Wie beginnt man mit freiem Schreiben in der ersten Klasse?

  • Hallo,


    ich habe seit September eine erste Klasse. Mittlerweile haben fast alle Kinder das "Lesen" und auch "Schreiben" - also zumindest mit den gelernten Buchstaben - richtig gut verstanden. Und natürlich WOLLEN sie auch schreiben!
    Bisher habe ich sie immer wieder freiwillig schreiben lassen, aber bisher nur ohne richtiges Thema oder Anleitung.


    Nun möchte ich sie nach den Weihnachtsferien das erste mal in ihre "Geschichtenhefte" schreiben lassen, also von Weihnachten, Silvester bzw. von den Ferien "erzählen" lassen. Mir ist auch bewusst, dass es da sehr große Unterschiede geben wird zwischen den einzelnen Kindern, was ja auch okay ist. Nur bin ich total unsicher, wie ich das anleiten soll. Wenn ich sage: Schreibt mal was, dann werden die meisten Kinder total hilflos dort sitzen.
    - Sage ich da, dass sie auch nur einzelne Wörter schreiben können? Ich meine, es werden mit Sicherheit nicht so viele wirkliche Sätze oder Texte schreiben.
    - Wie viel Hilfestellung soll ich geben? Ich meine, eigeentlich sollten sie versuchen, selber zu schreiben, im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Aber ich bin sicher, dass die meisten mich dann fragen werden, wie man Dies und Jenes schreibt. Und ich befürchte, dass sie dann eben meine Texte nur abschreiben, was ja nicht Sinn der Sache ist.
    - Immer wieder kommt die Frage von einzelnen Kindern, ob sie denn groß oder klein schreiben sollen. Wie kann ich das handhaben? Die Regeln mit Namenwörtern, Satzanfang haben wir ja noch nicht und natürlich auch noch nciht alle Buchstaben. Bisher habe ich immer gesagt, dass das egal ist, bin aber auch ziemlich unsicher, ob das richtig ist? Nicht dass sie sich dran gewöhnen, dass das keine Bedeutung hat und nach ein paar Monaten komme ich dann mti Regeln und erwarte, dass sie sich umstellen?


    Ich hoffe, dass mir jemand gute Tipps geben kann, denn irgendwie fühle ich mich da ziemlich überfordert...


    Liebe Grüße
    Judit

  • Du bist Dir sicher dass die Kinder Dich fragen werden? Etwas besseres kann Dir nicht passieren.


    Wenn Kinder etwas schreiben wollen und fragen Dich wie das "geht", dann schreib es für jedes Kind extra an die Wandtafel und zeig so lange drauf bis das Kind es sicher mit den Augen gefunden hat. Ich hab sogar lauter verschiedene Farben verwendet und möglichst groß und deutlich geschrieben. Wenn die Tafel mehrmals randvoll wurde für all die Geschichten, dann wars erfolgreich und Kinder haben gelernt, dass sie Dich fragen können und dass es nicht "schwere" Wörter gibt. Du hilfst ihnen ja.


    Und wenn Kinder eigene Wortschöpfungen gefunden haben,lies ihnen einfach vor was da steht. Wenn sie nach der "richtigen" Schreibweise fragen, schreibs hin.


    Wenn das gleiche Wort hintereinander von mehreren Kinder erfragt wird, schreib es für jedes Kind extra auf. Mich fragte ein kleiner Junge wirklich wochenlang: Wie geht "heute" und freute sich drüber dass ich es jedesmal geschrieben hab. Er wollte einfach wissen ob ich zuverlässig bin und geduldig. Die Kinder sehen bei Dir nur richtig Geschriebenes und sind dann im dritten Schuljahr sehr sichere Rechtschreiber.

  • Ich habe auch eine 1. Klasse. Die Kinder schreiben meistens zu Bildern. (Manche nur Wörter, andere schon richtige Texte.) Wir haben vor Weihnachten zu Hänsel und Gretel - Bildern geschrieben. Bei einigen kann man sogar das Märchen erkennen. ;) Man braucht viel Fantasie, um manche Wörter zu erkennen. Aber die Regel ist: Ich schreibe, was ich höre. Erst nach und nach, vorerst bei den guten Schreibern weise ich auf bestimmte Regeln hin: ("Die Erwachsenen schreiben hier ein..., weil...) Wir haben auch schon Wunschzettel, für den Adventskalendewr usw. geschrieben. Dazu haben wir eine Anlauttabelle. Ihr auch? Denn sonst sind ja nur die eingeführten Buchstaben verfügbar. Schon behandelte Wörter sollten richtig geschrieben werden.
    Viel Erfolg!

  • masseurin:
    Ich habe mir das Ganze so vorgestellt, dass die Kinder ein Bild von ihren Ferien malen und auf die andere Seite (wir haben so ein Heft, wo die linke Seite immer leer ist - zum Malen - und die rechte Seite liniert) können sie etwas dazu schreiben. Aber sage ich dann einfach: "Male ein Bild und schreibe etwas dazu"? Oder sollte man da konkretere Anweisungen geben? Ich kann mir halt vorstellen, dass manche Kinder da keine Ahnung haben, was ich von ihnen erwarte... Und ich geh mal davon aus, dass manche Kinder schon ganze Sätze schreiben werden, andere einzelne Wörter - manche können noch GAR nichts schreiben, was mache ich mit denen???
    Ja, wir haben eine Anlauttabelle und die meisten Kinder kommen damit auch zurecht. Von dem her ist es schon klar, dass im Prinzip alle Buchstaben "greifbar" sind. Mit meiner Frage meinte ich eher die Groß- und Kleinschreibung. Also wenn sie ein Wort schreiben, in dem Buchstaben vorkommen, die noch nciht behandelt wurden, dann ist es doch fast zu viel gefordert, dass sie dann auch noch überlegen, ob sie aus der Tabelle den großen oder kleinen Buchstaben nehmen? Am einfachsten wäre natürlich alles groß zu schreiben, aber eigetnlich finde ich es schon sinnvoll, wenn sie langsam an das richtige Schreiben mit Groß- UND Kleinbuchstaben herangeführt werden. Aber oft kommen dann Wörter mit groß und klein total gemischt wie z. B. WEIhnAchTen oder so... Und verbessern soll man ja bei freien Texten nicht, oder?


    robischon:
    Natürlich helfe ich den Kindern, wenn sie fragen, wie ein Wort richtig geschrieben wird. Das steht außer Frage! Ich befürhcte nur, dass sie dann kommen, einen ellenlange Satz sagen und fragen, ob ich den vorschreiben kann. Und DAS kann ja nicht der Sinn vom freien Schreiben sein, dass sie meine Sätze abschreiben...

  • ich verstehe offiziell gar nichts von grundschülern.


    also völlig laienhafte idee: ich finde es nicht einleuchtend, dass du ihnen keine ganzen sätze vorschreiben sollst, wenn sie danach fragen - wieso denn nicht? mit der zeit ergänzen sie mehr und mehr alleine ("schreiben frei") - die starken machen das auch von anfang an?! - und am ende hast du wunderhübsche fertige texte auch von den ganz schwachen. schrittweiser abbau von hilfen ergibt am ende doch auch freies schreiben. hat zudem den vorteil, dass man gut differenzieren kann (viel hilfe, wenig hilfe, keine hilfe). jeder in seinem tempo zu seiner zeit. du hast ja in der grundschule den luxus, viel zeit mit den kindern ohne das diktat des stundentaktes zu verbringen... (im vergleich zur weiterführenden schule).
    oder lass sie briefe schreiben - das klassenmaskottchen hat etwas erlebt und euch einen brief geschrieben - vorlesen (brief über ferienerlebnis von maskottchen); was wollt ihr ihm/ihr antworten?... klassenbriefkasten einrichten, ein brieffach für jeden, und schon hast du ganz viele mortivierende schreibanlässe. briefe an unbeliebtere kinder kannst ja du dort einwerfen. sie antworten sicherlich.

  • Kecks hat recht. Die Hilfe sollte man nicht einschränken. Fast kein Kind will ellenlange Sätze vorgeschrieben bekommen. Es sind Wörter oder kurze Kombinationen.


    Groß und Kleinschreibung war bei mir kein Problem. Am Anfang gab es nur Großbuchstaben. Später ist es auch kein Problem, weil ich ja die Schreibweisen tatsächlich kenne.

  • immer noch laienhafte anekdotenmeinung vom sekundarlehrer:


    das ist wie diese angst, dass die rechtschreibung nichts wird, wenn man anfangs bei "lesen durch schreiben" keinen rotstift in die lautgetreu selbst geschriebenen sätze der kinder einbringt, um sie nicht zu demotivieren. meine mam hat das jahrzehntelang (seit anfang 90er) an einer dorfgrundschule gemacht - die kinder konnten weihnachten im schnitt lesen (und 'schreiben'), und die "so schreiben das die erwachsenen"-version wurde den kindern von der lehrerin unter deren selbst verfasste wilde texte geschrieben (die wirklich toll und faszinierend sind!) und meist früher oder später bereitwillig abgepinselt - die kinder *wollen* so schreiben wie die erwachsenen und übernehmen das vorbild sehr schnell. sie kommen auch und fragen, "wie schreibt man wort xy?" (fragen also nach der rechtschreibung! wenn sie nicht negativ besetzt ist, wollen sie genauso lernen, 'richtig' zu schreiben, wie sie lesen lernen wollen; die wilden lautgetreuen formulierungen sind einfach eine zwischenstufe, wie auch die großbuchstaben) und das teils in der dritten woche! der pc im klassenzimmer war da auch hilfreich - kinder tippten die korrekt geschrieben version auch gerne nochmal ab und üben dabei gleich noch ein bisschen. das ganze lief im rahmen von wochenplanarbeit. das schwierigste war der aussage meiner mutter nach, die eltern zu beruhigen, die ab und an angst hatten, ihre kinder könnten nicht genug lernen/sich fehler angewöhnen usw. aber in den 90ern war wohl die 'waaaaah, mein kind muss ans gymnasium, auch wenn es dort unglücklich sein wird'-manie auf dem land in einem mehr oder weniger bauerndorf noch nicht ganz so wild wie 2013.


    ...schrittweiser abbau von hilfen ergibt ein brauchbares endprodukt, egal ob bei freiem schreiben oder rechtschreibung.

  • Ich würde erst mal eine Erzählrunde über die Ferien starten. Dann würde ich über meine eigenen Ferien berichten und ihnen sagen, dass ich etwas über meine Ferien aufschreiben möchte. Die Kinder können dann Wörter nennen, die zu meinen Ferien passen. Ich suche mir ein lautgetreues Wort aus denen heraus, die die Schüler nannten. Dieses schreibe ich gemeinsam mit den Kindern an die Tafel. Wir sprechen uns das Wort dabei vor und dehnen die Buchstaben. Dann frage ich, was die Schüler am Anfang hören. Sie sollen mir den Laut auf unserem Buchstabenposter zeigen. Dann sprechen wir im Chor den Buchstaben mit dem jeweiligen Anlaut-Bild (B wie Banane). Ein Schüler schreibt den Buchstaben an die Tafel. Dann lesen wir, was wir schon geschrieben haben. Nun sprechen wir uns das Wort wieder gedeht vor, um den nächsten Laut herauszuhören usw.
    Am Ende male ich noch ein Bild zu diesem Wort.


    Die Schüler erhalten den Arbeitsauftrag. Beim freien Schreiben würde ich nicht zu viele Einschränkungen machen. Manche Kinder können schon mehrere Wörter oder einen Satz schreiben, andere eben nur ein Wort oder vielleicht auch nur den Anlaut. Solange die Schüler sich anstrengen, ist das in Ordnung.


    Zu beachten ist: Es gibt Kinder, die haben keine Schreibideen. Sie brauchen Unterstützung, um ein Wort oder einen Satz zu finden, den sie aufschreiben möchten.

  • Groß- und Kleinschreibung: Ich habe am Anfang die Kinder alles so schreiben lassen, wie sie es konnten und wollten. Dann habe ich darauf geachtet, dass die Wörter, die wir als Arbeitswörter gelernt haben, richtig geschrieben werden. Im nächsten Schritt sollten im Wort keine großen Buchstaben mehr stehen, zumindest bei den Buchstaben, die wir schon gelernt hatten. Den starken Schreibern gebe ich schon mal den Hinweise: Kann ich es sehen, fühlen, anfassen, riechen?


    Geholfen hat auch, die Kinder zu bestimmten Buchstaben Wörter suchen zu lassen und diese dann abzuhören. (Was fängt mit N an?...) Viele trauten sich erst nicht zu schreiben. Diese habe ich ermutigt, es einfach zu probieren und ihnen dann ihr Geschriebenes vorgelesen. Sie haben gemerkt: Oh, ich kann mich ja doch ausdrücken. Ich helfe auch, wenn jemand etwas schreiben lassen will. ("Sekretärin") Aber dann frage ich die Kinder bei lautgetreuen Wörtern, welche Laute sie hören und sie merken: Das kann ich ja doch. Zwei kInder schreiben nur Skelettschriftt: 1. und letzten Buchstaben - hier frage ich, welchen König (Vokal) sie hören.


    Vielleicht haben die Kinder Lust, ihre Geschenke aufzuschreiben/ zu malen. Oder was Silvester los war...


    Nur Mut - probier es einfach - ich bin auch blutiger Anfänger, aber es funktioniert. :_o_D Wenn es noch nicht bei allen klappt, ist es auch nicht so schlimm. Die steigen noch dahinter.


  • - Sage ich da, dass sie auch nur einzelne Wörter schreiben können? Ich meine, es werden mit Sicherheit nicht so viele wirkliche Sätze oder Texte schreiben.
    - Wie viel Hilfestellung soll ich geben? Ich meine, eigeentlich sollten sie versuchen, selber zu schreiben, im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Aber ich bin sicher, dass die meisten mich dann fragen werden, wie man Dies und Jenes schreibt. Und ich befürchte, dass sie dann eben meine Texte nur abschreiben, was ja nicht Sinn der Sache ist.
    - Immer wieder kommt die Frage von einzelnen Kindern, ob sie denn groß oder klein schreiben sollen. Wie kann ich das handhaben? Die Regeln mit Namenwörtern, Satzanfang haben wir ja noch nicht und natürlich auch noch nciht alle Buchstaben. Bisher habe ich immer gesagt, dass das egal ist, bin aber auch ziemlich unsicher, ob das richtig ist? Nicht dass sie sich dran gewöhnen, dass das keine Bedeutung hat und nach ein paar Monaten komme ich dann mti Regeln und erwarte, dass sie sich umstellen?


    Ich hoffe, dass mir jemand gute Tipps geben kann, denn irgendwie fühle ich mich da ziemlich überfordert...

    Jetzt musste ich gerade nochmal nachlesen, weil ich es zuerst so verstanden hatte, dass du "Lesen durch Schreiben" praktizierst und da habe ich mich ziemlich gewundert, dass deine Kinder bisher so wenig frei geschrieben haben. Aber du schreibst ja von "Lesen" und auch "Schreiben". Arbeitet ihr denn auch zusätzlich mit einer Anlauttabelle oder "können" die Kinder wirklich nur die bisher durchgenommenen Buchstaben?
    WIr arbeiten alle nach Reichen, also "Lesen durch Schreiben" und ich habe schon in der zweiten Woche angefangen, dass die Kinder montags Tagebuch führen. ALso erst gibt es eine Erzählrunde vom Wochenende und danach holen alle ihre Tagebücher und malen oder schreiben etwas auf. Viele Kinder haben anfangs nur gemalt. Irgendwann habe ich sie dann ermuntert, zumindest ein Wort zu ihrem Bild zu schreiben und mittlerweile schreiben auch die Erstklässler (habe eine jahrgangsgemischte Klasse) meist von alleine was rein - manche nur einzelne Wörter, andere ganze Sätze.
    Auch Schreibanlässe z.B. zu Sachunterrichtsthemen oder auch Bilder(geschichten) gibt es regelmäßig und einige Erstklässler haben schon vor den Herbstferien ganze Geschichten mit Überschrift geschrieben (natürlich nicht rechtschriftlich korrekt, aber so dass man das Gelesene verstehen kann (auch meine eigene Tochter hat im 1. SJ in den Herbstferien schon alleine eine Postkarte an Oma und Opa geschrieben). Wörter komplett vorschreiben mache ich nicht, danach fragen meine Erstis auch gar nicht. Wenn, dann lautiere ich mit ihnen gemeinsam und die Kinder suchen die passenden Buchstaben auf der ANlauttabelle (aber gut, das geht natürlich nicht, wenn die Kinder nicht an die Anlauttabelle gewöhnt sind).
    Wenn die Kinder fragen, ob etwas groß oder klein geschrieben wird, dann würde ich das schon erklären, also nicht für alle sondern gezielt für die, die danach fragen. Da würde ich nicht sagen, dass es "egal" ist, denn das ist es ja letztlich nicht und wenn sie schon das Interesse daran haben ist das doch super.
    Blöd ist natürlich, wenn die KInder sich zu sehr darum sorgen und möglichst nichts "falsch" schreiben wollen, denn dadurch wird der Schreibfluss natürlich sehr gebremst.

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