Auch wenn ich beispielsweise Siliciums Beiträge durchaus nachvollziehen und ihnen zustimmen kann, möchte ich ein Stück weit wieder zu der Ausgangsfragestellung des Threads zurückkehren. Hier ging es darum, ob Arbeitnehmerrechte nicht oder nur eingeschränkt für Lehrer gelten, bzw. ob diese nicht durch eine sehr hohe Erwartungshaltung an die Verfügbarkeit (seitens der Eltern, ich würde dieses noch um SL, KuK und Mitarbeitern, wie Schulsozialarbeit ergänzen wollen) von Lehrern immer wieder ausgehebelt werden.
Ich stelle mir diese Frage auch immer wieder. Ein paar Beispiele:
Ich bin an einer Ganztagsschule tätig (08:00 - 16:00 Uhr Unterrichtszeit). Oft genug kommt es vor, dass man an einem Tag, an dem man durchgängig Unterricht hat, neben einer planmäßigen Aufsicht noch zusätzlich (aufgrund von Ausfällen anderer KuKs) beispielsweise für die Mittagspause eingeteilt wird. Das bedeutet, dass man von 08:00 - 16:00 Uhr unter absolutem Dauerfeuer steht. Wie man sich danach fühlt, brauche ich hier niemandem zu erläutern.
Ich kann mir schwerlich vorstellen, dass dieses Vorgehen durch Arbeitnehmerrechte legitimiert ist. Dennoch ist es bei uns an der Regel. Im Durchschnitt sind mehrere KuKs pro Woche davon betroffen.
Ich ziehe jetzt mal keinen Vergleich zu höheren Managerposten, sondern tendiere mal in die andere Richtung, indem ich mich an meine Studienzeit erinnere: Bevor ich erkannt habe, dass ich mit diversen "Computerjobs" wesentlich bequemer wesentlich mehr Geld verdienen kann, habe ich mein kümmerliches Studentenauskommen zuvor mit allerlei körperlich sehr anstrengenden Tätigkeiten aufgebessert. Beispielsweise mit Lagerarbeiten (LKW Be- und Entladung für eine große deutsche Spedition). Für die zahlreichen studentischen Aushilfskräfte gab es da Schichten von fünf Stunden. Selbstverständlich wurden auch den Aushilfskräften während dieser fünf Stunden (also bezahlt) zwei Pausen von etwa 15 Minuten zugestanden. (Im Übrigen war es später, als ich beispielsweise als Redakteur eines großen Online-Portals gearbeitet habe, nicht schlechter: Meine Hauptarbeit habe ich vom heimischen PC erledigt (4 Stunden von Montag – Freitag, was meine Zeiteinteilung war, ich hätte die 20 Stunden auch frei auf die Woche verteilen können), dabei in Teilzeit soviel verdient, wie viele Arbeitnehmer in Vollzeit. Ab und an (etwa vierteljährlich) gab es Teammeetings zu denen man anreisen musste. Selbstverständlich war die Anreise, das Meeting selbst und die Abreise (Reisekosten wurden erstattet) bezahlte Arbeitszeit - man vergleiche das mal mit Konferenzen!)
Ein anderes Beispiel:
Der "Durchschnittskollege" hat in den letzten drei Wochen vor den Ferien bei uns an der Schule an fünf Konferenzen (drei LKs + zwei Zensurenkonferenzen), wenn er auch noch in der Schulkonferenz ist, an sieben Konferenzen teilgenommen (müssen!!!), welche alle außerhalb der Unterrichtszeit stattgefunden haben. Nun ist natürlich offensichtlich, dass bei uns schulorganisatorisch etwas fürchterlich aus dem Ruder läuft. Geschenkt - das ist nicht mein Punkt. Es geht doch darum, dass die SL mit ihrer miesen Planung durchkommt, da die Dienstpflichten und deren Ausmaße bewusst so schwammig definiert sind, dass sie nahezu unbegrenzt ausdehnbar und interpretierbar sind. Geschickter Schachzug der Schulministerien - aber bei einer rechtlichen (beispielsweise am Arbeitnehmerrecht) Überprüfung nicht haltbar. Hier wird also wissentlich von staatlicher Seite der möglichen Ausbeutung gegenüber ihren Staatsdienern (die eigentlich - und ich müsste lachen, wenn es nicht so pervers wäre - einer besonderen Fürsorgepflicht unterliegen) Tür und Tor geöffnet. Das ist skandalös! Und - wie gesagt - gemessen an geltendem Recht: Unrecht!
Komme wir zur Erwartungshaltung von unterschiedlichen Seiten:
Wir sind hierbei wieder an meiner Schule, wieder steht ein Arbeitstag von 08:00 – 16:00 Uhr ins Haus und glücklicherweise steht in der Mittagspause (diese beträgt knapp eine Stunde) nichts an: Sowohl die SL als auch die Schulsozialarbeit sieht diese Zeit, als einen frei für Gespräche zu nutzenden Zeitraum an. Dieses scheint für die beiden genannten Parteien so selbstverständlich zu sein, dass angesäuert (SL) bis persönlich beleidigt (Schulsozialarbeit) reagiert wird, wenn von Seiten der Lehrkraft nicht spontan und lächelnd einem solchen Gespräch zugestimmt oder dieses gar abgelehnt wird. Das ist schon eine sehr befremdliche Auffassung darüber, wer und in welchem Maße über die Freizeit von Lehrkräften zu bestimmen hat!
Ein letztes Beispiel bezüglich der Erwartungshaltung:
Anrufe von Eltern (aber auch Behörden (Jugendämter) und Einrichtungen) in Pausen und zwar bewusst zu diesem Zeitpunkt. Wieder sind wir an meiner Schule, wieder steht ein atemraubender Arbeitstag bis 16:00 Uhr an und dieses Mal bin ich auf der Sonnenseite des Lehrerlebens, weil ich keine Aufsicht habe. In der Majorität geht es bei diesen Anrufen nicht um wirklich Wichtiges (dann fände ich es ausnahmsweise auch akzeptabel), sondern diese haben eher jene Qualität: "Ja, schönen guten Tag, Herr Sobchak! Der Keven vermisst seit einiger Zeit seinen Tuschkasten. Können Sie, als sein KL, mal eben in den Kunstraum gehen und nachsehen und dem Keven den Tuschkasten geben!? Der ist so grün mit Punkten drauf!“ Tja, was soll man dazu sagen? (In diesem gepflegten Forum besser nichts das, was angezeigt wäre.) Die Häufigkeit solcher Anrufe zeigt jedenfalls, mit welcher Selbstverständlichkeit bezüglich der Verfügbarkeit von Lehrkräften diese Eltern anrufen. Ich bin mir sicher, sie meinen das nicht "böse", sondern gehen davon aus, dass dieses ok sei. Das ist es nicht!
Schließen möchte ich mit einem Zitat von Karl Jaspers: "Es ist das Schicksal eines Volkes, welche Lehrer es hervorbringt und wie es seine Lehrer achtet."
Da ist wohl was dran!