Wie ist die religiöse Haltung zu werten?

    • Offizieller Beitrag

    Weg. Er hatte sich veranschiedet.


    Friesin: Sekte oder evangelisch-freikirchlich. Da gibt es auch schon extreme Fälle, zählt IMHO aber nicht als Sekte.
    steff: eigentlich ist bei der Sache mit dem "Nächsten" explizit NICHT ein Mitglied der eigenen Gruppe gemeint (siehe Barmherziger Samariter, etc.)


    kl. gr. frosch

    • Offizieller Beitrag

    Interessanter Fund - Spiegelartikel von 1954

    Zitat

    Das Arbeitsgericht beriet diesen eindeutigen Fall drei volle Stunden lang. Es kam dabei zur kostenpflichtigen Ablehnung des Rühlmannschen Begehrens. Aber es ließ wegen der Grundsätzlichkeit seines Urteils Berufung zu.


    Aus seiner Rechtsfindung sprach preußische Schule: Zur Beamteneignung gehöre nicht nur die fachliche, sondern auch die persönliche. Zu dieser wiederum gehöre die Fähigkeit zu persönlicher Eidesleistung. Sie sei dem Kläger durch sein Glaubensbekenntnis genommen worden. Nur für Angehörige bestimmter anerkannter Religionsgemeinschaften habe der Staat Ausnahmen zugelassen.


    Und dann heißt es in der mündlichen Urteilsbegründung wörtlich: "Dem Kläger fehlt die persönliche Eignung, wenn er sagt, er könne nicht schwören. Er ist ja gar nicht verpflichtet, Beamter zu werden. Dazu zwingt ihn niemand."

  • Ob es hier in D. Schulen in Trägerschaft einer soclhen Relgionsgemeinschaft gibt, würde mich auch mal interessieren.


    Es gibt in Deutschland sogar relativ viele Schulen, bei denen der Träger aus Freikirchlicher Richtung kommt, also nicht eine der beiden großen Kirchengemeinschaften. Alleine im Bielefelder/ Lippischen Raum kenne ich 5 Schulen, bei denen unter den Trägern Baptisten, Mennoniten, Brüdergemeinden usw. zu finden sind. Dies sind allerdings alles keine Sekten, obwohl einige dieser Gemeinden schon extreme Ansichten der biblischen Auslegung haben.


    steff: eigentlich ist bei der Sache mit dem "Nächsten" explizit NICHT ein Mitglied der eigenen Gruppe gemeint (siehe Barmherziger Samariter, etc.)


    Gerade bei der Sache mit dem Nächsten sind nicht nur Mitglieder der eigenen Gruppe gemeint. Dieser Spruch der Nächstenliebe wurde im AT nur auf die eigene Gruppe bezogen. Im NT stellte Jesus mit dem Gleichnis des Barmherzigen Samariter klar, dass mit dem Nächsten nicht nur die eigene Gruppe gemeint ist.


    Nicht unbedingt. Ich habe im Netz schon Interpretationen gelesen, dass der "Nächste" der nächste im Glauben sei bzw. der jemand, der zur eigenen Gruppe (also Religion, Strömung, Sekte usw.) gehört.
    Insofern wäre das genau kein Toleranzgebot.


    Was ich mit meinem Post davor eigentlich ausdrücken wollte, ist, dass dieses "Gebot der Nächstenliebe" noch nicht einmal in der eigenen Gruppe des TE angewendet wird. Es werden Frauen systematisch mit dem Deckmantel der Bibelauslegung diskriminiert, entgegen des Gebotes der Nächstenliebe. Kein Mann würde sich dort so behandeln lassen. Das ist Schizophren, verlogen und einfach eines Christen unwürdig.
    Abgesehen davon, dass dieses Gebot eben nicht nur auf die eigene Gruppe zu beziehen ist, wie oben geschrieben.

    • Offizieller Beitrag

    Ist doch schön, dann kann er alle Frauen gleichbereichtigt benachteiligen und nicht nur die aus seiner Gemeinde... :uebel:

  • die die Bibel wortwörtlich verstehen sollen, sind die Theologen mit zig Promotionen. NUR sie kennen sich aus mit den kulturellen, sozialen und sprachlichen Bedingungen, eine Fehlübersetzung zu vermeiden. Selbst Metaphors sind ja zum Teil völlig mißverstanden worden ...


    Ich sehe das völlig anders.


    Deine Haltung verleiht der Bibel den gleichen einzigartigen Sonderstatus, wie die wortwörtliche Auslegung; während sie dort als das unhinterfragbare Wort der Gottheit verstanden wird, wird sie dir zu Folge zu einem hermetischen Mysterium, das nur durch für normale Leser nicht zu erlangendes Spezialwissen zu durchdringen ist.


    Das ist natürlich nicht der Fall. Die Bibel ist eine, genaugenommen drei bis vier schon in der Antike redigierte Sammlungen zeitgenössischer und älterer Texte, die auch für den modernen Leser bei genauer Lektüre und unter Einbeziehung von Kontextwissen ohne weiteres zugänglich ist.Es ist möglich diese Texte zu lesen, selbst wenn man nicht Aramäisch, Hebräisch, Griechisch und Latein kann. Heutige Bibelübersetzungen sind das Produkt sorgfältiger und philologisch kompetent durchgeführter Übersetzungsarbeit und sehr verlässlich.


    Meiner Meinung nach gibt es überhaupt nur einen Grund, warum die Erzählungen der Bibel für mysteriös halten kann, nämlich den, dass man diese Texte nicht selber gelesen hat. Das Bibelwissen der allermeisten Christen reduziert sich auf das, was sie in bis zur Unkenntlichkeit vereinfachter und romantisierender Form im Kindergarten und in der Grundschule gehört haben, bzw. auf die wenigen, sich wiederholenden Textstellen, die ihnen im Gottesdienst begegnen - am bekanntesten ist aus genau diesem Grund die Weihnachtsgeschichte und zwar die des Lukasevangeliums. Um diesen, für einen intelligenten und wissenhungrigen Menschen eigentlich völlig unbefriedigenden Zustand zu überwinden, muss man einfach mal anfangen, in dem Buch zu lesen. Für den nichtwissenschaftlichen Anspruch reicht dafür eine der für wenig Geld verfügbaren Bibeln für den Hausgebrauch. Man sich natürlich bewußt sein, dass man diese Qualität der Übersetzung nicht erhält, wenn man z.B. auf eine der klassischen Übersetzungen zurückgreift, z.B. eine Lutherbibel, eine King-James-Übersetzung oder meinetwegen eine Übertragung der Vulgata.


    Heute, in Zeiten des Internets, ist historisches und philologisches Kontextwissen so leicht erhältlich, wie noch nie zuvor. Natürlich geht es genauso, wenn man sich in eine größere Bibliothek mit vernünftigem Bestand begibt, und dort die entsprechenden Hilfsmittel und Lexika einsieht, z.B. Kommentare oder textkritische Erläuterungen, letzteres sind z.B. genauere Angaben, wie sich bestimmte Schreibweisen in den erhaltenen Manuskripten durch die Überlieferungstraditionen entwickelt haben. So kann man z.B. auch als Laie das recht bekannte Problem nachvollziehen, dass aus dem hebräischen oder aramäischen Wort für "junge Frau" in der lateinischen Vulgata das speziellere "virgo", Jungfrau im Sinne von "Frau mit nicht penetriertem Hymen" verwendet worden ist, und so aus einem Übersetzungsfehler ein religiöses Dogma geworden ist. Faszinierend und sehr aufschlussreich für die Funktionsweise von Religion als irrationaler Diskurs, denn natürlich ist dieser Sachverhalt auch unter katholischen Theologen bekannt und anerkannt.


    Aber auch, wenn man nicht über eine gutsortierte traditionelle Bibliothek in der Nähe verfügt, ist das Internet voller Hilfen guter Qualität, die einem historisches und philologisches Kontextwissen zugänglich machen. Allein schon die Wikipedia ist voller spannender Artikel sowohl zur Geschichte des archaischen Palästina, als auch zur religionshistorischen Fragen und der Geschichte der lokalen Gottheiten. So lassen sich seltsame Textstellen klären, wie z.B. 1. Mose 3,1: "Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist." Das ist kein Pluralis Majestatis, denn die Figur des Jahwe spricht überlicherweise in der 1. Pers. Sg. vor sich. Es gibt noch andere interessante Textstellen, wie z.B. 1 Mose 6,4, "Zu der Zeit und auch später noch, als die Gottessöhne zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus die Riesen auf Erden. Das sind die Helden der Vorzeit, die hochberühmten." Diese und andere Stellen, wie die Stelle in Saul, in der vom "Kreis der Götter" die Rede ist, sind aus einer rezentistischen gläubigen Perspektive unverständlich. Diskurshistorisch gesehen bieten solche Textstellen einen Blick in eine ältere, archaischere Zeit, in der Jahwe noch sehr nahe daran an El war, der regionalen Ausformung der Gottheit Baal. Diese opaken Stellen werden sehr viel weniger mysteriös, wenn man sich über die Informationen aus Wikipedia und anderen, speziellen Seiten wie "Bibelwissenschaft.de" darüber informiert, dass das heutige monotheistische Verständnis der abrahamitischen Gottheit in einem frühen Stadium des Volkes Israel noch nicht vorhanden war, sondern das man diesen Glauben als Monolatrie verstehen musste, d.h. so, dass die Existenz anderer Gottheiten zwar anerkannt wurde, der gewählten Gottheit Jahwe aber die alleinige Verehrung zustand. Mit diesem Wissen im Hintergrund werden die Erzählungen über den göttlich befohlenen brutalen Genozid an den Bewohnern des gelobten Landes sehr viel eher verständlich, genauso wie die rückschauende Erklärung der Redakteure des Tanach, die die göttliche Strafe der babylonischen Gefangenschaft dadurch erklärten, dass die "ethnische Säuberung" eben nicht konsequent durchgeführt worden war.

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Das führt ganz organisch zu einem anderen Punkt. In der üblichen Bibelrezeption in Religionsunterricht, dem "Wort zum Sonntag" oder der sonntäglichen Predigt wird eklektisch vorgegangen, d.h. einzelne Textstellen werden aus ihrem historischen und textlichen Kontext herausgelöst und frei assoziierend und neu erzählend interpretiert. Eine solche Lesart führt zwangsläufig zu einem Textverständnis, das von bloßer Erfindung nicht zu unterscheiden ist. Für ein klares Verständnis der biblischen Textaussagen darf nicht außer Acht gelassen werden, dass diese Textsammlungen redigiert wurden, sowohl das alte Testament im ca. 4. Jh. v. Chr, als auch das neue Testament im 4. Jh. n. Chr. Es ist immens wichtig, dass die Zusammenstellung und Gestaltung der biblischen Texte entlang einer Intention vorgenommen worden ist, weil dadurch in einer Gesamtschau der Texte die historische Absicht der Redakteure erkennbar wird. Wenn man sich tatsächlich durch das alte Testament quält, wird die Folge von Gesetzgebung, Missachtung des Gesetzes und die göttliche Strafe als regelmäßiger Topos klar erkennbar. Das ist das Thema des Tanach und daran ist nichts problematisches - es führt allerdings auch die Grundschulinterpretation des Regenbogens als "Bewahrung der Schöpfung" in der Noah-Geschichte ad absurdum (es handelt sich in der Episode um einen freien Nutzungsvertrag der Welt) und es stellt den Dekalog in einen fester gebundenen Zusammenhang, der ihn im historischen Verständnis als allgemeine Moralgrundlage untauglich macht. Christen, die regelmäßig ihren Gottesdienst besuchen und sich an den erbaulichen Psalmen erfreuen, sollten diese wirklich mal in ihrer Gesamtheit lesen um den Hass und die Gewaltphantasien darin zu erkennen.


    Den gleichen Sinnzusammenhang durch die Redaktion findet man auch im neuen Testament. Die Evangelien als Grundnarrative, auf der die Apostelgeschichte und die paulinischen Briefe als Formierung der christlichen Theologie aufbauen. Wenn man den historischen Kontext im Auge behält, verschwinden auch hier die schwer verständlichen Stellen. Der einzige Paulusbrief, der intellektuell einigermaßen komplex gestaltet ist, der Galaterbrief, wird sofort verständlich, wenn man den historischen - und durch über das Internet leicht verfügbare Quellen für Laien ohne weiteres erschließbaren - Kontext miteinbezieht. Die urchristliche Gemeinde versammelte sowohl Judenchristen als auch "Heidenchristen", d.h. Gemeindemitglieder, die jüdischer und nichtjüdischer Herkunft waren, in der hellenistischen Welt keine Besonderheit. Die Aufgabe des Apostels war, die Glaubensüberzeugen so umzuformulieren, dass sie für beide Parteien gleichermaßen erträglich waren, d.h. einen ideologischen Kompromiss zu finden. Entscheidend hierbei waren einerseits die Speiseregelungen, andererseits die Beschneidungsvorschrift, die von Nichtjuden verständlichermaßen sehr skeptisch betrachtet wurde. Vor diesem Hintergrund sind die Ausführungen des Paulus sehr leicht als Lavieren zwischen zwei Positionen zu verstehen - so lange man eben mehr als einige Textstellen liest und stattdessen die Textsammlung auf sich wirken lässt. Der Text macht seinen Punkt und das ziemlich repetetiv!


    Zusammenfassend ist an den biblischen Texten nichts sonderlich schwierig zu verstehen oder geheimnisvoll. Natürlich muss man dabei im Auge behalten, dass diese Texte nur insofern eine mehr oder weniger verlässlich deutbare Intention enthüllen, soweit man von einer diskurshistorischen Lesart ausgeht. Sucht man nach einer einer "übergeordneten" Botschaft irgendeiner als "real" verstandenen metaphysischen Macht, wird die Deutung der Texte völlig arbiträr. Aussagen, wie z.B. die vom kleinen grünen Frosch zitierten theologischen Ausführungen über die Frage des Schwörens sind nichts weiter als narrative Erweiterungen, die aus den Texten entnommenden Textanregungen basieren - reine Erfindungen ohne jede Verbindlichkeit eben. Es ist gleichgültig, ob solche Neuerzählungen ohne jede empirische Grundlage aus dem Munde blutiger Laien oder langjährig erprobter Theologen stammen, sie sind Meinungsäußerungen ohne jede tatsächliche Bedeutung. Das hat zwei Folgen: einerseits braucht man als Laie keine sonderlichen Sorgen haben, dass man die Bibel "falsch" interpretiert, so lange man eben die übliche hermeutische Sorgfalt an den Tag legt und den historischen Kontext ausreichend beachtet. Andererseits bedeutet das aber auch, dass eine fundamentalistische Deutung der biblischen Aussagen offensichtlich sehr viel näher an der ursprünglichen Textintention liegt als die phantasievollen Neudichtungen moderner Theologen. Die antike Religionsauffassung war mörderisch, intolerant und frauenverachtend, in der antiken Religionsauffassung war das Leben eines Menschen keinen Pfifferling wert. Diese Erkenntnis bietet eine eingängige Erklärung dafür, dass Religionen außerhalb der säkular-rationalen Kontrolle, die wir hier in Westeuropa genießen, eine hässliche Fratze zeigen. Diese Erkenntnis erklärt aber auch, dass das Studium der Theologie und die eingehende Bibellektüre reihenweise Atheisten produziert, wie ich es schon von mehr als einem Theologen gehört habe...


    Zugegebenermaßen, eine komplette Bibellektüre ist schon ein Projekt, aber es kann zu sehr erhellenden Erkenntnissen führen, wie jüdischer und christlicher Glaube eigentlich als Mythensysteme funktionieren und aufeinander aufbauen. "Ad fontes", "zu den Quellen" sagt der Historiker und das ist auch richtig so - man erhält auf jeden Fall umfangreicheres und verlässlicheres Wissen als aus irgendwelchen Skripten, die man unter Anleitung in einem Primarstudiengang konsumiert. Wie gesagt, ich war zwar Historiker und Literaturwissenschaftler, bevor ich Lehrer wurde, und habe deswegen gewisse Vorstellungen und Methodenkenntnisse mitgebracht - aber mein Wissen über religiöse Fragen habe ich aus für Otto-Normalleser leicht verfügbaren Quellen zusammengetragen.


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    Nele

    4 Mal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Zitat neleabels:
    "Diese Erkenntnis erklärt aber auch, dass das Studium der Theologie und
    die eingehende Bibellektüre reihenweise Atheisten produziert, wie ich es
    schon von mehr als einem Theologen gehört habe..."


    na, dann melde ich mir hier mal ... und ich kenne auch einige.
    Es gab vor Jahren mal eine Statistik, wie viele Rel-Päds längst agnostisch sind. Leider weiß ich die Zahlen nicht mehr.
    Es wäre aber eine neue Recherche wert.


    Das führt dann aber auch dazu (jedenfalls war das bei mir so), dass man das studierte Fach evang. Religionspädagogik (vocatio hab' ich auch) nicht mehr unterrichten kann, weil man sich
    nicht mehr im Spiegel angucken kann.
    Es war ein Befreiungsschlag für mich.

  • "Es gab vor Jahren mal eine Statistik, wie viele Rel-Päds längst agnostisch sind."
    "Agnostisch" bezieht sich aber auf das Wissen um Gott, nicht auf den Glauben.
    So gibt es agnostische Christen, die sagen dann, sie wissen nicht ob Gott existiert, aber sie glauben an ihn bzw. seine Existenz.
    Es gibt agnostische Atheisten, die sagen, sie wissen nicht ob Gott existiert und glauben nicht an ihn bzw. an seine Existenz.
    Und es gibt Atheisten, die lehnen nicht nur den Glauben, sondern auch die Existenz eines Gottes strikt ab.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • So gibt es agnostische Christen, die sagen dann, sie wissen nicht ob Gott existiert, aber sie glauben an ihn bzw. seine Existenz.
    Es gibt agnostische Atheisten, die sagen, sie wissen nicht ob Gott existiert und glauben nicht an ihn bzw. an seine Existenz.


    Agnostizismus ist komplexer. Ich persönlich würde mich als Agnostiker betrachten, für mich heißt das, dass die Existens eines göttlichen Seins per Definition außerhalb der meschlichen Auffassungsfähigkeit liegt und die Frage nach Gott somit grundsätzlich sinnlos da unentscheidbar ist. Somit würde ich mich keinesfalls als Theist, aber auch nicht unbedingt als Atheist einordnen wollen.
    Jegliche Form von Agnostizismus ist auf jeden Fall nur sehr schwer bis gar nicht vereinbar mit "organisiertem" Glauben in Form von Kirche und Religion.

  • Die Bibel zu lesen kann durchaus amüsant sein.
    Online ist
    http://www.biblegateway.com
    eine gute Quelle, hier findet man die wichtigsten Übersetzungen.


    Die Führer der Hamas in Gaza lesen vermutlich derzeit wieder mit Genuss folgende Stelle aus dem Buch Hesekiel: :teufel:
    http://www.biblegateway.com/pa…sekiel+16&version=SCH2000

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Jegliche Form von Agnostizismus ist auf jeden Fall nur sehr schwer bis gar nicht vereinbar mit "organisiertem" Glauben in Form von Kirche und Religion.


    Das sehe ich anders: Wenn ich mir der Nicht-Erkennbarkeit Gottes bewusst bin und überdies auch über die Wahrnehmung Gottes in meinem eigenen Leben unsicher bin, heißt das nicht unbedingt, dass ich zum Schluss gelangen muss, dass es keinen Gott gibt. Der Glaube wandelt sich dann zwar von einem "Wissen aus Erleben" (wo im Hirn auch immer das stattfinden mag, eher hin zu einem "Hoffen". Dennoch kann man am spirituellen Leben einer Glaubensgemeinschaft teilhaben (also z.B. den Gottesdienst besuchen) und sich als Teil dieser Gemeinschaft empfinden.


    Was dann aber auf jeden Fall wegfällt (und ich sehr bereichernd für das Miteinander empfinde), ist der missionarische Eifer. Jemand, der selbst nicht sicher sein kann, wird wenig Leidenschaft verspüren, andere von etwas zu überzeugen.

  • @ Scooby: So wie du es in deinem letzten post beschrieben hast, wollte ich mich verstanden wissen.


    Und mit dem Wegfallen eines missionarischen Eifers und vor allem: Mit dem Nicht-Glauben-Können an eine Auferstehung
    habe ich nichts mehr in einem Religionsunterricht zu suchen - ich für mich ganz persönlich. Irgendwie ist mir das "Engagement" verloren gegangen.


  • Das sehe ich anders: Wenn ich mir der Nicht-Erkennbarkeit Gottes bewusst bin und überdies auch über die Wahrnehmung Gottes in meinem eigenen Leben unsicher bin, heißt das nicht unbedingt, dass ich zum Schluss gelangen muss, dass es keinen Gott gibt.


    Der Agnostiker ist sich aber nicht über die Wahrnehmung Gottes unsicher, er lehnt die Frage nach Gott grundsätzlich ab.
    Der Theist beantwortet die Frage nach der Existenz Gottes mit "ja", der Atheist mit "nein", der Agnostiker gar nicht, da er die Frage für genau so sinnlos hält wie die Frage nach dem Geschmack der Farbe blau. Zumindest gilt das für den "harte Agnostiker". Und da sich organisierte Religion nun mal im Wesentlichen mit der Frage nach Gott beschäftigt, sei es nun im wörtlichen, übertragenen oder sonst irgendeinem Sinne, lässt sich das schwer unter einen Hut bringen.

  • Und mit dem Wegfallen eines missionarischen Eifers und vor allem: Mit dem Nicht-Glauben-Können an eine Auferstehung
    habe ich nichts mehr in einem Religionsunterricht zu suchen - ich für mich ganz persönlich. Irgendwie ist mir das "Engagement" verloren gegangen.


    Nun, mit religiösen Inhalten und der Weltsicht die diverse Religionen so vertreten kann man sich trotzdem auseinandersetzen. Dazu brauchts keinen Glauben und auch keinen missionarischen Eifer.
    Das du in diesem Fall für dich persönlich eine andere Entscheidung getroffen hast sei dir natürlich unbenommen.


    Ich hatte mal im Netz folgendes gefunden (ich glaube in freigeisterhaus.de, bin mir aber nicht mehr sicher):
    "Eine häufige Verwechslung der Begriffe. "Atheismus" bedeutet: Ein fehlender Glaube an einen Gott. (Nicht: Der Glaube an einen fehlenden Gott).
    "Agnostizismus" bedeutet; Die Überzeugung, dass Gott nicht wissenschaftlich beweisbar ist. Die meisten Atheisten, wie ich, sind agnostische Atheisten. Es gibt aber auch agnostische Gläubige.
    "Atheismus" bezieht sich auf den Glauben, "Agnostizimus" auf das Wissen um Gott."


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

    Einmal editiert, zuletzt von SteffdA ()

  • Die Auseinandersetzung mit diversen Religionen kann auch im Ethikunterricht geschehen.
    Als evang. Christin mit der vocatio bin ich verpflichtet, die Lehre der evang. Kirche im Religionsunterricht zu vertreten und deren Inhalte zu vermitteln.
    Ich heuchele mir 'nen Wolf, wenn ich von dem verzeihenden, gütigen Gott und seinem auferstandenen Sohn erzähle bzw. Texte bearbeite, die diese Aussagen zum
    Inhalt haben. Ich kann es nicht mehr. -- Während meiner Studienzeit kannte ich einen sog. "Volltheologen" (angehender Pfarrer), für den die Auferstehung
    Humbug war. Das störte ihn wenig. "Was ich von der Kanzel predige und was ich persönlich glaube, sind zwei Paar Schuh - das merkt schon keiner."
    Wer weiß, wie viele Pfarrer sonntags mit dieser Haltung / diesem Nicht-Glauben ihrer Gemeinde begegnen.

  • "Eine häufige Verwechslung der Begriffe. "Atheismus" bedeutet: Ein fehlender Glaube an einen Gott. (Nicht: Der Glaube an einen fehlenden Gott).
    "Agnostizismus" bedeutet; Die Überzeugung, dass Gott nicht wissenschaftlich beweisbar ist. Die meisten Atheisten, wie ich, sind agnostische Atheisten. Es gibt aber auch agnostische Gläubige.
    "Atheismus" bezieht sich auf den Glauben, "Agnostizimus" auf das Wissen um Gott."


    Die präzise Unterscheidung zwischen dem "fehlenden Glauben" und dem "Glauben an ein Fehlen" ist in der Tat sehr wichtig, weil Atheisten oft unterstellt wird, dass sie nur eine andere Glaubensform praktizieren, z.B. die Wissenschaft zur Religion zu machen. Rhetorisch hantiert wird dabei mit dem formallogischen Problem, dass Nichtexistenz nicht beweisbar ist. Nichtsdestotrotz ist der Unglaube an eine Gottheit genauso wenig ein Glaube wie Nicht-Briefmarkensammeln ein Hobby ist.


    Meiner persönlichen Meinung als ziemlich forsch auftretender Atheist nach, ist der Agnostizismus ziemlich häufig eine Fluchttür zur Vermeidung einer als unangenehm empfundenen gedanklichen Konsequenz. Niemand würde so herumeiern, wenn es um die Frage ginge, ob Jupiter oder Hephaistos existieren oder ob wir von unsichtbaren schwebenden Elefanten im Tutu umtanzt werden, obwohl die empirischen Grundlagen sowie die erkenntnistheoretischen Probleme von Beweis und Widerlegung haargenau die gleichen sind wie bei Jahwe und seinen Derivaten.


    Der englische Philosoph und Mathematiker Bertrand Russell hat diese Problematik anhand einer spekulativen Teekanne untersucht, die die Sonne umkreist. Der wichtige Punkt bei dieser Überlegung ist, dass zwar keine definitive Entscheidung zwischen Proposition A und Proposition B gefällt werden kann. Daraus folgt aber noch lange nicht, dass beide gleichermaßen wahrscheinlich sind und über diese Wahrscheinlichkeit lassen sich sehr wohl Aussagen aufgrund von in der Realität gewonnenen Erkenntnissen machen. Und da sieht es für den christlichen Gott (oder andere Ausformungen des Göttlichen) bekanntermaßen nicht allzu gut aus, dessen Karriere dank des fortschreitenden Wissens des Menschen über den Kosmos eine stetige Abwärtsbewegung aufweist. War er am Anbeginn noch der allmächtige Schöpfer von Himmel und Erde, auf dessen bloßen Wink Meere geteilt und Völker vernichtet wurden, reduziert sich sein Wirken heutzutage auf ein sentimentales Wohlgefühl und auf Wunder, die genauso durch natürliche Ursachen oder die Mühe von Mitmenschen verursacht worden sein können. Es spricht für sich, wenn es von gläubigen Christen als dramatisches Wunder betrachtet wird, dass Prediger von unbekannter Hand nassgespritzt werden, wenn ein Astloch eines nichtsahnenden New Yorker Baums vage der Form Marias zu ähneln scheint, oder der Messias sich den Gläubigen auf einem Toast offenbart. (War natürlich ein Betrug.)


    Bei der Frage, ob der Atheismus eine sinnvolle Sichtweise ist, hilft Ockhams Rasiermesser. Bei der Betrachtung der Religionsgeschichte und den benachbarten Mythologien, bei der Betrachtung der Quellenbasis, bei einer kritisch rationalen Untersuchung vermeintlich göttlichen Handelns zeigt sich wieder und wieder, dass die Annahme einer Gottheit als kulturelle Erfindung überwältigend haltbarer und wahrscheinlicher ist als die eines tatsächlich vorhandenen, allgütigen, allmächtigen metaphysischen Wesens. Carl Sagan forderte "extraordinary claims require extraordinary evidence" und dafür kann nicht im Geringsten die Rede sein. Dass sich die Religiösität bei vielen "aufgeklärten modernen" Gläubigen mehr und mehr in Richtung eines verwaschenen, undefinierbaren Pantheismus verwandelt, der das Göttliche nur noch über "ein Gefühl" vermittelt, kommt ja nicht von ungefähr.


    Insofern gibt es schon eine gedankliche Verbindung zwischen Atheismus und Wissen. Und es ist möglich, wenn schon nicht von einer absoluten Wahrheit des Atheismus im philosophischen Sinne, doch zumindest von dem auszugehen, was die Juristen "an mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" bezeichnen würde und die Naturwissenschaft als "Theorie".


    Das störte ihn wenig. "Was ich von der Kanzel predige und was ich persönlich glaube, sind zwei Paar Schuh - das merkt schon keiner."


    Naja, der Klerus hat ja traditionell ein eher gespaltenes Verhältnis zur Wahrheit...


    Nele

    6 Mal editiert, zuletzt von neleabels ()

    • Offizieller Beitrag

    kurz Offtopic, sonst behalte ich das die ganze Nacht im Kopf:

    ...ob wir von unsichtbaren schwebenden Elefanten im Tutu umtanzt werden, ...


    Sicher?
    [Blockierte Grafik: http://troublmaker.files.wordpress.com/2012/01/pinkelephants.jpg]
    Aber stimmt, sie haben kein Tutu :)

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