Offene Schulen

  • Das einzige skandinavische Schulsystem, das in internationalen Leistungserhebungen besser abschneidet als Deutschland ist immer noch Finnland. Und das zeichnet sich durch weitgehend leistungshomogene Gruppen (Profilierung der Schulen ab Klasse 1, Spezialschulen für Begabte ab Klasse 3, Separierung der Schüler, die nicht mitkommen, von der Klasse und Unterricht durch die Speziallehrer) und fast vollkommenen Frontalunterricht aus. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

    Finnland - oh Finnland. Mein Lieblingsbeispiel.
    Die Lesekompetenz der finnischen Schüler ist um Klassen besser als die der deutschen Schüler. Das liegt jedoch nicht am Schulsystem, sondern daran, dass Finnland so wenige Einwohner hat. Aus diesem Grund rechnet es sich für die Filmindustrie nicht, Filme zu synchronisieren - und jeder fremdsprachige Film (und das sind viele) wird daher mit Untertiteln ausgestrahlt. Die Kids lernen daher bereits mit 3 Jahren, dass es zum Verständnis beiträgt, Lesen zu können :P


    Und sonst:

    Zitat

    In Finnland besteht seit 1921 eine allgemeine Lernpflicht. 1968
    entschied sich die parlamentarische Mehrheit für ein integriertes Schulsystem.
    Zwischen 1972 und 1977 wurden Einheits- bzw. Gemeinschaftsschulen
    (siehe weiter unten unter „Gesamtschulen“) mit den Klassenstufen 1 bis 9
    eingeführt.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Bildungssystem_in_Finnland
    Deine Aussage bezügl. der Separierung stimmt demnach nicht.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll


  • Und sonst:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Bildungssystem_in_Finnland
    Deine Aussage bezügl. der Separierung stimmt demnach nicht.


    Ja, laut Wikipedia....
    Thelma von Freymann, eine anerkannte (finnischstämmige!!) deutsche Wissenschaftlerin, ist aber anderer Meinung als Wikipedia:

    Zitat

    Und in dieser Differenz kommt nicht etwa ein Gefälle zwischen Stadt und Land zum Ausdruck; zwar gibt es ein solches Gefälle, es ist aber so gering, daß es schulpolitisch keinen Anlaß zu Sorgen bietet. Nein: Das kritische Gefälle zeigt sich zwischen Schulen in größeren Städten bzw. in Ballungsgebieten, dort, wo es so viele Schulen gibt, daß man zwischen unterschiedlichen Profilen eine echte Wahl hat. Die hierzulande weitverbreitete Vorstellung, daß finnische Schulen mit Hilfe binnendifferenzierender Unterrichtsmethoden in sich ausgesprochen heterogene Klassen bedienen, ist also falsch. Die Schülerströme in Ballungsgebieten sortieren sich auf Grund der curricularen Profilierung, dem Fremdsprachenangebot und der freien Schulwahl so, daß manche Schulen mehr oder weniger einem deutschen Gymnasium entsprechen (und das schon spätestens ab Klasse 3, nicht etwa erst ab Klasse 5!), andere eher einer deutschen Hauptschule. Soviel zum Stichwort Gesamtschule!


    http://www.finland.de/dfgnrw/dfg043a-pisa07.htm


    Dein erstes Argument trifft übrigens auch auf Norwegen, Schweden und die Niederlande zu....

  • Für das Pauken von Formeln, Vokabeln, geschichtlicher Daten und Grammatik gebe ich dir Recht. Das funktioniert am Besten frontal und mit 50mal abschreiben.

    Und selbst da würde ich sagen, dass es wesentlich effektivere Methodern gib. Grammatik mit 10 mal abschreiben klappt garantiert nicht, das muss man anwendungsbezogen machen. Sonst bin ich ganz deiner Meinung:)

    Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.

  • Mehr Effizienz und Homogenität in den Schulen klingt für mich so, als ob junge Menschen zu lehren und Autos zu bauen dasselbe wäre. Andreas Schleicher bringt es auf den Punkt. Er sagte einmal, ich zitiere aus dem Kopf:


    "Wir sind im vermitteln von Sachwissen noch recht gut. Aber was nützt all das, wenn wir die Motivation weiterzulernen, unzureichend fördern?"

  • Zitat alias :

    Zitat

    Aus diesem Grund rechnet es sich für die Filmindustrie nicht, Filme zu
    synchronisieren - und jeder fremdsprachige Film (und das sind viele)
    wird daher mit Untertiteln ausgestrahlt. Die Kids lernen daher bereits
    mit 3 Jahren, dass es zum Verständnis beiträgt, Lesen zu können

    Daran habe ich auch schon die ganze Zeit gedacht. Manchmal sind die Dinge recht einfach und haben mit dem Schulsystem kaum etwas zu tun. Das Trainieren der Lesekompetenz auch im Alltag, weil es auch dort notwendig ist.


    Unseren Schülern würde es auch guttun, wenn bei uns die ausländischen Filme auch nicht mehr synchronisiert werden. Ich persönlich hätte nichts dagegen. Sehr viele Probleme, die hier diskutiert werden, wären mit einem Schlag und dazu kostengünstig weg (Ich meine das nicht ironisch).


    Lesekompetente Schüler sind bessere und leistungsfähigere Schüler. Sie haben dadurch, dass sie mehr im Unterricht verstehen, mehr Erfolge, sind motivierter und dadurch weniger unruhig. Sie würden in (fast) allen Fächern davon profitieren und umfassend gebildeter als heute die Schule verlassen.


    Ich hoffe, dass sich der o.g.. Zusammenhang bei den Bildungspolitikern herumsprechen wird. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !



  • Insofern auch gut, weil somit einige typische Vorurteile über den Lehrerberuf obsolet werden.
    Und für die Schüer sowieso, da tatsächlich lebensnaher und individueller gelernt wird.


    Wer sich mal ein paar solcher Schulen anschauen möchte, dem lege ich die DVD "Individualisierung" von Kahl nahe,
    dort werden viele offene Schulen und Unterrichtsformen in allen Schulformen sowohl international als auch in Deutschland vorgestellt..

  • An die Befürworter der Offenen Schulen möchte ich die Frage stellen, inwieweit die Belastung der Lehrer dort verringert wird. Gibt es dafür konktrete Überlegungen ? Wenn ja, welche ?


    Ich meine, die Reduzierung unserer Arbeitsbelatung muss doch schon im Vorfeld geklärt werden, sonst erleiden ja noch mehr Kollegen den Burn-Out. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Zitat Sonnenkönigin :

    Zitat

    Was mir in unserem Schulsystem fehlt, ist einfach die persönliche Beziehung Lehrer-Schüler

    Ist die Frage, was Du Dir unter persönlicher Beziehung vorstellst. Ich meine nicht, dass es bei uns an der Realschule unpersönlich zugeht. Bei Herabsenkung der Klassenstärke wäre der Bezug zu den Schülern natürlich optimaler, aber dafür brauchen wir keine Offenen Schulen.


    Ich möchte aber keine persönlichere Beziehung zu den Schülern wie sie so schon ist, weil ich für mein professionelles Arbeiten auch Distanz brauche wie der Arzt zu seinen Patienten. Eine persönliche Lehrer-Schülerbeziehung wie z.B. an den reformpädagogischen Schulen lehne ich ab. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Es scheint ein Lehrerphänomen zu sein, dass man nun schon stolz darauf ist, in seiner Arbeit von Dilettanten bemitleidet zu werden. Etwas mehr Selbstbewusstsein wäre vielleicht doch angebracht.


    Was Herrn Hüther angeht:


    1. Der Mann ist kein Lern-, sondern ein Hirnforscher.


    2. Er hat zum Thema Schule und Unterricht de facto weder etwas Neues noch überhaupt etwas zu sagen.


    3. Sämtliche seiner vermeintlich praxisorentierten Vorschläge entsprechen im Großen dem reformpädagogischen Ansatz und sind damit gut 100 Jahre alt. Eine handlungs- oder praxisrelevante Eigenleistung (!) seiner Disziplin ist nicht zu erkennen.


    4. Das Interview besteht in einer fast schmerzhaften Weise nur aus einer Aneinanderreihung von Klischees, wie sie etwa in der Kontrastierung des "begeistert und intuitiv lernenden" Kleinkindes mit dem "entfremdeten" Schulkind gegeben sind.


    5. Es bleibt dabei vage genug, um auf keine einzige Frage eine Antwort zu geben, die in der Bildungsdiskussion wichtig ist. Die einseitige Propagierung interessensbezogenen und situativen Lernens etwa lässt unbeantwortet, wie genau kulturrelevante Fähigkeiten in der modernen Welt auf diese Weise von einer möglichst hohen Zahl von Kindern (!) erworben werden sollen. Sie blendet aus, dass eine einseitige Fokussierung auf situatives Lernen die Bildungsungerechtigkeit vergrößern muss und sie übersieht, dass sie selbst eine Mittelstandsideologie propagiert, die vor allem im Kontext bereits gut gebildeter, vielseitig interessierter, saturierter Haushalte funktioniert.


    6. Das Interview ist darüber hinaus in hohem Maße selbstwidersprüchlich. Zunächst wird sinngemäß festgestellt, dass Lernen nur durch Begeisterung funktioniert, in der Schule also scheinbar nicht möglich ist. Später wird diese These jedoch leise wieder kassiert. Dies gilt zumindest, wenn man unterstellt, dass eine 1,0 im Abschluss belegt, dass etwas gelernt wurde. Nun wird aber behauptet, zwar sei etwas gelernt worden, aber dadurch seien psychische Deformationen entstanden, die Menschen sogar für das Berufsleben unbrauchbar machen würden. Man muss kaum erklären, dass dies empirisch nicht haltbar ist. Menschen, die zur Arbeit unbrauchbar sind, sind dies grundsätzlich nicht, weil sie zuviel, sondern weil sie zuwenig Schulbildung erhalten haben. Das zu widerlegen, dürfte auch für die Hirnforschung unmöglich sein.


    7. Empirisch nicht haltbar ist auch die Kritik an den Lehrern. Zwar gibt es Daten, die zeigen, dass schlechte Lehrer über Jahre nachwirkende Schäden anrichten
    (wieder einmal alles nachzulesen in der Meta-Analyse von Hattie). Alle empirischen Daten deuten jedoch auch daraufhin, dass sich eine starke Lehrerpräsenz positiv auf das Lernen auswirkt und für dieses Lernen völlig unverzichtbar ist. Das bedeutet nicht, dass es Frontalunterricht geben muss, aber es bedeutet, dass auch in neuen Arbeitsformen eine enge Bindung des Arbeitens an Lehrer, ihre Vorgaben und Rückmeldungen unverzichtbar ist.


    8. Unbeantwortet bleiben hier - wie immer in solchen Interviews - zahlreiche Grundfrage, z. B.:
    - Wie ist es möglich, dass sich zehntausende - und global gesehen: hunderttausende - gut ausgebildeter Personen (=Lehrer) unablässig darin täuschen, wie Lernen sinnvoll zu organisieren ist? Wie kann es sein, dass all diese Personen in ihrer Arbeit offenbar völlig fehlgehen und deshalb sogar Menschen, die diese Arbeit nie selbst praktiziert haben, besser wissen, wie sie zu machen ist, als die Praktiker?
    - Weshalb konnten sich in über hundert Jahren reformpädagogische Ideen immer nur in Teilen durchsetzen, wenn offensichtlich ist, dass sie anderen Methoden hochgradig überlegen sind?
    - Weshalb werden dort, wo ausschließlich situatives Lernen existiert (nämlich heutzutage nur noch: in Entwicklungsländern), keine Mondraketen gebaut? Und wenn es an fehlenden Ressourcen im Land liegt: Weshalb sind die Labore in den industrialisierten Ländern nicht mit Migranten aus diesen Ländern überflutet, die dank ihrer naturwüchsigen Begeisterung und Kreativität unsere Energieprobleme lösen und Medikamente gegen Alzheimer erfinden?

  • unter uns: Ein interessanter Kommentar von dir.






    An einem Punkt muss ich allerdings einhaken:








    Zitat

    Weshalb sind die Labore in den industrialisierten Ländern nicht mit Migranten aus diesen Ländern überflutet, die dank ihrer naturwüchsigen Begeisterung und Kreativität unsere Energieprobleme lösen und Medikamente gegen Alzheimer erfinden?








    Kurz und knapp: Mangelnde Hochschulqualifikation in Paarung mit einer rigiden Einwanderungsgesetzgebung in den westlichen Ländern. Zu dieser These muss aber auch erwähnt werden, dass die Lernumgebung in Entwicklungsländern wohl gar nicht erst in der Lage ist, den Bau einer Mondrakete nachzu"erforschen". Da stimmen vielfach die äußeren Rahmenbedingungen nicht. In den meisten Dokumentarfilmen zu Entwicklungsländern wird übrigens ein eher traditionelles Bild von Unterricht gezeigt, wenn Schule als Thema darin vorkommt: Lehrer erzählt / schreibt vorne und die Schüler rezipieren. Nicht selten haben die Lehrer dort auch Verfügung über die Schüler, sie mit körperlichen Bestrafungen zu drangsalieren.

  • Dann würde ich nicht an einer solchen Schule arbeiten wollen, ich wüsste ja gar nicht, auf was ich mich einlasse.

    äußern die sich dazu natürlich, man arbeitet in Lehrerteams und muss ja auch fächerüergreifend arbeiten.

    Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr. Marie Curie

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