickwinkel. Gerade was Lehrersprache anbelangt (wo sollte die Stimme gebildet werden, wie kann man klangvoller und vor allem eindrucksvoller sprechen), hab ich mir doch ein paar Anregungen geholt.


    Interessant ist auch, das eine Klasse immer aus drei Gruppen besteht: den Unterstützern, den Wechselwählern und den Widersachern. Und man muss eigentlich nur die Wechselwähler auf seine Seite bekommen, um 95% aller Schüler auf seiner Seite zu haben und das ist gar nicht so schwer. Positive Verstärkung ist dabei wirklich das Zauberwort. Dazu musste ich mir aber einen vollkommen neuen Blick angewöhnen. Denn mal ehrlich: Ist es bei der Begrüßung nicht einfacher, die zu ermahnen, die nicht ruhig stehen/ sitzen? Mittlerweile strenge ich mich bewusst an, meine Aufmerksamkeit nur denen zu schenken, die sich an die Regeln halten, denn wie in dem Buch beschrieben wird, ist deine Aufmerksamkeit das wichtigste Gut, dass du zu vergeben hast und das selbst ältere Schüler immer noch wollen. Spannend ist wirklich, dass inzwischen ALLE versuchen durch positives Verhalten meine Aufmerksamkeit zu bekommen, weil ich konsequent nur noch positivem Verhalten meine Aufmerksamkeit schenke. Für extreme Störungen gibt es auch noch ein paar Anregungen, aber das sofortige Anrufen der Eltern hat sich bei mir als sehr wirkungsvoll herausgestellt.


    Liebe Gruß und viel GLück!

    "Das Leben ist zu kurz, um es dem Schicksal zu überlassen." Deus ex Machina

  • Da fällt mir noch ein: Am Anfang ist es wirklich schwer, konsequent nur gutes Verhalten zu bemerken und zu loben und nicht wieder in alte Verhaltensmuster zu verfallen und die Störer zu ermahnen. Es kann so sein, dass du eine Stunde beginnst, und es bleibt laut, obwohl du nur die lobst, die sich gut verhalten. Das ist die Umgewöhnungsphase, die Schüler sind ja noch etwas anderes von dir gewöhnt. Nur nicht aufgeben! Loben, mit dem Unterricht beginnen und wenn die Störer immernoch stören, hart, aber gerecht durchgreifen: Wer stört, fliegt raus und muss zu Hause nacharbeiten. Wenn der erste gehen musste, wird es schon ruhiger werden und dann wirklich einfach ALLES positive loben, selbst wenn es richtiges Abschreiben oder aufmerksames Zuhören ist.

    "Das Leben ist zu kurz, um es dem Schicksal zu überlassen." Deus ex Machina

  • Vielleicht bist du mal nicht mehr weiterhin freundlich sondern ehrlich und sagst, dass dich das sehr nervt, dass sie kein Recht auf 90% deiner Zeit haben und du das abschalten wirst -definitiv. ;)


    Was haben denn die Gespräche mit den Eltern ergeben - und welche Maßnahmen hast du in der Hand? Eltern auf der Arbeit anrufen und das renitente Kind abholen lassen wirkt oft Wunder. ;)

  • Zur Konsequenz: Ich hab es schon gut im Griff das durchzuziehen, wobei es natürlich auch mal weniger gute Tage /Stunden gibt...


    Mit Auszeiten ist das so ne Sache, unser Trainingsraum ist nicht durchgehend besetzt und einfach vor die Tür artet oft im Chaos aus da sie dann alles zusammenbrüllen etc...
    Und das konsequent nach Hause schicken ist auch so ne Sache...oftmals passiert nicht "genug" das die SL das unterstützt... Hab ich allerdings auch schon ein paar mal durchgezogen.
    Ich lasse mir jetzt jedes Fehlverhalten mit Reflexion von den Eltern unterschreiben und lade mir dann konsequent die Eltern in die Schule ein um sie mit einzubeziehen...
    Leider lassen die häuslichen Konsequenzen zu wünschen übrig, da die Eltern oft selbst machtlos da stehen...


    Eure Tipps sind hilfreich und ich glaube ich habe so langsam ein Konzept im Kopf...jetzt muss ich es nur noch konsequent durchziehen...
    Nochmal vielen Dank.
    p.s. für weitere Anregungen bin ich natürlich trotzdem noch offen :)

  • Was mir noch hilft ist, wenn ich so ein inneres Bild vor Augen habe, wo ich hin will bzw. wie es sein soll - dass man sich nicht so in Einzelheiten verzettelt.

  • so wie pausenbrot und row-k es beschrieben haben:


    unangepasstes verhalten sofort und deutlich sanktionieren ("xy, du kommst nach der stunde bitte kurz zu mir", reicht völlig), aber sachlich und nicht persönlich und mit möglichst logischen folgen (wer nicht zuhört und deshalb nichts mitbekommt darf eben eine schriftliche zusammenfassung der stunde verfassen; wenn die nicht kommt, wird sie eine seite länger etc., je nachdem, ganz klassisch und fies) des fehlverhaltens. danach sofort wieder freundlich zu allen, lass dich nicht nerven oder stressen. das ist dein klassenzimmer, du bist der boss.
    später dann das angekündigte einzelgespräch, wertschätzend dem menschen gegenüber, sehr deutlich ablehnend dem aktuellen verhalten gegenüber, nicht als 'anschiss' formuliert, sondern als kritik am verhalten, begründung der kritik (kann der schüler dir selbst sagen: warum ist es daneben, wenn ich störe? weil ich dann nichts lerne, weil die anderen nichts lernen, weil sie ihren job als lehrer nicht gescheit machen können...), besprechen anstehender konsequenzen, durchaus mit mitspracherecht schüler. motto: bist du ein mann (oder mädchen bei den damen) oder ein mäuschen? männer/mädchen stehen zu ihren taten und schreien nicht immer "aber der xy hat auch..., wie unfair, immer auf mich, nur weil sie mich nicht mögen..." blablabla, das kennst du sicherlich.


    dazu ab und an mal postive aufmerksamkeit vor/während/nach stunden (schwätzchen über was auch immer, flachsen, egal) von dir für die störer, und du hast eigentlich schon gewonnen. du hast nämlich nach einer weile dadurch eine beziehunsgrundlage zum schüler; dem kind/jugendlichen ist es nicht mehr egal, was du von ihm/ihr denkst. damit ist dein (!) fuß in der tür und die basis für alles weitere gelegt. die meinen das nicht persönlich - sie sind lediglich in der pubertät ; was es freilich für dich erstmal nicht weniger nervig macht. du hilfst ihnen da durch, machst sie zu erwachsenen. sag ihnen das ruhig auch so. das wird schon, bleib dran. wichtig ist sicherlich auch, den eigenen stil in der sache zu finden; gerade bei erziehungsdingen muss man als mensch selbst hinter dem stehen, was man tut, sonst wird's eher schwierig. als eher bestimmende/dominante persönlichkeit hat man es in diesen dingen leichter.

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  • Kennst du das Buch "Gute Lehrer müssen führen" von Günther Hoegg? Obwohl ich jetzt auch schon drei Jahre eigenständig unterrichte, hat es mir doch noch viele gute Tipps gegeben. ...


    Donnerwetter! Ich habe bei Amazon mit der "Search-Inside"-Funktion ganz gezielt auf der Seite 53 (Sprache als Führungsmittel) und den folgenden Seiten gelesen. Das deckt sich mit meinen Erfahrungen und gab mir teils weitere Anregungen, noch weiter über Schüler-Verhalten nachzudenken.


    Auch wird dort schön erklärt, wie wichtig das Handeln des Lehrers ist. Worte (Ermahnungen, Drohungen usw.) helfen nur, wenn diese Worte stets durch Handlungen des Lehrers begleitet / untermauert sind. Wir kennen das alle aus dem täglichen Leben: An den Taten erkennt man den Menschen, also auch die Lehrer. ;)

  • hallo nochmal,


    du hast wirklich eine Menge probiert, ich wollte auch nicht vermitteln, dass du deine Schüler nicht genug wertschätzt. Ich kenne nur das Gefühl, wenn man immer genervter wird und ich ich glaube, das Gefährlichste, was man machen kann, ist, Einzelne zu ignorieren im Sinne von "wenn ihr andern jetzt alle brav seid und die "Bösen" ignoriert, gibts dafür eine Belohnung". Und zwar deswegen, weil sich die "Bösen" dann rächen werden- sie haben ja nichts mehr zu verlieren und werden weiterhin um Beachtung kämpfen...


    Ich beschreibe mal eine Stunde, der ich beiwohnen durfte: Eine Musiklehrerin, Hauptschule 7. Kl., Donnerstag 6. Stunde. Im vorigen Unterricht pöbelten die Schüler rum, warfen Bücher durch den Raum, hörten Diskman. Denkbar ungünstigste Ausgangslage also :autsch: . Stundenbeginn nach dem ersten Klingeln: die Klasse räumt ihr Material aus. 3 kommen zu spät- die Lehrerin schickt sie sofort wieder raus. Ein Schüler lässt im Gewusel ein Papierchen fallen, die Leherin sieht das, fragt, was er eigentlich meint, wer hinter ihm herräumen soll? schickt ihn zum Papierkorb. Als die anderen sitzen geht die Lehrerin nochmal zur Tür zu den 3 zu spät kommern, stellt deutlichst klar, dass alle pünktlich zu sein haben. Ruhe im Raum. 28 13-Jährige sitzen auf ihren Plätzen und singen ein Begrüßungslied(!) Die Lehrerin tanzt mit denen sogar, wenn das Thema Walzer dran ist! Ich hab sowas selten erlebt aber wenn man sich traut (!)- jemand schrieb hier schon, "das ist dein Klassenzimmer"- wenn man sich also traut sofort und immer durchzugreifen, sich für eine Strategie zu entscheiden und dabei zu bleiben, hat man ganz gute Chancen.


    Ich drück dir die Daumen :top:

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