Schüler ohne Deutschkenntnisse - welche Schulart?

  • Mich würde aus aktuellem Anlass interessieren, wo in anderen Bundesländern Schüler ohne Deutschkenntnisse "einsortiert" werden.


    Angenommen ein Schüler kommt ohne Sprachkenntnisse aus dem Ausland, Klasse 7/8 oder 9, mit guten Zeugnissen aus dem Heimatland aber momentan ohne Möglichkeit, dem Unterricht zu folgen.


    Automatisch Hauptschule?

  • Meiner Meinung nach ist das völliger Quatsch. Tausende Austauschschüler aus aller Herren Länder kommen jedes Jahr nach Deutschland, die gehen automatisch auf ein Gymnasium und können nachweislich nach dem Jahr gut Deutsch. Man kann also Schülern aus dem Ausland einfach die Zeit geben, die Sprache zu lernen bzw. sie dabei einfach mal aktiv unterstützen.... Wozu gibts denn das DiDaZ-Staatsexamen?

  • Das kann ich so bestätigen. Unsere Kinder kamen mit 10 bzw. 8 Jahren im spanischsprachigen Umfeld ohne Sprachkenntnisse auf internationale Schulen mit englischer Unterrichtssprache, liefen dort einfach mit und waren nach einem halben Jahr voll dabei. Unser Sohn hat danach, ohne Deutschunterricht, in Deutschland, unsere Tochter in UK erfolgreich studiert.

  • Dafür gibt es die Möglichkeit zunächst die Sprache zu lernen und erst danach auf eine Regelschule zu wechseln. Das würde ich auch jedem empfehlen.


    Warnen würde ich vor der Strategie "Einfach mal im Gymnasium aufnehmen, der wird die Sprache dann schon schnell lernen". Ich hatte so einen Fall mal vor ein paar Jahren, da hatten wir einen Schüler aus Frankreich, der mit seinen Eltern wegen Arbeitsplatzwechsel nach Deutschland gekommen war. Zunächst war nur ein Jahr vorgesehen, der Schüler ist bei uns aufgenommen worden und wurde erst mal nicht beurteilt - "als "Übergangsphase". Die Sache hat sich dann aber verlängert und auch die Übergangsphase hat sich dann irgendwie immer weiter hingezogen. Am Ende des dritten Jahres hatte ich den Schüler dann in der 11 in Mathe und die Eltern meinten, er könne ja jetzt doch noch eben das Abi machen, da ist dann zum ersten mal genau hingeguckt worden, und in Mathe musste ich feststellen, dass der Schüler in den letzten 3 Jahren exakt garnichts gelernt hatte und auf dem Stand eines Achtklässlers war. In anderen Fächern war es ähnlich. Der Schüler hat dadurch effektiv drei Jahre verloren und konnte natürlich kein Abi bei uns machen. Übrigens sprach der Junge auch nach drei Jahren noch kaum Deutsch, weil er auch kein Interesse an Kontakten zu seinen deutschen Mitschülern hatte.
    Auch in meinem Oberstufenkurs im letzten Jahr hatte ich eine argentinische Austauschschülerin, die da nur ein Jahr ihre Zeit abgesessen hat.


    Das wichtigste ist, vorher mit Eltern und Schülern die Erwartungen abzuklären - soll der Schüler nur ein Jahr "untergebracht" werden und benötigt auch keine Noten, ist das unproblematisch, werden aber Noten oder gar ein Abschluss gewünscht, sollte man auch unmissverständlich klar machen, was dafür geleistet werden muss.

  • Soweit ich die Eltern verstanden habe, wollen sie hier Fuß fassen. Ziel soll das allgemeine Abitur sein - wobei die Sprachkenntnisse im Moment halt rudimentär sind und das Kind eine Spracklerngruppe mit 20 Wochenstunden besucht und ansonsten der Regelklasse Hauptschule zugeordnet ist, in die er eingegliedert werden soll, wenn die Sprachkenntnisse reichen. Von dort aus hat er dann die Möglichkeiten, die allen offen stehen, z.B. M-Klasse und Mittlere Reife bei uns machen, auch die Realschule nimmt in Ausnahmefällen noch auf.


    Die Eltern hätten halt gerne gleich Gymnasium. Internationale Schule gibt es in erreichbarer Nähe, Schulgeld könnten sie vermutlich auch stemmen. Das werde ich auch ansprechen, kann aber weder zu- noch abraten, da mir da die Erfahrung fehlt. Schnuppertagen würde meine Schulleitung aber mit Sicherheit zustimmen.


    Weiß halt jetzt nicht recht, die Eltern argumentieren mit Unterforderung und ihrem Lebensplan, mir kommt das Kind aber überwiegend verängstigt und überfordert vor. Weder versteht er mich noch seine Klassenkameraden - ich habe die Klasse neu übernommen und finde die Schüler sehr positiv und finde das es gut läuft - aber das Klima ist halt mehr rauh, aber herzlich. Kann mir schon vorstellen, dass manches - ohne zu verstehen - anders wirkt als es ist.

  • Kind formal am Gymnasium anmelden und in Absprache mit Lehrern, Eltern etc. für Intensivsprachtraining freistellen (z. B. an zwei, drei, vier Tagen die Woche). Wird bei uns so gemacht. Geld scheint ja da zu sein. Ohne Sprachtraining ist vermutlich kein vernünftiges (abiturreifes) Sprachlernen möglich - mit oder ohne deutschsprachige Mitschüler. Nur in einem Land zu leben führt auch bei Schülern nicht automatisch zum Spracherwerb, schon gar nicht zum Schriftspracherwerb.

  • Der Sprachkurs läuft aber über die Hauptschule, die Integrationskurse sind nur für Erwachsene.


    Für´s Gymnasium brauchst du ja normal ein Übertrittszeugnis - das geht bei uns ja nicht mit Elternwille.


    Findet ihr den Weg über die Mittelschule (Hauptschule) denn jetzt so dramatisch - wenn Leistung da ist, kann man ja jährlich in die M-Klasse wechseln und von da aus auf die VOS gehen. Hab´dem Vater auch Quali, danach Berufsausbildung mit Quabi und dann Abi vorgeschlagen - fand er offensichtlich äußerst gruselig. Aber das muss einem doch klar sein, dass ein Landeswechsel nicht völlig nahtlos läuft??

  • Warum schlägst du den Eltern nicht vor, dass der Schüler erst mal Deutsch lernt und dann die Aufnahmeprüfung fürs Gymnasium macht? Mit Aufnahmeprüfung kann man doch in jede Jahrgangsstufe wechseln.

  • Die Frage ist ja, welche Leistungen der Schüler tatsächlich bringen kann oder nicht. Das ist bei ausländischen Zeugnissen ja oft sehr schwer zu beurteilen.
    Aus Sicht der Eltern stellt es sich wohl so dar, als ob ein leistungsstarkes Kind aus rein formalen Gründen in die Hauptschule eingeschult werden soll, wenn die Eltern das deutsche Schulsystem verstanden haben, kann ich schon verstehen, dass sie da ziemlich angefressen sind.


    Der richtige Weg wäre für mich: Sprachkenntnisse aufbauen, dann die Leistungsstärke auf irgendeine Art feststellen und dann in die passende Schulform überweisen. In Niedersachsen ist das auch möglich.


    Findet ihr den Weg über die Mittelschule (Hauptschule) denn jetzt so dramatisch - wenn Leistung da ist, kann man ja jährlich in die M-Klasse wechseln und von da aus auf die VOS gehen. Hab´dem Vater auch Quali, danach Berufsausbildung mit Quabi und dann Abi vorgeschlagen - fand er offensichtlich äußerst gruselig. Aber das muss einem doch klar sein, dass ein Landeswechsel nicht völlig nahtlos läuft??


    Das ist ihm möglicherweise auch klar, möglicherweise findet er es gruselig, dass sein Sohn einzig und allein deshalb auf die Hauptschule soll, weil er formal kein Übergangszeugnis vorweisen kann und sämtliche im vorherigen Schulsystem erbrachten Leistungen ansonsten völlig irrelevant sein sollen.

  • Würde in deinem Profil jetzt nicht "Bayern" stehen, würde ich steif und fest behaupten, dass das nicht geht. :D


    Wusste gar nicht, dass das möglich ist!?! Ich dachte, nur nach 4 und 5. Das wäre auf jeden Fall eine Perspektive, die ich vorschlagen kann.


    PS: Argh - Hätte man auch selber finden können - auf der Kumi-Seite steht es - Übertritt nach bestandener Aufnahmeprüfung möglich.

  • Würde in deinem Profil jetzt nicht "Bayern" stehen, würde ich steif und fest behaupten, dass das nicht geht. :D


    Wusste gar nicht, dass das möglich ist!?! Ich dachte, nur nach 4 und 5. Das wäre auf jeden Fall eine Perspektive, die ich vorschlagen kann.


    Ja, es gibt so viele Regeln, dass das viele nicht wissen :D. Die Seite des KM höchstpersönlich sagt:

    Zitat

    Von der 7. und höheren Klassen der Mittelschule bzw. R 6 in die nächsthöhere Klasse des Gymnasiums: Übertritt möglich nach bestandener Aufnahmeprüfung.


    http://www.km.bayern.de/eltern…ritt-schulartwechsel.html


    Die Aufnahmeprüfung wird vom aufnehmenden Gymnasium gestellt.

  • @ Moebius


    Bin halt da ein meiner Einschätzung nicht ganz klar - einerseits kommen da hochgebildete Eltern mit einem Kind mit hervorragenden Zeugnissen - aber andererseits kann ich bis jetzt in keinem Fach irgendeine Leistung erkennen, auch nicht in Mathe oder Englisch- da ein völlig übermüdetes Kind vor mir drei Zeilen krakelt und dann gegen den Schönheitsschlaf ankämpft. ?( ?( 8| Mit Kuli (verboten!) und ohne Heft (auch verboten!)! :cursing: :cursing:


    Daneben sitzt dann ein Regelhauptschüler der in ein sauberes Heft mit Füllfederhalter motiviert und ausgeschlafen akkurate und richtige Zahlen schreibt. Alles irgendwie komisch!!


    Ich denke, die Aussicht auf eine Aufnahmeprüfung für das Gymnasium könnte evtl. die Motivation schon steigern. ?(

  • Spricht der Schüler denn gut Englisch? Weiß er, dass Kugelschreiber verboten sind? In vielen Ländern gibt es gar keine Hefte für Schüler und mit Füller schreibt außerhalb Deutschlands und Österreichs fast niemand - mein Füller war für meine englischen Schüler ein absoluter Hit (einige Siebtklässler hatten tatsächlich in ihrem ganzen Leben noch keinen gesehen!)! Sind sich die Eltern der Tatsache bewusst, dass es unbedingt das Heft braucht und auch den Füller?

  • Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht, ich wollte deshalb jetzt nochmal keinen Terz machen, schon weil das Kind, wann immer ich etwas sage, so erschrocken schaut. 8| Ich dachte auch erst, das ist ein ganz armes Asylantenkind, weil die Schultasche auch nur eine Lidltüte war. ?( Füller gibt es nicht, Hefte waren mal da - jetzt nicht mehr. Andererseits ist ja der Hauptteil der Sprachkurs, da telefoniere ich jetzt dem Lehrer hinterher um mal zu erfahren, wie´s da läuft. Zuständige Klassenleiterin bin aber ich und damit auch für die Beratung zuständig. Will ja auch nicht so kleinlich sein - aber in Englisch war noch Mitarbeit da, als wir mehr oder weniger zum Aufwärmen am Anfang des Jahres Fünftklassstoff gemacht haben. Die letzten zwei Stunden kam da auch nichts mehr - ausßer kein Buch und kein Heft dabei. ?(


    Aber das sind ja jetzt zwei Alternativen, die ich im nächsten Gespräch anbieten kann - International School oder Aufnahmeprüfung Gymnasium.

  • Gymnasium lohnt nur, wenn er die Möglichkeit hat, Sprache zu pauken, statt nur im normalen Unterricht zu sitzen. Sonst nicht, dann seit ihr m. E. die bessere Lösung. Es müsste also vor allen Aufnahmeprüfungen geklärt sein, wie es danach konkret weitergeht. Ich hatte in den letzten drei Jahren drei Fälle in den höheren Klassen mit keinen oder rudimentären (Schrift-)Deutsch-Kenntnissen. Es war/ist für die Kinder nicht befriedigend, in einem Unterricht zu sitzen, dem sie nicht folgen können. Ein Mädchen kam aus Marokko und konnte angeblich noch gut Englisch - aber selbst im E-Unterricht ging nichts. Kulturschock wohl. Und Englisch mit marrokanischem Top-Niveau war dann für Klasse 10 doch zu wenig.

  • Ich würde aber keine Aufnahmeprüfung aufs Gymnasium anbieten, wenn das Kind noch nicht einmal dazu in der Lage ist, seine Hefte mitzubringen! Selbst wenn der Hauptteil der Sprachkurs ist, würde ich dem Kind (bzw. den Eltern) deutlich klar machen, dass es sich an Regeln zu halten hat, die in der Klasse gelten, und dazu gehört, dass man die Arbeitsmaterialien dabei hat. Muss es am Gymnasium ja auch. Und wenn es noch nicht ordentlich Englisch spricht, dann ist ja wohl die internationale Schule auch keine adäquate Lösung. Aus was für einem Land kommt das Kind denn?

  • Es kommt aus einem ehemaligen Ostblockstaat.


    Mein Rat ist auch nicht International School oder Aufnahmeprüfung - meiner war beim letzten Gespräch Deutsch lernen, Freunde finden, hier ankommen, in einen Verein gehen und über Kommunikation lernen - und dann, wenn Leistung möglich ist, weitersehen. Auch über die Hauptschule ist allgemeines Abitur problemlos möglich - das haben schon einige meiner Schüler erreicht und andere sind auf dem Weg. Zugegebenermaßen die fittesten -aber das liegt ja irgendwie in der Natur der Sache.


    Die Eltern sind halt unzufrieden, kann mir auch vorstellen, dass am Arbeitsplatz vemutlich die Kinder der Kollegen alle am Gym sind - aber da ist ja auch der Hintergrund ein anderer. Demnächst haben wir noch mal Gesprächstermin, habe mir die Sozialpädagogin noch zur Hilfe geholt - entweder es kommt halt woanders hin oder ich will Unterstützung und Einsatz.

  • Ja, das halte ich für den besten Rat. Vielleicht solltest du sie mal auf die verschiedenen Bildungswegmöglichkeiten hinweisen - ganz genau erklären, wie das alles geht. Bei einer Aufnahmeprüfung am Gymnasium müsste das Kind ja auch beweisen, dass es die entsprechenden Aufsatzformen in Deutsch hinbekommt - das braucht definitiv Zeit. Und Einsatz.

  • Also ich hake das jetzt einfach ab - nachdem die Eltern dreimal antelefoniert wurden (AB an) und einmal angeschrieben und jedes Mal um ein Gespräch gebeten wurden, stellen sie sich einfach tot und Kind sitzt weiterhin apathisch da. Letzte verwertbare Info: Aufgrund unseres unmöglichen Schulsystems wollen sie wieder weg. Auch ok.


    :D Fast kommt es mir so vor, als wäre ich Versuchskaninchen in einer Testreihe: Man schicke einen durchschnittlichen Schüler, garniere ihn mit überragenden Zeugnissen, sowohl in Leistung als auch in den Kopfnoten, lasse Eltern erscheinen, die Status dokumentieren und schaue dann, wie das solchermaßen geimpfte Lehrerlein reagiert.


    Wie bei dieser Story, wo man die gleichen Aufsätze beurteilen lässt, einmal mit der Info, es handele sich um besonders begabte Schüler, einmal mit der Info, es handele sich um besonders schwache Schüler.


    Ohne jede Info würde ich nämlich eher sagen, es wäre gut, wenn man bis in knapp drei Jahren eine Ausbildungsfähigkeit erreicht. ;(

  • Hurra, die Mama war da - Gespräch war super, wenn auch emotional - Wahnsinn, was man alles über andere Länder NICHT weiß, beiderseits. Eine liebe Kollegin hat mich auch noch unterstützt.


    Wie ich geahnt habe, wird im Bekanntenkreis die Haupt-/Mittelschule heftigst schlecht geredet - ich konnte aber über unser Bildungssystem aufklären, war auch mit Grafiken etc. gut vorbereitet - die Mama glaubte z.B. dass man hier ohne Universität überhaupt keine Ausbildung hätte und andere Missverständnisse. In unserem "Beruf aktuell" hatte sie schon heftigst gelesen und fand auch einige Ausbildungsberufe interessant.


    Freut mich total.

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