Schülerin verweigert Mitarbeit und verschließt sich komplett

  • Ich brauche einmal einen Rat erfahrener KollegInnen.


    Ich habe jetzt vertretungsweise bis zum Halbjahreswechsel den Englischunterricht in einer 7. Klasse (Stadtteilschule, also Gesamtschule) übernommen. Die Lerngruppe ist nicht besonders groß (18 Schüler), allerdings sehr heterogen. Das ist aber nicht das Problem, ich mag die Klasse richtig gerne in ihrer Art.


    Ich komme mit allen Schülern in der Lerngruppe bisher bestens klar--mit einer Ausnahme. Ein Mädchen benimmt sich mir gegenüber einfach nur unverschämt und verweigert jegliche Mitarbeit. Und nicht nur das, sie versucht auch permanent den anderen Kindern den Unterricht mies zu machen und zu torpedieren.


    Die Kinder in der Lerngruppe sind durch die Bank noch nicht wirklich im schwierigen Pubertätsalter. Die sind fast alle noch recht kindlich und dementsprechend begeisterungsfähig und auch vergleichsweise leicht zu motivieren. Ausnahme ist das besagte Mädchen. Sie ist körperlich mit Abstand am weitesten entwickelt und ist auch bisher die einzige, die begonnen hat auf die typischen "Mädchendinge" wert zu legen, also beginnt sich zu schminken, ihren eigenen Kleidungsstil zu entwickeln (während die anderen von Mama eingekleidet werden, und das eben recht kindlich) usw. Um es kurz zu machen: Während sie langsam heranreift (und sich auch körperlich deutlich von den anderen Mädchen zu unterscheiden beginnt) sind die anderen Mädchen noch Kinder.


    Und ich glaube das ist das Problem. Sie merkt, dass sie mit den anderen Mädchen in der Klasse nicht mehr viel anfangen kann. Die sind eben so "kindisch" und nicht so "grown up" wie sie es ist. Die lassen sich mit einfachen Mitteln und Spielen zur Mitarbeit motivieren, Dinge, über die das Mädchen sich hinausgewachsen fühlt. Ihr fällt zu dem "kindischen" Kram, den der Lehrer da veranstaltet, nichts mehr ein und die rollt da nur noch mit den Augen.


    Ich möchte das stoppen, bevor es zu spät ist. Ich weiß, dass ich bei ihr mit Trainingsraum und disziplinarischen Maßnahmen nicht weiter komme, weil sie in ihrer Verzweiflung, dass der Unterricht ihr von der Methodik her nichts zu bieten hat, entschieden hat gegen die Autoritätsperson (Lehrkraft) zu rebellieren. Sie lacht z.B. demonstrativ über Verweise und andere Maßnahmen, freut sich diebisch, wenn man sich als Lehrer über ihre Art aufregt, weil sie weiß, dass sie einen dann erfolgreich provoziert hat. So viel Einsicht, dass sie die Konsequenzen ihres Handeln absehen kann, hat sie noch nicht.


    Ich habe mir deswegen überlegt, dass ich bei ihr einen anderen Weg einschlagen muss. Ich muss ihr in meinem Unterricht das Gefühl geben, jemand besonderes zu sein. Sie muss eine Rolle bekommen, die ihrem Selbstbild entspricht, vielleicht etwas mit einer (begrenzten) Verantwortung, so dass der Unterricht auch ihr etwas zu bieten hat. Das Dumme ist, dass ich sie im Moment fachlich noch gar nicht einschätzen kann, denn sie verweigerte in den letzten drei Unterrichtsstunden jegliche Mitarbeit.


    Ich habe keine Ahnung, was ich konkret mit der anfange und wollte daher mal in die Runde fragen, ob jemand vielleicht die ein oder andere Anregung hätte.

  • Ich muss ihr in meinem Unterricht das Gefühl geben, jemand besonderes zu sein.


    Nein, ganz sicher nicht!

    Sie muss eine Rolle bekommen, die ihrem Selbstbild entspricht, vielleicht etwas mit einer (begrenzten) Verantwortung, so dass der Unterricht auch ihr etwas zu bieten hat.


    Übereinstimmung.


    Vielleicht kannst du ihr einfach ein altersgerechtes Jugendbuch o.ä. auf englisch zu lesen geben, mit dem Auftrag im Unterricht eine Zusammenfassung oder Einführung zu machen.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Puh, da machst du dir ja ganz schön viele Gedanken und räumst der jungen Dame damit mächtig viel Raum ein. Im Unterricht wie in deinen Überlegungen.
    Es ist doch ein recht alltäglich in 7. und 8. Klassen, dass der Entwicklungsstand und Reifegrad der SchülerInnen sehr unterschiedlich ist. Da müssen sie halt durch. Und ich als Lehrerin dann eben auch. Wozu willst du ihr eine Sonderrolle einräumen? Die nimmt sie sich doch ohnehin bereits selbst.
    Ich für meinen Teil glaube, dass man in diesen Konstellationen gar nicht so viel tun kann (und muss), außer - wie es so schön heißt - bei sich selbst zu bleiben, was schwer genug ist - statt den abgeklärten Pädagogen zu geben.


    Schenk ihr einfach weniger Beachtung. Dann arbeitet sie halt nicht mit. Na und? Sie muss weder dich noch deinen Unterricht toll finden. Oder doch?

  • Zitat Xiam :

    Zitat

    Ich muss ihr in meinem Unterricht das Gefühl geben, jemand besonderes zu sein.

    Nein, absolut nicht ! Sie ist ja auch nichts besonderes, sondern nur eine pubertierende Göre, die sich Dir gegenüber absolut frech und respektlos benimmt, das auch nicht mit der Pubertät zu entschuldigen ist. Das darftst Du Dir auf gar keinen Fall bieten lassen ! Disziplin und Respekt vorm Lehrer sind nicht verhandel- und interpretierbar !


    Ich würde mit ihr unter 6 Augen (Kollege oder Elternteil mit hinzuziehen) ein sogenanntes pädagogisches Sondierungsgespräch anberaumen, in dem Du Deinen Standpunkt unmissverständlich klarmachst. Die Brücke zu ihr würde ich insofern bauen, dass Du ihr klarmachst, dass Du durchaus erkannt hast, dass sie schon etwas "fortgeschrittener" erscheint als ihre Klassenkameradinnen. Das Gespräch müsste dann so in die Richtung laufen, dass Du gerade deswegen von ihr fachlich viel mehr erwarten und einfordern würdest, da sie ja auf dem Weg zum Erwachsenwerden schon etwas weiter ist und die Begriffe Pflichterfüllung und Leistungsorientierung bei ihr ab jetzt immer mehr in den Mittelpunkt rücken werden, wobei der Schminkkoffer aus Zeitmangel wegen des intensiven Paukens nicht zum Einsatz kommen wird.


    Und dann musst Du sie im Unterricht fachlich ordentlich fordern und fördern. Lässt sie sich darauf nicht ein, ist es ihr Problem (Ihr habt ja vorher in pädagogischen Sondierungsgespräch darüber gesprochen), nur musst Du dann ohne Sentimentalität und Kuschelpädagogikmentalität knallhart zensieren.


    Na gut, durch diese individuelle Herangehensweise spielt sie ja schon ihre besondere Rolle in der Klasse, aber wenigstens in die (richtige) Richtung des erhöhten Leistungsanspruchs. 8_o_)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    Einmal editiert, zuletzt von Elternschreck ()

  • Ich bin selbst noch Anfängerin und daher weiß ich nicht, wie "brauchbar" meine Ratschläge sind ;)
    Aber rein intuitiv glaube ich, dass du das Verhalten der jungen Dame eher verstärkst, wenn du ihr die Sonderrolle gibst,die sie durch ihr Verhalten erreichen will. Versuche nicht darauf einzugehen und dich nicht provozieren zu lassen (leichter gesagt, als getan...)
    Hast du schon mal ein Gespräch unter vier Augen mit ihr geführt? Manchmal kann so was Wunder bewirken.
    Naja, und als letzten Ratschlag: tausche dich mit der/dem KlassenlehrerIn oder anderen Lehrkräften aus. Verhält sie sich auch bei anderen so? Wie gehen erfahrene Lehrkräfte damit um?
    Viel Erfolg!
    Sofie

  • Danke für die vielen Antworten.


    Okay, das mit der Sonderrolle scheint ja hier auf wenig Gegenliebe zu stoßen. Da frage ich mich natürlich warum? Also, ich habe im Studium immer wieder gelernt "Bediene dich der starken Schüler, setze die ein, um die Schwachen zu unterstützen" etc. Wieso das nur bei stofflich starken Schülern machen und nicht auch bei solchen, die in ihrer Reifung den anderen in ihrer Lerngruppe weit voraus sind? Vielleicht kann mir das jemand erklären.

    Ich würde mit ihr unter 6 Augen (Kollege oder Elternteil mit hinzuziehen) ein sogenanntes pädagogisches Sondierungsgespräch anberaumen, in dem Du Deinen Standpunkt unmissverständlich klarmachst.

    Ein solches Gespräch würde im Moment meiner Einschätzung nach überhaupt nicht fruchten. Sie macht dicht, was meiner Meinung nach daran liegt, dass sie sich im Moment in eine Schublade mit ihren Altersgenossen gesteckt sieht, der sie sich entwachsen fühlt (ob sie besonders reif ist lassen wir mal dahin gestellt, sie fühlt sich aber überlegen). Und das nervt sie wohl, nehme ich an. Daher dieses rebellische Verhalten. Disziplinarische Maßnahmen fruchten ja auch nicht. Im Gegenteil, sie versucht ja gerade sich (und den anderen) ihre Coolness zu beweisen, indem sie diese unsägliche "ihr könnt mich alle mal, und ihr Lehrer besonders"-Attitüde raus hängen lässt.


    Die Klassenlehrerin kommt mit ihr auch nicht klar. Da haben sich zwei vom gleichen Schlag gefunden. Wenn ich das richtig verstehe, dann ist das zwischen denen manchmal ein echte Zickenkrieg (hab die aber im Unterricht noch nicht erlebt).

    Schenk ihr einfach weniger Beachtung. Dann arbeitet sie halt nicht mit. Na und? Sie muss weder dich noch deinen Unterricht toll finden. Oder doch?

    Das ist, was ich im Moment noch tue. Ich lasse mich auf ihre Provokationen nicht ein. Das ist aber keine Dauerlösung (wenn auch für mich die bequemste), denn das löst ja das eigentliche Problem nicht. Zumal sie es immer weiter treibt und irgendwann der ganze Unterricht leidet, und spätestens dann ist es mit der wenigen Beachtung vorbei. Ja toll, dann geht sie wieder in den Trainingsraum (damit die anderen Kinder nicht vom Lernen abgehalten werden), was genau gar nichts nützt. Das ist doch kein Zustand, irgendwie muss da irgendwas passieren. Schulter zucken und "na und" finde ich persönlich ein bisschen unbefriedigend als Lösung.

    Und dann musst Du sie im Unterricht fachlich ordentlich fordern und fördern.

    Das ist es, wo ich hin will, aber das funktioniert noch nicht bei ihr. Ich glaube einfach, dass sie das Gefühl haben muss, dass sie ernst genommen wird. Ist halt blöd für sie, dass sie als einzige weiter ist als die anderen und dafür eine Behandlung über sich ergehen lassen muss, die sie als unangemessen empfindet. Klar sitze ich am längeren Hebel und kann den pädagogischen Holzhammer raus holen, nach dem Motto "was nicht passt wird passend gemacht und wenn sie sich nicht fügt, dann ist das ihr Pech..." aber das gefällt mir nicht. Genommen kann sie genauso nichts für die Situation wie ich. Und Einsicht kann ich nicht erwarten, sie ist immer noch eine (vielleicht etwas frühreife) Zwölfjährige.


    Ich habe aber die Hoffnung, dass wenn sie sich ernst genommen und akzeptiert fühlt, dann würde auch die Leistungsbereitschaft wieder kommen.

  • Zitat 1:

    Okay, das mit der Sonderrolle scheint ja hier auf wenig Gegenliebe zu stoßen. Da frage ich mich natürlich warum? Also, ich habe im Studium immer wieder gelernt "Bediene dich der starken Schüler, setze die ein, um die Schwachen zu unterstützen" etc. Wieso das nur bei stofflich starken Schülern machen und nicht auch bei solchen, die in ihrer Reifung den anderen in ihrer Lerngruppe weit voraus sind? Vielleicht kann mir das jemand erklären.

    Natürlich kann man auch Schüler, die in ihrer Reifung den anderen in ihrer Lerngruppe voraus sind einsetzen. Allerdings würde ich darunter einen Fall verstehen, wo z.B. ein Schüler bereits begriffen hat, dass ein guter Abschluss und gutes Benehmen wichtig für die spätere Rolle in der Gesellschaft sind. So einen Schüler, der im Gegensatz zu Mitschülern schon weiter ist, also z.B. schon so erwachsen ist Verantwortung zu übernehmen, könnte man schon in eine Sonderrolle nehmen als Vorbild für die anderen.


    Jetzt aber zu Deinem Fall: Aus Deinen Beschreibungen entnehme ich, dass das Mädel eigentlich nur körperlich stärker gereift ist. Ihr Verhalten ist ja, wie schon in anderen Posts bemerkt, recht frech und sicher nichts, was man als vorbildlich für die weniger reifen Schüler hinstellen kann.


    Zitat 2:

    Die Kinder in der Lerngruppe sind durch die Bank noch nicht wirklich im schwierigen Pubertätsalter. Die sind fast alle noch recht kindlich und dementsprechend begeisterungsfähig und auch vergleichsweise leicht zu motivieren. Ausnahme ist das besagte Mädchen. Sie ist körperlich mit Abstand am weitesten entwickelt und ist auch bisher die einzige, die begonnen hat auf die typischen "Mädchendinge" wert zu legen, also beginnt sich zu schminken, ihren eigenen Kleidungsstil zu entwickeln (während die anderen von Mama eingekleidet werden, und das eben recht kindlich) usw. Um es kurz zu machen: Während sie langsam heranreift (und sich auch körperlich deutlich von den anderen Mädchen zu unterscheiden beginnt) sind die anderen Mädchen noch Kinder.

    Nun ist meine Frage, wie möchtest Du ihre deutlicher ausgeprägten weiblichen Formen und ihre eher weiblich betonte Kleidung (statt des Kinderkleidungsstils der anderen) einsetzen im Sinne des Zitats 1, in dem man stofflich starke Schüler nutzt um Schwächere zu unterstützen und in diesem Fall eben eine frühere körperliche Reifung. Wie darf ich mir das konkret vorstellen, denn das reifere Verhalten wie in meinem konstruierten Beispiel ist bei ihr ja nicht vorhanden. Inwiefern würdest ihre frühere Reifung nutzen wollen für schwächere Schüler?

    3 Mal editiert, zuletzt von Silicium ()

  • Ich glaube auch, dass es ganz wichtig ist Grenzen zu ziehen.


    Ich greife bereits ein, sobald sich ein Schüler auch nur ansatzweise im Ton vergreift oder gar die Augen verdreht. Das ist absolut respektlos - und scheinbar weiß sie momentan ja noch nicht, dass solch ein Verhalten respektlos ist. Irgendwer muss es ihr also sagen.


    Letzten Endes wird es auf ein Kräftemessen hinauslaufen - im Grunde hat dies schon begonnen, ohne dass du es weißt. Sie schaut, wie weit sie bei dir gehen kann und momentan scheint sie ja ziemlich weit gehen zu können, ohne dass es für sie ernsthafte Konsequenzen hat.

  • Ich glaube, das Problem ist häufig, dass Schüler merken, bei wem sie sich was erlauben können. Daher kann ich MrGriffin nur anschließen. Es ist wichtig, kosnequent zu sein - d.h. im Zweifelsfall auch zu bestrafen, z. B. nachsitzen, Elternbrief, Verweis etc. Dabei aber nicht gleich als erstes mit dem Schulleiter oder einem Schulverweis drohen, sondern erstmal mit "kleineren" Bestrafungen.
    Und ich denke, sehr viel hängt auch mit dem Auftreten der Lehrkraft zusammen, und das ist etwas, was sich nicht über Nacht verändert. Gerade als Anfänger sollte man sich auch im Klaren darüber sein, dass es schlicht und einfach normal ist, schwierige Schüler nicht sofort im Griff zu haben, v.a. wenn selbst erfahrene Lehrkräfte - wie zum Beispiel die Klassenlehrerin - an dieser Schülerin scheitern.
    Priorität sollte für dich erstmal haben, diese Schülerin davob abzuhalten, den Unterricht zu stören. Ob sie dabei besonders gefördert wird, ist erstmal zweitrangig. Aus eigeneer Erfahrung weiß ich, dass man am Anfang oft dazu neigt, sich auf besonders schwierige Schüler zu "stürzen", diesen helfen zu wollen und dabei völlig die anderen 25 Schüler der Klasse vergisst.
    Wie gesagt, dass sind Ratschläge einer blutigen Anfängerin... ;)

  • Was ist denn das "eigentliche" Problem?
    Du scheinst ihr (vermutetes) Problem lösen zu wollen, statt dein eigenes zu lösen. Nämlich, dass sie deinen Unterricht stört und sich selbst zum Thema macht. Es geht nicht um Schulterzucken oder Gleichgültigkeit der Schülerin gegenüber, sondern um die (in meinen Augen entlastende) Einsicht nicht alle Schüler immer und zu jeder Zeit erreichen zu können. Sich das zuzugestehen, entspannt schon so manches.


    Stichwort: sich ernst genommen fühlen. Es bedeutet, jemanden ernst und für voll zu nehmen, wenn man ihm zumutet, die Konsequenzen für das eigene Verhalten zu tragen.
    "Sie meint es ja nicht so" oder "sie kann die Konsequenzen eben noch nicht abschätzen" ist das Gegenteil davon. Mute ihr die Konsequenzen zu. Auch deinen Ärger, wenn sie deinen Unterricht und die anderen stört.
    Hast du sie denn schon einmal direkt gefragt, was sie sich (von dir) wünschen würde, was sie (von dir) braucht, um sich besser auf den Unterricht einzulassen? Auch das wäre eine Form des Ernst-nehmens.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Okay, das mit der Sonderrolle scheint ja hier auf wenig Gegenliebe zu stoßen. Da frage ich mich natürlich warum? Also, ich habe im Studium immer wieder gelernt "Bediene dich der starken Schüler, setze die ein, um die Schwachen zu unterstützen" etc. Wieso das nur bei stofflich starken Schülern machen und nicht auch bei solchen, die in ihrer Reifung den anderen in ihrer Lerngruppe weit voraus sind?


    Sonderrollen sind in dem Alter - oder überhaupt unter Schülern - eher ein Problem als eine Lösung. Eine Sonderrolle kann schnell in Isolation abrutschen, die meisten Schüler meiden Sonderrollen wie die Pest. Selbst wenn jemand sich erhaben fühlt - und in ein, zwei Jahren trifft das auf etwa die Hälfte der Klasse zu ;) - möchte er/sie eigentlich keine Sonderrolle, i.e. keinen Status, der ihn aus der Gruppe katapultiert. (Und die Sonderrolle kann leicht ins Negative kippen, wenn du sie, als "weiter entwickelte" ohne stofflichen und verhaltensmäßigen Vorsprung schwachen Schülern an die Seite stellst. Was denkt sich denn eigentlich ein schwaches, aber höfliches und verhaltensmäßig diszipliniertes Kind, wenn der "Klassenclown" oder die Klassenpatzige aufgeforert wird, ihr "zu helfen" oder die Gruppenarbeit zu leiten etc? Das ist für die Kinder nicht nachvollziehbar, weil es eigentlich üblicherweise als Anerkenung/Belohnung dient. ) Das ist ja das Verzwickte an der Pubertät: man möchte sich gleichzeitig abgrenzen und dazugehören. Man ist gleichzeitig größenwahnsinnig und komplexbehaftet. Man will noch beschützt werden und sich dem Schutz mit aller Macht entziehen ... usw. Die Rollenfindung ist beliebig komplex und schwankt teilweise von Tag zu Tag - in meinen 6. Klassen hatte ich immer wieder Schüler, die kamen jeden Morgen anders in die Schule: mal als abgeklärte Erwachsene und dann wieder als Kuschelkind ...Hätte ich ihnen am falschen Tag die falsche Rolle "zugeschrieben", hätte ich viel kaputt gemacht.


    Diese Findung müssen die unbedingt selber hinkriegen. Beim einen funktioniert das mit mehr und beim anderen mit weniger Reibung. Was man selbst tun muss, als Erwachsener - nicht nur als Lehrer - ist ihnen das Gefühl zu vermitteln, dass man sie respektiert und mag, auch wenn man ggf. mit ihnen aneinander gerät. Dass man für sie da ist, wenn sie einen brauchen, dass man sich aber nicht von ihnen herumschicken lässt. Und man muss stabil und klar sein, je instabiler sie selbst sind. Das brauchen sie.


    Eine unkommentierte Serie von Strafen halte ich für wenig ertragreich. Konsequenzlosigkeit und/oder Überbetüttelung und Sonderrollen auch.
    Ich würde mit ihr ab und zu Gespräche führen. Auf dem "erwachsenen" Niveau, das sie sich offensichtlich wünscht. Ihr ihr Verhalten spiegeln, sie nach ihren Wünschen befragen (wahrscheinlich hat sie gar nicht so viele konkrete - außer "Reibung" ;) ), ihr also klar machen, dass ich sie ernst- und wahrnehme, aber Verhalten, das das Lernen für andere stört, nicht dulde. Dass ich sie als Mensch mag/respektiere, dass das aber nichts daran ändert, dass solches Verhaten Konsequenzen haben muss, weil sie eben nicht der einzige Mensch im Klassenraum ist.


    Ich hatte schon viele ähnlich gelagerte Schüler, denen die Tatsache, dass ich sie ernst und mir für mehr als ein Gespräch Zeit nehme (und nicht von oben nach unten monologisiere, sondren eben ein echtes Gespräch führe) Wunder gewirkt hat. Gesprächsführung in solchen Fällen ist nicht ganz einfach, aber: learning by doing, alles andere hilft ja nix :) ...

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()

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