Meine Vorurteile gegenüber der Eingangsstufe

  • Moin,


    Im Rahmen der Neustrukturierung der Schullandschaft in meiner Stadt ist auch über die Einführung der Eingangsstufe gesprochen worden.


    Ich kann pauschal sagen, dass ich von diesem Konzept nicht überzeugt bin. Meine (Vor-) urteile habe ich mir an zwei ehemaligen Schulen von mir angeeignet, die sich an diesem Konzept versucht haben und erhebliche Probleme damit hatten.


    Daher meine Bitte an die Eingangstufe-gewöhnten Kollegen, diese zu bestätigen - oder auch zu widerlegen. Die Argumente würde ich dann zu einem gegebenen Zeitpunkt mit in die Diskussion einbeziehen wollen.




    Also, Bühne frei für die 10 schönsten Vorurteile: :)


    1. Kinder in der 1. Klasse sind nicht selbstständig genug. Ich habe gesehen, dass viele Kinder einfach nicht arbeiten, wenn sie nicht pausenlos angeschoben werden. Zudem ist der Lehrer grade für sehr junge Schüler die Hauptbezugsperson, von der sie sich Bestätigung holen möchten. Diese Rolle kann nicht von Zweitklässlern übernommen werden.


    2. Eingangstufen-Unterricht ist einseitig "Zettel-orientiert". Wie sollte es auch anders sein, wenn im Extremfall jeder an einem anderen Thema arbeitet. Das angestrebte kooperative Lernen wird durch die Verschärfung der Heterogenität innerhalb der Klasse eher blockiert.


    3. Die Kinder lernen unterm Strich weniger. Ein Lehrer kann einem Erstklässler nun mal effizienter erklären als ein Zweitklässler. Und: der besagte Zweitklässler lernt in dieser Zeit (inhaltlich) nichts neues, sondern wiederholt 1-Klasse-Stoff.


    4. Es bildet sich durch das jährliche Kommen und Gehen keine Klassengemeinschaft. Es ist für die Kinder schwerer, Freundschaften zu bilden.


    5. Der erhöhte Vorbereitungsaufwand für die Lehrkraft steht in keinem Verhältnis zum Ertrag (= Mehr-Wissen bzw Mehr-Kompetenz der Schüler). Überhaupt fällt es schwer, die angestrebten Vorteile in Relation zu den nicht unberechtigten Vorbehalten zu stellen.


    6. Zweitklässler sind nicht dazu geeignet, den "Ersties" fundamentale Regeln, Abläufe und Arbeitsmethoden innerhalb der Schule zu vermitteln, da sie diese häufig selbst noch nicht richtig beherrschen. Daraus resultiert: es besteht die Gefahr, dass die "Ersties" etwas Falsches lernen, der Lehrer es aber nicht sofort bemerkt. Diese Gefahr ist bei Schulen mit "schwierigem" Einzugsgebiet um so höher.


    7. Es kann zu heftigen kontroversen Diskussionen innerhalb der Elternschaft kommen.


    8. Die Eingangsstufe kann ein Lehrerkollegium spalten. Es wird immer Kollegen geben, die dieses Konzept nicht mittragen und das auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit äußern. Umgekehrt wird es auch immer übermotivierte Kollegen geben, die durch ihren Eifer Unruhe ins Kollegium tragen.


    9. Mit der Zustimmung zur Eingangsstufe stimmt man einem erhöhten Arbeitsaufwand ohne Angleichung des Gehaltes zu. Folglich stimmt man seiner eigenen Gehaltskürzung zu.


    10. Die Eingangsstufe ist überflüssig, da das Überspringen eines Jahrgangs (selten) oder auch das Wiederholen (häufiger) auch ohne sie möglich ist.




    Die Diskussion ist eröffnet :)

  • Wir haben die Disukussion in der Schule bei uns gerade durch und es ist für die SAPH ausgegangen, denn es gibt vieles, was du hier negativ darstellst, was eigentlich ein Vorteil beinhaltet.


    1. Du hast aber nur halb soviele Erstklässler in der Klasse, die 2. Klässler arbeiten schon selbstständig. DU musst also nur halb sovielen Schülern hinterher rennen.
    2. Das hängt sehr vom Kollegen und der Art der Differenzierung ab, oft gibts es ja "nur" 4-5 verschiedene Varianten, so dass noch genügend miteinander arbeiten können. UNd auch das gegenseitige Helfen, fällt für mich unter kooperatives Lernen.
    3. Ich kenne keine SAPH, wo die 2.Klässler die 1. Klässler unterrichten. Es wird nur mal geholfen und der 2. Klässler lernt in der Zeit nicht "nur" Erstklässler-Stoff, sondern er vertieft den noch einmal. Aber wie gesagt, sind das ja nur einzelne Hilfsaktionen.
    4. Gibt bei uns nie Probleme, sie haben ein ganzes Jahr mindestens miteinander und in der Zeit finde ja auch kein Kommen und Gehen statt. Die Klassen haben eine sehr viel stärkere Klassengemeinschaft als andere Klassen.
    5. Der Aufwand ist nicht höher als wenn du sonst jeden dort abholen willst, wo er ist.
    6. Sehe ich etwas anders, klar können sie auch falsches Lernen, aber sie lernen viel richtiges voneinander, weil sie Vorbilder haben.
    7. Kann es immer.
    8. DAs wird es auch bei jedem Profil usw. geben.
    9. Siehe 5. Stimmt so also nicht.
    10. Ist in Berlin nicht ohne weiteres möglich in der Grundschule, ist also doch notwendig. Zumal eben in den Fächern unterschiedliche Niveaus berücksichtigt werden können. Wenn jemand in Mathe weiter ist, ist er es ja nicht automatisch beim Schreiben usw.

  • Hallo,
    ich finde es schwierig das
    pauschal zu beantworten, da viel von der Organisation abhängt. Also
    wie ist der Unterricht in der Eingangsstufe organisiert, gibt es
    Teilerstunden, in denen nur ein Jahrgang allein unterrichtet wird
    (meines Erachtens nach geht es schlecht ohne diese), falls ja , wie
    sind die organisiert, also nur die Hälfte der Klasse mit ihrer
    gewohnten Lehrerin oder werden da Kinder aus 2 Klassen
    zusammengesammelt, dann: was passiert nach der 1/2 – wird danach
    eine neue 3. Klasse aus 2 Eingangsklassen gebildet oder geht es
    jahrgangsgemischt, also als 3/4 weiter.



    Das alles ist ja wichtiges drumherum.




    Ich kenne mich mit Jahrgangsklassen
    nicht gut aus, weil ich in den knapp 8 Jahren seitdem ich unterrichte
    nur an Schulen mit Jahrgangsmischung war (erst an einer Schule, wo
    alle Klassen 1 bis 4 sind, dann an meiner jetzigen, wo es 1/2 er
    Klassen und 3/4 er gibt). Generell sehe ich aber große Vorteile in
    Jahrgangsmischung.



    zu 1). Das stimmt, diese Erstklässler,
    die fast nur dann arbeiten, wenn die Lehrkraft daneben sitzt gibt es,
    aber den Zusammenhang verstehe ich nicht ganz. Die Klassen werden
    durch Jahrgangsmischung ja nicht größer sondern nur die
    Zusammensetzung ist anders. Also die Lehrkraft hat pro Kind dadurch
    ja nicht weniger Zeit für die einzelnen ,die extra Anschub brauchen.
    Wieso sollte es besser sein, wenn 26 Erstklässler in einer Klasse
    sind als wenn es angenommen 13 Erstis und 13 Zweite sind. Von den 26
    Erstis bräuchten dann verhältnismäßig ja noch mehr Kinder diesen
    Extra-Anschub. Was ist dann daran einfacher?



    zu 2.) Ob und inwieweit die
    Eingangsstufe zettel-orientiert ist, hängt ja zum Großteil von der
    Unterrichtsweise der Lehrkraft ab. Es ist aber auch ein großer
    Vorteil, wenn man dauerhaft eine 1/2 hat, dass man eine vorbereitete
    Lernumgebung mit vielen Arbeitsmaterialien zusammenstellen kann und
    diese Materialien jährlich wiederkehrend im Einsatz haben kann.
    Kooperativen Arbeitsformen kann man auch in jahrgangsgemischen
    Klassen Raum geben, ob das besser oder schlechter klappt als in
    Gruppen mit mehr Homogenität vermag ich nicht zu beurteilen.




    zu 3.) Das glaube ich nicht. Es sind ja
    nicht andauernd so, dass die Zweitklässler zum Erklären neuer
    Inhalte da sind. Das macht ja trotzdem noch die Lehrkraft (bei uns in
    den Teilerstunden, die meines Erachtens nach unterlässlich im
    jahrgangsgemischten Unterricht sind). Dass in Übungsphasen die
    Zweitklässler mal zwischendurch einem Erstklässlerkind helfen und
    etwas erklären, führt meines Erachtens nach nicht dazu, dass sie
    selber Zeitverlust hätten und weniger neues lernen würden sondern
    eher zu einer Vertiefung ihres Wissens.




    zu 4) Das stimmt und was das angeht,
    sehe ich einen großen Vorteil in großer Jahrgangsmischung (also 1
    bis 4, weil die Klasse da lange Zeit stabil bleibt, ohne dass
    Wiederholer oder Überspringer rausgerissen werden müssten). Bei uns
    gibt es ja aber die 3/4 und das hat natürlich den Vorteil, dass die
    Kinder nach der 1/2 in der darauffolgenden 3/4 bekannte Kinder
    „wiedertreffen“.




    zu 5) Erhöhten Vorbereitungsaufwand
    hat man nur zum Teil finde ich. Wie oben schon geschrieben hat man ja
    den Vorteil, dass man alle Materialien und Unterrichtsreihen etc. 1
    bis max. 2 Jahre später wieder einsetzen kann.




    zu 6). Die Erstklässler können sich
    „falsches“, aber auch viel „richtiges“ von den Zweitklässlern
    abschauen. Das hat Vor- UND Nachteile, ja, aber gewiss nicht nur
    Nachteile.



    zu 7.) Ja, kann es natürlich, wenn das
    bei euch neu ist. Aber viel hängt natürlich auch davon ab, wie sehr
    das Kollegium dahinter steht oder eben auch nicht.




    zu 8). Ja, kann es vermutlich. Dazu
    kann ich nicht soviel beitragen, weil an den beiden Schulen, an denen
    ich war/bin, es schon jahrelang so praktiziert wurde und es darüber
    nie eine Diskussion gab, weil alle mit der Jahrgangsmischung zufrieden waren und neue KollegInnen auch dementsprechend eingestellt wurden, also dem positiv gegenüber stehen sollten.




    zu 9.) Sehe ich nicht so, denn wie oben
    bereits geschrieben werden die Kollegen der 1/2 zu „Spezialisten“
    für die Eingangsstufe und haben den Vorteil, viele Materialien
    jährlich oder alle 2 Jahre wieder benutzen zu können (statt wie
    sonst frühestens alle 4 Jahre). Das erste Jahr ist sicher
    anstrengender, aber auf Dauer spielt sich das neu ein und ist denke
    ich nicht so , dass es mehr Arbeitsaufwand ist.




    zu 10). Überflüssig wird sie dadurch
    nicht, denn das ist ja nicht der einzige Grund für
    Jahrgangsmischung. Ich denke jede Form hat ihre Vor- und Nachteile.


    Viele Grüße

  • 10. Die Eingangsstufe ist überflüssig, da das Überspringen eines Jahrgangs (selten) oder auch das Wiederholen (häufiger) auch ohne sie möglich ist.


    Es macht aber schon einen Unterschied, ob ganz offen das Stigma ausgesprochen wird, dass man eine Klasse wiederholt (oder überspringt), dann in eine gänzlich neue Klassengemeinschaft kommt etc. oder ob es einfach Normalität ist, dass jedes Jahr ein Teil der Schüler bleibt und ein Teil geht und man eben zu unterschiedlichen Zeitpunkten von einer Eingangsklasse in eine dritte wechseln kann.


    Außerdem macht es meines Erachtens auch durchaus Sinn, dass man in dem dritten Jahr Eingangsklasse dann noch einmal denselben Lehrer hat und sich nicht für ein Jahr an eine neue Lehrkraft gewöhnen muss ...

  • Aber ist es tatsächlich für die Kinder ein Stigma, in einer neuen Klasse die Jahrgangsstufe zu wiederholen oder doch eher für die Eltern und das weitere soziale Umfeld?


    Ich bekenne mich eindeutig für Jahrgangsklassen und erlebe häufiger, dass es Kindern auch gut tut, in einer neuen Umgebung neu zu starten.


    Ich finde es außerdem auch sehr wichtig, dass mit einer neuen, anderen Lehrperson ein anderer Blick auf das Kind geworfen wird. Ich habe es schon häufiger erlebt, dass Kinder nach einem Klassen- und Lehrerwechsel regelrecht aufgeblüht sind.

  • Kinder in der 1. Klasse sind nicht selbstständig genug


    Das Vorurteil legen sich Lehrerinnen und Lehrer zurecht, damit sie ihren Umgang mit den kleinen Kindern rechtfertigen können.


    Sie haben das Vorurteil, man müsse Kindern sagen was sie tun sollen, man müsse ihnen Zusammenhänge erklären, damit sie das nachmachen können (wenigstens so ungefähr) und sie antreiben, weil sie ja sonst nichts täten.


    Wenn Kinder selber Zusammenhänge finden dürfen und wenn sie selber Fragen stellen dürfen, hören sie nicht mehr auf, zu fragen, zu suchen und Dinge zu tun die sie herausgefunden haben.


    Lehrerinnen und Lehrer, die es nie soweit kommen ließen, erleben das nie oder nur bei einzelnen Kindern und ganz selten.


    Die anderen Vorurteile hängen alle mit diesem ersten zusammen.


    "Bei allem, was man einem Kind beibringt, nimmt man ihm die Chance, es selbst zu entdecken" von wem ist dies Zitat denn noch?

  • Vielen Dank für die zahlreichen Antworten, sie scheinen ja eher in Richtung "Pro Eingangsstufe" zu gehen. Bis auf einige, die unkommentiert meinen Vorurteilen zugestimmt haben.
    Also fass ich zusammen: die Eingangsstufen erleichtert den Lehrkräften unterm Strick die Arbeit und verhilft allen Kindern zu einem effektiveren Lernen. Damit wären die Kriterien, mit denen die Eingangsstufe ihre Existenz rechtfertigen muss, erfüllt.
    Dann machen die beiden Schulen, auf die meine "Vorurteil" zutreffen wohl irgendwas falsch, trotz stundenlanger Besprechungen und Fortbildungsaktionen ...

    • Offizieller Beitrag

    Ich denke eher nicht, dass sie was falsch machen. Aber man kann sich Ergebnisse auch so lange schönreden (sorry) bis sie der Theorie gefallen.


    Ich kenne bisher nur Berichte von Lehrern, bei denen die Eingangsstufe eher Nachteile (und sei es in Form von Mehrarbeit für die Lehrer, aber das interessiert ja keinen) mitbringen.


    kl. gr. Frosch

  • Das sind ja auch meine bisherigen (bescheidenen) Erfahrungen. Schlimm ist es nur, wenn es selbst die betroffenen Lehrkräfte nicht mehr interessiert, dass sie sich viel Arbeit für einen geringen Ertrag machen - und dabei auch ausklammern, dass die Kinder durch diese Methode weniger Lernen. Das kann man sich natürlich schönreden, indem man die Methode über die Inhalte stellt und darauf verweist, dass die Kinder schon toll selbstständig sind ... meine Meinung, von der ich (noch) nicht bereit bin abzurücken, ist die, dass insbesondere junge Grundschüler nicht mehr Selbstständigkeit brauchen, sondern eine positive Beziehung zur Lehrkraft, damit diese gerne als Wissensvermittler akzeptiert wird. Grade kleine Kinder möchten sich im Unterricht gerne ganz klassisch melden und dem Lehrer und den anderen Schülern zeigen, was sie schon können. Sie möchten nicht mit ihren Aufgaben allein gelassen werden und später ihre Ergebnisse zwecks Selbstevaluation mit einem Lösungsblatt vergleichen. Zu keinem Zeitpunkt im Schulleben vollzieht sich das Lernen stärker in einer direkten Schüler-Lehrer-Interaktion als in den ersten Schuljahren. Hier versucht die Eingangsstufe, einer natürlichen Verhaltensweise der Kinder entgegenzutreten und sie zu einem Verhalten zu zwingen, das nicht kindgemäß ist und auch zu weniger Wissen führt.

  • " Grade kleine Kinder möchten sich im Unterricht gerne ganz klassisch melden "


    Zu so einem Schulverhalten, das Lehrerinnen und Lehrer richtig freut, müssen kleine Kinder erst veranlasst werden, manipuliert werden.


    Etliche lassen sich ja wirklich darauf ein und bekommen gute Noten (Erfolg)


    Wie kleine Kinder wirklich von selber lernen, kann man vor der Schule, z.B. in einem Kindergarten der Kinder nicht zu manipulieren versucht, erleben.


    Da gehen sie neugierig auf Dinge zu, experimentieren, testen ob sie den Erwachsenen die da sind wirklich trauen können und fangen dann an zu fragen.


    Was sie herausgefunden haben, teilen sie mit und suchen weiter. Traditionelle Schule versucht sie an solchen Verhaltensweisen zunächst mal zu hindern und rechnet als Schulerfolg nur korrektes Schulverhalten (nicht reden, nicht herumlaufen, zuhören und tun was aufgetragen wurde) und rechnet das um in Noten oder ersatzweise nette Formeln.


    Das was Kinder selber gelernt haben ist wirklich nachhaltig und lässt sie lebenslang weiter lernen.


    Ja ich hab sehr viel Erfahrung mit so einem Umgang mit dem Lernen und mit den tatsächlichen Erfolgen.

  • Welche Erfolge meinst du, die brave Anwendung der Klippert-Methoden? Das ist doch eine viel schlimmere Dressur, als den Kindern beizubringen, dass man sich meldet und im Unterricht aufpasst.
    Den Beweis, dass diese Methoden die Kinder dazu veranlassen, "von selbst" und dann auch noch mehr und besser zu lernen als im "herkömmlichen" Unterricht, sind diese Methoden bislang schuldig geblieben.
    Auch wenn es möglicherweise schrecklich altmodisch klingt: es gibt in der Schule (und zwar in allen Jahrgängen) Inhalte, die nicht "entdeckt", sonder "gepaukt" werden müssen. Und ein Großteil der Inhalte können in Sachen Unterhaltungswert leider nicht mir KiKa, Nintendo oder Filly-Pferdchen mithalten, so dass ein weitgehend auf dem entdeckenden Lernen basierender Unterricht - grade in den Kernfächern - eher kontraproduktiv ist. Man tut den Kindern absolut keinen Gefallen, wenn man jeden Druck von ihnen fernhält. Ich wage mal zu behaupten, dass man sehr viel Zeit verliert und unterm Strich weniger lernt, wenn man die Kinder alles "entdecken" lässt. Dies wäre die schon öfters angeprangerte Überhöhung der Methoden gegenüber den Inhalten.

  • Die meisten Kinder haben 3-4 Jahre "Eingangsstufe", also Jahrgangsmischung im Kindergarten hinter sich und Erfahrung in Gruppenaktionen und Einzel- oder Kleingruppenarbeit. Eine Trennung nach Jahrgängen haben sie dann nur in der Schule und sonst im Leben nie mehr. In der Schule brauchen sie sie auch nicht. Und wenn man die Haltung hat, dass Kinder besser ihren eigenen Weg gehen und man sie eh nicht "belehren" kann, dass man ihren Lernweg nur begleiten kann, dann hat man auch nicht so viel Arbeit. Im Gegenteil. Die hat man ja nur, wenn man will, dass Kinder zu einer bestimmten Zeit etwas bestimmtes lernen sollen, ob sie wollen oder nicht - das ist natürlich sehr anstrengend, aber diese Probleme sind "hausgemacht". Wir erwarten von Schülern, dass sie etwas leisten ohne Widerspruch und wenn sie unseren Erwartungen dann nicht entsprechen, sind natürlich sie schuld und der Lehrer hat noch mehr Arbeit... Wie heißt es so schön: "Lehrer sind Menschen, die uns helfen, Probleme zu lösen, die wir ohne sie nicht hätten."


    Hab noch kein Kind erlebt, was von sich aus nicht lernen wollte. Sie haben ja auch alle laufen und sprechen gelernt...


    Jahrgangsmischung und nach Interesse zusammengekommene Gruppen sind für mich normal. Es gibt aber sicher viele gemischte Klassen, die sich "nur einen Raum teilen" und ansonsten jahrgangsmäßig unterrichtet werden. Dann liegt aber ein Fehler im Konzept. Selbst jede "jahrgangshomogene" Klasse kann drei Jahrgänge abdecken und selbst wenn nicht, kann sie so was von heterogen sein. Ist doch schön, dass wir alle verschieden sind. Kompetenzorientierung heißt doch das Zauberwort, auch wenn es, zugegeben, dafür noch keine Didaktik gibt. Hauptsache weg von der Defizitorientierung...

  • Danke Arabella.


    Hallo Fairlight, ja Du klingst arg altmodisch.


    Mit Klippert hab ich nix zu tun und schon gar nicht mit Methoden.


    Es braucht keine "Methoden" um Kinder dazu zu veranlassen von selber zu lernen. Man muss sie nur nicht daran hindern. Lehrer hindern sie gerne, auf ihren unberechenbaren und unvorhersagbaren Lernwegen zu lernen.


    Altmodisch ist die Ostereierpädagogik( der Begriff ist von mir), das Bulimie-Lernen und das Rucksackwissen.


    Erfolgreich ist es, wenn Kinder überhaupt nicht mehr aufhören zu lernen und selber feststellen können ob das was sie tun, zusammenpasst und richtig ist. Damit hab ich jede Menge Erfahrungen sammeln können und bekomme auch heute noch Rückmeldungen dazu. Altmodische Lehrer erleben sowas nie.

  • Mag sein, die Eingangsstufenlehrer an unserer Schule machen alles falsch, aber sie hören sich doch extrem belastet an.
    Dass jahrgangsübergreifender Unterricht arbeitsentlastend sein soll, ist jedenfalls hier nicht angekommen.
    Und es mag sein, dass bei uns alles irgendwie falsch gemacht wird, aber früher konnten Zweitklässler das Einmaleins und viele andere Dinge, wenn sie in die dritte Klasse kamen.
    Heute haben sie das irgendwie nicht selbst entdeckt.
    Jedenfalls nicht in unseren Eingangsklassen.
    Von daher verzeiht mir, wenn die Vorteile der Eingangsklassen für mich nicht sofort sichtbar sind.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • robischon, kannst du bitte das mal *konkret* beschreiben? "selbstständig", "miteinander", "kein unterricht" - summerhill ab klasse 1 und fertig? oder wie genau? bitte versuch mal, das konkret zu beschreiben - was würde ich genau sehen, wenn ich z.b. drei kinder deiner klasse mal einen schultag lang beobachten würde? was machen die anderen derweil? was machst du? soziale herkunft der kinder? schultyp (privat/staatlich)? personalschlüssel?

  • Du willst es genau wissen? Ich hab drei Jahre täglich dokumentiert und zahlreiche Bilder dazu gemacht. Dazu gabs auch allerhand Kommentare und Berichte von Besuchern. Hast Du genug Zeit das Alles anzuschauen und zu lesen? www.robischon.eu


    Ich habs schon so oft beschrieben. Verstehen kann man es wahrscheinlich nur, wenn man nicht in Unterricht, Lehrstoff und Maßnahmen denkt.

  • Wie gesagt, im Kindergarten ist das gemeinsame Lernen längst etabliert, niemand zweifelt an diesem Ansatz: Hier ein paar Kinder in der Leseecke in Bücher vertieft, dort welche arbeitend an Tischen, allein oder in Kleingruppen, mit und ohne Erzieherin, draußen spielen welche Fußball, eins gießt die Blumen, zu einer bestimmten Zeit treffen sich alle zum gemeinsamen Morgenkreis,... an unserer Schule (und an vielen anderen) sieht das genauso aus. Bücher und Materialien sind natürlich altersentsprechend.


    Manfred Spitzer sagt, das Problem im Kopf vieler Lehrer und Kultusministerien ist, dass "mit der Schule der Ernst des Lebens beginnt". Und Ernst und Lernfreude scheinen sich für viele auszuschließen.


    Und noch was wollt ich loswerden: Bei aller Freiheitsliebe bin ich selbst vorsichtig mit "Entdeckendem Lernen". Durch meine Lerntherapie-Ausbildung weiß ich, dass es Kinder gibt, die bestimmte Dinge einfach nicht entdecken... Und andere entdecken einen Weg, der sowas von umständlich ist (wie von Hamburg nach Berlin über München) und klammern sich daran fest, weil sie einen einfacheren nicht selbst finden. Ich liebe unsere Materialien daher, weil sie das Grundwissen so leicht verständlich erklären. Ohne sie würds nicht gehen.


    Und natürlich gibt es viel, was man einfach automatisieren muss. 1+1 oder 1x1 lernen wir mit Vokabelkärtchen... "Pauken" würd ich das nicht nennen.

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