Mal ganz grundsätzlich: Alles auf die Karte Lehramt - ja oder nein?

  • Hallo zusammen,


    habe mich mittlerweile ausführlich im Forum umgesehen und bin sehr gespannt auf Eure Meinungen zu meinem "Fall".


    Ich bin 26 Jahre alt und habe direkt nach dem Abi damit begonnen, Deutsche Sprache und Literatur ("Germanistik") auf Bachelor zu studieren, NICHT auf Lehramt wohlgemerkt. Ziel war, im Journalismus oder in der Wirtschaft (PR/Öffentlichkeitsarbeit) zu arbeiten. Habe das Studium dann auch in sechs Semestern durchgezogen, danach den Master angeschlossen. Diesen werde ich im laufenden Semester abschließen.


    Nun habe ich nach wirklich zahlreichen Praktika in Unternehmen allerdings festgestellt, dass mir dort komplett die Identifikation mit dem Job und der Spaß fehlen. Man "arbeitet" kaum noch selber, scheucht die ganze Zeit nur Dienstleister durch die Gegend, es ist einfach unbefriedigend und die Job-Aussichten sind auch schlecht. In Workshops für Lehramts-Studenten an der Uni habe ich dagegen festgestellt, dass mir die Rolle als Lehrer durchaus Spaß macht. Als Schulform würde ich Gymnasium/Gesamtschule, also Sek.II bevorzugen. Absolviere im Juni auch ein Praktikum an einem Gymnasium, um mal zu schauen, ob ich wirklich "bestehen" kann.


    Nun bieten mir die neuen Master of Education-Studiengänge (so weit ich das bisher überblicke) ja durchaus die Möglichkeit, mit meinem abgeschlossenen Fach-Master "zuzusteigen" und die pädagogische Ausbildung recht schnell nachzuholen. Während des Bachelors hatte ich als Nebenfach Geschichte, dort werde ich also auch nicht bei Null starten. Nachdem ich mir die Prognose des Schulministeriums zu Gemüte geführt habe, stellt sich bloß die Frage: Macht es Sinn, mit 26 Jahren und 12 Semestern noch einmal diesen Aufwand zu betreiben, wenn die Einstellungsperspektiven (gerade mit der Kombination Deutsch/Geschichte) derart mies sind? Stehe ich dann nach weiteren drei Jahren, die mich das Studium sicher noch kosten wird, dann nicht wieder da, finde keinen Job und habe im Vergleich zu meiner aktuellen Situation einfach nur drei weitere Jahre verschenkt? Hilft es mir vielleicht aus der Misere, wenn ich mein Nebenfach "pragmatisch" auswähle und auf Geschichte verzichte, um meine Job-Perspektiven zu erhöhen? Auch wenn ich, nicht zuletzt hier im Forum, mehrheitlich auf die Meinung gestoßen bin, dass man das studieren soll, was man später auch wirklich gerne unterrichten möchte und woran man Spaß hat. Auch ein Bundesland-Wechsel käme für mich durchaus in Frage, vielleicht sind die Einstellungsprognosen ja nicht überall so schlecht wie in NRW? Die Studie des Ministeriums zeichnet da wirklich ein sehr düsteres Bild. Nach dieser Studie können sich die Leute, die im Moment in den Lehramtsstudiengängen an den Unis sitzen und keine naturwissenschaftlichen Fächer studieren, um die paar Stellen, die es gibt, die Köpfe einhauen. In den letzten Jahren wurden demnach sehr viele junge Lehrer an Gymnasien eingestellt, wodurch der Bedarf ab diesem Jahr für längere Zeit gedeckt ist. Über andere Schulformen wird, gerade von Frauen, kaum nachgedacht - wenn in einem Seminar das Wort "Hauptschule" fällt, entgleisen da allen kollektiv die Gesichtszüge. Und ich stelle auch durchaus fest, dass diese düsteren Prognosen mehr und mehr zu einer Verbissenheit bei vielen Studenten sorgen - um die Noten wird gekämpft wie wild und es herrscht die Einstellung "Wenn ich Deutsch/Geschichte mit einer 3 abschließe, kann ich es auch direkt sein lassen.".


    Viele Fragen. Ich habe halt mit 26 denke ich durchaus noch einmal die Möglichkeit, einen Richtungswechsel vorzunehmen - aber diesmal sollte der Schuss eben auch sitzen. Über Einschätzungen von Eurer Seite würde ich mich freuen.


    Beste Grüße

    • Offizieller Beitrag

    Macht es Sinn, mit 26 Jahren und 12 Semestern noch einmal diesen Aufwand zu betreiben, wenn die Einstellungsperspektiven (gerade mit der Kombination Deutsch/Geschichte) derart mies sind? Stehe ich dann nach weiteren drei Jahren, die mich das Studium sicher noch kosten wird, dann nicht wieder da, finde keinen Job und habe im Vergleich zu meiner aktuellen Situation einfach nur drei weitere Jahre verschenkt? Hilft es mir vielleicht aus der Misere, wenn ich mein Nebenfach "pragmatisch" auswähle und auf Geschichte verzichte, um meine Job-Perspektiven zu erhöhen?


    Hallo und willkommen in diesem Forum.


    Die oben gestellten Fragen sind in der Tat die Knackpunkte, um die es geht. Ich bekomme regelmäßig von der Schulleitung mit, wie schlecht der Stellenmarkt in den kommenden Jahren aussehen wird, vor allem bei Kombis wie D/Ge. Der Doppeljahrgang macht dieses Jahr Abitur, so dass auf einen Schlag rechnerisch um die 15% Lehrerstellen "frei" werden. Damit sinkt der Bedarf an Neueinstellungen dramatisch. Mittlerweile wird es auch für Seiteneinsteiger o.ä. schwierig, an Vertretungsstellen zu kommen, weil die Bezirksregierungen diese wenn überhaupt nur noch an arbeitslose "echte" Lehrer vergeben.
    Kurzum: Wenn Du jetzt noch einmal drei Jahre studierst plus evtl. Prüfungszeitraum, dann wirst Du mit erheblichen Problemen bei einer späteren Einstellung in NRW rechnen müssen.
    Die "fette Dekade", die von ca. 2004 bis 2012 reichte und in der Tausende Lehrer eingestellt wurden, ist definitiv vorbei.
    Am Rande: Du kannst in dem Sinne auf Geschichte nicht "verzichten", weil Du ja mindestens zwei Fächer brauchst. Was wäre denn sonst Dein zweites Fach?



    Zitat

    Und ich stelle auch durchaus fest, dass diese düsteren Prognosen mehr und mehr zu einer Verbissenheit bei vielen Studenten sorgen - um die Noten wird gekämpft wie wild und es herrscht die Einstellung "Wenn ich Deutsch/Geschichte mit einer 3 abschließe, kann ich es auch direkt sein lassen.".


    Viele Fragen. Ich habe halt mit 26 denke ich durchaus noch einmal die Möglichkeit, einen Richtungswechsel vorzunehmen - aber diesmal sollte der Schuss eben auch sitzen. Über Einschätzungen von Eurer Seite würde ich mich freuen.


    Die Einstellung, dass man er mit 3er Examen dann gleich lassen kann, hört sich isoliert pessimistisch an, ist aber sehr wahrscheinlich realistischer als man zunächst annehmen mag. Wer Mitte/Ende der 90er Lehramt studiert hat, der wurde auch belächelt und das Studium als Freifahrtschein in die Arbeitslosigkeit betrachtet. Dass sich das so zum Positiven ändern würde, haben damals alle gehofft; ein nicht unerheblicher Teil der alten Hasen in diesem Forum stammt noch aus dieser Zeit.


    Meine ehrliche Meinung: Wenn Du schon Lehramt machen willst, solltest Du beruflich in jedem Fall zwei- oder mehrgleisig planen und fahren. Du musst definitiv damit rechnen, keine Stelle nach dem Referendariat zu bekommen und solltest rechtzeitig Alternativen parat haben, damit Du über die Runden kommst.


    Gruß
    Bolzbold

  • Hallo Bolzbold,


    zunächst mal vielen Dank für deinen Beitrag! Auf genau solche Rückmeldungen aus dem aktuellen Lehrbetrieb hatte ich gehofft.


    Du bestätigst natürlich leider tatsächlich das negative Bild, das die Studie des Ministeriums zeichnet. Ich habe die Studie auch noch einmal als Anhang beigefügt, aber du hast sie ja sicher auch schonmal
    gesehen.


    Ich bin natürlich hin- und hergerissen aktuell, da ich auf der einen Seite glücklich darüber bin, endlich einen klaren Plan vor Augen zu haben, wohin ich beruflich möchte - auf der anderen Seite muss ich nun feststellen,
    dass ich durch das Verfolgen dieses Plans eventuell meine finanzielle Zukunft auf´s Spiel setze.


    Aber ich tendiere doch dazu, den Plan, auf Lehramt zu studieren, eher zu modifizieren anstatt ihn komplett fallenzulassen. Zitat aus der Studie: "Ungeachtet des insgesamt zu erwartenden Bewerberüberhangs werden sich die zurzeit für einige Fächer bestehenden günstigen Beschäftigungsaussichten fortsetzen. Insbesondere für die Fächer Mathematik und Latein, aber auch für Kunst, Physik und Informatik sowie Chemie ist dauerhaft zumindest regional mit guten Einstellungschancen zu rechnen." Ich habe Geschichte bisher wie erwähnt nur während des Bachelors als Nebenfach studiert, den Master habe ich als Ein-Fach-Master Deutsch gemacht. Ich wollte also mit der Formulierung "verzichten" ausdrücken, dass ich in Geschichte so oder so nicht viele Leistungen angerechnet bekommen werde und ich auf das eine Semester, das ich im Vergleich zu einem kompletten Neu-Start in einem Fach, das bessere Einstellungschancen bietet, gewinnen würde, auch verzichten kann. In Frage käme für mich hier nur Kunst, für sämtliche andere Fächer habe ich weder eine Begabung noch ein Interesse an ihnen. Aber Kunst als zweites Fach wäre definitiv möglich. Zudem habe ich nach einem Studium auf Gy/Ge ja auch die Berechtigung, an Berufskollegs zu studieren. Auch dies käme für mich in Frage.


    Hast du denn eigentlich auch Informationen darüber, wie die Lage in anderen Bundesländern aussieht? Ich bin nämlich in jedem Fall auch dazu bereit, mich zwecks beruflicher Perspektive von NRW zu trennen.


    Generell hat es meine Generation natürlich schwer, in eine unbefristete Festanstellung hereinzukommen - ob nun in der Wirtschaft oder eben nun nach dem "Einstellungs-Hoch" auch an Schulen. Trotzdem: Ich will mich nicht von der Vorstellung verabschieden, dass man, wenn man Spaß an der Vermittlung seines Fachs und der Arbeit mit Jugendlichen hat, auch einen Job findet. Natürlich gibt es die Möglichkeit, sich über verschiedene Tätigkeiten über Wasser zu halten. Ich bin beispielsweise mit einem ehemaligen Dozenten von mir aus Bonn befreundet, der eine kleine Stelle an einem Berufskolleg hat, außerdem an der Uni Didaktik-Kurse gibt, zudem für mehrere Verlage Bücher herausgibt und verfasst und zu guter Letzt eine Website betreibt, über die er anbietet, Arbeitszeugnisse zu verfassen. Auf dieses "Job-Splitting" habe ich ehrlich gesagt keine Lust.


    Gruß

  • Prinzipiell bin ich der Meinung, man sollte das studieren, was einen zum "Traumjob" bringt. So habe auch ich nach dem Abi gehandelt und bin nun fertige RS Lehrerin für D/E und habe nach dem Ref in Bayern im Realschuldienst keine Stelle bekommen. Ich steh auf der Warteliste, aber für meinen Geschmack recht weit hinten (ca. Platz 20) und durch Gespräche mit befreundeten Seminarlehrern, Schulleitern usw. wurde nochmal verdeutlicht, dass ich dringend nach Alternativen suchen sollte, um mal "sesshaft" zu werden - auch in anderen Bundesländern/Ausland.


    Seit September bin ich also an einer Förderschule, Vollzeit. Es ist nicht das, was ich studiert oder im Ref gelernt habe - aber es macht mir unglaublich viel Spaß.
    Auch in NRW werden, meines Wissens, massiv nach Förderschullehrern gesucht und mittlerweile gibt es dort eine Zusatzausbildung z.B. für Leute wie mich - in Bayern ist es leider noch nicht so weit.


    Was ich sagen möchte: so hart es manchmal ist, oft muss man ein bisschen von seinem Weg abkommen, um Fuß zu fassen. Kann mir durchaus vorstellen langfristig an dieser Schulart tätig zu sein - aber hierfür fehlt mir die Ausbildung, die ich hoffentlich noch nachholen darf. Aber das liegt an München....


    Deutsch/Geschichte ist eine wahnsinnig überlaufene Kombi... schau doch mal nach Alternativen: Sozi z.B. als Zweitfach? Mach viele Praktika, um wirklich sicher zu gehen, dass dir das liegt. Oder sprich mal mit einer VHS in der Nähe, ob du einen Kurs leiten kannst - da verdienst du was fürs Studium dazu und sammelst zusätzlich noch Erfahrungen beim Lehren!

    • Offizieller Beitrag

    Hast du denn eigentlich auch Informationen darüber, wie die Lage in anderen Bundesländern aussieht? Ich bin nämlich in jedem Fall auch dazu bereit, mich zwecks beruflicher Perspektive von NRW zu trennen.


    Nein habe ich nicht. Wenn man so in diesem und anderen Foren querliest, scheint der Trend aber bundesweit relativ ähnlich zu sein.


    Zitat


    Generell hat es meine Generation natürlich schwer, in eine unbefristete Festanstellung hereinzukommen - ob nun in der Wirtschaft oder eben nun nach dem "Einstellungs-Hoch" auch an Schulen. Trotzdem: Ich will mich nicht von der Vorstellung verabschieden, dass man, wenn man Spaß an der Vermittlung seines Fachs und der Arbeit mit Jugendlichen hat, auch einen Job findet. Natürlich gibt es die Möglichkeit, sich über verschiedene Tätigkeiten über Wasser zu halten. Ich bin beispielsweise mit einem ehemaligen Dozenten von mir aus Bonn befreundet, der eine kleine Stelle an einem Berufskolleg hat, außerdem an der Uni Didaktik-Kurse gibt, zudem für mehrere Verlage Bücher herausgibt und verfasst und zu guter Letzt eine Website betreibt, über die er anbietet, Arbeitszeugnisse zu verfassen. Auf dieses "Job-Splitting" habe ich ehrlich gesagt keine Lust.


    Naja, also bei uns damals Mitte der 90er hat man auch eher "schwarz" gesehen.
    Es gibt natürlich auch noch andere Möglichkeiten, mit Jugendlichen zu arbeiten, ebenso wie es andere Schulformen gibt, an denen man arbeiten kann.


    Dass Du auf Job-Splitting keine Lust hast, kann ich vollauf verstehen. Andererseits darf ein Traum aber nicht den Blick für die Realität versperren. Das ist bei Dir ja nicht der Fall, jedoch kann ich mich nur wiederholen und dringend dazu raten, mehrgleisig zu fahren und rechtzeitig für einen selbst akzeptable Alternativen auszuloten und ggf. auch zu sichern.


    Gruß
    Bolzbold

    • Offizieller Beitrag

    Das, was Bolzbold schreibt, kann ich für RLP nur bestätigen.


    Und da ich Ende der 90er das Studium angefangen habe, als alle schwarz sahen, muss ich zugeben, dass ich einfach die richtigen Berater an meiner Seite hatte, die eben die Einstellungswelle sahen, die selbst vom Arbeitsamt als nicht vorhanden mir vorgehalten wurde.


    Leider ist aber jetzt alles relativ dicht. Deutsch Gesichte ist die Kombi, bei der momentan auf 100 Bewerber 1 Stelle in ganz RLP kommt.

  • Was wäre denn eine Fächeralternative?
    Die Naturwissenschaften sind im Allgemeinen besser, wenn du dich mit sowas anfreunden kannst...


    Und wie mobil bist du?
    Wenn du deutschlandweit eine Stelle suchst (zumindest mittelfristig), steigert das deine Chancen m.M.n. (zusätzlich) noch mehr als eine gute Fächerkombination.

  • Danke für eure Antworten. Ihr helft mir damit in jedem Fall schonmal deutlich weiter. Ich kann nun zumindest ganz klar einschätzen, dass ich mit meiner aktuellen Fächerkombination und einem Studium auf Lehramt für Gy/Ge kaum eine Chance haben werde, eine Stelle zu finden.


    Daher muss ich nun über Alternativen nachdenken. Ich bin sowohl in Bezug auf den Arbeitsort flexibel (deutschlandweit) als auch in Bezug auf die Fächerkombination. Deutsch ist für mich gesetzt, da ich dort ja bereits über einen Fach-Master verfüge. Als zweites Fach kann ich mir aber wie gesagt auch Kunst oder evtl. Sozialwissenschaften vorstellen, beides würde meine Aussichten auf einen Job ja aus meiner Sicht bereits deutlich erhöhen. Auf eine andere Schulform (also Haupt/Real/Gesamt oder Berufskolleg) zu studieren macht denke ich deshalb keinen Sinn, weil ich mit einem abgeschlossenen Studium auf GyGe immer noch diesen Schritt "zurück" gehen und an einer dieser Schulformen unterrichten kann - korrigiert mich bitte, wenn ich hier falsch liegen sollte.


    Sehr interessant finde ich aber auch den Beitrag von Kirsche85. Ich betrachte die Tätigkeit an einer Förderschule als echte Alternative und werde mich definitiv um ein Praktikum bemühen, um zu sehen, wie die Arbeit dort aussieht. Es ist natürlich auch möglich, dass mich das völlig überfordert. Der Bedarf an Lehrkräften ist dort laut Ministeriums-Studie in jedem Fall hoch und wird es auch bleiben. Zumal nach meinen Informationen ja in Zukunft in NRW auch verstärkt Lehrer mit sonderpädagogischer Ausbildung an "normalen" Schulen benötigt werden, da mehr integrativ unterrichtet werden soll.


    Es würde mich sehr interessieren, wie deine Arbeit an der Förderschule aussieht, Kirsche85! Habe mir heute schon einige Clips auf youtube angeschaut - sieht sehr interessant aus, mit welchen Methoden dort versucht wird, die sprachlichen Fähigkeiten der Schüler zu verbessern. Was gefällt dir denn an der Arbeit dort besonders?


    Letztlich sehe ich für mich also drei Möglichkeiten: Ich pfeife auf die schlechten Job-Aussichten und setze weiter auf Deutsch und Geschichte für Gy/Ge. Ich setze weiter auf Gy/Ge, wähle aber mit Sowi oder Kunst ein neues Zweitfach. Oder ich orientiere mich komplett um und studiere Sonderpädagogik (hängt natürlich auch davon ab, inwiefern mir mein bisheriges Deutsch-Studium dort angerechnet wird).

  • Ich versuche nun einfach mal aufzulisten, was für dich interessant sein könnte:


    - Niveau: ganz ganz niedrig ansiedeln, meine Kinder können zum Großteil noch nichtmal Lehrer siezen ("Frau ..., kommst du mal?") - anfangs fand ich's seltsam, jetzt irdgendwie schon fast putzig, weil die Schüler, die es schon können, die "Duzer" verbessern
    - Klassenstärke: ein Traum (zunächst)! In meiner befinden sich 8 Schüler, die allerdings alle unterschiedliche Leistungen erbringen. Daher muss man viel differenzieren, was Arbeit mit sich bringt. Aber: man lernt die Kids wahnsinnig gut kennen, man fühlt sich ihnen enorm verbunden, die Korrektur läuft sehr flott ;)
    - Kollegium: lustiger und lockerer als bislang erfahren, da alle der Meinung sind, man komme nicht ohne einer gehörigen Protion Sarkasmus/Humor etc. durch diesen Job; zudem absolute Hilfsbereitschaft!
    - Gehalt: E 13! (da "nur" angestellt, befristet)
    - Methoden: vielfältig. Ich habe mehr Methoden verwendet, als ich bislang von der RS gewohnt war, da die ADHSler einfach mehr Wechsel brauchen. Von Wochenplan bis Kugellager über zu Mini Projekten. Aber es macht Spaß. Vorbereitung ist bei offenen Methoden zwar umfangreicher, dafür hat man dann aber im Unterricht mehr Zeit zum beobachten, helfen
    - Lehrerrolle: anders. Man hilft wahnsinnig viel... Selbst beim Schuhe binden kommen 12 jährige Jungs und bitten um Unterstützung. Zudem ist die Distanz zu den Schülern, die ich bisher gewohnt war, nicht da. Schüler (auch 6/7 Klasse) kommen und wollen mal gedrückt werden oder schmiegen sich an, da sie gerade Zuwendung brauchen.


    Klar gibt's auch Tage, an denen ich total genervt nach Hause gehe, weil wieder einmal einer nicht aufgehört hat, in der Aula Fußball zu spielen, obwohl ich es ihm verboten habe.. usw... Aber: das, was man dort zurück bekommt, hab ich in dieser Form noch an keiner anderen Schule erlebt. Man muss sich jedoch vor Augen halten, dass es auch schwarze Schafe gibt, auf die man noch so sehr mit Engelszungen einreden kann und die dann auf die schiefe Bahn geraten.


    Meine Hoffnungen liegen, wie gesagt, in dieser Zusatzausbildung, die es in NRW schon gibt und hoffentlich auch bald in Bayern.. Ansonsten kann ich nur befristet auf ein Jahr an Förderschulen angestellt sein, was mich nervt. Ich möchte schließlich mal ankommen und das spießige 08/15 Programm durchziehen. ;)

  • In SH sind fast alle Berufsschulspezifischen Fächer Mangelfächer (Pädagogik, Technik, Wirtschaft etc.). Weiß natürlich keiner, wie es in 5 Jahren aussieht. Ich persönlich würde - falls ich noch mal vor Entscheidung stehen würde - auf Berufsschullehramt (heißt glaub ich etwas anders) studieren, z. B. Deutsch und Pädagogik oder Wirtschaft.
    Ansonsten werden fast immer Fächer wie Mathe und Physik gesucht.


    Bei Sonderpädagogik würde ich bedenken, dass sich das Sonderschulsystem im Zuge der Inklusion stark verändert hat. In SH z. B. gibt es den Sonderschullehrer, wie KIrscheihn beschreibt, kaum noch. Die meisten arbeiten nur ein kleinen TEil ihrer Zeit an der Förderschule (heiß´t jetzt Förderzentrum), gurken ansonsten von Schule zu Schule und werden nicht immer und von allen Lehrkräften mit offenen Armen empfangen. Manche arbeiten aber auch fest an einer Schule, aber auch da (fast) immer im Team bzw. als zweite Lehrkraft.

  • Erstmal vielen Dank für den ausführlichen Bericht an Kirsche85!


    Es ist wohl tatsächlich so, dass das Thema "Inklusion" auch in NRW massiv auf der Agenda steht. Ab dem Schuljahr 2013/2014 hat jeder Schüler ein Recht auf inklusiven Unterricht. Wenn dies dann zu einer Situation führt, die ähnlich der von Sofie beschriebenen in SH ist, ist das aus meiner Sicht eher unattraktiv. Ich möchte gerne konstant an einer Schule arbeiten und nicht als "Wanderarbeiter" von Schule zu Schule ziehen. Ich verstehe allerdings auch nicht, wieso nicht jede Schule einfach Sonderpädagogen fest einstellt, wenn dort sowieso dauerhaft inklusiver Unterricht erteilt wird.


    Generell bin ich mittlerweile doch einigermaßen verwirrt und weiß wirklich ünerhaupt nicht, in welche Richtung ich mich orientieren soll. Die Grund-Idee, aus der ich für mich die Motivation gezogen habe, auf Lehramt zu setzen, sah so aus, dass ich Schülern das vermittele, was ich in meinem Studium gelernt habe - und das ist nun mal Deutsch. Daran habe ich Spaß, dort liegen meine Qualitäten. Die pädagogischen Skills habe ich bisher noch nicht und müsste ich mir eben durch den Quereinstieg in einen Master of Education-Studiengang aneignen. Was mich an dem Job reizt ist aber nun mal, und hier muss ich auch ehrlich zu mir selbst sein, der fachliche Aspekt. Mich, wie Kirsche85 es beschreibt, in meiner täglichen Arbeit als Lehrer darüber zu definieren, dass ich verschiedene Methoden ausprobiere und die Inhalte, die ich damit vermittele, sich doch auf einem sehr eingeschränkten Level bewegen - ich bezweifle stark, dass mich diese Arbeit befriedigen würde. Gleiches gilt beispielsweise auch für die Arbeit an Berufsschulen: Mal ganz plakativ formuliert (ich lasse hier meine Gedanken schweifen und möchte damit natürlich niemandem auf den Schlips treten) möchte ich mit den Schülern Thomas Mann lesen und keine Geschäftsbriefe formulieren.


    So weit zu der Idee, die für mich am Anfang gestanden hat. Ich muss ehrlich sagen, dass ich mich von dieser Idee nur sehr ungerne trennen würde, da ich aus ihr doch eine Menge Energie ziehen kann für das restliche Studium, das ich noch vor mir habe. Ich möchte hier nicht von "Traum" oder Ähnlichem sprechen, aber jeder braucht doch ein Ziel, mit dem er sich zu 100 Prozent identifizieren kann. Wenn ich dieses Ziel aufgebe und beispielsweise auf Sonderpädagogik setze, wache ich eines Tages auf und merke, dass ich diese Idee des Deutsch-Unterrichts an einem Gymnasium aufgegeben hatte, ohne überhaupt wirklich zu versuchen, sie zu realisieren. Gleiches würde für ein Studium auf Berufskolleg oder Sek I gelten. Wenn ich auf ein solches Studium setzen würde, würde ich diese Entscheidung aus Angst treffen. Es wäre eine Entscheidung, die VERHINDERN soll, dass etwas passiert - nämlich die Arbeitslosigkeit. Es wäre keine Entscheidung FÜR etwas, sondern eine Entscheidung GEGEN etwas.


    Aber ich will mir natürlich auch nicht den Vorwurf machen müssen, sehenden Auges ins finanzielle Verderben zu rennen. Daher sehe ich ein, dass eine Kombination von Deutsch mit Geschichte als Zweitfach keinen Sinn ergibt. Ich bin also bereit, meine Grund-Idee an dieser Stelle zu modifizieren. Das Zweitfach ist mir generell relativ egal, auch für Geschichte hege ich nicht ansatzweise die Begeisterung, die ich für Deutsch habe. Hier stellen sich nun bei der Suche nach alternativen Zweitfächern natürlich praktische Probleme (Kunst ist gefragt und ich hätte durchaus Interesse daran, aber es gibt nun mal - völlig zu Recht - Eignungsprüfungen, die ich wohl nicht schaffen werde; Sozialwissenschaften haben fast überall NCs, die mit einem Abiturschnitt von 2,6 ebenfalls eine hohe Hürde darstellen; zu Naturwissenschaften habe ich keinerlei Bezug und nicht mal ein Basiswissen). Aber ich denke, dass dieser Weg, also die Suche nach einem Zweitfach, das meine Chancen ehöht, der ist, den ich gehen sollte.


    Mit diesem Beitrag verlange ich euch jetzt natürlich einiges ab. Ich hoffe, die Gedankengänge kommen wenigstens einigermaßen rüber. Findet sich jemand darin wieder bzw. denkt ihr, dass ich die richtigen Prioritäten setze?

    • Offizieller Beitrag

    Dass man seine Unterrichtsfächer aussucht nach Interesse, ist eigentlich völlig normal. Dass man für sein Fach "brennt", wäre ideal. Aber:
    man muss sich im Klaren sein, dass man auch auf dem Gymnasium nicht nur " Thomas Mann" wird lesen können. Da brauchts auch Vorgangsbeschreibungen, Erörterungen verschiedener Art, Rechtschreibung und ja: auch Grammatik.
    Auch am Gymnasium wirst du dir viele verschiedene Methoden aneignen (müssen), den Schülern "etwas zu vermitteln" -wie auch immer man sich das vorstellen mag. -


    Was ich damit sagen will, ist, dass du dir bewusst sein solltest, dass auch am Gymnasium der fachliche Aspekt in keiner Weise mit einer universitären Ausbildung mithalten kann. Vieles von dem, was du im Studium machst, wirst du in der Schule nicht direkt anwenden können.Das gilt für Geschichte ebenso wie für Literatur in den Sprachen.
    Du wirst sehr vieles didaktisch reduzieren müssen.
    Ich schreibe das nur, um ein evtl. schiefes Bild vom Gymnasialunterricht geradezurücken-- nicht um dich abzuschrecken ;)

  • Es ist wohl tatsächlich so, dass das Thema "Inklusion" auch in NRW massiv auf der Agenda steht. Ab dem Schuljahr 2013/2014 hat jeder Schüler ein Recht auf inklusiven Unterricht.
    ...ich verstehe allerdings auch nicht, wieso nicht jede Schule einfach Sonderpädagogen fest einstellt, wenn dort sowieso dauerhaft inklusiver Unterricht erteilt wird.

    Ich will Inklusion nicht verteufeln, aber man sollte sich als angehender Sonderpädagoge darüber im Klaren sein, dass es den klassischen Beruf des Sonderschullehrers nicht mehr gibt. Das Modell INklusion wird vlt. ja auch in 10 Jahren super laufen, aber zur Zeit ist eben alles im Umbruch und m. E. auch recht chaotisch.
    ZUm 2. Punkt: Weil nicht jede Schule eine ganze Planstelle für Sonderschullehrkräfte zugeschrieben bekommt, denke ich mal.

    Mal ganz plakativ formuliert (ich lasse hier meine Gedanken schweifen und möchte damit natürlich niemandem auf den Schlips treten) möchte ich mit den Schülern Thomas Mann lesen und keine Geschäftsbriefe formulieren.

    In der beruflichen Oberstufe erteilst du ganz normalen Deutschunterricht. In SH soll in den nä Jahren auch das Zentralabitur für das beruflich Gymnasium eingeführt werden.
    Auf dem Gymnasium unterrichtes hingegen auch die unteren Jahrgänge, und da versuch' mal mit ner 6. Klasse Thomas Mann zu lesen ;)

    Aber ich will mir natürlich auch nicht den Vorwurf machen müssen, sehenden Auges ins finanzielle Verderben zu rennen. Daher sehe ich ein, dass eine Kombination von Deutsch mit Geschichte als Zweitfach keinen Sinn ergibt. Ich bin also bereit, meine Grund-Idee an dieser Stelle zu modifizieren. Das Zweitfach ist mir generell relativ egal

    na dann studier doch ein Mangelfach und hoff' drauf, dass es bis zum Ende deines Studium immer noch Mangelfach ist :) In SH ist das fürs Gym z. Z. Physik, Mathematik, Spanisch, Französisch, Latein udn WiPO.

    Mit diesem Beitrag verlange ich euch jetzt natürlich einiges ab. Ich hoffe, die Gedankengänge kommen wenigstens einigermaßen rüber. Findet sich jemand darin wieder bzw. denkt ihr, dass ich die richtigen Prioritäten setze?

    Ich war zu Beginn meines Studiums nicht so pragmatisch. Aber das kannst du wohl nur selbst entscheiden. Viel ERfolg dabei :prost:

  • Na ja - dass ich die ganze Sache mittlerweile etwas pragmatischer angehe liegt wohl einfach daran, dass ich eben nicht mehr am Beginn meines Studenten-Daseins stehe, sondern ein Deutsch-Studium bereits fast abgeschlossen habe. Deshalb will ich die Entscheidung, wie es nun weitergeht, nicht einfach aus dem Bauch heraus treffen.


    Dass ich die Entscheidung letztlich selber treffen muss, ist mir natürlich klar. Durch die vielen hilfreichen Antworten hier im Forum habe ich in jedem Fall einen Überblick darüber bekommen, welche Möglichkeiten (Sonderpädagogik etc.) es gibt. Es wird darauf hinauslaufen, dass ich mich von dem Wunsch, Deutsch an einem Gymnasium zu unterrichten, nicht trennen werde und mich auf die Suche nach einem "Arbeitsmarkt-kompatiblen" Zweitfach begebe.


    An dieser Stelle noch einmal vielen Dank für Eure Hilfe.

  • Ich glaube, dass wichtigste ist, dass du dir Schule mal "live" anguckst. Juni finde ich sehr spät ;) Ich habe auch ewig hin und her überlegt, ob Schule eigentlich etwas für mich sein könnte und ich habe dann eine Hospitation an einer Berufsschule gemacht- das ging total kurzfristig (einfach anrufen!) und ich habe sehr viel gelernt- nicht nur, wie Unterricht eigentlich abläuft, sondern mich auch von einigen Vorurteilen verabschieden können durch viele Gespräche mit den Lehrern dort. Ich fand es absolut super. Sollte ich in die Schule gehen, kommt für mich nur Berufsschule in Frage, eben durch die große Bandbreite an Schülern und die Vielfältigkeit dort.


    Sorgen macht mir allerdings, ich zitier mal:



    "Gleiches gilt beispielsweise auch für die Arbeit an Berufsschulen: Mal ganz plakativ formuliert (ich lasse hier meine Gedanken schweifen und möchte damit natürlich niemandem auf den Schlips treten) möchte ich mit den Schülern Thomas Mann lesen und keine Geschäftsbriefe formulieren."



    Wenn es dir hauptsächlich um das Fachliche geht- hast du mal überlegt, an der Uni als Dozent oder so zu arbeiten? Denn auch wenn ich so an meine eigene Oberstufenzeit zurückdenke (und ich hatte tatsächlich LK Deutsch)- so sehr hochgeistig war das auch nicht und mit Uni nicht zu vergleichen.

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