Hallo an Alle!
Mir fällt es gerade schwer mein Anliegen so richtig in Worte zu fassen, aber ich versuche es mal:
Ich bin zwar seit 10 Jahren Lehrerin, aber durch meine 3 Kinder habe ich immer nur phasenweise gearbeitet und dann meist in meinem Nebenfach katholische Religion. D.h. ich wurde bisher von den Unnannehmlichkeiten des Lehrerberufes verschont :O). Nun arbeite ich zwar auch nur 30%, bin jedoch Klassenlehrerin einer 8. Klasse und unterrichte diese in Deutsch und Mathematik. Da ich letztes Jahr schon eine 8. Klasse in Deutsch hatte, läuft es hier gut. Das Problem habe ich im Fach Mathematik und das Problem ist vielschichtig.
Zuallererst erschlägt mich selber das Pensum, das ich in einem Schuljahr mit meiner Klasse durcharbeiten soll. Es sind 8 Einheiten, die sich in weitere Untereinheiten gliedern, die man ebenfalls nicht schnell mal so in einer Doppelstunde durchackern kann. Nun ist es so, dass wir zwar eine Realschule sind, die Zusammensetzung meiner Klasse im Fach Mathematik einer Gemeinschaftsschule gleichkommt. Jeweils ein Drittel der Schüler sind im Leistungsbereich zwischen 1-2 ein weiteres Drittel zwischen 3-4 und das letzte Drittel ist wirklich so schwach, dass ich überhaupt keine Ahnung habe, wo ich überhaupt anfangen soll. Nicht wenige beherrschen nicht einmal das 1x1. Das ist kein Witz. Viele können nicht Bruchrechnen oder mit rationalen Zahlen umgehen. Überhaupt kann man bei dieser Gruppe gar nichts voraussetzen, als hätte es eine 6. und 7. Klasse gar nie gegeben. "Terme/ Gleichungen: Hä?" "Äquivalenzumformungen? Noch nie was davon gehört!" So und jetzt soll man diesen Schülern schnell mal Bruchlgleichungen erklären... Mir ist auch klar, dass ich als Lehrerin nicht jeden retten kann, aber ich finde, dass es zu viele sind, die völlig absacken! Ich habe (aufgrund vieler Wiederholungsstunden) seit dem Anfang des Schuljahres gerade mal 2 Einheiten durchgebracht. Algebra: Terme/ Bruchterme, Gleichungen/ Bruchgleichungen.
Ich war so oft am Verzweifeln, denn man merkt, dass es viele Schüler einfach nicht verstehen. Dann hängt man noch eine Übungsstunde und noch eine Übungsstunde dran und kommt einfach nicht vorwärts. Dabei gebe ich wirklich alle erdenklichen Hilfen: gebe alle Lösungen des Schulbuches heraus, so dass Hausaufgaben gleich kontrolliert werden können, mache Übungsblätter, vor allem für die Schwachen. Kopiere die entscheidenden Seiten aus dem 7er Buch - natürlich mit Lösungen. Ich gebe Übungsblätter als Vorbereitung für Tests/ Klassenarbeiten heraus und halte mich dann teilweise exakt an diese Aufgaben. Natürlich werden viele Aufgaben im Unterricht besprochen, bzw. schriftlich an der Tafel gelöst - und trotzdem war der Schnitt der ersten Klassenarbeit eine 3,4.
Dieser Schnitt ist nicht einmal schlecht, aber wenn man die Vorbereitungszeit bedenkt und auch die Tatsache, dass es eine einfache Arbeit war (war eigentlich zur Motivation gedacht), ist der Schnitt einfach schlecht.
So. Jetzt zu meinen 2 Problemen:
Problem 1:
Ich weiß einfach nicht, wie ich dem Dilemma begegnen soll, dass ich einerseits meinen Stoff durchbringen muss, andererseits aber Schüler habe, die überhaupt noch nicht soweit sind. Und diese Schülergruppe ist ja meist die lauteste: "Das kapier ich noch nicht!", "Können sie das noch einmal erklären?" "Bei der Hausaufgabe habe ich nichts kapiert!" Gleichzeitig bin ich dann aber auch unglücklich, weil ich weiß, dass ich die Leistungsstarken überhaupt nicht fordern kann. Diese Gruppe ist auch nicht klein! Natürlich könnte man diese Gruppe mit schwierigeren Aufgaben versorgen, aber sie brauchen mich auch als Ansprechpartnerin! Es ist einfach so unglaublich frustrierend - anders kann ich es nicht ausdrücken. Die Schwachen versucht man zu fördern, irgendwie ohne Erfolg...die Starken langweilen sich.
Problem 2:
Da die Schwachen im Rücken ihre Elternlobby haben, habe ich nun schon ein wenig mitbekommen, wie hinter meinem Rücken schlechte Stimmung gemacht wird. Eine Mutter einer sehr schwachen Schülerin rief mich an mit dem Vorwurf, ich würde in einem herrischen Ton unterrichten und die Kinder einschüchtern. Und dann noch: "Das sagen auch andere!" Ich bin wirklich selten sprachlos, aber da war ich es tatsächlich. Der Vorwurf ist absurd. Ich habe alle Mädchen zusammengetrommelt und niemand hat das bestätigt. Ich mag auch wirklich alle meine Schüler, es ist kein einziger Stimmungsmiesmacher dabei. Mein Problem ist eher, dass sich die Schüler in meinem Unterricht zu wohl fühlen...
Vor ein paar Tagen rief mich dann der Vater eines schwachen Schülers an. Am Abend vor der 2. Klassenarbeit. Sein Sohn "und viele andere" haben eine Anwendungsaufgabe nicht verstanden, die ja in der Arbeit drankommt. Die habe ich ja "nur" ein mal erklärt. Dann fragte er mich noch ganz beiläufig, ob es sonst noch Anrufe gegeben hätte...
Ich engagiere mich wirklich sehr in meiner Klasse. Ich weiß einfach nicht, was ich noch besser machen kann! Solche Anrufe kränken mich. Das ist zwar keine professionelle Haltung, aber ich nehme mir das zu Herzen. Ich bin verständisvoll und lege wert auf kooperative Elternarbeit, aber es ist so: Wenn die Noten stimmen, ist die Welt meiner Eltern in Ordnung. Wenn die Noten schlecht sind, sucht man das Haar in der Suppe und macht hinter dem Rücken schlechte Stimmung. Ich merke, wie ich jetzt schon einknicken will - wer hat Lust auf ständige Auseinandersetzungen mit der Elternschaft? Das Ergebnis war an unserer Schule in diesem Jahr so verheerend wie noch nie: Wir haben derzeit 10 Schüler in der 10. Klasse, die vor allem wegen Mathe das Klassenziel aller Voraussicht nach nicht erreichen werden. Insgesamt 25 (!!!) (von 110) sind versetzungsgesfährdet. In der 10. ist nämlich Schluss mit der Möglichkeit "Niveau absenken". Das geht nicht mehr angesichts der bevorstehenden Prüfung. Und wieder sind dann die Lehrer die Prügelknaben...
Ich habe schon mit einigen Kollegen über mein Matheproblem/ Elternproblem gesprochen. Die männlichen Kollegen sind mit einem bewundernswerten Selbstbewusstsein gesegnet: "Ich bin der Lehrer. Ich habe meinen Stoffverteilungsplan. Der wird durchgearbeitet. Punkt." Ich bin trotzdem unglücklich, frage mich ständig, was ich anders, besser machen kann. Dabei fängt der "Spaß" erst an: Ich muss jetzt nämlich wirklich anziehen. Wohlfühlprogramm kann ich jetzt nicht mehr fahren und meine Eltern werden auf die Barrikaden gehen...
Wie löst ihr dieses Dilemma?
Senkt ihr in einer schwachen Klasse das Niveau ab oder "mogelt" ihr bei der Korrektur, damit die Schnitte nicht ganz so furchtbar sind oder hält ihr diesem Druck stand?
In der Hoffnung auf ehrliche Antworten
Grüße
Mara