Maues Vorwissen der SuS

  • Liebe Kollegen,


    ich bin gefrustet. Während meiner Ausbildung zur Grundschullehrerin habe ich für den SU gelernt, dass ich immer schön das Vorwissen der SuS aktivieren muss und darauf aufbauen soll. Das leuchtete mir immer ein, ich habe mir (denke ich) umfangreiches und eigentlich gutes Handwerkszeug dazu angeeignet, aber... Nun bin ich schon seit 3 Jahren an einer Förderschule (L, ES, Sprache) und mühe mich mit den Fächern SU und Naturwissenschaften ab. Zu jedem neuen Thema, zu jeder Stunde mache ich mir kreative Gedanken, welches Vorwissen meine Kids haben könnten, wo es sich versteckt und wie ich es herauskitzeln könnte. Doch leider kommt dabei wirklich nur äußerst selten etwas bei rum!


    Nun zweifle ich langsam, aber sicher wirklich an mir selbst. Bin ich unfähig oder erwarte ich zu viel? (Dabei erwarte ich doch wahrlich keine perfekt formulierten Wiedergaben irgendwelcher Sachlexikoneinträge!)
    Oder ist es vielleicht wirklich so, dass Förderschulkinder einfach deutlich weniger an Vorkenntnissen mitbringen und ich mich damit abfinden muss?


    Wie geht ihr damit um? Habt ihr Tipps für mich?

  • Ja, es ist bei einigen Kindern erschreckend wenig bekannt. Neue Themen führe ich gerne mit einem Wimmelbild ein, das ist eine super Sprachförderung. Oder ich mache ein abgespecktes Cluster, schreibe das Thema in die Mitte der Tafel und die Schüler sollen ihre Ideen und Wörter drum herum anschreiben.
    Dann lass ich mich einfach überraschen was so kommt.

  • Das Problem bei SuS mit Lernbehinderungen ist, dass Gelerntes immer wieder wiederholt werden muss. Ich arbeite immer wieder mit stetiger Wiederholung. Selbst schon erlerntes Wissen kann einfach wieder weg sein,... die "Power" wurde für ein anderes Thema gebraucht.
    Ich steige deswegen auch immer gerne mit Cluster ein oder mit Fragen zum Thema sammeln. Dabei entwickeln sich in der Klasse oft Gespräche, die mir zeigen, was die Allgemeinheit weiß.
    So blöd das klingt: man muss sich damit abfinden. Ich führe bei jeder Wiederholung ein bisschen neues ein. Das funktioniert ganz gut.

  • Hallo Muckele,


    vermutlich erwartest du zu viel, bzw. deine Methode funktioniert für dich so nicht. Also hilft nur umdenken. Was kannst du tun, damit die Sachthemen für dich zufriedenstellender erarbeitet werden können?
    Ich merke auch immer, dass die Aktivierung des Vorwissens meiner Schüler nicht der richtige Weg ist. Bei meiner Lerngruppe ist es so, dass einige sehr viel wissen, andere aber die einfachsten Zusammenhänge nicht begreifen können, auch wenn ich das Vorwissen der besseren Schüler umformuliere und erkläre.
    Du könntest mit Versuchen beginnen und Fachbegriffe einfließen lassen. Oder auch mit einer grundsätzlichen Info (Text, Bilder, einfache Zuordnungsaufgaben), auf die du aufbaust. Mir hilft es immer wieder, wenn ich weniger erwarte, handlungsorientierter arbeite und meine Erwartungen zurückschraube. Wir arbeiten an der Förderschule, da geht vieles langsamer. Das muss ich mir auch immer wieder ins Gedächtnis rufen. Du musst für deine Lerngruppe entscheiden, ob du lieber mehr Themen, dafür weniger vertieft oder eben einfach nur wenige Themen, dafür intensiver, behandeln willst.
    Meine Schüler fühlen sich sicherer, wenn sie angeleitet werden. Beim freien Unterrichtsgespräch schweifen sie eher. Daher gebe ich ihnen lieber etwas in die Hand, woran sie arbeiten können. Damit habe ich bisher die besten Erfolge, auch wenn ich mir wünschen würde, dass manches schneller, genauer, treffender und vertiefter erarbeitet würde. Ist halt so...

  • Vllt. muss man auch die Perspektive ein bisschen ändern: Anstatt nur zu fragen, was die SuS an theoretischem und begrifflich abrufbarem Vorwissen haben, kann man auch an ihre konkret-handlungsbezogenen Erfahrungen mit den Unterrichtsthemen anknüpfen und diese beobachten; denn Sachunterrichtsthemen sind ja in der Regel so ausgewählt, dass sie relativ nahen Lebensbezug haben.

  • Ich bin zwar keine Lehrkraft vom Fach, allerdings seit September an einer L/E S Schule und habe dort eine Klassleitung inne.


    Es ist oft verwunderlich, wie wenig hängen bleibt, aber ich habe festgestellt, dass meine Kids (6. Schulbesuchsjahr) sehr gerne spielerisch lernen. Übungen in Spiele einbauen, in denen es Gewinner gibt - aber auch Erfolgserlebnisse für die schwächsten SuS schaffen. Mittlerweile können sie die Wortarten z.B. prima zuordnen :)


    Vorwissen aktivieren: nunja, wo nicht viel ist, kann nicht viel aktiviert werden :/ Wenn es aber nur irgendwie geht, pack ich die Hobbys, Erfahrungen etc. der Kinder mit in den Einstieg und somit ist die Motivation meist recht hoch...

  • "Lehrerinnen sind liebe Menschen, die uns mit Problemen helfen, die wir ohne sie nicht hätten"


    Ich zitiere mal deinen eigenen Anhang ;)


    Ich verstehe die Frage ehrlich gesagt nicht: du arbeitest mit Kindern aus deprivierten Verhältnissen, die aufgrund von "einfacher" Vernachlässigung (vor dem Fernseher großwerden, mangelnder Ansprache)-> Lernbehinderung
    oder wegen massiver Vernachlässigung (Bindungsstörungen, Misshandlungserfahrungen, psychischen Störungen der Eltern)-> Verhaltensbehinderung
    kein Vorwissen haben können oder es nicht aktivieren können.


    Geh mit ihnen raus, nehmt Fernglas und Lupe mit, sammelt Kastanien, legt ein Herbarium an, riecht am Waldboden, haltet ein Meerschweinchen, stellt fragen, experimentiert, wundert euch, findet heraus und entdeckt dabei, was sie dazu schon wissen, verstanden haben und erzählen wollen.

  • @ Pausenbrot:


    Du beziehst dich - was viele tun, die nicht in SU oder NaWi ausgebildet sind - in deinen Ausführungen rein auf biologische Inhalte. Diese sind sehr leicht erfahrbar zu machen, da stimme ich dir zu. Sachunterricht und Naturwissenschaften - in meinem Fall Physik in Mittel- und Oberstufe - ist aber weitaus mehr als nur Biologie. Und unbelebte naturwissenschaftliche Phänomene finde ich nicht so leicht begreifbar zu machen...
    Und Nein, ich kann nicht nur (biologische) Themen machen, die die SuS interessieren - denn ich bin nun mal für das Fach Physik zuständig gemacht worden und meine SL sieht das als sehr wichtig an, dass auch Physik stattfindet. Für mich als ausgebildete SU-/Bio-Lehrkraft und fachfremd Physik unterrichtende Lehkraft schon nicht leicht.


    Zudem verhält es sich so, dass ab Beginn der Pubertät das Interesse an naturwissenschaftlichen Phänomenen bei vielen SchülerInnen recht schlagartig gegen Null tendiert. Da fällt es (mir) schwer, zu motivieren; noch dazu demotiviert es auch mich nach mehreren Schuljahren auch so langsam, aber sicher.


    Meine Ausgangsfrage bezog sich darauf, ob auch andere Kollegen die Erfahrung gemacht haben, dass die SuS wirklich nur wenig Vorwissen abrufen können - oder ob dieser Eindruck sehr subjektiv von mir ist. Vielen Dank also für die entsprechenden Rückmeldungen!

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