Unterstützungangebote für Lehrkräfte? Ideen?

  • Hallo,


    ich bin zur Zeit an einem wissenschaftlichen Projekt beteiligt, welches sich mit der Lehrer(Innen)gesundheit beschäftigt. Ich möchte hier nicht abfragen, wie hoch die Stressbelastung im Berufsalltag ist (das wurde ja bereits schon getan und es gibt neben den Statistiken der Krankenkassen eben auch genug wissenschafltiche Literatur dazu) sondern was Lehrkräfte tatsächlich brauchen! Was braucht ihr, um euren Beruf so auszuüben, dass ihr euch nicht dauerhaft belastet, gestresst oder frustriert fühlt? Was habt ihr für Strategien entwickelt, um mit der emotionalen Belastung, dem Zeitmanagement etc. besser zurechtzukommen? Es gab schon einige Tipps hier im Forum ( Anti - Burnout - Rezepte), die besonders auf die Einstellung abzielen. Aber was könnte man ganz praktisch im Berufsalltag noch machen? Stellt euch vor, man müsste sich um finanzielle Mittel keine Sorgen machen. Was hättet ihr dann für Ideen? Was würdet ihr euch wünschen? Eurer Kreativität sind keine Grenzen gesetzt ;)


    Würde mich total freuen, wenn ihr ein paar Worte dazu schreiben könntet! Bin gespannt!


    Eure Lulu83

  • Was mich extremst nervt sind die ganze Verwaltungsaufgaben. Der ganze "Kleinkram" um den man sich neben dem Unterricht noch so kümmern soll und der eigentlich fast mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Unterrichtsvorbereitung an sich. Was sich dann negativ auf die Qualität des Unterrichts auswirkt.


    Zum Beispiel ist es manchmal ziemlich anstrengend einen einfachen Brief auszuteilen und unterschrieben wieder einzusammeln. Da muss dann kontrolliert werden, wer hat welchen Zettel nicht abgegeben, wenn es wichtig ist, wird hinterhertelefoniert, dann stimmt die Nummer nicht mehr, die Eltern antworten nicht auf Briefe, Abstimmung mit dem Sozialarbeiter (zum Glück haben wir welche), der bei dem Schüler zu Hause schellt, anschließende Berichterstattung, Aktennotizen, Terminvereinbarung mit den Eltern: der Sozialarbeiter soll auch dabei sein, dann müssen Lehrer und Sozialarbeiter ihren Terminkalender abstimmen, Termin ist gefunden, dann Eltern einladen, plötzlich kommt doch was dazwischen, der Termin wird verschoben, neu eingeladen, dann über das gelaufene Gespräch wieder eine Notiz verfassen, in die Schülerakte heften...


    Am hilfreichsten fände ich eine Co-Klassenlehrerin, die ausgebildete Lehrkraft ist und gleichrangig in derselben Klasse wäre in einer dauerhaften Doppelbesetzung mit Teamteaching. Wenn wir beide gemeinsam die Verantwortung für die Kinder und den Unterricht hätten. Dann könnten wir gemeinsam vorbereiten und alle möglichen Verwaltungsgeschichten unter uns aufteilen. Während des Unterrichts könnten die Schüler besser gefördert werden oder man könnte mit einer Kleingruppe rausgehen und diese intensiver fördern. Zeugnisse, AOSFs, Lernberichte oder individuelle Förderpläne würden nicht nur an einer Person kleben bleiben...

    • Offizieller Beitrag

    Manche Dinge gibt es schon. Anderswo.


    An den Schulen, an denen ich in England unterrichtet habe hatten wir::
    - einen Assistenten, der uns Kopiervorlagen gemacht, kopiert, geschnippelt, laminiert und auch Materialien herausgesucht und zusammengetellt hat. Großartig! "Ich hätt diese Vokabeliste gern 6x als laminiertes Memory ..."


    - einen Zuständigen, zu dem man Schüler nach Regelübertretungen schicken konnte - nicht nur zur "Auslagerung", sondern dass der sich wirklich Zeit für den Schüler nehmen konnte um den Schüler zur Einsicht zu bekommen. Sehr oft erfolgreich.


    - Eine nurse, die für große und kleine Wehwehchen zuständig war, auch für Krankmeldungen und die Buchhaltung dazu (Entschuldigungen, Anschreiben, Telefonate...)


    - Korrigieren war freiwillig, man konnte sich dadurch was dazu verdienen (!!)


    - Den ganzen Akten- Administrations- und anderen Kram machten die Sekretärinnen oder der Assistent - ich habe echt nur unterrichtet. Als form tutor ist die Beratung noch dabei, aber das ist ja auch sehr okay.


    Da könnte man sich was abgucken. Nicht von allem, was aus England kommt, aber von manchem.
    -

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Ich finde es notwendig, einen Verständigungsweg zwischen den Lehrkräften/ Klassenräumen zu haben, so wie es z.B. ein England der Fall ist. So kann man dann, wenn ein unbeschulbares Kind aktiv und mit allem ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, den Unterricht für alle unmöglich zu machen, Hilfe rufen. Die Sozialarbeiterin in ihrem Büro bekommt ja so nicht mit, dass gerade ein akutes Problem in einer Klasse aufgetreten ist. Umgehen kann man das, wenn man tatsächlich ständig zu zwei in einer Klasse ist, was ich ja bei der zunehmenden Zahl der Kinder, die in einer 25er-Gruppe nicht mehr beschulbar ist, aber dennoch in der Regelschule beschult werden muss, für absolut angezeigt finde. Im Zusammanhang mit Amok-Vorfällen in Schulen wird ja auch immer mal diskutiert, teilweise wohl von Schulen vorausgesetzt, dass man für solche Fälle ein Handy griffbereit hat. Zum Glück sind solche Vorfälle im Vergleich zu Ausbrüchen unbeschulbarer Kinder dagegen schon fast ein Regelfall.


    Elternbriefe austeilen und Unterschirften kontrollieren, Hefte für Klassenarbeiten einsammeln un die Unterschriften kontrollieren, um 2 Minuten vor Unterrichtsbeginn die Fragen der 5 eltern auf einmal zu bantworten, weil sie ja jetzt zur Arbeit müssen, während des Unterrichts Kopien machen, weil Kinder ihr Heft zu Hause haben, in den ersten Unterrichtsminuten den Familien hintertelefonieren, weil ihre Kinder nicht da sind, aber auch nicht krank gemeldet sind...all das sind Tätigkeiten, die man nicht "nebenbei" ohne Unterrichtszeitverlust schafft, die einen aber sehr stressen, weil man versuht, alles so schnell wie möglich abzuarbeiten, um mit dem Unterricht anfangen/ fortfahren zu können. Da wäre es überaus hilfreich, sich nciht selber teilen zu müssen, sondern eine zweite KRaft neben sich zu haben.


    Eine Erleichterung wäre es, wenn Lehrkräfte eine Fortbildung erhalten bevor ein Erlass Gültigkeit hat, nachdem etwas auszuführen ist, wovon niemand Ahnung hat. Vor nicht allzu langer Zeit bekamen Eltern Flyer, in denen es hieß "Es gibt ein Bildungspaket. Melden Sie sich im Schulbüro, da hilft man Ihnen gern!". Die Eltern kamen und fragten, nur hatte weder unsere Sekretärin noch jemand von uns Ahnugn, was man tun muss oder wie solche Formulare auszufüllen sind. Eine Kollegin hat eine Freundin im zuständigen Amt, die sagte, dass sie und ihre Kollegen bisher auch noch nicht wissen, wie damit zu verfahren ist. Wie kann es also sien, dass Eltern solche Flyer schon in die Hand gedrückt werden? Solche Beispiele gibt es zahlreiche.


    Also zusammengefasst:
    1. Verständigung innerhalb eines Schulgebäudes via Haustelefon o.ä., um Hilfe rufen zu können
    2. Zweite Kraft parallel, um alle unterrichtlichen und v.a. außerunterrichtlichen Dinge für die Klasse regeln zu können
    3. Erst kompetent machen und dann ausführen lassen

    • Offizieller Beitrag

    Wünsche:
    Korrekturbelastung: weniger Klassenarbeiten; die Möglichkeit, wenigstens geschlossene Aufgabe (Vokabeltests, Rechtschreibung, geschlossene Aufgaben) digital automatisiert zu korrigieren und nur noch ergänzen zu müssen; Entlastung für Korrekturfachlehrer
    Unterricht: kleinere Klassen; genug Räume für alle Klassen (und Räume, die den Namen verdienen, also 4 Wände haben, einen vernünftigen Boden und keinen Schlaglöcherboden etc.), Möglichkeiten zur Materialaufbewahrung; Nebenraum oder Räume, in denen sich auch mal Gruppen zur Gruppenarbeit verteilen können; Klassenlehrerprinzip (also Klassenlehrer unterrichtet mehrere Fächer in seiner Klasse - bedeutet: nicht Hunderte von Schülern und für alle nur ganz kurz Zeit)
    Verwaltungsaufgaben: Unterstützung durch das Sekretariat
    Teamteaching: bei Schüler mit besonderem Förderbedarf (damit meine ich auch ADHS, im Deutschunterricht auch LRS etc.) Unterstützung durch Kollegen, die gezielt mit diesem Schüler üben können
    Zusatzveranstaltungen: weniger Zusatzveranstaltungen, effektivere Konferenzen
    Schulsystem: ein Schulstystem mit klaren Strukturen der verschiedenen Schulformen (und nicht das, was z.B. gerade in NRW passiert - hier verschiebt sich das Schulsystem und zum Beispiel die Realschulen müssten wegen der vielen schwachen Schüler, die wir durch die freie Schulformwahl bekommen, unbedingt differenzieren, was wir aber nicht dürfen (Differenzierung im normalen Unterricht dürfen wir ja, aber wir dürfen ja keine unterschiedlichen Klassenarbeiten schreiben)
    Bildungspolitik: bitte nicht weiterhin "Neuerungen", die alles nur schlimmer machen


    - Stundenzahl eines vollen Deputats runterschrauben (in Vollzeit mit allen Zusatzbelastungen und Korrekturen sind 60-Stunden-Wochen - oder mehr - bei Lehrern keine Seltenheit)

    • Offizieller Beitrag

    meike:


    Das klingt alles toll. Was heißt: Korrigieren war freiwillig?


    Das heißt, dass man die assessments machen konnte, wie man wollte (Projekte, mündliche Abfragen, tests am PC, etc) und gar keine Arbeiten schreiben musste. Es gab dann pro Fach/Jahrgang einige Vergleichstests, die aber gerade nicht von den unterrichtenden Lehrern korrigiert werden sollten, was ja auch sehr viel Sinn macht. Wer gern korrigierte oder Geld brauchte, meldete sich zur Korrektur und bekam einen bestimmten Satz - ich kann nicht sagen wie viel, ich hab mich nie gemeldet... :). Es gab immer genug Leute, die zur Verfügung standen.

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  • neben all dem genannten (vor allem super fände ich die zweite Lehrkraft in der Klasse):


    - Schulleitungen, die wirklich Ahnung von Führungspositionen haben (und das nicht nur schnell mal in einem einwöchigem Seminar gelernt haben)


    - einen Raum, in dem ich meine Freistunden (insgesamt 12 die Woche da Ganztagsklasse) zum Arbeiten nutzen kann, in dem ich einen eigenen Schreibtisch habe (und der nicht gleichzeitig Lehrerküche und Kopierraum ist), in dem ich angefangene Arbeiten liegen lassen kann, etc.


    - eine vernünftige Klassenzimmerausstattung (habe die letzten drei Jahre jedes Jahr Klassenzimmer/Schule gewechselt und was da alles an Umzugskartons alleine für die Grundaustattung des Klassenzimmers wie Uhr, Pinnwandnägel, Folienstifte, farbiges Kopierpapier etc. zusammengekommen ist...)

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