Moin,
Im Rahmen der Neustrukturierung der Schullandschaft in meiner Stadt ist auch über die Einführung der Eingangsstufe gesprochen worden.
Ich kann pauschal sagen, dass ich von diesem Konzept nicht überzeugt bin. Meine (Vor-) urteile habe ich mir an zwei ehemaligen Schulen von mir angeeignet, die sich an diesem Konzept versucht haben und erhebliche Probleme damit hatten.
Daher meine Bitte an die Eingangstufe-gewöhnten Kollegen, diese zu bestätigen - oder auch zu widerlegen. Die Argumente würde ich dann zu einem gegebenen Zeitpunkt mit in die Diskussion einbeziehen wollen.
Also, Bühne frei für die 10 schönsten Vorurteile:
1. Kinder in der 1. Klasse sind nicht selbstständig genug. Ich habe gesehen, dass viele Kinder einfach nicht arbeiten, wenn sie nicht pausenlos angeschoben werden. Zudem ist der Lehrer grade für sehr junge Schüler die Hauptbezugsperson, von der sie sich Bestätigung holen möchten. Diese Rolle kann nicht von Zweitklässlern übernommen werden.
2. Eingangstufen-Unterricht ist einseitig "Zettel-orientiert". Wie sollte es auch anders sein, wenn im Extremfall jeder an einem anderen Thema arbeitet. Das angestrebte kooperative Lernen wird durch die Verschärfung der Heterogenität innerhalb der Klasse eher blockiert.
3. Die Kinder lernen unterm Strich weniger. Ein Lehrer kann einem Erstklässler nun mal effizienter erklären als ein Zweitklässler. Und: der besagte Zweitklässler lernt in dieser Zeit (inhaltlich) nichts neues, sondern wiederholt 1-Klasse-Stoff.
4. Es bildet sich durch das jährliche Kommen und Gehen keine Klassengemeinschaft. Es ist für die Kinder schwerer, Freundschaften zu bilden.
5. Der erhöhte Vorbereitungsaufwand für die Lehrkraft steht in keinem Verhältnis zum Ertrag (= Mehr-Wissen bzw Mehr-Kompetenz der Schüler). Überhaupt fällt es schwer, die angestrebten Vorteile in Relation zu den nicht unberechtigten Vorbehalten zu stellen.
6. Zweitklässler sind nicht dazu geeignet, den "Ersties" fundamentale Regeln, Abläufe und Arbeitsmethoden innerhalb der Schule zu vermitteln, da sie diese häufig selbst noch nicht richtig beherrschen. Daraus resultiert: es besteht die Gefahr, dass die "Ersties" etwas Falsches lernen, der Lehrer es aber nicht sofort bemerkt. Diese Gefahr ist bei Schulen mit "schwierigem" Einzugsgebiet um so höher.
7. Es kann zu heftigen kontroversen Diskussionen innerhalb der Elternschaft kommen.
8. Die Eingangsstufe kann ein Lehrerkollegium spalten. Es wird immer Kollegen geben, die dieses Konzept nicht mittragen und das auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit äußern. Umgekehrt wird es auch immer übermotivierte Kollegen geben, die durch ihren Eifer Unruhe ins Kollegium tragen.
9. Mit der Zustimmung zur Eingangsstufe stimmt man einem erhöhten Arbeitsaufwand ohne Angleichung des Gehaltes zu. Folglich stimmt man seiner eigenen Gehaltskürzung zu.
10. Die Eingangsstufe ist überflüssig, da das Überspringen eines Jahrgangs (selten) oder auch das Wiederholen (häufiger) auch ohne sie möglich ist.
Die Diskussion ist eröffnet