Grammatikunterricht in der Oberstufe?

  • Hallihallo!
    Ich habe mich nun neulich, wohl im Anflug absoluten Übermuts, dazu bereiterklärt, eine Grammatikübung für die Oberstufe für mein Grammatikseminar zu entwerfen. Nun habe ich soetwas zum einen noch nie zuvor gemacht und kann zum anderen nun nichts geeignetes als Thema oder mögliches zu bearbeitendes Problem finden. Selbst meine Seminarsleiterin meinte, dass in der Oberstufe mit Grammatik ja nicht mehr so viel los ist und ich mal schön kreativ sein soll.
    Ich habe mir also einen hübschen Usernamen ausgedacht und frage mal in die Runde, ob einer der hier Anwesenden seine Oberstufe noch ab und an mit gRammatik quält und wenn ja, mit was?


    Frohes Neues im Übrigen!

  • ideen:


    - anbinden an aufsatzarbeit - wiederholung grammatischer phänomene, die man für die abiturrelevanten aufsatzformen beherrschen sollte, viele aber gar nicht oder nur rudimentär beherrschen. beliebt ist da sicherlich der konjunktiv und die indirekte rede (zitieren!).


    - wiederholungskurs komplett: individueller eingangstest (z.b. klauen aus jahrgangsstufentests der unter- und mittelstufe, die in manchen bundesländern üblich sind), auswertung durch schüler (partnerarbeit o.ä.) mit erhebung der individuellen fehlerschwerpunkte, dann differenzierte stationenarbeit o.ä. (differenzierung nach fehlerschwerpunkt; auch nicht vergessen, was die sehr guten leute ohne förderbedarf tun sollen... vielleicht material zur wiederholung für andere entwerfen?!) zur verbesserung des niveaus, zum abschluss nochmal test und auswertung und als ende reflexion der eigenen arbeitshaltung während der aktion/evaluation der methodik durch schüler/reflexion der eigenen grammatischen stärken und schwächen. zeitaufwendig.


    - jahrgangsstufentest nutzen, um schulintern oberstufenklasse gegen eigentlich getestete klasse antreten zu lassen. oft sind die kleinen besser! diesen wettebewerb schulintern bewerben und kommunizieren :). davor vorbereitung durch wiederholung bzw. danach wiederholungskurs aus gegebenen anlass :).


    - oberstufe entwirft übungsmaterial für partnerklasse in unterstufe (tutoren?!)

    • Offizieller Beitrag

    Der Ansatz "mit Grammatik quälen" ist schon ein ganz schlechter.


    Was ist das für ein Seminar? Uni? Studienseminar?
    In der Oberstufe gibt es festgelegte Themen, da solltest du im KC gucken, ob es überhaupt Sinn macht, bzw. welche Kompetenzen du überprüfen möchtest.
    Im Deutsch-KC habe ich noch nicht geguckt (ich mache gerade mein Ref in anderen Fächern) aber in den Fremdsprachen hat die Grammatik nur eine der Kommunikation dienende Funktion. Also wird es schwierig mit der "Grammatik pur".


    Aver "Reflexion über Sprache" ist zumindest ein geläufiges Thema in einigen Bundesländern.


    Chili

  • Ich baue ganz regelmäßig Grammatikmomente in meinen Unterricht ein - sogar im Geschichtsunterricht. Neben der Semantik ist die Grammatik das wesentliche Instrument, Sprachproduktion im Detail präzise und elegant zu machen, ohne dass man sich in einem hypotaktischen Gewirr abstruser Konstruktionen verliert. Es gibt keinen Grund, damit in der Oberstufe aufzuhören, bloß weil man sich einbildet, dass Oberstufenschüler ihre Grammatik beherrschten. :)


    Grammatikreflexion in der Oberstufe sollte immer kontextgebunden sein, z.B. wie färbt der Schreiber eines Briefes seine Meinung zu einem Thema (Konjunktiv- und Indikativgebrauch). Oder, wie werden Hypotaxen und Reihungen zur Steuerung der Argumentation genutzt. Oder man könnte schon erste Schritte in Richtung der Textgrammatik gehen...


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    Nur Grammatik halte ich auch für ein wenig problematisch, aber vielleicht könntest du ja eine "Sprach- und Stilübung" daraus machen? Im Endeffekt haben das meine Vorschreiben ja auch schon gemeint. :D
    Gerne genommen, auch wenn es banal erscheint, aber zumindest meine "Schätzchen" machen es immer wieder falsch oder auch gar nicht- Umformen von Nebensätzen in Nominalisierungen- oder gar (igitt!) Partizipien. Lieber schreiben die Sätze mit gefühlten 27 Relativ-und Nebensätzen, bevor sie einmal nominalisieren.

    • Offizieller Beitrag

    Nele, in ordentliche Gliederungen zu einer Textanalyse gehören nun mal keine Verben :P
    Und wenn du einmal so einen Schwurbelsatz meiner Schüler gelesen hättest, die vor lauter "der, nachdem er, die, die anschließend..." usw. keinen Sinn im Satz mehr erkennen lassen, würdest du mich verstehen. ;)

  • ...ich nehme x-mal lieber eine saubere gliederung von mir aus auch mit nicht nominalisierten verben (solange es nur konsequent durchgehalten und nicht vermischt wird, ergo annehmbar - schlicht und klar - klingt und flüssig, funktional zu lesen ist), solange der haufen nur davon absieht, die eigenen texte voller nominalisierungen und passivkonstruktionen zu stopfen. das liest sich dann bei manchen schon wie das berühmte soziologen-deutsch der 70er. grauenhaft ist gar kein ausdruck. sie versuchen dann, seriös und alltagssprachenfern zu formulieren, und sie landen zielsicher im verschwurbelten sumpf.


    die alternative zu nicht enden wollenden schachtelsätzen (der...die...weshalb..und noch ein hauptsatz), bei denen der schreiberling selber gern mal den überblick verliert, ist meiner erfahrung nach (schüler und auch studierende an der uni sind da gleichermaßen betroffen) nicht das fördern des nominalisierens, sondern das schulen eines klaren und schlichten satzbaus: keine nominalisierungen wenn möglich, nur sehr wenige und wohl gewählte passiv-konstruktionen, keine dass-sätze wenn irgendwie möglich, nicht mehr als zwei nebensätze oder einschübe pro hauptsatz. außerdem nach jeder produzierten seite zehn satzzeichen zur hand nehmen und an passender stelle in das fast fertige textprodukt einfügen.


    bringt wirklich merkbare stilverbesserungen bis hin zu manchmal tatsächlich gut (!) zu lesenden texten (schlicht, klar, präzise) von eher nicht so sprachbegabten schülern. schreiben ist halt doch auch ein handwerk.

  • ...ich nehme x-mal lieber eine saubere gliederung von mir aus auch mit nicht nominalisierten verben (solange es nur konsequent durchgehalten und nicht vermischt wird, ergo annehmbar - schlicht und klar - klingt und flüssig, funktional zu lesen ist), solange der haufen nur davon absieht, die eigenen texte voller nominalisierungen und passivkonstruktionen zu stopfen. das liest sich dann bei manchen schon wie das berühmte soziologen-deutsch der 70er. grauenhaft ist gar kein ausdruck. sie versuchen dann, seriös und alltagssprachenfern zu formulieren, und sie landen zielsicher im verschwurbelten sumpf.


    die alternative zu nicht enden wollenden schachtelsätzen (der...die...weshalb..und noch ein hauptsatz), bei denen der schreiberling selber gern mal den überblick verliert, ist meiner erfahrung nach (schüler und auch studierende an der uni sind da gleichermaßen betroffen) nicht das fördern des nominalisierens, sondern das schulen eines klaren und schlichten satzbaus: keine nominalisierungen wenn möglich, nur sehr wenige und wohl gewählte passiv-konstruktionen, keine dass-sätze wenn irgendwie möglich, nicht mehr als zwei nebensätze oder einschübe pro hauptsatz. außerdem nach jeder produzierten seite zehn satzzeichen zur hand nehmen und an passender stelle in das fast fertige textprodukt einfügen.


    bringt wirklich merkbare stilverbesserungen bis hin zu manchmal tatsächlich gut (!) zu lesenden texten (schlicht, klar, präzise) von eher nicht so sprachbegabten schülern. schreiben ist halt doch auch ein handwerk.

    Das klingt sehr vernünftig, Kecks. Darf ich mal fragen, wie man den Schülern das am besten vermitteln kann? Ich sitze gerade an der Vorbereitung einer Sequenz in der siebten Klasse, die der Verbesserung des Ausdrucks dienen soll und weiß nicht so recht, was man da genau machen könnte. Klar, Wortfeldübungen, Konjunktionen usw., aber sonst? Und wie kriege ich es hin, dass es nicht eine reine Aneinanderreihung von kleinen Übungen wird? Hat jemand Tipps für einen blutigen Anfänger? (Sorry, wenn ich mich hier so reindränge, aber es passt thematisch gerade.)

  • ....mh. ich mache das nicht als eigene sequenz, sondern immer wieder mal, wenn es gerade reinpasst. gut funktionieren eigentlich immer sammlungen mit schlechten (echten) schülerformulierungen aus aufsätzen - das kann man dann gemeinsam/in schreibkonferenzen/wie auch immer überarbeiten, bevor man sich selbst ans werk macht.


    oder man sucht sich literarische schachteltexte (prosa mit verschlungenen sätzen ohne punkte vs. prosa mit ganz vielen hauptsätzen so gut wie ohne nebensätze) und lässt das auf form und wirkung untersuchen, u.u. auch selbst was ähnliches schreiben (zum selben thema, gern auch was spaßiges...): die eine hälfte der klasse arbeitet ganz ohne nebensätze, die andere mit sehr vielen nebensätzen o.ä.; sozusagen satzbau aus literarisches ausdrucksmittel kennenlernen (und damit auch verstehen, weshalb bei einem sachtext ein guter stil eben schlicht und klar sein soll, und nichts weiter, vor allem nicht verschraubt und verschwurbelt).


    oder man produziert selbst einen verschwurbelten soziologen-deutsch-text über einen unterrichtsinhalt oder als verschriftlichte auswetung einer infografik (nicht-lineare sachtexte - im internet gibt es tolle, auch sehr ästhetische infografiken!) und lässt die schüler das dann nach erarbeitung der stilhinweise (dass-raus, passiv raus, nominalisierungen raus) überarbeiten (sachtextproduktion). ggf. dazwischen übungen zur umformung passiv/aktiv, nominalisierung/nebensatz etc.


    ...sehe gerade, du suchst für klasse sieben... vielleicht entsprechend von dir stilistisch verunstaltete inhaltsangaben produzieren (jeder hauptteil mit nur einem stilfehler, der aber in jedem satz, entsprechend viele verschieden verunstaltete hauptteile) und gemeinsam verbessern? da geht's aber doch noch eher darum, dass sie zusammenhänge darstellen mit konjunktionen (als, da, weil, während, obwohl...), dass sie keine unnötigen wortwiederholungen bauen, dass sie nicht aus dem originaltext abschreiben, dass sie infinivsätze verwenden, dass sie relativsätze funktional einbauen und all sowas.

    2 Mal editiert, zuletzt von kecks ()

  • Au ja, au ja! Cool, darf ich mal?? (*freu*)


    Aus:

    ist meiner erfahrung nach (schüler und auch studierende an der uni sind da gleichermaßen betroffen) nicht das fördern des nominalisierens, sondern das schulen eines klaren und schlichten satzbaus


    Wird:

    Zitat

    Meiner Erfahrung nach sollte sowohl bei Schülern wie auch bei Studenten weniger die Nominalisierung gefördert als vielmehr ein klarer und schlichter Satzbau geschult werden.


    'Tschuldigung, ich konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen... ;)


    Nele

  • Danke für die Antworten! Damit lässt sich sicherlich etwas anfangen und hat mir wirklich weitergeholfen!


    Es ist ein Didaktikseminar im Sprachwissenschaftszweig. Mein Praktikum begleitet ein literaturwissenschaftliches Seminar und dieses ist nun das sprachwissenschaftliche Gegenstück dazu. Es handelt eben vom Grammatikunterricht und verschiedenen Unterrichtsmethoden wie integrativem GU, der Grammatikwerkstatt usw. Mit dem von euch Geschriebenen kann ich mir mit Sicherheit ein paar mögliche Ansätze und Übungen zusammenbasteln.


    Vielen Dank!

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