Digitale Demenz?

  • Manfred Spitzer - Hirnforscher aus Ulm - hatte im Sommer ein neues Buch veröffentlicht, in dem er sich vehement gegen den Einsatz von Computern im Kinderzimmer und Schulen ausspricht: "!Digitale Demenz. Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen"


    Hier eine Gegenrede:
    http://www.mediaculture-online…me_zu_Thesen__Spitzer.pdf

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    • Offizieller Beitrag

    Danke schön für den Link. Ich finde das höchst interessant und frage mich, warum wir bei Reformen usw. gleich immer ins Extreme gehen müssen.
    Manche Reformen waren einfach blinder Aktionismus, hätten evtl. aber durchaus was bewirken können, wenn man sie mit mehr Zeit und Überlegung umgesetzt hätte.

  • Es ist ein vielleicht speziell deutsches wiederkehrendes Phänomen, dass bei es technischen und medialen Neuerungen unweigerlich zu hysterischen Pädagogenkonvulsionen à la "denkt denn keiner an die Kinder" kommt. Dass nun ein Hirnforscher in das gleiche Horn tutet, ist nicht sonderlich originell und genauso ernst zu nehmen, wie dererlei Ängste in der Vergangenheit.


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    Aber ich wette, es verkauft sich gut...


    Aber hoffentlich nicht als eBook. :D

  • Vielleicht hat jemand am 2.9.12 Günter Jauch in der ARD zum Thema "Achtung, Computer! Macht uns das Internet dumm?" gesehen. Dort trat Herr Spitzer mit seinem Buch auf.


    Für solch ein schlecht recherchiertes Buch, welches sich leider sehr gut durch den Namen Spitzer und den reißerischen Titel verkauft, sollte man keinen Cent bezahlen. Nur ein Beispiel: Wie kann man über 18 Ballerspiele (!) schreiben, von denen es 9 gar nicht gibt!!!
    Ich kann obigen Link nur vollstens unterstützen und rege mich immer noch über diesen ...:cursing: auf.


    LG tamina

  • Ich hab auch die Günter-Jauch-Sendung gesehen und war erschrocken - bisher dachte ich, Spitzer wäre ein seriöser und (halbwegs) ernst zu nehmender Wissenschaftler...

  • Spitzer ist bei diesem Buch der Laptop ausgerutscht. Da ist die Wissenschaft Nebensache - die plakative - ja demagogische vorgebrachte These vom volksverdummenden Elektronikschrott hat sarrazinische Züge.
    Extreme, die fanatisch vorgetragen werden, verkaufen sich momentan gut (derzeit Platz 5 bei Spiegel) und Spitzer kann mit seinen normalen Forschungsarbeiten nunmal nicht so viel Kohle scheffeln, wie mit solchen reißerischen Titeln. Da eifert er Sarrazin nach. Recht hat er deswegen noch lang nicht - auch wenn manche Sätze, die er schreibt, stimmen.
    Wenn jedoch einer schreibt, dass der Schnee weiß ist und ein paar Sätze weiter behauptet, dass alle Häuser schwarz seien, hat er schließlich auch nicht Recht. Da zeichnet er nur alles extrem schwarz-weiß.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    • Offizieller Beitrag

    Außerdem geht es mir auf den Zeiger, wenn Leute immer noch von den "neuen Medien" reden und so tun, als wäre das alles (i.e. PC, internet) a) nicht uralt b) nicht längst Teil unserer Lebenswelt und c) rückgängig machbar. Man, get a life! Oder lern mit dem umzugehen, das der Rest der Erdbewohner hat.


    Hat er nicht zusammen mit Hüther diesen obskuren "Kölner Aufruf" unterzeichnet, der von Uninformiertheit so dermaßen strotzte, dass die Presse sich totgelacht hat (auch die Papierzeitungen!)?


  • Hat er nicht zusammen mit Hüther diesen obskuren "Kölner Aufruf" unterzeichnet, der von Uninformiertheit so dermaßen strotzte, dass die Presse sich totgelacht hat (auch die Papierzeitungen!)?


    Du meinst diesen Aufruf gegen Killerspiele?
    http://www.gwg-ev.org/cms/cms.php?print=1&textid=1384
    http://www.gwg-ev.org/cms/cms.php?fileid=411


    Da haben die Leute schon Recht - Killerspiele sind Schrott. Nur - im Eingangspost zitierten Papier steht dazu auch:

    Zitat

    An vielen Stellen seines neuen Buches verunglimpft Manfred Spitzer nicht nur Wissenschaftler, die zu ganz anderen Ergebnissen kommen als er, sondern viele andere, die sich problembewusst aber zukunftsorientiert mit Medien und ihren Inhalten auseinandersetzen: Politiker, Mitarbeiter/innen im Schulverwaltungsbereich, die Medienpädagogik insgesamt. Dabei fallen Sätze, in denen die Verdrehung der Tatsachen zunächst kaum auffällt, weil sie so beiläufig daher kommt: Wie für manch andere Behauptung fehlt aber auch für sie einfach der Beleg: "Zu Weihnachten, dem Fest der Liebe, verschenken Millionen von Eltern Killerspiele, um die sozialen Fähigkeiten ihrer Kinder zu fördern und der möglichen Vereinsamung entgegenzuwirken". "Millionen", "Killerspiele", "Vereinsamung" – geschickt kombinierte Wörter, um Stimmung zu machen.


    Aber glaubt wirklich jemand, dass Millionen Eltern ihren Kindern Killerspiele schenken? Nein, das tun sie nicht, schon gar nicht Millionen und eher nicht Killerspiele. Seine Aussagen lassen sich vielfach durch Studien widerlegen. So kommt beispielsweise die repräsentative JIM-Studie 2011 (13 – 19 Jährige wurden befragt) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest http://www.mpfs.de/?id=225 zu dem Ergebnis: "Bei den beliebtesten Spielen liegt auch in diesem Jahr FIFA auf Platz eins Danach folgen ‚Die Sims‘ und‚ Call of Duty‘". Beliebte Spiele sind außerdem "Mario Kart", "Wii Sports", "Grand Theft Auto", "Super Mario" und "SingStar". Ja, hier finden sich auch kritisierte Spiele wieder, aber vorne steht eben FIFA und bei den beliebten Spielen sind viele harmlose Spiele dabei.


    Dieselbe Studie belegt auch, dass Jugendliche mit Computer und Internet vor allem eines tun: kommunizieren. Bei Spitzer hingegen liest es sich so: "Der Computer wird heute vor allem zum Spielen verwendet, für das schulische Lernen steht deshalb weniger Zeit zur Verfügung".


    edit: Hab' mal ein paar Kernsätze hervorgehoben. Was Spitzer und Konsorten zeichnen ist das Bild von Millionen Killer-Zomie-Kids. Wissenschaft geht anders.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    2 Mal editiert, zuletzt von alias ()

    • Offizieller Beitrag

    Ich finde Killerspiele auch nicht dolle - aber ich bin darüber informiert, was sie können und was sie nicht können. Und dieser Aufruf behauptet statistisch und psychologisch so viel nachgewiesen Falsches, dass es etwa der Einstellung meiner Oma dazu gleich kommt "Ach, Kind, müssen diese ganzen Sachen denn sein, das wird noch der Untergang der Welt sein". Allerdings wundert einen die Einstellung Spitzers zu den "neuen" Medien nicht, wenn er/Leute diesen Informationsstand haben.

  • Zitat alias :

    Zitat

    Dieselbe Studie belegt auch, dass Jugendliche mit Computer und Internet vor allem eines tun: kommunizieren.

    Sicher, wenn man auch Cybermobbing als Kommunikation betrachtet ! 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Guten Tag,


    ich finden den Artikel des LMS erschreckend schlecht. Ich werfe nur mal einen Blich auf den Abschnitt "Vielfach fehlende Belege" auf Seite 3.


    1) Woher kommt das Spitzer-Zitat "Zu Weihnachten, dem Fest der Liebe ..." ? Immerhin hat das Buch 328 Seiten plus Anhang. Ich habe es noch nicht gefunden.
    2) Das LMZ argumentiert mit der in der JIM-Studie ermittelten "Beliebtheit" von Spielen - im Spitzer-Zitat geht es überhaupt nicht um "Beliebtheit". Wie kommt das LMZ dazu zu schreiben "Seine Aussagen lassen sich vielfach durch Studien widerlegen." Selbst wenn die Spizter zugeschriebene Aussage falsch ist - mit den angeführten Ergebnissen der JIM-Studie lässt sich dies nicht zeigen. (Und dies in einem Abschnitt, der "Vielfach fehlende Belege" überschreiben ist.) Wenn es "vielfach durch Studien" widerlegbar ist - warum wird dann nur eine (nicht passende) genannt?


    Gruß
    Nitram

  • Ich bin auch eher der Meinung, dass kein Extremist recht hat. Es ist einfach realitätsfern die Medien so zu verteufeln. Denn Computer und Internet halten nicht erst seit gestern Einzug in unserem Leben. Ich bin damit aufgewachsen (geboren in den 80er Jahren) und für mich ist es ein fester Bestandteil. Solche merkwürdigen Auswüchse wie Facebook und Co. kann man dem Internet an sich aber nicht anlasten, denn Menschen sind individuell, daher gibt es immer unterschiedliche Entwicklungen bei einer Technologie - das beste Beispiel dafür ist ja wohl Alfred Nobel. Es ist fatal sich gegen das digitale zeitalter zu stellen, denn wir leben schon darin und es ist daher wichtig die Kinder im Umgang damit zu Schule.


    Und was die berühmten Killerspiele betrifft, es steht ja schon weiter oben, auf den Rankings rangieren harmlose Spiele. Außerdem gibt es nicht nur Killerspiele und auch ich habe schon als Jugendliche welche gespielt und bin nie Amok gelaufen oder hab Mitschüler verprügelt. Man sollte sich mit der Materie auch mal auseinandersetzen, bevor man sie so über sie herzieht. Alles in eine Schublade zu stecken ist unwissenschaftlich und unprofessionell, daher ist Herr Spitzer keine vetrauenswürdige Quelle für mich.

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