Taubes Mädchen klagt um ihr Recht auf Regelschule

  • Ich habe gerade einen ähnlichen Fall hier in Eberwein: "Handbuch der Integrationspädagogik"


    Das war dann das erste Mädchen derart, was später an einem Gymnasium ein "Regel"-Abitur gemacht hat, denn auch wenn man ihr damals eine geistige Behinderung vorausgesagt hatte, war sie das nicht, sie war nur taubstumm, miene ich. Müsste das Beispiel aber noch mal suchen.

    • Offizieller Beitrag

    Plattenspieler:


    hatte ich auch so gelernt, aber in den letzten 2 Jahren lese ich immer mehr (Taubenschlag, Kestner, aber auch Facebook von "Betroffenen" aus der Deaf Pride-Bewegung) "taub", von den selben Leuten, mit denen ich (2007/2008) im Studium gelernt hatte, dass man "gehörlos" sagt...


    Bist du da an anderen Quellen?


    Chili

    • Offizieller Beitrag

    Die Begründung ist meiner Meinung nach scheinheilig und aus Spargründen vorgeschoben :-/


    Das Problem mit Stumm ist, dass Gehörlose sowohl laute Geräusche produzieren können (beim Gebärden, Lachen, usw..) als auch ihre eigene Sprache haben, um sich auszudrücken. Zugespitzt ausgedrückt ist ein spanisches Kind nicht stumm, nur weil er kein Deutsch kann.
    Dass die meisten EntscheidungsträgerInnen keine Ahnung von Minderheiten haben, ist klar, aber es scheint bei Gehörlosen noch stärker zu sein, kommt erst jetzt gerade zur Öffentlichkeit.


    Chili

  • Die Begründung ist meiner Meinung nach scheinheilig und aus Spargründen vorgeschoben :-/


    Klar war sie das, sonst hätte sie wohl kaum Abitur gemacht.


    Das Problem mit Stumm ist, dass Gehörlose sowohl laute Geräusche produzieren können (beim Gebärden, Lachen, usw..) als auch ihre eigene Sprache haben, um sich auszudrücken.


    Das alles war eben bei der Einstufung wohl nicht vorhanden, nach her hat sie aber wohl "normal" gesprochen, also war es maximal eine Verzögerung, aber das zeigt eben genau diesen Unsinn!

  • Aber wenn sie normal gesprochen hat, war sie doch nicht taub / gehörlos, sondern hatte nur eine Mutismusphase (kenne mich da mit den Begriffen nicht aus)?


    Willst du mich nicht verstehen ;)


    Als sie in den Kindergarten wollte, hat sie noch keinerlei Laute von sich gegeben, man hat also behauptet, sie wäre taub, stumm und eine geistige Behinderung wäre anzunehmen.


    Später stellte sich das meiste als Unsinn heraus. Ja, sie ist wohl wirklich gehörlos, stumm ist sie aber keinesfalls, sie kann "normal" mit anderen Reden und sie hat ein "normales" Abitur gemacht, womit ja auch die angebliche geistige Behinderung nicht zutrifft.


    Aber dazu mussten die Eltern eben erst einiges in Bewegung setzen, dass sie dazu überhaupt die Chance hatte, denn sie war doch schon "diagnostiziert" und eingeordnet ins System ;)


    Und gehörlos schließt doch nicht immer aus, dass man "normal" redet.

    • Offizieller Beitrag

    Nee, ich hatte dich tatsächlich nicht verstanden.


    Allerdings hoffe ich, dass es eine alte Geschichte ist, obwohl ich weiß, dass es fast immer noch so ist.


    Für mich schliesst Gehörlosigkeit eine normalverständliche Lautsprache aus, weil diese nur unter (viel zu) langem schwerem Training zustande kommt und absolut nicht sinnvoll ist. Meiner Meinung nach sollten diese Stunden eher für das Schriftdeutsch genutzt werden (wo in Gehörlosenschulen oft das Niveau viel zu sehr am Sonderschulniveau kratzt, statt sich wirklich an den Fähigkeiten der SchülerInnen in ihrer Muttersprache zu orientieren).
    Solltest du aus Berlin andere Berichte kennen, liegt es leider daran, dass die Berliner Schule als eine der sehr wenigen von der Bilingualitätsforschung auf dem Gebiet profitiert und jetzt schon seit vielen Jahren einen guten bilingualen Unterricht in beiden Sprachen hat.


    Chili

  • Allerdings hoffe ich, dass es eine alte Geschichte ist, obwohl ich weiß, dass es fast immer noch so ist.


    Diese Beispiel stammt aus den 80er Jahren, wird aber wie du schon sagst wirklich immer noch als aktuell angesehen.


    Hoffen wir einfach, dass sich das bessert.
    Leider kenne ich da aus Berlin auch keine Beispiele zu, aber danke für deinen Hinweis, dass könnte ja noch interessant werden.

  • Ich habe zu dem Fall mal eine Frage, da bei uns eventuell so etwas ins Haus steht: wenn sie gehörlos ist, wie hat sie die zwei Fremdsprachen bewältigt? Ich kann mir das als FS-Lehrer kaum vorstellen. Unterstützung eines Förderschullehrers ist nicht geplant (aber ok, wir haben auch so schon Autisten und andere I-Kinder aufgenommen). Ich frag mcih manchmal, was ich als Lehrer alles können sollte...

  • Ich habe zu dem Fall mal eine Frage, da bei uns eventuell so etwas ins Haus steht: wenn sie gehörlos ist, wie hat sie die zwei Fremdsprachen bewältigt? Ich kann mir das als FS-Lehrer kaum vorstellen. Unterstützung eines Förderschullehrers ist nicht geplant (aber ok, wir haben auch so schon Autisten und andere I-Kinder aufgenommen). Ich frag mich manchmal, was ich als Lehrer alles können sollte...


    Dazu steht leider gar nichts drin. Aber da sie auch normal sprechen kann evtl. über Lippenlesen.
    Ist aber jetzt nur eine Idee von mir.

    • Offizieller Beitrag

    Soweit ich das von gehörlosen AbiturientInnen (bzw. von Leuten, die ich im Studium kennengelernt habe) weiß, steht nur das schriftliche im Mittelpunkt. Es gibt schliesslich auch an den Gehörlosenschulen Englischunterricht.


    Ich habe gerade nachgeguckt, und die Studentin, die ich im Auge hatte (studiert selbst Portuguiesisch, und hat ein Auslandssemester in Italien gemacht, spricht auch Italienisch -> google nach Liona Paulus), ist "eigentlich" hochgradig schwerhörig und "nur" ertaubt. Hat also keine gehörlose Schulkarriere.
    Gehörlose Studierende, mit denen ich studiert habe, haben ihr Abitur in Essen (Rheinisch Westfälisches Berufskolleg, die einzige (?) Oberstufe für Gehörlosen?, zumindest kam einer aus BaWü, eine andere aus Sachsen) gemacht, und können meiner Einschätzung nach, ziemlich gut Englisch. Unser Studiengang hatte sehr viele Texte auf Englisch und es war kein Problem.


    Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass das Schriftdeutsch an sich eine Fremdsprache ist. Wenn also DAS schon geklappt hat, die "Muttersprache" (Gebärdensprache) immer wieder gefördert ist und also die kognitiven Kompetnzen sich voll entfalten können, ist es kein Problem mehr. (Deswegen mein Hinweis oben auf die bilingualen Schulprojekte)


    Chili

  • Ja was sagt den Inklusion nun?!?!


    Gleicher Zugang zu Bildung (im Sinne gleicher Chancen) oder Zugang zu Bildung an den selben Bildungseinrichtungen?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Danke für die Antworten. Wenn nur das Leseverstehen und Schreiben bewertet wird, leuchtet mir das schon ein. Wenn ich aber daran denke, wie viel Ausspracheschulung ich mit hörenden Schüler (zum Teil erbärmlich erfolglos) mache, kann ich mir das mit nicht-hörenden schlicht nicht vorstellen.

    • Offizieller Beitrag

    Da ist sich die Gehörlosengemeinschaft selbst uneinig.


    Einige (wie oben der Fall) argumentieren, dass die einzige Möglichkeit, reale Bildungschancen und Teilhabemöglichkeiten zu haben, der Regelschulbesuch darstellt. Schon alleine, weil die deutsche Sprache da normal und gut erlernt wird. Meine Wahrnehmung ist, dass es aber in dem Fall Kinder von gehörlosen Eltern sind. Sie sind sich dessen bewusst, dass die Zweisprachigkeit wichtig ist, die Gebärdensprache aber auch zuhause gefördert wird.


    Seien wir mal ehrlich: für Gehörlose ist die Situation so oder so katastrophal. In den meisten Gehörlosenschulen werden Gehörlose nicht in Gebärdensprache unterrichtet. Es gibt kaum gebärdensprachkompetente LehrerInnen. und selbst diejenige, die man als gebärdensprachkompetent bezeichnen würde, lassen meiner Meinung nach sehr zu wünschen übrig (ich sitze manchmal mit denen in einem VHS-Kurs und frage mich allen ernstes, wie sie ihren Unterricht machen).
    Gehörlose MuttersprachlerInnen werden als HilfslehrerInnen eingestellt und sollen dann zum Beispiel Sachkunde unterrichten. Ok, ein Fortschritt, weil die Kinder dann wenigstens die Gebärdensprache lernen und die Möglichkeit überhaupt haben zu verstehen, wie eine Burg gebaut ist, warum die Sonne sich nicht dreht und was Frösche für Tiere sind. Aber nur, weil man selbst gebärdensprachlich (?) ist, heißt es nicht, dass man in der Grundschule unterrichten kann.


    Eine Begleitung durch Dolmetscher in der Schule ist sicher nicht der Hit, aber als Mutter wäre es mir lieber, als mein Kind womöglich 50 Kilometer jeden Morgen mit dem Schulbus irgendwohin zu schicken und zu sehen, wie er seine Muttersprache verliert und trotzdem kaum lesen kann.
    In vielen Kindergarten, wo KommunikationsassistentInnen (nettes neues Konzept zu Sparmaßnahmen, kosten natürlich Unmengen weniger als DolmetscherInnen) eingesetzt werden, gibt es dann super gute Kontakte zwischen allen Kindern. Die kleinen Hörenden lernen schnell sich zu verständigen und es klappt ganz gut (nicht anders lernen die Gehörlosen auch die Gebärdensprache, wenn sie nicht von gehörlosen Familien sind). Aber dass in einem echten Bildungskontext mit Unterricht eine bessere Lösung her muss, ist keine Frage.


    Chili



    PS: es ist ähnlich wie bei Rollstuhlfahrer: Nur, weil man querschnittsgelähmt ist, muss man nicht jeden Morgen in einen schönen kleinen bunten Bus mit lern- und geistigbehinderten Kindern steigen, um dann den ganzen Tag auf sehr niedrigem Niveau unterrichtet zu werden. Es gibt unter Querschnittsgelähmte sowie unter Gehörlosen auch lernbehinderte Kinder. Aber trotzdem nur eine EINZIGE Oberstufe in ganz Deutschland sowie in der Regel nur eine Grund- und Hauptschule in ca. 50-70 Kilometer Umkreis?

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