Migranten an deutschen Schulen

  • Gähn, jetzt wird die Rauin-Studie wieder ausgegraben. Ich wusste gar nicht, dass die Abitur-Note das entscheidende Einstellungskriterium ist. Ich dachte immer, es seien die beiden Staatsexamensnoten...


    Aber es gibt heutzutage glücklicherweise für alles eine "Gegenstudie", hier sogar vom Max-Planck-Institut:

    Zitat

    In öffentlichen Diskussionen über den Berufsstand der Lehrkräfte wird häufig die Annahme formuliert, dass sich für diesen Beruf Personen mit ungünstigen kognitiven und psychosozialen Merkmalen entschieden, was dazu führe, dass ein Teil der Lehrkräfte seine beruflichen Aufgaben nicht erfolgreich erfüllen könne. Allerdings haben nur wenige Studien die These von den negativen Selektionseffekten bei den kognitiven und psychosozialen Eingangsvoraussetzungen zukünftiger Lehrkräfte empirisch untersucht. Auf Basis einer Längsschnitterhebung mit 1746 Abiturienten bzw. Studierenden in Baden-Württemberg, die an der Studie TOSCA (Transformation des Sekundarschulsystems und Akademische Karrieren) teilnahmen, werden die kognitiven Fähigkeiten, beruflichen Interessen und Persönlichkeitsmerkmale angehender Lehramtsstudierender mit den entsprechenden Merkmalen bei Studierenden anderer Fachrichtungen verglichen und darüber hinaus wird die relative Wichtigkeit dieser Merkmale bei der Studienwahl untersucht. Die Ergebnisse erbrachten keine Bestätigung für die These einer generellen Negativ-Selektion in Bezug auf die kognitiven und psychosozialen Voraussetzungen von Lehramtsstudierenden. Betrachtet man die Lehramtsstudierenden allerdings getrennt nach Schulart (Gymnasiallehramt versus alle anderen Schulformen), findet sich eine negative Binnenselektion in Form von niedrigeren kognitiven Eingangsvoraussetzungen bei den zukünftigen Grund-, Haupt-, Real- und Sonderschullehrkräften im Vergleich zu den zukünftigen Gymnasiallehrkräften. Als prädiktiv für die Studienwahl erwiesen sich insbesondere die beruflichen Interessen, wobei die Entscheidung für ein Lehramtsstudium am deutlichsten durch eine ausgeprägte soziale Orientierung vorhergesagt werden konnte. (ZPID).

    http://www.fachportal-paedagog…e/fis_set.html?FId=890181


    Hier ein Artikel aus faz.net, der Bezug auf diese Studien nimmt:

    Zitat

    Erst vor kurzem hat eine Studie des Münchner Bildungsökonomen Ludger Wößmann Aufsehen erregt. Darin behauptet der Leiter des Bereichs Humankapital und Innovation des ifo-Instituts, für den Lehrerberuf interessierten sich vor allem Abiturienten mit schlechtem Zeugnis. Wößmann, so hieß es, habe zum ersten Mal Schulnoten angehender Lehrer mit den Leistungen anderer Studienanfänger verglichen. Wenig Schmeichelhaftes für Lehrer wollte schon vor längerer Zeit auch der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Udo Rauin herausgefunden haben. Nach seinen Untersuchungen seien für die Berufswahl äußere Anreize wie die Sicherheit des Berufs und längere Ferienzeiten ausschlaggebend und nicht etwa die Freude oder das Interesse an pädagogischer Arbeit.


    Beide Studien sind empirisch nicht belastbar, sondern schüren im Wesentlichen Vorurteile. Zu diesem Ergebnis kommt eine empirische Untersuchung des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB), deren Ergebnisse dieser Zeitung vorliegen.

    http://www.faz.net/aktuell/ber…hrer-duemmer-1927453.html


    Man greift sich auch bei "Studien" halt immer heraus, was in das eigene Weltbild passt.


    Vielleicht sollte man einmal eine Studie durchführen, wer "Bildungsökonom" oder universitärer "Erziehungswissenschaftler" wird und aus welchen Motiven. GATS lässt wohl grüßen...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Beruhigend, wenn demnach LA-Studenten tatsächlich doch nicht in nicht unerheblichem Maße aus mittelmäßigen Abiturienten hervorgehen sollte.



    Zitat

    Ich wusste gar nicht, dass die Abitur-Note das entscheidende Einstellungskriterium ist. Ich dachte immer, es seien die beiden Staatsexamensnoten...


    Was ja auch nirgends behauptet wurde? Was mich allerdings wirklich interessieren würde ist, inwieweit der berufliche Erfolg eines Lehrers in Relation zu seiner Hochschulzugangsberechtigung steht, sprich einem Vergleich der Abitursnote und dem Quotienten aus 1. und 2. Staatsexamen.

  • Schade, dass das eigentliche Thema hier schon wieder völlig außen vor gelasen wird!


    Ich habe es hauptsächlich mit türkisch- bzw. kurdischstämmigen SuS zu tun. Da gibt es (wie bei den Deutschen auch) solche und solche was die Leistungen im Unterricht anbetrifft. Kompliziert fü mich ist, dass einige in den oberen Klassen (ab Jg. 8 aufwärts) immer noch keinen geraden Satz schreiben, sich auch verbal nur begrenzt ausdrücken können und jede Menge Rechtschreibfehler machen. Da könnte ich in Deutsch dann regelmäßig verzweifeln weil ich einerseits meinen Lehrplan "abarbeiten" und andererseits grundlegende Dinge (teilweise Grundschulstoff) wiederholen muss. Da muss ich dann viel differnzieren aber das ist mein Job und so lange die SuS eine gewisse Anstrengungsbereitschaft zeigen ist das OK.
    Als deutlich problematischer empfinde ich das Verhalten eines Großteils der männlichen Migranten. Viele haben nämlich wirklich die Einstellung, dass sie sich von einer Frau nichts sagen lassen müssen... Das kommt aber natürlich von zu Hause und wird so vorgelebt. Es gibt z.B. Väter, die den anderen Kolleginnen und mir am Elternsprechtag nicht die Hand geben.
    Es gibt auch immer mal wieder türkische Mädchen, die zu Hause fast nichts dürfen und "ganz kurz gehalten werden", die dann in der Schule richtig aufdrehen und sich regelmäßig daneben benehmen. Natürlich glauben die Eltern das dann nicht, denn zu Hause haben sie ja ein gaaaaanz liebes, ordentliches Mädchen sitzen...


    Ich habe auch schon an einer Schule mit deutlich mehr bzw. überwiegend deutschen SuS unterrichtet und muss (aus meiner rein subjektiven Sicht) sagen, dass das Unterrichten dort wirklich einfacher und angenehmer war, eben weil der Leistungsstand insgesamt höher war, man deshalb nicht ständig Unterrichtsstoff nachholen musste und man nicht oder kaum mit oben genannten kulturellen Problemen zu kämpfen hatte.

  • Das hat aber in der Regel religiöse Gründe und ist nicht auf mangelnden Respekt euch oder Frauen generell gegenüber zurückzuführen.

    Frauenfeindlichkeit kann man wunderbar in mehreren Religionen erkennen bzw. "verpacken" oder "verstecken"
    Da wird dann wieder muslimisch argumentiert, dass man die Ehre der Frau nicht beschmutzen will und das Verweigern des Händedrucks ja erst Recht ein Zeichen von Respekt ist und dergleichen mehr... Ich finde, man muss die Begrüßung in dem Land, in dem man lebt, einfach übernehmen!

  • bildungspolitischen Diskussion (Talkshows, Politiker und nicht unterrichtende Besserwisser) werden die Migranten immer als schwieriges Problem dargestellt. Das ist für mich aber ein Feigenblatt. Die Probleme liegen eigentlich wo ganz anders. Zum Beispiel Wohlstandsverwahrlosung, Unterversorgung an den Schulen und Kaputtsparen des Bildungswesens. Mir gefällt, dass ihr fast die gleichen Erfahrungen gemacht habt wie ich.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Richtig. Dann müsst ihr dies aber auch einfordern. Erwartungen erfüllen sich nicht durch bloßes Warten ;)

    Ich denke nicht, dass Annasun oder Finchen sich einfach hingestellt und gewartet haben. Normalerweise streckt man jemandem doch die Hand entgegen und wundert sich, warum da nichts von der anderen Seite kommt. Oder gar auf Nachfragen hin geantwortet wird: "Nein, das ist bei uns nicht üblich!"
    Allerdings finde ich den Umgang mit Schülern mit Migrationshintergrund meist deutlich leichter als den mit deren Eltern. Wobei ich die Beobachtung gemacht habe, dass die Eltern von besseren Schülern auch weit angenehmer sind. Ganz schwierig finde ich es, wenn der Schüler/die Schülerin zu wenig Deutschkenntnisse hat und man bei Grundlagen nacharbeiten muss und in der Sprechstunde hört man dann von den Eltern: "Y schlaues Kind, immer viel lernen, geht auf Gymnasium!"
    Und auf den Beitrag von barmeliton nochmal einzugehen: Ja, so sehe ich das auch. Bei uns gab es bis letztes Jahr den Wahlkurs "Förderkurs Deutsch für Schüler mit Migrationshintergrund"er wurde gut angenommen, der Kollege hat sich da richtig reingekniet und viele verschiedene Übungen gemacht - der Kurs fiel einfach Sparmaßnahmen zum Opfer.

  • Ich denke nicht, dass Annasun oder Finchen sich einfach hingestellt und gewartet haben. Normalerweise streckt man jemandem doch die Hand entgegen und wundert sich, warum da nichts von der anderen Seite kommt.

    Genau so sieht´s aus.

    • Offizieller Beitrag

    Hand aufs Herz:


    Wenn Ihr ein "Begrüßungsritual" oder ähnliches in einem fremden Land vollziehen sollt, das Euch gänzlich fremd ist oder Euer Schamgefühl, Eure religiöse Überzeugung etc. so berührt, dass Ihr Euch dabei extremst unwohl fühlt, würdet Ihr diese Geste oder dieses Ritual trotzdem vollziehen?


    Ich könnte mir vorstellen, dass es auch Leute gibt, denen das "Bussi hier, Bussi da" in Frankreich oder beispielsweise in der ehemaligen Sowjetunion je nach Gegenüber zuwider ist bzw. war.


    Und wenn ich mir die selbstgerechten Touristen in muslimischen Ländern anschaue, die wie selbstverständlich erwarten, dass ihre eigenen Sitten und Gebräuche bekannt sind und ihnen entsprechend entgegengebracht werden...


    Gruß
    Bolzbold

    • Offizieller Beitrag

    Hand aufs Herz:


    Wenn Ihr ein "Begrüßungsritual" oder ähnliches in einem fremden Land vollziehen sollt, das Euch gänzlich fremd ist oder Euer Schamgefühl, Eure religiöse Überzeugung etc. so berührt, dass Ihr Euch dabei extremst unwohl fühlt, würdet Ihr diese Geste oder dieses Ritual trotzdem vollziehen?


    Ich könnte mir vorstellen, dass es auch Leute gibt, denen das "Bussi hier, Bussi da" in Frankreich oder beispielsweise in der ehemaligen Sowjetunion je nach Gegenüber zuwider ist bzw. war.


    Danke,
    Chili, Französin, die schon als Kind/Jugendliche dieses "Küsschen links, Küsschen rechts" total schlimm fand und die "deutsche Kühlheit" ganz toll findet ;)

  • Es kommt dann doch aber sehr darauf an, ob jemand dieses fremde Land als seine zukünftige Heimat erachtet. Man muss sich nicht gleich assimilieren, jedoch auch nicht erwarten, dass eigene kulturelle oder religiöse Handhabungen überall bekannt sind und diese unerläutert vollzieht. 8)

    • Offizieller Beitrag

    wobei es vielen Menschen eben nicht bewusst ist, was sie für verinnerlichte Kulturwerte haben. Das merkt man oft, wenn man erst damit bewusst konfrontiert wird.


    Das ist nur eine Anmerkung, ich "erwarte" durchaus, dass 2. Generation-Eltern mit Migrationshintergrund (also seit 20 Jahren hier lebend) mit mir als Frau reden können.


    Chili

  • Hättest du bitte einen Link oder eine Quelle?
    Ich arbeite gerade am Thema und eigentlich ergreifen überproportional LehrerInnenkinder den Lehrerberuf ;) Der LehrerInnenberuf ist knapp hinter dem Medizinerberuf der zweite Beruf mit Reproduktion. Ca, 25 % der LehrerInnenkinder werden LehrerInnen (Zahlen aus dem Kopf, ich korrigiere vll später, Größenordnung stimmt)


    Chili

    Auch wenn das zwischenzeitlich wieder Off-topic ist, möchte ich doch auf die Zusammenfassung der Rauin-Studie hinweisen, die Rauin selbst verfasst hat:
    http://www.uni-frankfurt.de/fb…auin_Studierverhalten.pdf


    Da wurde in den Medien mancher Satz isoliert, verdreht und das herausgelesen, was man für das gewöhnliche Lehrerbashing lesen und verwerten wollte.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Warum kommt eigentlich der Normalo-Hauptschullehrer in öffentlich-rechtlichen Bildungs-Talks eigentlich nie zu Wort sondern immer nur abgehobene Bildungsforscher von der Uni, Rektoren von Versuchsschulen oder Politiker die meinen von der Sache was zu verstehen aber überhaupt keine Realkontakt mehr haben? Oder irre ich da jetzt?

  • Man muss das Ganze, ohne die Migrantenproblematik beschönigen zu wollen, sehr differenziert und individuell sehen.


    Unsere Schüler werden zu einem sehr großen Teil durch die Russlanddeutschen und Aussiedler aus Polen repräsentiert. Da gibt es, wie in jeder Population, solche und solche darunter.


    Ich komme mit den meisten gut klar, vielleicht gerade, weil sie von Haus aus irgendwie schon eine etwas andere Mentalität und Benehmen mitbringen als die Prinzen und Prinzesschen urbundesrepublikanischer Herkunft, die ja heutzutage fast immer auf Augenhöhe der Erwachsenen gehoben werden.
    Als ich an unserer Schule vor über 10 Jahren angefangen habe (Ich hatte noch keine Erfahrung mit Russlanddeutschen), habe ich mich erstmal darüber gewundert, dass sie in meinem Musikunterricht mit Inbrunst traitionelle Deutsche und Russische Volkslieder erarbeitet haben und auch sonst im Unterricht keine nörgelige Kritikasterstimmung haben aufkommen lassen. Es hat Disziplin und Effizienz im Unterricht geherrscht.


    Das hat sich bis heute nicht geändert. Ich denke, die Russlanddeutschen werden zu Hause nach wie vor hierarchischer erzogen als ihre urbundesrepublikanischen Mitschüler, was ich nicht unbedingt schlimm finde. Vor den Eltern haben die Kinder Respekt, ebenso wie vor den Lehrern. Auch der Familiensinn steht höher im Kurs. Ich kenne kaum alleinerziehende russlanddeutsche Mütter. Und ich kenne in unserer Kleinstadt auch keinen Russlanddeutschen, der sich in die soziale Hängematte legt.


    Ich denke, die russlanddeutschen Kinder sind ihren urbundesrepublikanischen Mitschülern, besonders was die Mädchen angeht, oft um einiges voraus.


    Natürlich kann man das nicht pauschalisieren. Ich habe nur die russlanddeutsche Realschulklientel im Blick. Das scheint die gutbürgerliche Klientel unter den Russlanddeutschen zu sein. Die meisten von ihnen besitzen prächtige Häuser und schöne Autos. Von Hauptschullehrern höre ich über ihre russlanddeutschen Schüler natürlich etwas anderes, nämlich nicht so so viel Erfreuliches.-Auch bei den Russlanddeutschen Differenzierungen hinsichtlich Erziehung und Bildungsorientierung.


    Auch wenn ich das Thema Migration generell mit einiger Skepsis sehe, so empfinde ich die Russlanddeutschen in unserer Schule als Bereicherung. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Zitat

    Warum kommt eigentlich der Normalo-Hauptschullehrer in öffentlich-rechtlichen Bildungs-Talks eigentlich nie zu Wort


    Na wegen der Quote!! :X: Weil "so schlimm ist es gar nicht - eigentlich läuft es ganz gut - nein, ich wurde noch nie verprügelt - von was reden sie eigentlich - es gibt gar keine soo großen Unterschiede - nein, die Probleme sind handelbar - oft läuft es sogar sehr gut" nicht besonders aufregend ist.


    Das Schlimmste in so einer Talkrunde war für mich bis jetzt ein türkischer Streetworker, der ganz eindrucksvoll beschrieben hat, wie wenig muslimische Jungs Frauen achten und diese deshalb von Lehrerinnen ununterrichtbar seien. Bleibt natürlich so stehen als sei das deutschlandweit allgemeingültig. Und alle Mittalker nicken mit großen, entsetzten Augen. Komisch - bei mir noch nicht angekommen - in keiner Einsatzschule. Seltsam...

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