inretessant ist auch, was hattie zu lehrpersonen sagt, die nicht vollen herzns dabei sind -sie sollten gehen.
Genau das ist der Grund, warum ich meinte, dass Hattie interessante Ergebnisse präsentiert, dass die aber per se keine Antwort auf tatsächliche Probleme sind; der empirische Nachweis, dass offenbar die Motivation und die positive Grundhaltung von Lehrern ihrem Beruf gegenüber eine wichtige Rolle beim Lernerfolg der Schüler spielen, ist eine wichtige Erkenntnis, von der aus man weiterdenken muss, um Wege zu finden, wie man die Motivation von möglichst vielen Lehrern möglichst weit verbessert, um so mit Hilfe eines Parameters die Qualität des Systems Schule ein Stück zu erhöhen.
Die auf dem Weg der intuitiven Reaktion entstandene Forderung "die Schlechten sollen eben weggehen" missversteht Hatties Ergebnis als Antwort per se, überspringt den Analyse- und Reflexionsprozess und kommt zu einer Schlussfolgerung, die ebenso inhaltsleer ist wie der bekannte heißluftgefüllte Sonntagsslogan "nur die besten an die Schule."
Man muss das ganze mal durchdenken.
Gleich voran, warum sollen diejenigen, die "nicht vollen Herzens dabei sind", den Beruf überhaupt aus eigenem Antrieb verlassen? Wenn sie Dienst nach Vorschrift machen, würden sie völlig zu Recht darauf hinweisen, dass sie ihren Teil des Vertragsverhältnisses erfüllen. Oder sollen sie sich aus einem festen, regulären Arbeitsverhältnis in wirtschaftlich schlechten Zeiten in eine materiell ungesicherte Zukunft begeben, bloß weil sie nicht anderer Leute Ideale erfüllen? Vor allem, wenn sie jenseits der 40 sind und wie die meisten Lehrer über außerhalb der Schule nur wenig gefragte Qualifikationen verfügen? Eventuell als Versorger einer Familie? "Sie sollten gehen" ist schon eine etwas seltsame Idee, die letztendlich wohl nur im Wertesystem etwas skurriler Idealisten Bestand hätte.
Aber nehmen wir mal an, wir wollten die, die "nicht mit vollem Herzen dabei sind" gegen ihren Willen aus der Lehrertätigkeit kicken; da stellt sich sofort die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage das denn geschehen soll. Mit dem Beamtenrecht ist so eine Idee überhaupt nicht zu vereinbaren, nicht einmal beim größtmöglichen Lehrer-Vollhonk: Inkompetenz ist kein Dienstvergehen und selbst ein Dienstvergehen muss im erheblichen Maße strafrechtlich relevant sein, soll es zur Aufhebung des Beamtenstatus kommen. Nun, dieser Sachverhalt ist für die Stammtische regelmäßig ein Grund, in glühendem Zorn verbeamtete Lehrer zu verdammen, dabei übersehen sie allerdings normalerweise, dass die Tarifverträge für im öffentlichen Dienst Festangestellte ein hohes Maß an Arbeitsplatzsicherheit gewähren. Nach 15 Jahren Diensttätigkeit oder mit 40 Jahren Lebensalter wird auch der Angestellte unkündbar, was nur in außerordentlichen Fällen aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen umgangen werden könnte. Das würde aber einen Prozess vor dem Arbeitsgericht bedeuten, bei dem der Grund "er ist nicht ganzen Herzens bei der Arbeit" wohl kaum als hinreichender Kündigungsgrund erkannt würde.
Aber nehmen wir einmal an, es gelänge uns die 50% Lehrer unterdurchschnittlicher Kompetenz - die 50% der Leser mit unterdurchschnittlichen mathematischen Kenntnissen mögen bitte über diese große Zahl nicht erschrecken, eventuell mitlesende Bildungspolitiker brauchen sich nicht angesprochen fühlen - wie gesagt, nehmen wir einmal an, es gelänge uns, alle Lehrer ohne "volles Herz" aus dem Dienst zu entfernen. Mhm. Was dann? Woher bekommen wir dann die "nur die Besten" an die Schulen um die fehlende Hälfte der Lehrer zu ersetzen? Selbst bei einem Überhang von arbeitssuchenden Anwärtern, von denen in den wichtigen Mangelfächern (also z.B. den MINT-Fächern) nicht wirklich viele Kandidaten auf dem Markt sind, wäre es schwierig, die plötzlich auftretenden großen Lücken zu schließen. Und selbst, wenn man rein quantitativ die Lücken in den Reihen schlösse, gäbe es keinerlei Gewissheit, dass man denn tatsächlich jeden Lehrer, der "nicht mit vollem Herzen dabei ist", durch einen rückhalt- und röcksächtslos dorchmotiviert loyalen Lehrer ersetzt. Wer will schon die tatsächliche, nachhaltige Kompetenz eines Junglehrers abschließend beurteilen? Oder noch weiter gefragt - wie würde es eigentlich um die Motivation des jungen Nachwuchses bestellt sein, wenn sie bestenfalls auf ein Arbeitsverhältnis nach dem Motto "Hire and Fire" hoffen dürfen. Wie sehr sind eigentlich Hamburger-Brater mit "vollem Herzen" bei ihrer Tätigkeit dabei?
Realistisch betrachtet ist es im Lehrerberuf genau so wie in allen anderen Berufen. Will man Qualität verbessern, muss man das statistische Mittel verbessern. Erkennt man die Arbeitsmotivation - was, man höre und staune, in einigen hochqualifizierten Arbeitsfeldern der freien Wirtschaft im Gegensatz zum Schulsystem schon passiert ist! - als relevanten Faktor, dann muss man die Motivation des Durchschnittslehrer fördern, nicht den Elitelehrer fordern. Das ist genau der gleiche Fall wie mit Schülern - will ich eine verbesserte gesellschaftliche Kompetenz im intellektuellen Bereich, dann muss ich auf das Mittelmaß zielen und brauche weniger eine Eliteförderung. Zugegebenermaßen hört sich das bildungspolitisch und wahlkampfrelevant weniger beeindruckend an. Aber es ist zumindest sinnvoller als das Geschwätz von "nur die Besten an die Schule" oder "die Minderleister identifizieren und isolieren", wie es irgendwelche Redenschreiber der intellektuell insuffizienten Püppi, der letzen NRW-Bildungsministerin, in den Mund gelegt hatten.
Summa summarum (oder "tl;dr") Hatties Erkenntnisse sind wichtig, müssen aber gründlich durchdacht (ist eine Korrelation zwischen gründlichem Denken und gründlicher Rechtschreibung herstellbar?) und in ihren Konsequenzen in das bestehende System samt seiner Implikationen eingearbeitet werden.
Nele