Hattie - Überall Hattie! Zwei aktuelle Sendungen

  • Der Hattie-Faktor
    Hängt schulischer Erfolg wirklich vor allem von Lehrerinnen und Lehrern ab? In den vergangenen Jahren gab es viele Diskussionen über offenen Unterricht, jahrgangsübergreifene Klassen und selbstbestimmtes Lernen. Und jetzt kommt die Frage auf: War das alles umsonst? Hätten wir uns die komplizierten Schulstrukturreformen sparen können?


    http://www.kulturradio.de/prog…tpunkte_debatte_1704.html


    Frontalunterricht funktioniert besser als offenere Unterrichtsformen
    Selbst organisiert, individuell, problemorientiert, kurzum: möglichst offen - so hat moderner, guter Unterricht zu sein, predigen Reformpädagogen. Die Realität sieht anders aus: Lehrer sind im Klassenzimmer oft nur noch Randfiguren und nicht mehr Regisseur ihres eigenen Unterrichts.


    http://www.dradio.de/dlf/sendungen/pisaplus/1982272/

  • Über Frontalunterricht mag man denken, was man will. ABER: Hattie bzw. seine Studie zeigt keinsfalls, dass FRontalunterricht der bessere Unterricht ist.


    Hier ein Link zu einer m. E. guten deutschsprachigen Seite zur Hattie-Studie: http://www.visiblelearning.de/


    Dort heißt es: "Direkte Anweisung (d=0.59) ist laut Hattie kein didaktischer, lehrergeführter Monolog, sondern bezieht sich auf ein Unterrichtsverfahren in einer bestimmten Abfolge mit klarer, konkreter Zielsetzung, Bestimmung der Kriterien für die Zielerreichung und Fokus darauf, dass die Aufmerksamkeit Schülerinnen und Schüler erzeugt wird. Der Grundgedanke ist, dass vor der Übung eines neuen Lerninhaltes zuerst das Verstehen gesichert sein muss. Dies geschieht durch eine durch die Lehrkraft gelenkte Übung, in der die Schülerinnen und Schüler das Gelernte zeigen können und dazu eine Rückmeldung erhalten. Am Abschluss steht eine Zusammenfassung durch die Schülerinnen und Schüler mit Hilfe der Lehrkraft."


    Ich glaube das Problem des offenen Unterrichts ist, dass er teilweise missverstanden wird als Ich geb den Schülern mal ein paar Arbeitsbögen resp. Texte und dann lass ich sie machen. Aber auch offener Unterricht erfordert m. E. genauer Instruktionen. KLingt zunächst widersprüchlich, ist es aber nicht. Offener Unterricht heitß ja nicht, dass die Kinder irgedwas irgendwie machen sollen, sondern sie können zwischen verschieden Themen, Arten der Bearbeitung und/oder Niveaustufen frei wählen und sollen dabei lernen, wie sie am besten lernen. Metakognitive Strategien sind übrigens nach Hattie noch wichtiger für den Lerneffekt als direkte Instruktionen, nämlich d=0.69.


    Außerdem hat laut dieser Studie reziprokes Lernen (d=0.61) - wie es zum Beispiel kooperative Lernformen vorsehen - sowie problemorientierter Unterricht (d=0.74) einen großen Einfluss auf den Unterrichtserfolg. Alles keine "Methoden" des Frontalunterrichts.


    Formative Evaluation - also die kontinuierliche Bewertung des Lernprozesses, zum Beispiel in Form von KOmpetenzrastern - hat übrigens den größten Einfluss, nämlich d=0.90.

  • Man kann es schönreden, wie man will. Für die Reformpädagogen hat eine schwarze Stunde geschlagen. Offener Unterricht bringt es nicht, der Lehrer muss endlich wieder Regisseur sein, der die Zügel fest in der Hand hat und darf keinesfalls "Lernbegleiter" sein, so wie es die Reformpädagogen gerne hätten. Ich habe das im übrigen schon immer gewusst und propagiert.

  • Man kann es schönreden, wie man will. Für die Reformpädagogen hat eine schwarze Stunde geschlagen.


    Och bitte, lies dir bitte die sehr gute Zusammenfassung von Sofie noch einmal durch und fang dann bitte mit dem selbstständigen Denken an.

    • Offizieller Beitrag

    Wir hatten das Thema schon Frontaluntericht=Erfolg (vor allem für die Schwächeren) ...


    Ganz interessant ist bei der Sendung (erster Link) zur Hattie Studie auch die Diskussion zum Ergebnis, dass die Verantwortung für den Lernerfolg zu 50% beim Schüler selbst, zu 30 % beim Lehrer und seiner Persönlichkeit und dann zu um die 5% - 10% bei allen anderen Faktoren (Elternhaus, Schulorganisation etc.). Er kommt darüber hinaus zum Ergebnis, dass der Schüler sich schlussendlich als sein eigener Lehrer begreifen und am Ende eigenverantwortlich lernen muss.
    Wobei wiederum interessant ist, dass er Merkmale, die die Schule nicht beeinflussen kann, gar nicht berücksichtigt: sozioökonomischer oder Migrationshintergrund - diese Zusammenhänge werden schlicht nicht untersucht. ... hm.
    Ob die Lesart, dass die Lehrerführung (die auch bei freien Unterrichtsformen immer und umso mehr extrem wichtig ist) entscheidentd ist, mit " mehr Frotalunterricht ist generell gut" übersetzt werden kann, bezweifeln die Experten, die da in der Sendung diskutieren. Die Interpretation der Ergebnisse wird in einigen Medien nämlich wirklich äußerst verflacht (wenn nicht falsch) dargestellt - Hattie wendet sich ganz klar gegen einen reinen Frontalunterricht.
    Die Sendung lohnt sich übrigens mal zu hören.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    2 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Übrigens muss man auch darauf hinweisen, dass Hattie die Faktoren untersucht, die einen reinen quantitativen Lernerfolg beeinflussen - meiner Meinung nach erschöpfen sich die gesellschaftlichen Aufgaben von Schule ganz und gar nicht ausschließlich im reinen Lernen; pädagogische Aufgabenfelder müssen genau so berücksichtigt werden, wie symbolische, d.h. welchen Stellenwert Bildung in einer Gesellschaft zugewiesen wird, oder wirtschaftliche, z.B. wie schonend ein Schulsystem mit begrenzten Resourcen (d.h. u.a. seinen Lehrern) umgeht.


    Hattie liefert sehr interessante Denkansätze, die in der Diskussion darum, wie ein Schulsystem zu gestalten ist, auf jeden Fall berücksichtigt werden müssen. Eine endgültige Antwort auf diese Frage liefert er nicht.


    Nele

  • Man kann es schönreden, wie man will. Für die Reformpädagogen hat eine schwarze Stunde geschlagen. Offener Unterricht bringt es nicht, der Lehrer muss endlich wieder Regisseur sein, der die Zügel fest in der Hand hat und darf keinesfalls "Lernbegleiter" sein, so wie es die Reformpädagogen gerne hätten. Ich habe das im übrigen schon immer gewusst und propagiert.


    Ach, lieber Silicium. Wenn du in der Lage wärst, weniger ideologisch an Unterricht zu gehen, würdest du deine Meinung nicht so wichtig nehmen und dich für Anregungen durch Hattie u.a. öffnen. Auch Hilbert Meyer, den du ja sicherlich aus didaktischer Perspektive verehrst, sagt in einer der beiden Sendungen, dass in Schule ca. 75% Frontalunterricht herrscht und es weniger werden müsste.

  • Die Äußerungen von Hilbert Meyer sehe ich wissenschaftstheoretisch eher auf dem Niveau von Elisabeth Teissier: "An vielen Schulen blablabla 75% blablabla" – Meyer ist ja nun kein empirischer Bildungsforscher, sondern ein didaktischer Kaffeesatzleser, der jahrzehntelang Dinge behauptet, die in keiner Wiese empirisch abgesichert waren. Dann ist er zurückgerudert und beschränkt sich mittlerweile auf Aussagen, die in ihrer Allgemeinheit so unspezifisch sind, dass sie gar nicht falsch sein können. Karl Popper brandmarkt derlei zurecht als "Pesudowissenschaft".

  • Hilpert Meyer hat mit der Hattie-Studie - so weit ich weiß - nichts zu tun


    Wen oder was brandmarkte Popper als Pseudowissenschaft - die Erziehungswissenschaft? Und was hat das mit dem Thread zu tun?

  • Hilpert Meyer hat mit der Hattie-Studie - so weit ich weiß - nichts zu tun


    Hilbert Meyer war Gesprächsteilnehmer in der zweiten verlinkten Sendung.


    Zitat

    Wen oder was brandmarkte Popper als Pseudowissenschaft - die Erziehungswissenschaft? Und was hat das mit dem Thread zu tun?


    Der Wissenschaftstheoretiker Popper brandmarkte Wissenschaft im Stile von Meyer und Konsorten völlig zu Recht als Pseudowissenschaft. Es empfiehlt sich übrigens sehr, Popper zu lesen - bei UTB gibt es mit dem "Popper-Lesebuch" eine schöne Anthologie. Mit dem Thread hat das insofern zu tun, dass man bei solchen Debatten schon sehr sorgfältig darauf achten sorgfältig darauf achten sollte, ob man da tatsächlich einen methodisch und theoretisch ermauerten Ansatz hat oder ob es sich nicht doch eher um die neueste, ideologisch betriebene Sau handelt, die durchs Schuldorf getrieben wird. Bei Meyer und Konsorten ist diese Überprüfungen damals ja nun leider unterblieben...


    Nele

  • Ach, lieber Silicium. Wenn du in der Lage wärst, weniger ideologisch an Unterricht zu gehen, würdest du deine Meinung nicht so wichtig nehmen und dich für Anregungen durch Hattie u.a. öffnen.


    Ach, liebe Kuschlerin. Wenn du in der Lage wärst, weniger ideologisch an Unterricht zu gehen, würdest du deine Meinung nicht so wichtig nehmen und dich für Anregungen durch Hattie u.a. öffnen.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • danke für die links. das schöne an hattie ist, das kein ideologisches Lager ihn für sich vereinnahmen kann. Weder die Reformer noch die Traditionalisten. Zu denken geben sollte uns alle, welche feedbackkultur wir pflegen - bei hattie endet diese definitiv nicht nach dem schreiben der klassenarbei. inretessant ist auch, was hattie zu lehrpersonen sagt, die nicht vollen herzns dabei sind -sie sollten gehen.

  • inretessant ist auch, was hattie zu lehrpersonen sagt, die nicht vollen herzns dabei sind -sie sollten gehen.


    Womit dann wohl 70 - 90 % der Lehrkräfte gehen könnten:


    http://de.statista.com/statist…ment-junger-arbeitnehmer/


    Im Spiegel habe ich auch mal einen Bericht über das Engagement von Arbeitnehmern allgemein (!) gelesen, da waren auch nur ca. 30% hoch engagiert. Wenn man die das mit den Ergebnissen der Schaarschmidt-Studie abgleicht muss man zu dem nüchternen Ergebnis kommen, dass das Engagement der Lehrer völlig normalverteilt im Vergleich zum Rest der arbeitenden Bevölkerung ist. Weiß nicht, warum das immer nur bei Lehrern so problematisiert wird.


    Gruß

  • Punkt 1: Tatsächlich scheint die Hattiestudie keiner pädagogisch-politischen Richtung "Recht" zu geben. Offener Unterricht hat sich nicht bewährt, aber auch homogene Lerngruppen bringen keinen Vorteil, um nur zwei Beispiele zu nennnen.


    Punkt 2: Dass der Erfolg der Schule laut Hattie ALLEIN auf den Schultern des einzelnen Lehrer lastet, finde ich schwer zu verdauen. Schulart, Klassengröße, Ausstattung der Schule etc. sind vollkommen egal, ICH allein bin für Erfolg und Misserfolg der S. verantwortlich --> Burnout vorprogrammiert...

  • ...inretessant ist auch, was hattie zu lehrpersonen sagt, die nicht vollen herzns dabei sind -sie sollten gehen.


    Was ist das denn für eine Anmaßung?!?! Man kann von mir erwarten, das ich meine Arbeit anständig erledige, sprich 'nen anständigen Unterricht mache, so weit, so gut.
    Aber, ich laß mir doch nicht vorschreiben, wie meine Gefühlswelt dabei auszusehen hat. Solche Psychok***e geht gar nicht!


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Ich hab nicht alles gelesen, nur soviel wollte ich sagen,


    Hilbert Meyer hat Hattie in seinem Vortrag erwähnt, als ich ihn gehört hatt eim November.


    LG MM

  • inretessant ist auch, was hattie zu lehrpersonen sagt, die nicht vollen herzns dabei sind -sie sollten gehen.


    Genau. Lehrkräfte zur Gesinnungsprüfung! Mindestens einmal jährlich vor einem Tribunal aus zertifizierten "Bildungsexperten". Nicht dass einer unterrichte, der nicht zu 100% reinen Glaubens sei...


    ICH allein bin für Erfolg und Misserfolg der S. verantwortlich --> Burnout vorprogrammiert...


    "Gute Lehrkräfte müssen brennen!" Sinngemäß nach Prof. Udo Rauin, "Bildungsexperte".


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

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