Sammelthread über Berichte zur Inklusion

  • Alle maßgeblichen Stellen (KiGa, Kinderpsychologe, Mutter) halten eine Schulbegleitung für einen autistischen Jungen für absolut notwendig. Das Amt für Soziales sieht sich als Leistungsträger eine Probeschulstunde an und ist der Meinung: Die Lehrerin schafft das schon. Hoffentlich werden die Eltern das Amt verklagen, wenn es zu Selbst- oder Fremdverletzungen kommt, weil kein Schulbegleiter genehmigt wurde. Mich macht der Fall stinksauer!


    Man kann nur hoffen, dass die betroffenen Kolleginnen und Kollegen professionell reagieren. Dazu gehört:


    Prioritäten setzen: Falls ein Großteil der Unterrichtszeit für die Betreuung dieses einen Kindes benötigt wird, dann fällt der entsprechende Unterricht eben flach. Da gibt es keine Extra-Arbeitsblätter für die anderen, auch keine "freiwillige" Mehrarbeit in irgendeiner Form um die Rückstände aufzuholen. Hier hat die entsprechende Lehrkraft definitiv eine Fürsorgepflicht gegenüber sich selber und gegenüber den anderen Klassen, die ebenfalls Recht auf guten Unterricht haben, und dieses Recht darf nicht unter den Tisch fallen, indem man sich in einer Klasse verausgabt.


    Ein dickes Fell zulegen: Die Eltern der anderen Kinder in der entsprechenden Klasse werden auf die Barrikaden gehen, aber sachlich bleiben und die unabweisbaren Notwendigkeiten darlegen, die den Lernrückstand verursacht haben. Notfalls ein Tagebuch führen, in welchem entsprechende Ereignisse in der Klasse festgehalten werden (dieses Tagebuch aber nicht den anderen Eltern zeigen (Datenschutz!), es dient der eigenen juristischen Absicherung!). Immer wieder auf die Sachlage hinweisen: Sozialleistungsträger will keine Schulbegleitung bezahlen.


    Bei Bedarf eine schriftliche Überlastungsanzeige an die Schulleitung einreichen und auf einer schriftlichen Antwort bestehen. Sollten mehrere Überlastungsanzeigen keinen Effekt haben, auf dem Dienstweg an die nächsthöhere Ebene wenden und den Personalrat einschalten.


    Bei den ersten Anzeichen eines Burnouts oder anderer Erkrankungen zügig krankschreiben lassen. Im Schulbetrieb wird einem niemand eine ruinierte Gesundheit danken.


    Auf alle anderen freiwilligen Tätigkeiten für die Schule verzichten, d.h. keine Klassenfahrten mehr, keine Mitarbeit in Arbeitsgruppen usw. Das Unterrichten wird anstrengend genug werden.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    2 Mal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Mal ein Bericht aus Berlin:


    http://www.morgenpost.de/berli…u-wenige-Schulhelfer.html



    Hintergrund:


    Berlin hat bereits die Schließung aller Förderschulen beschlossen (bis auf 4 für schwer körperlich behinderte Kinder), die nun nach und nach auslaufen - also keine neuen Klassen mehr bilden dürfen. Das Motiv war natürlich nicht finanzpolitischer Natur, sondern rein sozialpolitisch am ergreifend-ehrenvollen Ideal der "Inklusion" orientiert - die faulen Säcke (aka "Lehrer") sollen sich nicht mehr darum drücken können, indem sie Eltern auf bestehende Förderschulen hinweisen.


    Stattdessen wurden aber NICHT die bereits bestehenden Mittel für Schulhelfer an Regelschulen erhöht, von Doppelsteckung des Unterrichts gar nicht erst zu reden. Resultat: immer mehr Kinder mit Förderbedarf strömen an die Regelschulen, wodurch die Relation von Betreuerstunden zu Schüler sinkt. Auch bei denjenigen, welche die Inklusion ursprünglich naiv hofiert haben, ist das Gejammer jetzt entsprechend groß.



    Leid tun mir vor allem die Lehrer in der Sek.I, die sich von Anfang an skeptisch bzgl. der praktischen Umsetzung gezeigt hatten (gerüchteweise sind die meisten Berlin Grundschulen noch immer begeistere Apologeten der real existierenden Inklusion).

  • und noch mehr Berlin, das sich gerade als Brennpunkt für misslungene Inklusion etabliert:


    http://www.berliner-zeitung.de…rm,10809148,28705082.html



    "Unter den gegenwärtigen Bedingungen sei es ihnen nicht mehr möglich, Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf an ihren Regelschulen erfolgreich zu betreuen, schreiben fast alle Grundschulleiter des Bezirks Tempelhof-Schöneberg [Anmk.: Bevölkerung ca. 324.000 ] in einem Brandbrief..."



    "„Wenn ein auffälliges Kind austickt, ist keiner mehr da, der es beruhigen kann“, berichtet ein Schulleiter. Darunter leide eine Klasse. "



    " „Gerade diejenigen Lehrer, die wirklich die inklusive Schule wollen, sind nun frustriert“, sagt Lothar Semmler von der GEW-Schulleitervereinigung."



    Dabei wollte die Politik mit die Schließung der Förderschulen doch nur kräftig Geld sparen ähm... die Förderung der Inklusionskinder und die soziale Entwicklung der Regelschüler verbessern.

  • Endlich ein paar Kommentare aus der Berliner Politik zu dem Thema. Ich zitiere:


    http://www.berliner-zeitung.de…on,10809148,28751694.html



    Sparprogramm zulasten der Schüler


    Die Lehrergewerkschaft GEW hatte vor kurzem kritisiert, etwa 5000 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf seien im vergangenen Schuljahr weniger gefördert worden, als ihnen zustehe. Die den Schulen dafür zugewiesenen Stunden seien innerhalb von zehn Jahren von 5,5 auf jetzt 1,5 bis 2,5 Stunden pro Kind gekürzt worden. Dadurch habe der rot-schwarze Senat 195 Lehrerstellen eingespart.


    Schuld sei die Deckelung der Haushaltsmittel, sagte Kittler. Die Zahl der Schüler mit Förderbedarf sei deutlich gestiegen, die Zahl der Schulhelfer-Stunden wegen eingefrorener Mittel aber kaum. Kapek sprach von einem Sparprogramm zulasten der Schüler. Die Linke-Fraktion schlug vor, das Geld, das Berlin beim Bafög einspart, in die Inklusion zu stecken.


    Scheers betonte daraufhin, sie werde erst umsteuern, wenn die nötigen Ressourcen da seien. [Anm.: bedeutet also, dass man eben die Inklusion auch ohne zusätzliches Geld umsetzt, falls der Finanzminister es nicht genehmigt] „Das wird Thema der nächsten Haushaltsberatungen sein“, kündigte sie an. Die Zahl der Schulhelfer-Stunden sei ja bereits erhöht worden, so dass der akute Bedarf gedeckt sei.


    Vorsichtige Kritik an Scheeres kam auch vom Koalitionspartner. Die CDU-Bildungsexpertin Hildegard Bentele betonte, im Senat sei schon lange nicht mehr über Inklusion gesprochen worden. Sie wolle allerdings „lieber ein Prozent gut gemachte als fünf Prozent schlecht gemachte Inklusion“. Entweder Berlin bekenne sich zur Deckelung der Mittel und begrenze den Schulbesuch behinderter Kinder in Regelschulen oder es müsse mehr Geld investiert werden. Der SPD-Abgeordnete Ilkin Özisik betonte, Inklusion sei „eben kein Knopf, den man drückt, und dann ist sie da“. Der Prozess brauche Zeit und Geld, das momentan nicht zur Verfügung stehe.




    Jetzt frage ich mich, ob aus der Erkenntnis auch Taten folgen - in dem man z.B. die beschlossene Schließung der Förderschulen rückgängig macht. Allerdings spart die Schließung ja Geld, das jetzt bereits anders verplant ist.

  • Das Schweigen zum Thema Inklusion


    "... Wie sich ihr Arbeitsalltag gestaltet, wie Inklusion dort in der Praxis funktioniert wollen wir wissen. Erfahren haben wir viel, doch offiziell sagt niemand was.
    Schulleitungen, die ansonsten gerne Auskunft geben, werden plötzlich einsilbig. Auf telefonische Anfragen gibt es Vorgespräche und Terminvereinbarungen, doch dann einen Rückzieher. „Wir haben uns in innerschulischen und außerschulischen Teams beraten und uns entschieden, zu dem Thema nichts zu sagen“, lautet der Wortlaut einer Terminabsage mit der Bitte um Verständnis. Die Zeitung könne aber gerne über andere schulische Themen berichten..."

Werbung