was bringt Disziplin wirklich?

  • Was ist "Quatsch machen"?
    Miteinander reden, umher gehen, Im Schrank nach Büchern oder Arbeitsblättern suchen oder nach Experimentier-Koffern. Oder nach draußen gehen und mit anderen ein Rollenspiel ausdenken(von selber) oder den Lernbegleiter etwas fragen? Oder auf dem großen Ecksofa schlafen. Und danach ausgeruht Landkarten auf dem Boden ausrollen. Oder etwas zusammenbauen. Auf den Wandtafeln schreiben, rechnen, malen, im Terrarium beobachten...
    Was gibts noch?
    Klar, all sowas stört Deinen Unterricht. Bei dem müssten Lernende still sitzen und zuhören bei der Predigt, der Inszenierung, den Tagesbefehlen...
    Ich kann hinterher fragen: Was willst du noch wissen oder können?
    Du musst fragen: Was weißt du noch von meinem Unterricht?


    Ganz ehrlich: Wir reden von zwei völlig verschiedenen Situationen. Deine ist üblich und angeblich vorgeschrieben.
    Meine nicht.

  • Quatsch heißt z.B.: Papierkügelchen schmeißen, anderen ihre Apfelreste in den Toni/die Kapuze/ den Hemdausschnitt stecken, das Waschbecken verstopfen, anderen ein Beinchen stellen, andere kneifen/hauen und und und...


    Ich weiß, dass auch diese Schüler Interessen und Stärken haben. Mein 'Hauptchaot' aus der letzten Klasse hatte sehr großes Potential. Und gerade mit offenen Lernformen hatte er richtig große Schwierigkeiten - weil er nun mal ganz andere Probleme und Baustellen hatte. Und klar brauchte er Zeit, an diesen zu arbeiten. Ich habe aber kaum Möglichkeiten, ihm diese zu geben.
    Und ich wüsste im Moment nicht, wie ich als Fachlehrer an einem Gymnasium im 45 Minuten Rhythmus, der die Klasse evtl nach einem halben oder einem ganzen Jahr wieder abgibt, das auflösen könnte.
    Ich möchte ihnen mehr Verantwortung und mehr Zeit geben.
    Ich weiß aber gerade nicht, wie ich das innerhalb des Systems machen soll...

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Ach so, Quatsch aus Langeweile.
    Das kenn ich aus meiner Schulzeit bestens in einer 1A Feuerzangenbowlenschule.
    Etliche Feuerzangenbowlenlehrer mussten hinterher ins Sanatorium. Ein Elternschreck mit einem Feuerlöscher-Spitznamen war der Direktor und wurde über 90 Jahre alt.
    Wenn Du den Lernenden nicht innerhalb des Systems mehr Verantwortung und Zeit geben kannst, tu es außerhalb des Systems.
    Dieses System hat mir ein überwachender Schulamtsdirektor beschrieben als eine Betonröhre in der er sich windet wie ein Wurm.
    Er wurde auch schwer krank davon.
    In der Sekundarstufe kannst Du doch ohne Weiteres bekanntgeben, welche Prüfungsergebisse erzielt werden sollten und was man dazu wissen und können muss.
    Das was es da zu lernen gibt, können die Lernenden miteinander oder einzeln erreichen. Ohne gleichzeitigen bremsenden Unterricht.
    Stell einfach zur Verfügung was erreicht werden kann und was außerdem erreicht werden könnte.

  • Robischon, wie soll ich das machen, wenn ich 45 Minuten am Stück Zeit habe und gerade aus einer anderen Klasse komme? Da die Lehrer an den meisten Sekundarschulen wandern, ist der Materialtransport etwas, was man nicht unterschätzen darf.

  • Wenn Du Sport oder Werken hast oder Chemie o.ä., dann brauchst Du eventuell ein Wägelchen.
    Bei Englisch und Spanisch genügen verschiedene Bücher, Hefte, Poster, CDs. Jeweils nur ein Exemplar, jedenfalls zu wenig für die Lerngruppe. So dass es notwendig wird, sich zu arrangieren.
    Außerdem gibts ja auch Wandtafeln, Landkarten und Dich als Lernbegleitung.
    Vorher muss angeschrieben werden, wieviel Zeit zur Verfügung steht. 5 Minuten vor Schluss muss das Material wieder in Deiner Tasche oder Kiste sein.
    Die fünf Themen, die Du Dir vorgenommen hast, laufen nebeneinander her für eine oder zwei Wochen. Und dann kommen weitere dazu.


    Die Lernenden, die gewohnt sind, gleichzeitig und der Reihe nach etwas beigebracht zu bekommen zum abhaken,werden erst mal fragen "Was haben wir jetzt?"
    Die Umgewöhnung an Selbstständigkeit und Eigenverantwortlichkeit und Zusammenarbeit dauert eine Weile. Vielleicht ein halbes Jahr? Vielleicht gehts schneller.
    Wenn eine oder einer kapiert hat, was man ihnen da zutraut und zumutet, läufts.

  • "Viele Schüler langweilen sich, weil der Unterricht nicht individuell auf sie zugeschnitten ist".


    Ich streiche schon mal Essen und Schlafen aus meinem Kalender und dann entwerfe ich den Individualunterricht für jeden meiner 100 Schüler!

  • Geehrter robischon,
    mir klingt das alles zu sehr nach einem pädagogischen Garten Eden mit lauter unschuldigen und selbstlernbegierigen Kindern, wie Du das hier so wolkig beschreibst !
    Irgendwo wird in diesem Paradies doch die Schlange gelauert und etliche Deiner Schüler verführt haben, wenn Du ehrlich bist. Und bist Du Dir sicher, dass ich an Deinem Ansatz nicht doch einige schwerwiegende Schwachpunkte entdeckt hätte, wenn ich persönlich Deinen (alternativen) Unterricht inspiziert hätte ? Oder vielleicht der geehrte Silicium bei Dir vorbeigeschaut hätte ? Oder der Oberschulrat ?


    Dein pädagogischer Ansatz würde den perfekten selbstlernbegierigen und selbstdisziplinierten Schüler voraussetzen, den es einfach nicht gibt, zumindest nicht bis zur 10. Klasse. Ich denke, dass ich selbst bei so einem Unterricht mit anderen Kameraden nur Dönkes und Spökes gemacht hätte, egal welche tollen Lerninhalte ich mir hätte in Deinem Unterricht selbststeuernd erschließen können. Selbst bei Unterrichtsinhalten, die heute mein Leben bestimmen und denen ich mit Begeisterung nachgehe, hätte ich es, wie viele andere Schüler auch, vorgezogen Quatsch zu machen und dem lieben Gott einen guten Mann sein lassen.


    Heutzutage bin ich meinen früheren Lehrern aus echtem Schrot und Korn dankbar, dass sie mich streng geführt und damit die Orientierung und Anschubsmotivation für meine Interessen und weiterem beruflichen Werdegang in hervorragender Weise geleistet haben. Ich persönlich hätte mich, wie die meisten anderen Klassenkameraden auch, in einem System der übermäßigen Freiheit nicht so weit entwickeln können.


    Ich denke wie auch z.B. der Psychiater Dr. Winterhoff, dass Kinder schlichtweg psychisch überfordert sind, wenn sie schon in ihrer Kindheit alles selbst bestimmen und entscheiden können (müssen). 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Streich mal das Wort Unterricht aus Deinem Kalender.
    Und "wir", "aber" und "müssen".
    Wenn Kinder und Jugendliche selbstständig lernen, brauchst Du nur auf die Seite zu treten, sie nicht am Lernen udn Arbeiten zu hindern.
    Zum Lernen brauchen sie keine Predigt, Inszenierung, Show, Animation.
    Du solltest schon noch essen und schlafen.
    Lernbegleiter zu sein ist längst nicht so mühsam wie Lehrer zu sein.


  • Bei Englisch und Spanisch genügen verschiedene Bücher, Hefte, Poster, CDs. Jeweils nur ein Exemplar, jedenfalls zu wenig für die Lerngruppe. So dass es notwendig wird, sich zu arrangieren.
    Außerdem gibts ja auch Wandtafeln, Landkarten und Dich als Lernbegleitung.
    Vorher muss angeschrieben werden, wieviel Zeit zur Verfügung steht. 5 Minuten vor Schluss muss das Material wieder in Deiner Tasche oder Kiste sein.
    Die fünf Themen, die Du Dir vorgenommen hast, laufen nebeneinander her für eine oder zwei Wochen. Und dann kommen weitere dazu.


    Ich rechne dir das mal vor: wenn der Weg weit ist, bin ich 2-3 min zu spät in der Klasse (5-Minuten-Pausen beim Lehrerwechsel gibts nicht). Dann brauchen wir 5 min um alles auszupacken und Poster aufzuhängen. Am Ende der Stunde brauchen wir in etwa so lang, um es wieder abzuhängen. Gehen noch 5 min für Organisatorisches weg. Die Kinder haben dann also 25 Minuten Zeit, um sich neuen Stoff zu erarbeiten.

  • Geehrter Elternschreck,
    all die Schulräte und Oberschulräte sind tatsächlich immer wieder bei mir vorbei gekommen und haben kritisch beobachtet.
    Ein mürrischer herzkranker Oberschulrat bemängelte, dass das ja kein Unterricht sei, für den ich schließlich bezahlt würde.
    Eine Studienrätin, Mutter eines Erstklässlers, ließ sich drei Tage krank schreiben und setzte sich bei mir ins Schulzimmer. Sowas hab ich alles erlaubt. Und stellte eine Anklageschrift zusammen an all die Schulbehörden da oben. Also wurde ich jahrelang kontrolliert. Das Ergebnis war: Die Kinder lernen tatsächlich.
    Nur irgendwie anders. Und im Schulzimmer ist eine sehr angenehme Atmosphäre.
    Auf meiner Internetseite gibts etliche Berichte von Besuchern bei mir im Schulzimmer.
    Vor Nachahmung wurde dringend abgeraten. Es war ja kein Unterricht, der so teuer bezahlt wird und nie 100prozentig hinhaut. Und bei dem es jede Menge Sitzenbleiber, Schulabbrecher und Schulverweigerer gibt. Inzwischen gibt es sogar Atteste von Kinderärzten mit der Diagnose Schulangst oder Schulphobie. Zum Kotzen.
    Kinder mit Schulphobie aus den Klassenzimmern von Kolleginnen durfte ich dann eine Weile betreuen in kleiner Gruppe mit dem autistischen Kind. Bis weitere Kinder in diese Gruppe wollten. Daraufhin wurde es verboten. Klar, sowas muss man verbieten. Schule soll bitter schmecken, wie Medizin.
    Wer Kinder noch nie selbstständig lernen gesehen und gehört hat, glaubts halt nicht.
    Ich hab immer wieder dressierte und unterdrückte Kinder erlebt die den Aff machen sollten und Stöckchen apportieren. Und das haben sie getan. Und morgens im Chor geleiert: Guuuten Mooorgen Heeer Eeeelternschreeeck.
    Und all das zu ihrem Besten.

  • Wenn Kinder und Jugendliche selbstständig lernen, brauchst Du nur auf die Seite zu treten, sie nicht am Lernen udn Arbeiten zu hindern.

    Und wenn Kinder und Jugendliche nicht selbstständig lernen wollen?


    Mache doch mal ein Rollenspiel mit mir, geehrter Robischon. Wie schaffst Du es in mir die Motivation selbstständig zu lernen zu wecken?






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    *Schüler Silicium, die Cappy ins Gesicht gezogen, kommt 5 Minuten nach Unterrichtsbeginn in die Klasse und begrüßt erstmal lauthals seine Kumpels. Dann kommt er an Lehrer Robischon vorbei*


    Silicium: "Hey, moin, alles klar?"


    *Dann setzt sich Schüler Silicium zu einer Gruppe Mädels, die sich gerade Vokabeln gegenseitig abfragen und fängt erstmal ein Gespräch an.


    Silicium: "Boah gestern war ich wieder so hacke dicht man! Hab kaum mehr den Weg nach Hause gefunden. Was habt ihr so getrieben?"

    *Nebenher packt er sein Handy aus und tippt ein paar SMS während die Mädels erstmal kurz Vokabeln Vokabeln sein lassen und von ihrem Wochenende erzählen*



    *Lehrer Robischon.....*
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    So, die Situation ist gegeben. Kannst Du einsteigen, Robischon? Wie nimmst Du jetzt so Einfluss (gerne wörtliche Rede), dass die Motivation bei Silicium Vokabeln zu lernen (oder anderes Unterrichtsbezogenes zu machen) stärker wird als die momentane Motivation den Morgen mit Small Talk zu verbringen.
    Ich meine das ganz ernst, ich würde gerne mal so eine Situation durchspielen. Ich brauche konkrete Beispiele um Deine Methode zu verstehen. Ich kann es mir leider wirklich nicht vorstellen.

  • Der Prolet Silicium, den Du beschreibst, kommt tatsächlich in ein Schulzimmer?
    Warum?
    Du kannst als Lehrer Silicium nur in Unterricht denken.
    Du möchtest dass ich Dir vormache wie ich als Lehrer den üblen Schüler Silicium dazu bringe, etwas am Unterricht zu arbeiten, Vokabeln zu lernen, womöglich alphabetisch geordnet.
    Wie kann ich das, wenn ich kein Lehrer, sondern Lernbegleiter bin und wenn ich keinen Unterricht inszeniere?
    Angenommen ich komme ich eine sehr komplizierte achte Klasse in einem sogenannten Brennpunkt in Berlin.
    Ich stelle mich schriftlich vor an der Wandtafel, schreibe Informationen , Besonderheiten hin, eine Zahlenfolge, stelle Arbeitsblätter zur Verfügung, eine kleine Auswahl und fange an Fragen zu beantworten.
    Die Zahlenfolgen waren Wörter auf dem Taschenrechner, auf den Kopf gestellt. An der schule wearen Taschenrechner verboten. Nach fünf Minuten hatten sie zwei Taschenrechner irgendwo draußen besorgt.
    So wars mal vor Jahren z.B. in Berlin-Kreuzberg. Nach einer Stunde hat ein 15jähriger der Lehrerin erklärt, was ich mache.
    Diese Schule hatte später angefangen, mit Künstlern zusammen zu arbeiten. Die nehmen Jugendliche ernst.
    Nimmst Du den "Schüler" Silicium aus Deinem Rollenspiel ernst? Du möchtest mit ihm fertig werden.
    Und er möchte von Dir nicht fertig gemacht werden. Wer gewinnt?

  • So etwas habe ich gemacht. Über fast einen Monat (und werde es wieder tun - wobei die Schüler sich so etwas mal wünschen, aber nicht als einzuge Unterrichtsfrn, so wie sie es mir zurückgemeldet haben). Hat überwiegend gut geklappt. Und natürlich war Schwätzchen halten erlaubt, individuelle Pausen. Hatte aber den nicht u unterschätzenden Vorteil, überwiegend Doppelstunden zu haben.
    Das Problem sind nicht die Schüler, die sich einfach rausziehen, denen gönne ich ml ihre Pause und hake nach, wenn es über mehrere Stunden geht.
    Das Probem sind die Schüler, die die anderen massiv stören und teilweise belästigen! Bei Unterrichtsstörungen geht es mir weniger darum, dass ich gestört werde, damit kann ich umgehen. Das andere Schüler vom Lernen abgehalten werden, das ist inakzeptabel. Und diese Schüler sind nach meinen bisherigen (zugegeben geringen) Erfahrungen mit Freiheit übefordert.
    Mir stößt der Feuerzangenbowle-Vergleich auf, denn es gibt seeehr viel zwischen diesem Drill und der ansoluten Freiheit. Klingt bei dir nur nie so. Da gabe ich immer den Eindruck, dass jeder, der an deinem Weg Zweifel äußert, sofort mit einem Drill wir im 'Der Untertan' gleichgesetzt wird.
    Es gibt sehr viel Grau zwischen dem Schwarz und Weiß.


    Und ich glaube immer noch, dass vieles, was an der Grundschule funktioniert, nicht so einfach an die Sekundarstufe übertragen werden kann. Zumal in der Pubertät einfach vieles spannender wird, als das 'Lernen', was der Lehrplan vorgibt.

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle


  • Nimmst Du den "Schüler" Silicium aus Deinem Rollenspiel ernst? Du möchtest mit ihm fertig werden.
    Und er möchte von Dir nicht fertig gemacht werden. Wer gewinnt?

    Genau das meine ich!
    Das ist doch kein 'Fertig Machen'!
    Wieso ist es bei dir so schwarz-weiß?


    Ich bin sehr an Öffnung interessiert und glaube mir, ich nehme meine Schüler als Personen ernst - und das wissen und merken sie (die Rückmeldungen habe ich inmer bekommen und merke es ja auch an ihnen).
    Und mir ist völlig klar, dass diese Öffnunf Zeit braucht.


    So jetzt braucht Schüler x drei Jahre, bis er trotz Pubertät und Wunsch nach Freiheit/Unabhängigkeit/Sozialleben aufbauen, bis er bestimmte Klassenziele erreicht (ich habe ihm immer Angebote gemacht und die Anforderungen transparent gestaltet). Da er aber inzwischen zum dritten Mal diese Anforderungen nicht erreicht hat, muss er leider die Schule verlassen, weil er nun mal nicht unendlich oft wiederholen darf.
    Und nu?


    Ich sage nicht, dass das, was ich in Klassenarbeiten abfrage, wirkoich gelernt ist.
    Aber ich sehe mich schon in der Verantwortung, die Balance zu halten, so dass Schüler bestimmte Abschlüsse, die sie in unserer Gesellschaft brauchen, erreichen können.



    Un übrigens: Was war der Sinn hinter den Zahlen, die Wörter ergeben? Was haben sie da wirklich gelernt? Warum hast du dieses Angebot gemacht?

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Nimms einfach als Gegenüberstellung.
    Silicium fragte mich, wie ich in dem schrecklichen Schüler die Motivation zur Selbstständigkeit wecken wolle.
    Die ist doch da, wird nur in der Regel mehr oder weniger erfolgreich verschüttet. Erinnerst Du dich an Deinen Schulanfang? Stillsitzen, zuhören, nicht reden.
    Freiheit dauert lange.
    Mir fällt dazu die Geschichte von dem Jungen an der Sudbury Valley Schule ein, der dort nach verschiedenen Misserfolgen landete. das erste Jahr hat er komplett verschlafen. Sie haben ihn einfach gelassen. Nachher war er der Schulsprecher.
    Du siehst Dich in der Verantwortung? Lass ihnen die Verantwortung selber. Zeig jedem, dass Du ihm etwas zutraust.
    Ich bin sicher, Du tust das.
    Die Zahlenfolgen auf dem Taschenrechner waren nur ein Hinweis auf Möglichkeiten. Sie haben Taschenrechner besorgt wo es eigentlich keine gab. Und sie haben sich weitere Möglichkeiten ausgedacht.

  • Erst mal: Silicium sprach nie von einem schrecklichen Schüler, lediglich einem nicht an Schule/Unterricht interessiertem, pubertierenden Schüler.
    Das ist für mich ein Unterschied und auch ein Zeichen (für mich!) deiner Schwarz-Weiß-Sicht.




    Ich kenne die Geschichte, habe das Buch von A.S. Neill gelesen. Und finde Dinge daraus gut (ich würde mir sehnlichst wünschen, unsere 7er und/oder 8er zumindest teilweise raus aus der Schule schicken zu können, sie etwas mehr praktisches tun zu lassen als in der Schule zu sitzen - zumindest einigen von ihnen, andere wollen auch schnell weiterkommen - diese Möglichkeiten habe ich aber nicht!).
    Und natürlich ist es letztendlich die Verantwortung des Schülers, gegen ihn arbeiten kann ich sowieso nicht! Auch mein 'Oberchaot' wusste immer, dass ich ihm viel zutraute und dass nicht nur leistungsmäßig, auch auf sozialen Bereichen hatte er Potential, wenn er sich besser in eine Gruppe integrieren würde (und zwar nicht aus meiner Perspektive, vor allem aus der der Mitschüler - akzeptiert wurde er nur bis zu einem bestimmtem Punkt, da sich die Kinder bei ihm nie drauf verlassen konnten, nicht das nächste Ziel seiner Attacken zu werden...). Und ich denke, nur weil er wusste, dass ich ihn grundsätzlich akzeptiere und respektiere und ich ihm etwas zutraue, dass es mir nur um bestimmte Verhaltensweisen ging, war er bei mir deutlich zugänglicher als bei anderen.
    Aber wenn ich einen Schüler, der gerade nicht das lernen will, was er laut Lehrplan lernen soll, nicht motiviere, vollkommen sich selbst überlasse...da habe ich hier nicht die Rahmenbedingungen. Da stehen wohl sowohl Eltern als auch Chef auf der Matte (und evtl bei der Klientel, mit der ich arbeite, der Anwalt). Klar, wenn er sich nicht motivieren lässt, dann nicht. Aber ich kann ihn nicht einfach sich selbst überlassen, nicht in diesem System (so sehr ich weiß, dass manche einfach die Pause brauchen - ich plädiere auch bei Eltern meistens dafür, Gelassenheit zu zeigen, Vertrauen in ihr Kind zu haben...).
    Aber in unserem System können längere Pausen einfach 'gefährlich' werden.

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Eigentlich wünscht Du Dir doch sowas wie Freiheit und Selbstständigkeit für Lernende und Dich.
    ABER


    Silicium hat sich eine schreckliche Situation ausgedacht um mich zu testen.
    Sie wäre schrecklich für mich gewesen wenn ich traditionell gearbeitet hätte.
    Da wäre Disziplinierung gefragt gewesen. Und mit der wäre ich wohl nicht weit gekommen.
    Jeden tag verkämpfen sich lehrer und Lehrerinnen an solchen Situationen.
    Mir ist der respektvolle (gegenseitige) Umgang erheblich lieber.
    Ich nehme an, Dir auch.

  • Silicium fragte mich, wie ich in dem schrecklichen Schüler die Motivation zur Selbstständigkeit wecken wolle.


    Die ist doch da, wird nur in der Regel mehr oder weniger erfolgreich verschüttet.

    Die ist in dem konkreten von mir beschrieben Fall eben nicht da. Der Schüler ist auch nicht schrecklich, sondern ein ganz normaler desinteressierter Schüler, der sich lieber mit seiner Peer Group als Themen des Unterrichts beschäftigt.
    Das von mir beschriebene Schülerverhalten ist selbst am Gymnasium Gang und Gäbe. Ich mutmaße an einer Hauptschule würden noch ganz andere Äußerungen / Handlungen des Desinteresses stattfinden.


    Okay, ich habe es so weiter verstanden, dass Du Robischon nicht den Unterricht selber inszenierst, sondern als Lernhelfer dabei bist.

    Ich stelle mich schriftlich vor an der Wandtafel, schreibe Informationen , Besonderheiten hin, eine Zahlenfolge, stelle Arbeitsblätter zur Verfügung, eine kleine Auswahl und fange an Fragen zu beantworten.

    Ich baue das in die Situation ein.






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    *Schüler Silicium, die Cappy ins Gesicht gezogen, kommt 5 Minuten
    nach Unterrichtsbeginn in die Klasse und begrüßt erstmal lauthals seine
    Kumpels. Dann kommt er an Lehrer Hansen vorbei*




    Silicium: "Hey, moin, alles klar?"




    *Dann setzt sich Schüler Silicium zu einer Gruppe Mädels, die sich
    gerade Vokabeln gegenseitig abfragen und fängt erstmal ein Gespräch an.




    Silicium: "Boah gestern war ich wieder so hacke dicht man! Hab kaum mehr
    den Weg nach Hause gefunden. Was habt ihr so getrieben?"



    *Nebenher packt er sein Handy aus und tippt ein paar SMS während die
    Mädels erstmal kurz Vokabeln Vokabeln sein lassen und von ihrem
    Wochenende erzählen*






    *Lernhelfer Robischon betritt den Raum und stellt sich schriftlich an der Wandtafel vor. Er schreibt eine Zahlenfolge an die Tafen und verteilt Arbeitsblätter. Manche Schüler nicken ihm wohlwollend zu, andere schauen skeptisch, wenige Schüler grinsen und denken, was soll der denn? Schüler Silicium legt kurz sein Handy zur Seite und wirft einen Blick auf den Arbeitszettel. Dann dreht er sich zu Marie*


    Silicum: "Och nö, Montagmorgen und dann Zahlenfolgen. Ich hab ja netmal richtig ausgeschlafen."
    Silicium legt den Arbeitszettel in seinen Kladdenblock und murmelt: "Später..."
    Dann fragt er Marie, ob sie nicht einmal Lust hätte ihm beim Fußball Training zuzuschauen.



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    Wie agierst Du nun als Lernhelfer in dieser Situation. Nehmen wir an, der Lehrer ist gerade mit andern beschäftigt und Du kommst an den Tisch von Silicium und den Mädels.





    Nimmst Du den "Schüler" Silicium aus Deinem Rollenspiel ernst? Du möchtest mit ihm fertig werden.


    Und er möchte von Dir nicht fertig gemacht werden. Wer gewinnt?

    Natürlich muss man auch so einen Schüler ernst nehmen. Ich z.B. würde als Lehrer am Tisch vorbeikommen, daraufhinweisen, dass das Handy schleunigst wegkommt oder sonst eingesackt wird und, dass Silicium die Mädels nicht weiter ablenken soll, sondern sich lieber mal beim gegenseitigen Vokabel lernen beteiligen soll.
    Das wäre sozusagen meine erste Handlung.


    Ich möchte jetzt von Dir wissen, der Du meine Handlung vermutlich total ablehnst, wie Du als Lernhelfer mit Deiner Philosophie da rangehen würdest. Ich möchte einfach wissen, wie Deine hier immer nur komplett abstrakt und in Phrasen (nicht böse gemeint, aber Sätze nach dem Motto wie "Respektiere Du den Schüler, dann wird er Dich respektieren" weiß ich einfach nicht konkret in eine Handlung umzusetzen in dem Fall) geschilderte Philosophie tatsächlich zu praktizieren ist.
    Wie setzt man Deine Lehr- und Lernphilosophie um?
    Siehe das Rollenspiel als Beispiel, um eine Anleitung für Deine Philosophie zu geben.


    Bei den Psychologen ist das übrigens auch so, dort wird z.B. Therapie theoretisch beschrieben und das ganze dann an fiktiven oder erlebten Therapiegesprächen verdeutlicht.
    Bitte lass Dich doch mal darauf ein. Ich möchte wirklich sehen, ob Deine Philosophie tatsächlich umsetzbar ist. Mir fehlt von Deinen abstrakten Beschreibungen einfach irgendwie total der Ansatz das umzusetzen.

  • Silicium hat sich eine schreckliche Situation ausgedacht um mich zu testen.

    Die im Rollenspiel geschilderte Situation (da bitte ich um Rückmeldung von erfahrenen Lehrern) halte ich für eine durchaus gängige Situation, die tagtäglich auftreten kann und empfinde "schrecklich" als falsch gewähltes Adjektiv.
    Robischon, wir können nicht nur über Situationen reden, in denen die Schüler auf mysteriöse Weise bereits alle motiviert an etwas arbeiten. Denn wenn sie bereits motiviert sind, dann arbeiten sie natürlich auch motiviert und selbstbestimmt in Deiner Gegenwart weiter.
    Gehen wir also davon aus, dass es (und das ist ja einfach die Realität) zu Beginn des Tages erst einmal ein paar unmotivierte Schüler (in Form von Silicium) gibt.


    Wie aber kommt nun dieser Schüler dazu diese intrinsische Motivation zu entwickeln, von der Du behauptest, bei Deiner Gegenwart und durch Deine Philosophie sei diese bei den Schülern automatisch geweckt.
    Du musst doch erklären und beschreiben können, was Du in der Situation, wo ich zum Schüler gehen würde um ihn zum Arbeiten und Wegpacken des Handys zu bewegen, anders machst, dass er auf einmal nicht mehr vom Wochenende erzählen möchte, sondern ihn die Zahlenfolge auf einmal in den Bann zieht.
    Wie?

  • Ja, das würde mich auch interessieren, wie robischon mit der von silicium skizzierten Situation umgehen würde, denn das ist Schulalltag.

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