Meine Vorurteile gegenüber der Eingangsstufe

  • Zitat

    Wie gesagt, im Kindergarten ist das gemeinsame Lernen längst etabliert, niemand zweifelt an diesem Ansatz: Hier ein paar Kinder in der Leseecke in Bücher vertieft, dort welche arbeitend an Tischen, allein oder in Kleingruppen, mit und ohne Erzieherin, draußen spielen welche Fußball, eins gießt die Blumen, zu einer bestimmten Zeit treffen sich alle zum gemeinsamen Morgenkreis,

    Das ist jetzt wohl das, was in unserem Kindergarten als "freies Spiel" bezeichnet wird - aber, zumindest bei uns - gibt es durchaus auch "inszenierten Unterricht", der den Kindern einerseits gefällt und der sie auch fordert und fördert. Sooo ganz frei und gemeinsam ist das da nun auch nicht.

  • Sooo ganz frei und gemeinsam ist das da nun auch nicht.


    Nee, inspirieren, einladen, ermutigen gehören natürlich immer dazu. Machmal auch "liebevoll gezwungen". Wenn ich Spinat noch nie probiert habe, weiß ich nicht, ob er mir schmeckt. ;)


    >> was in unserem Kindergarten als "freies Spiel" bezeichnet wird << Man könnte es auch "Freies Lernen" oder "Freiarbeit" nennen.

  • Ja - und daneben gibt es auch "Unterricht" - z.B. wurden die Farben durchgenommen oder einmal konnte ich beim Besuch einer Praktikantin eine Einheit über den Löwenzahn sehen. Alles natürlich kurz und kindgemäß.


    Bin eigentlich total begeistert, wie sich der Kindergarten im Vergleich zu meinem eigenen Kindergartenbesuch verändert hat - und wieviel Mühe sich die Erzieherinnen geben. :)

  • Bei selbstständigem Lernen, gerne auch mit anderen und begleitet von Erwachsenen, finden Kinder vor allem heraus, dass man selber etwas suchen und finden kann und es dann ausprobieren und überarbeiten kann. Feststellen obs wirklich funktioniert und zusammenpasst, zu welchen anderen Sachverhalten oder Abläufen es passt und was man noch damit machen kann. Also "selber Lernen" zu können.


    So wie Kinder eben von selber im Kindergarten lernen, solange sie das noch dürfen.


    Dass in Kindergärten für die Gruppen der Schulanfänger dann "Unterricht" dazu kommt, soll Service für ungeduldige Eltern sein, Misstrauen gegenüber dem selbstständigen Lernen oder Abhärtung für das Verfahren das in der Schule auf Kinder üblicherweise zukommt.


    Ich bin dreißig Jahre lang jede Woche in den Kindergarten gegangen, hab Kindern zugeschaut und zugehört und hab Schulanfängergruppen gerne auch in der Schule jede Menge Lernmaterial und Lerngelegenheiten ausgebreitet und Erzieherinnen und Eltern zeigen können, dass Kinder tatsächlich auf all die Möglichkeiten zugehen und etwas daraus und damit machen. Und dann konnte ich in der Schule einfach so weitermachen.


    Nur Eltern, die selber im Lehramt waren oder vorgesetzte Schulbehörden blieben misstrauisch.

    • Offizieller Beitrag

    Nur Eltern, die selber im Lehramt waren oder vorgesetzte Schulbehörden blieben misstrauisch.


    Also die, denen man (du nicht, das wissen wir) also durchaus Hintergrundwissen zusprechen könnte?

  • Naja, die, die längst wissen wie Schule üblicherweise ablaufen soll und die all die Beschwerden die das mit sich bringt nicht den traditionellen Abläufen anlasten.


    Hintergrundwissen ist wahrscheinlich eher bei Lernforschern, Gehirnforschern, Anthropologen....

    • Offizieller Beitrag

    Die, die die rosarote Brille abgesetzt haben und wissen und akzeptieren, dass nicht alle Kinder gleich sind. Es gibt nunmal Kinder, die einfach nicht allein lernen können und wollen, so schade das auch für das Weltbild sein mag. Deren Job es ist, auch diesen Kindern zu Bildung zu verhelfen. Dabei anzuleiten; geeignete Aufgaben zu erstellen; diese Kinder zum Arbeiten zu animieren... und nicht ihnen einfach eine Kiste mit Material vorzuwerfen. Es GIBT Kinder, da wäre das verantwortungslos. Und das ist keine Einbildung, ich kenne solche Kinder. Jeder hier kennt solche Kinder. Nur du nicht.

    Bolzbold #5

    Gutmensch und Spaß dabei (= das GG und der Diensteid sind schon 'ne gute Sache 😉)

    "Und hast du die Ausrufezeichen bemerkt? Es sind fünf. Ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand die Unterhose auf dem Kopf trägt." (T. Pratchett)

  • einfach Material vorwerfen?


    Du stellst Dir das so vor?


    Natürlich hab ich auch jede Menge Kinder kennengelernt von denen Lehrerinnen oder Lehrer oder Eltern der Meinung waren, sie könnten oder wollten einfach nichts von selber tun.


    Dann kommt es darauf an ob man ihnen etwas zutraut und Geduld hat.


    Oder nicht.


    Das unterscheidet uns wohl.


    Andrea hat zum Schreiben- und Lesenlernen nur wenige Tage gebraucht, Florentine ca. 2 Jahre. (Die Namen sind natürlich geändert)

  • Ein Beispiel von der FS Leipzig: Ein Junge kam als Quereinsteiger an die Schule. Seine Eltern fragten ihn regelmäßig sowas wie "Und? Gefällt es dir an der Schule? Was machst du denn so den ganzen Tag? An welchen Projekten nimmst du teil?" Die Antworten waren immer einsilbig und so fragten sie die Lehrer mal beim Elterngespräch, was denn ihr Kind so mache. Er würde zu Hause immer nur sagen, er mache den ganzen Tag "nichts" und an Projekten nähme er auch nicht teil. Die Lehrer waren erstaunt, weil der Junge seit Wochen täglich viele Stunden aufm Sofa in der Bibliothek sitzt oder liegt und sich durch die PM- und Geo-Hefte liest...


    Material vorwerfen... wär traurig, wenns wirklich so gemeint war, denn so funktioniert das natürlich nicht. Man muss als Lehrer verstehen, dass man viel dazu beitragen kann, dass Lernen "gelingt", aber eine Garantie gibt es nicht. Auch wenn man von Staatswegen den Auftrag hat... Daher bin ich Fan freier Systeme, in denen der Schüler sich seinen Mentor selbst wählen kann und nicht auf das Urteil eines Lehrers angewiesen ist. Es gibt Schüler, zu denen ich keinen Zugang habe. Dafür komme ich bestens mit anderen klar, zu denen Kollegen keinen Zugang haben. Ein großer Vorteil offener Konzepte - für Schüler und Lehrer!

  • Ein Beispiel von der FS Leipzig: Ein Junge kam als Quereinsteiger an die Schule. Seine Eltern fragten ihn regelmäßig sowas wie "Und? Gefällt es dir an der Schule? Was machst du denn so den ganzen Tag? An welchen Projekten nimmst du teil?" Die Antworten waren immer einsilbig und so fragten sie die Lehrer mal beim Elterngespräch, was denn ihr Kind so mache. Er würde zu Hause immer nur sagen, er mache den ganzen Tag "nichts" und an Projekten nähme er auch nicht teil. Die Lehrer waren erstaunt, weil der Junge seit Wochen täglich viele Stunden aufm Sofa in der Bibliothek sitzt oder liegt und sich durch die PM- und Geo-Hefte liest...


    Ich stehe gerade scheinbar auf dem Schlauch, denn ich verstehe das Beispiel nicht. Ich kann das sowohl als ein Beispiel für als auch gegen (völlig) freies Lernen lesen. Wie ist das denn jetzt gemeint?

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Hallo Katta,


    natürlich FÜR freies Lernen!! Die Freie Schule Leipzig ist mein absolutes Vorbild! Wollte ja nur sagen, dass Kinder - selbst wenn sie dürften - nicht wochenlang nur auf Bäume klettern oder aus dem Fenster starren, sondern sich selbst Aufgaben suchen, die sie interessieren. Das entspricht dann sicher nicht dem, was manche Lehrer unter Lernen verstehen, aber dem, was die Hirnforschung darunter versteht. An der FSL haben die Lehrer z.B. immer im Hinterkopf, dass sie ihren Schülern folgendes auf den Weg mitgeben: Herauszufinden, "Wer bin ich? Wo sind meine Stärken? Was will ich?" Kulturtechniken, Social Skills, Nachhaltigkeit,... lernen sich so nebenbei. Faszinierend. :) Mein Kollegium ist leider nicht ganz so frei.


    Liebe Grüße
    Arabella

  • Danke für die Erklärung.


    Die Debatte wird hier ja immer wieder geführt (und als Gymnasiallehrer habe ich primär organisatorische Probleme diesbezüglich, ich wüsste einfach nicht, wie ich das unter den Rahmenbedingungen umsetzen sollte... aber das ist ein völlig anderes Thema - und wie gesagt, schon oft diskutiert...)

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

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