Dem Arbeitgeber die Diagnose nennen

  • Im Beitrag "Schulleiter ruft im Krankenhaus an" wurde darüber diskutiert, welche Informationen ich im Falle einer Krankschreibung an die Schule weiter gebe. Zum Teil wurde dies unter sehr "kollegialen" Bedingungen betrachtet und, so kam es zumindest bei mir an, als fast moralische Pflicht verkauft in einem funktionierenden Kollegium die Diagnose bekannt zu geben.


    In keinem der zahlreichen Beiträge hierzu wurde jedoch auf die möglichen arbeitsrechlichen Konsequenzen eingegangen. So kann, unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten, ein Kollege gute Gründe haben, die Diagnose nicht zu nennen. So gibt es für angestellte Lehrerinnen und Lehrer durchaus die Möglichkeit aus krankheitsbedingten Gründen entlassen zu werden. Dies ist jedoch an zahlreiche Voraussetzungen geknüpft. Eine dieser Voraussetzung ist z.B. eine negative Zukunftsprognose.


    Jetzt nehmen wir einmal an, ein Kollege erkrankt an MS. Im Anfangsstudium der Erkrankung ist ein Arbeiten als Lehrer durchaus weiter möglich. Es kann jedoch zu mehrwöchigen Ausfällen kommen. Fakt ist in den meisten Fällen aber auch, dass sich diese Ausfälle in den nächsten Jahren in 90% aller Fälle wiederholen und länger und schlimmer werden, bist der Kollege eben nicht mehr arbeitsfähig. Wenn dieser Kollege nun die Diagnose weitergibt und erkrankt dieses und nächstes Jahr länger als 6 Wochen, so kann dies mit Bekanntsein der Diagnose schon reichen, eine negative Zukunftsprognose zu stellen und eine krankheitsbedingte Kündigung auszusprechen. In der freien Wirtschaft (und möglicherweise auch bei einigen SL) wäre dieser Kollege nach Bekanntwerden der Diagnose sofort auf der Mobbingliste mit dem Ziel ihn schon vor Erreichen von jutiziablen Grenzwerten loszuwerden. An diesem Beispiel wird vielleicht deutlich, dass es gerade bei langwierigen Erkrankungen durchaus arbeitsrechlich relevante Gründe gibt, Diagnosen erstmal für sich zu behalten. Dies hat dann nichts mit unkollegialem Verhalten zu tun.


    Natürlich bin ich verpflichtet, meinem Arbeitgeber eine realistische Prognose zu geben, wann ich wieder im Dienst bin. Das aber auch nur so lange, wie eine solche Prognose möglich ist. Bei einer unkomplizierten Entfernung der Mandeln ist eine solche Prognose mit 90%iger Sicherheit möglich. Diese kann und sollte man dann auch einem Schulleiter mitteilen. Andererseits gibt es Op´s und Erkrankungen bei denen der Arzt vielleicht sagt: 20% sind in 2 Wochen wieder fit, 20% in 3, 20% in 5 und bei den anderen 40% hat die Erkrankung zwischen 2 und neun Monaten gedauert. Dies hilft weder dem SL noch sonst jemandem weiter. Im Regelfall wird dies dann formuliert: Bis auf weiteres Krank geschrieben. Und da führt dann auch kein Anruf beim Arzt (abgesehen von der Nichtzulässikgkeit) nicht zu einem anderen Ergebnis. Dies muss man dann auch als Stundenplanschreiber so hinnehmen. Menschen sind nunmal keine Maschinen.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

    • Offizieller Beitrag

    Hallo!


    Ich finde, es ist immer eine schwierige Situation.
    Diese "Freiwilligkeit" ist schon alleine keine reale Freiwilligkeit, weil alle, die das nicht tun, dann automatisch im Verdacht stehen, keine reale Diagnose zu haben. Ich finde, dass es ein sehr wichtiges Recht ist, dass ich meine Diagnose nicht nennen muss, wenn ich mich morgens telefonisch krankmelde. und trotzdem habe ich es bei meinen letzten Krankmeldungen fast immer gemacht. Weil ich den Eindruck hatte, ich muss mich entschuldigen zu fehlen und also zeigen, dass ich "nicht nur" Kopfschmerzen hatte, sondern dass die verschleppte Angina doch so weit war, dass ein Lungenentzündung-Schatten am Horizont geisterte.


    Diese Selbst-Freiwilligkeit ist also keine.


    Chili

  • Und genau dies führt dann zu sehr grotesken Situation. Gerade noch erlebt. Kollegin ist an einer handfesten Depression erkrankt.
    Das darf natürlich niemand wissen, da ist man ja stigmatisiert. AU vom Psychiater geht aus gleichem Grunde auch nicht.
    Also schreibt der einen Arztbrief an den Hausarzt. Der füllt dann die Krankmeldung aus (mit der richtigen Diagnose, aber die kriegt die Schule ja nicht zu sehen).
    Und um nicht aufzufallen sagt man dann in der Schule, dass man wegen Rückenproblemen krank geschrieben ist.
    Und die Kollegen wundern sich über Kollegin die Trotz ihrer Rückenerkrankung (die sie ja gar nicht hat) die schweren Tüten bei Real über den Parkplatz schleppen konnte.


    P.S.:
    Diese Kollegin ist wenigsten den halben WEg korrekt gegangen und wird wenigstens korrekt therapiert. Es gibt leider auch noch genug, die beim Hausarzt irgendwelche
    Symptome erfinden, also vermeintliche Blaumacher sind. Bei genauer Betrachtung sind viele dieser Kollegen aber in der Tat arbeitsunfähig, trauen sich aber nicht wegen
    ihrer wirklichen Problematik in Behandlung (Was wird die SL sagen, wenn ich ein Attest vom Psychiater vorlege?)

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

  • Kann euch nur zustimmen. In dem Thread "hohe Fehlzeiten einer Referendarin" wird ja zudem darüber diskutiert, ob man als Referendarin das Kollegium - nicht nur die SL - über seine Krankheit informieren sollte...

  • Moment mal : Wird man nicht sowieso zum Amtsarzt bestellt, wenn der Verdacht der baldigen Einschränkung/Berufsunfähigkeit besteht ? 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Ich bin bisher davon ausgegangen, dass es weder den Schulleiter noch das Kollegium zu interessieren hat, an welcher Krankheit jemand im Moment leidet. Solange ein Attest von einem Arzt da ist, ist alles in Ordnung (jaja, "der kennt einen, der schreibt immer krank" etc ... aber wohin soll das führen, wenn ich allem und jedem misstraue? Ich verwahre mich - mit Recht dagegen - wenn mir Leute unterstellen, dass ich meine Arbeit nicht korrekt erledige ... für Ärzte sollte Gleiches gelten. Ich habe auch kein Recht, ein Attest zu ignorieren/anzuzweifeln, das ein Arzt einem Schüler ausgestellt hat - warum bei Kollegen?).


    Natürlich muss die Schulleitung planen, müssen die Kollegen vertreten ... aber das gehört dazu und ist einfach so. Klar, ich kann mir auch Schöneres vorstellen, als wieder eine Vertretungsstunde ... und in Gedanken kann es schon auch passieren, dass ich auf den Erkrankten etwas fluche. Aber sobald der rationale Teil meines Gehirns wieder die Kontrolle übernimmt, ist klar, dass das eben so ist, es mich nicht wirklich etwas angeht und ich auch mal krank bin und vertreten werden muss.


    Sollte nun ein Kollege häufiger krank sein, ist das immer noch nichts, was mich zu kümmern hat (trotz mehr Vertretungen), sondern es ist Aufgabe der Schulleitung, mit dem Kollegen ein Gespräch zu führen (bei dem der die Diagnose immer noch nicht nennen muss) und ihn ggf. zum Amtsarzt zu schicken. Bei längeren krankheitsbedingten Fehlzeiten ist übrigens bei uns ein "Wiedereingliederungsgespräch" verpflichtend, in dem Schulleitung, Kollege und Personalrat des Vertrauens nach Möglichkeiten suchen, dem Kollegen einen schonenden Einstieg / ein Weiterarbeiten zu ermöglichen (z.B. durch Stundenreduzierung, Befreiung von Aufsichten etc).

  • Moment mal : Wird man nicht sowieso zum Amtsarzt bestellt, wenn der Verdacht der baldigen Einschränkung/Berufsunfähigkeit besteht ? 8_o_)


    Hier müssen wir nochmal differenzieren, ob wir es mit einer verbeamteten Lehrkraft oder mit einem Tarifbeschäftigtem zu tun haben. Bei der verbeamteten Lehrkraft würde man in der Tat den Amtsarzt einschalten. Allerdings ist die Schwelle, ab wann es zur Einschaltung des Amtsarztes kommt unterschiedlich hoch. Wenn der Dienstvorgesetzte nun Kenntnis über die Krankheitsursache hat, so kann dies zur frühzeitigen Einschaltung des Amtsarztes führen. Dies würde dann je nach Dienstalter, auch bei verbeamteten Kollegen zu finanziellen Verlusten führen. Fazit: Auch für verbeamtete Kollegen gilt "Reden ist Silber...
    Bei den Tarifbeschäftigten ist die Einschaltung des Amtsarztes nach TVL nur aus Fürsorgegründen möglich. Kommt der Amtsarzt (beispielsweise beim MS Patienten) zu der Erkenntnis, dass eine Weiterbeschäftigung nicht gegen die Fürsorgepflicht verstösst (weil der Erkrankte derzeit eben arbeitsfähig ist), sehr wohl aber davon auszugehen ist, dass der AN auch im nächsten Jahr mehr als 6 Wochen erkrankt, so darf er genau diese Kenntnis nicht weitergeben. Er hat eben hier nicht die Aufgabe (anders beim Beamten) festzustellen, ob ein Pensionsanspruch besteht. Hierfür wäre beim Tarifbeschäftigen ausschliesslich der Rentenversicherungsträger zuständig.

    An alle Deutschlehrer:
    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten. :doc:

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