Erfahrungen mit Täuschungsverhalten von Schülern

  • Sicher haben viele von euch bereits die persönliche Erfahrung gemacht, mit einem Täuschungsversuch von Schülern konfrontiert zu werden. Dies kann auf ganz verschiedenen Ebenen vonstattengehen. Schüler, die einem offensichtlich ins Gesicht lügen, bei Klassenarbeiten beim Nachbarn spicken oder auch schon einmal ganze Vorträge aus Wikipedia ziehen. Auch wenn man als Lehrer noch so aufmerksam handelt, bleiben die meisten Täuschungsversuche doch unentdeckt. Bei Klassenarbeiten wird jeder Moment zum Spicken ausgenutzt, in welchem der Lehrer den Blick nicht auf einen richtet - etwa um anderen Schülern kurz Fragen zur Klassenarbeit am Platz zu beantworten (unter der festen Absicht, die anderen im Raum bloß nicht in ihrer Konzentration zu stören). Auch vorbereitete Spickzettel, die auf einem Toilettengang während der Klassenarbeit von den Schülern fleißig studiert werden, sind meist weitaus häufiger in der Realität existent, als vom Lehrer angenommen - bieten sie doch auch eine große Sicherheit, denn kaum einer wird den Schüler bis auf die Toilettenkabine verfolgen können.


    Dabei spielt die Wichtigkeit einer Arbeit kaum eine Rolle, selbst bei Vokabeltests, die an sich keinen großen Anteil an der Gesamtnote ausmachen, wird in der Pause vor der Stunde ganz schnell mal der Tisch mit Bleistift hauchdünn vollgeschrieben und das Mäppchen darüber gelegt, so dass bei Bedarf die richtige Vokabel doch ganz einfach wiederzufinden ist.


    Dieser Vielzahl von Täuschungsmöglichkeiten fühlen Lehrer sich manchmal tatsächlich hoffnungslos ausgeliefert. Man nimmt es hin und verdrängt es in einer Zeit, in der selbst hohe Politiker zu Täuschungsmethoden offenkundig in ihrer Bildungslaufbahn gegriffen haben. Doch dann gibt es auch wieder diese anderen Momente, in denen es einem doch gelingt, die Täuschung aufzudecken und sich dann auch - manchmal schweren Herzens - dazu durchringt, dies auch mit der entsprechenden Note zu quittieren.


    Zu diesem Themenkomplex findet aktuell eine Studie statt, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. Der Lehrstuhl für pädagogische Psychologie der Universität Mannheim hat dafür eine Online-Befragung entwickelt, in der durch die Analyse von per Video aufgezeichneten realen Schüleraussagen herausgefunden werden soll, durch welche Wahrnehmungsmerkmale Lehrer ihre Entscheidungen bei der Konfrontation mit Täuschungsverhalten von Schülern fällen: http://ww3.unipark.de/uc/UniMannheim_SaS/


    Bereits im letzten Jahr wurde eine ähnliche Studie zu diesem Thema mit großer Beteiligung erfolgreich durchgeführt, auch dieses Mal wäre es sehr schön, wenn sich wieder viele engagierte Lehrer über jede Schulform hinweg finden würden.

  • Gut ist, wenn Schule so gestaltet ist, dass Täuschen unnötig ist. Man lässt sich prüfen, wenn man sich sicher ist, wenn man den Stoff beherrscht. und nicht am Tag x alle zusammen. Täuschen gehört doch zur Anpassung an ein ungerechtes System.

    • Offizieller Beitrag

    Warum solltest du dich für den Tag x (an dem du den Stoff beherrschst) intensiv vorbereiten, wenn du am Tag X mit weniger Vorbereitung auch per Täuschung ein entsprechendes Ergebnis bekommen kannst.
    Sprich: auch in deinem System würde getäuscht werden, es ist also nur ein Scheinargument gegen das aktuelle "System".


    kl. gr. frosch

  • Bereits im letzten Jahr wurde eine ähnliche Studie zu diesem Thema mit großer Beteiligung erfolgreich durchgeführt, auch dieses Mal wäre es sehr schön, wenn sich wieder viele engagierte Lehrer über jede Schulform hinweg finden würden.


    Ja, es ist schon einmal so eine Studie durchgeführt worden und hier auch verlinkt worden.


    Das weitgehend einhellige Ergebnis der Diskussion dieser Studie im Lehrerforum hier war, dass der Untersuchungsansatz weder mit der Realität noch mit rechtlichen Bedingungen noch mit tatsächlichen pragmatischen Alltagsgegebenheiten im Umgang mit Täuschungsversuchen irgendetwas zu tun hatte.


    In anderen Worten - die Studie war für das tatsächliche Schuilleben vollkommen wertlos. Letztlich lief es auf bloße Raterei hinaus - da ließe sich die Erfolgschance allerdings sehr viel leichter stochastisch ermitteln...


    Es mag ja sein, dass das Unterfangen in der realitätsfreien Welt der Hochschuldidaktik "erfolgreich durchgeführt" worden war, für wirkliche Lehrer und Referendare war (und ist) die Teilnahme eine reine Zeitverschwendung.


    Nele

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

  • Zitat

    dass der Untersuchungsansatz weder mit der Realität noch mit rechtlichen Bedingungen noch mit tatsächlichen pragmatischen Alltagsgegebenheiten im Umgang mit Täuschungsversuchen irgendetwas zu tun hatte.


    Das ist auch diesmal so - habe die Studie gerade gemacht und muss feststellen, dass ich nicht weiß, was man daraus für Schlüsse ziehen soll.


    Wenn ich jetzt den alten Thread lese


    Studie für Diplomarbeit


    muss ich mit Entsetzen feststellen, dass der Versuchsaufbau relativ gleich geblieben zu sein scheint. Dann war es wohl wirklich verschwendete Zeit. Jedenfalls sieht man, dass Rückmeldungen aus der Praxis offenbar fleißig ignoriert werden.

    • Offizieller Beitrag

    unter uns: Danke, den habe ich eben gesucht.


    kl. gr. frosch


    Schlussfolgerung von nele nach der Studie:


    Muss morgen am PC mal meine Boxen anschließen und mir selber ein Bild machen.

  • Also, ich nicht, und es gibt auch genug Schüler, die das nicht machen. Deshalb sehe ich das auch nicht so sportlich.
    Aber da hab ich so Kollegen, die sagen, "Wenn einer so dumm ist und sich erwischen lässt, selber schuld." Also alles OK, Hauptsache, man wird nicht erwischt. Dann war es nur ein "Sport".
    Ich sage den Schülern eher was zum Thema Guttenberg... dass Leistungsbetrug im wirklichen Leben auch kein Kavaliersdelikt ist. Wenn man das nicht in jungen Jahren lernt, wann dann?
    Gruß,


    putzi

    "I think it would be a great idea." (Mohandas Karamchand Gandhi when asked what he thought of western civilization)

    • Offizieller Beitrag

    neee, so sportlich sehe ich das auch nicht. Ich passe während irgendwelcher Überprüfungen immer auf wie ein Schießhund und versuche bereits im Vorfeld, möglichst viele Spickmöglichkeiten auszuräumen. So hat niemand ein Mäppchen auf dem Tisch, Tintenkiller sind nicht erlaubt und Toilettengang während einer 45- oder 90 minütigen Klassenarbeit ist nicht. Im Leben würde ich nicht während einer Klassenarbeit im Raum den Schülern den Rücken zuwenden oder gar an einen Schülerplatz gehen- mal ganz ehrlich: so naiv kann man doch gar nicht sein.


    dennoch passiert es natürlich auch mir, dass gespickt wird. Und "schweren Herzens" gebe ich die 6 dann nicht, sondern sachlich und emotionslos. Ist eben keine eigene Leistung abgegeben worden. Punkt.

  • mal ganz ehrlich: so naiv kann man doch gar nicht sein.


    ich hab da ein anderes menschenbild. ich brauch keine "gehorsamsprüfungen", meine schüler lernen freiwillig und nachhaltig. wieviel bleibt denn haften, wenn man für ne prüfung lernt mit oder ohne spickzettel? fast nix. bulimie-lernen nennen experten das. darüber sollte man sich eher mal gedanken machen...

    • Offizieller Beitrag

    ich hab da ein anderes menschenbild. ich brauch keine "gehorsamsprüfungen", meine schüler lernen freiwillig und nachhaltig. wieviel bleibt denn haften, wenn man für ne prüfung lernt mit oder ohne spickzettel? fast nix. bulimie-lernen nennen experten das. darüber sollte man sich eher mal gedanken machen...


    ja. Theoretisch schön und gut.
    Aber sie tun es eben nicht: freiwillig und nachhaltig lernen.


    In einer Überprüfung sehe ich auch keine "Gehorsamsprüfung", sondern schlichtweg eine Überprüfung des Gelernten. Des Trainierten. Aber so eine Diskussion führt mal wieder auf ein Nebengleis.

  • Das ist wohl mal wieder ein Unterschied zwischen Grundschule (Arabella) und weiterführenden Schulen (Friesin).


    In der Grundschule wird noch weniger hartes Faktenwissen gelernt und abgefragt als z.B. in der 10. Klasse Gymnasium.
    Ein weiterer Grund ist m.M.n., dass die "kriminelle Energie" auch erst im Laufe der Zeit erwacht.
    Ich bin auch einer von denen, die knallhart aufpassen und bei denen wirklich alles außer dem Schreibwerkzeug vom Tisch muss. Inzwischen gehe ich auch dazu über, keine eigenen Blätter mehr zuzulassen, um eine weitere Gefahrenquelle zu eliminieren.
    Was das keine Toilettengänge zulassen angeht - gab es da keine Beschwerden? Ist dies zulässig?

    • Offizieller Beitrag

    Was das keine Toilettengänge zulassen angeht - gab es da keine Beschwerden? Ist dies zulässig?


    Im Gegenteil: ich bekam Probleme, nachdem ein Schüler während einer Klassenarbeit die Toilette aufgesucht hatte. DAS war nämlich nicht zulässig :teufel:


    Ich frage vorher immer, aber 45 oder 90 Minuten müsste man schon mal durchhalten können. Während normaler Stunden sehe ich das aber auch nicht so eng ;)

  • Bei mancher Wortwahl hier könnte man fast den Eindruck bekommen, dass eine Klausur so brisant wie eine Kampfhandlung mit hostile insurgents oder ein Gefängnisausbruch wäre.


    Aus irgendeinem Grund habe ich weniger Probleme im Leben und meine Schüler gehen trotzdem mit Wissen und ohne geschenkte Noten aus meinen Kursen. Verstehe ich auch nicht, wieso...


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    Danke, Nele. Ich verstehe bisweilen die Energie auch nicht, die ins Spickverhindern reingesteckt wird - manchmal als Alternative zu nachhaltigem Unterricht ;) - da gibt es die reinsten Wettbewerbe. Ich hab da andere Prioritäten. Klar, wenn ich einen erwische, erwisch ich einen und dann rappelts halt im Karton - ich trag das aber auch nicht 100 Jahre nach und nehm mich nicht so wichtig, dass ich es als persönliche Beleidigung auffasse und bei jeder Klausur den großen Saal anmiete und 4 Sicherheitsbeamte, die durch die Reihen gehn.
    Spicken ist unschön und ich würdige das entsprechend, aber es ist auch nicht der Untergang des Abendlandes. Und ob es eine Diplomarbeit wert ist... hm.
    Ich gehe selbstverständlich davon aus, dass alle Antispickfanatiker noch nie ein privat genutztes Buch oder DvD bei der Steuer angegeben haben. Nie! :P

  • Zitat

    Ich hab da andere Prioritäten

    Was können das während einer Klassenarbeit für Prioritäten sein? Zeitung lesen?
    Meiner Meinung nach gehört es zu meiner Pflicht, während dieser Zeit auf Spickversuche zu achten und sie zu verhindern.
    Und ich erleichtere mir diese Arbeit um einiges, indem ich gewisse Voraussetzungen schaffe, das ist alles.


    Vielleicht war mein Beitrag oben auch etwas drastisch ausgedrückt, es
    ist keinesfalls so, dass ich mich vor und während Klassenarbeiten total
    verrückt mache und mich diebisch über gefundene Spickversuche freue oder
    nachts im Bett wälze, weil ich vielleicht welche übersehe.
    Was die Ideologie dahinter angeht, sehe ich es vielleicht tatsächlich anders als ihr:
    Wer
    spickt, erreicht seine Note durch das Können und Wissen von anderen,
    ich setze das gleich mit Plagiaten bei anderen schriftlichen Leistungen.
    Provokant formuliert: Wem es egal ist, ob ein Schüler eine Aufgabe löst, weil er sie selbst schafft oder weil er sie einfach beim Nachbarn abschreibt, kann auch Plagiate zulassen.


    Und "Spickverhinderer" als das Gegenteil von "nachhaltig unterrichtenden" Lehrern zu sehen, halte ich für provokant-polemisch.
    Im Unterricht habe ich andere Ziele als während der Klassenarbeiten und entsprechend sind natürlich auch die Methoden andere.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Wem es egal ist, ob ein Schüler eine Aufgabe löst, weil er sie selbst schafft oder weil er sie einfach beim Nachbarn abschreibt, kann auch Plagiate zulassen.


    ...... der braucht sich über mangelnde Nachhaltigkeit (wie ich dieses Wort HASSE :sauer: ) nicht zu wundern.


    Es geht weder darum, Sicherheitsbeamte aufzustellen während einer Klassenarbeit noch darum, anschließend knartschig oder nachtragend zu sein. Sondern darum, auf das Einhalten der Spielregeln zu achten und die ehrlichen Schüler vor einem verzerrten Gesamtergebnis zu bewahren.
    Im Sport möchte ich auch nicht gegen den Dopingkönig verlieren :daumenrunter:

  • Natürlich sollte nicht getäuscht werden. Aber auch wer wie ein "Schießhund" aufpasst, kann es nicht verhindern. Ich glaube, da bilden sich die Lehrer eine Menge ein.


    Ich erlebe oft, dass das Abschreiben eh nichts nutzt, der Nachbar weiß es ja auch oft nicht besser. Der Spickzettel bringt bei meinen Klausuren gar nichts. In Mathe kriegen sie eh eine Formelsammlung. Bei Programmierklausuren dürfen die Schüler normalerweise alles benutzen, weil es völlig sinnfrei ist, die Syntax einer Programmiersprache auswendig zu lernen. Das Konzept für ein Programm kann man sich nicht vorher auf einen Spickzettel schreiben.


    Ich achte darauf, bei Klausuren diejenigen auseinanderzusetzen, die sonst gern zusammenarbeiten und/oder befreundet sind. Je besser ich die Klassen kenne und je kleiner sie sind, desto leichter ist es. Bei großen Klassen, die ich neu übernehme und die womöglich noch im Rechnerraum schreiben, kann ich für nichts garantieren. Da mache ich mir nichts vor.

    • Offizieller Beitrag

    Ich bezog mich eigentlich nicht auf hier postende... :weissnicht: ...aber wenn sich wer angesprochen fühlt. :) Ich bezog mich darauf, dass es hier jemandem eine Diplomarbeit wert ist, Spickverhalten zu erforschen (ich vermute mal, um dann Lehrern zu sagen, wie sie es - vermutlich aufwändig - verhindern können?). Und auf die Kollegen, die ich kenne, die weniger Energie in die Vorbereitung von Unterricht als in die Verfolgung von (vermutetem) Täuschungsverhalten stecken, und in der Tat jeden Versuch als Affront auffassen und sich darüber tagelang echauffieren...
    Ich schätze Spicken auch nicht und gehe damit auch nicht nachlässig um. Ich ahnde es. Und ich beuge vor, indem ich Klausuren konzipere, die Abschreiben sinnlos machen - bei Oberstufenklausuren in Englisch ohnehin der Fall. Aber ich beschäftige mich nicht ununterbrochen damit wie es noch besser zu verhindern sei und werde dazu auch keine Fortbildung besuchen.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

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