kurze Beine kurze Wege vs Segregation

  • Hallo,
    ich studiere auf Lehramt Grundschule und stelle derzeit fest, dass die bisherigen Ansichten ins Wanken geraten können, wenn das eigene Kind betroffen ist. Daher hätte ich gerne euer Feedback zu folgendem Problem:


    - Glaubt ihr, dass Kinder in den Grundschulen bürgerlich geprägter Einzugsgebiete besser auf die weiterführenden Schulen vorbereitet werden können?
    - Funktioniert die Differenzierung der Kinder an den Grundschulen in sozial schwachen Bezirken zufrieden stellend?
    - Sind schulabhängige Unterschiede (sofern sie auftreten) von Bedeutung oder fangen die weiterführenden Schulen unterschiedliche Leistungsniveaus im ersten Jahr auf?
    - Wie viel macht die Unterstützung zu Hause in diesem Zusammenhang aus?


    Für ein paar Erfahrungsberichte wäre ich wirklich dankbar.

  • - Glaubt ihr, dass Kinder in den Grundschulen bürgerlich geprägter Einzugsgebiete besser auf die weiterführenden Schulen vorbereitet werden können?


    Ja. Kinder aus bildungsaffinen Elternhäusern bringen aus der Kleinkindzeit schon die wesentlich besseren Voraussetzungen mit, um einem höheren Leistungsanspruch gerecht zu werden.


    Zitat

    - Funktioniert die Differenzierung der Kinder an den Grundschulen in sozial schwachen Bezirken zufrieden stellend?


    Nein. Die Lehrkräfte sind mit der Heterogenität in den zu großen Klassen überfordert (müssen es sein!). Lernschwache und verhaltensauffällige (neudeutsch: verhaltenskreative) Kinder brauchen so viel Aufmerksamkeit, dass die braven und lernwilligen Kinder hinten runterfallen.


    Zitat

    - Sind schulabhängige Unterschiede (sofern sie auftreten) von Bedeutung oder fangen die weiterführenden Schulen unterschiedliche Leistungsniveaus im ersten Jahr auf?


    Sie sind erheblich von Bedeutung. Wir haben Eingangsklassen mit über 30 Schülern, da kann man sich noch so anstrengen; aber auffangen kann man da kaum noch was (auch wenn es natürlich mit Förderunterricht, etc. versucht wird).


    Zitat

    - Wie viel macht die Unterstützung zu Hause in diesem Zusammenhang aus?


    Kommt auf die Begabung an. Es gibt Kinder aus bildungsaffinen Elternhäusern, die keinerlei Unterstützung brauchen, weil sie sich einfach leicht tun. Dann gibt es noch das Gegenteil und alles dazwischen.

  • Wenn ich die Wahl treffen müsste, ob mein Kind in die Brennpunktschule in der Nähe geht oder lieber einen etwas weiteren Weg auf sich nimmt und dafür in eine "Heile-Welt-Schule" kommt, würde ich die zweite Schule wählen.

  • Wenn ich die Wahl treffen müsste, ob mein Kind in die Brennpunktschule in der Nähe geht oder lieber einen etwas weiteren Weg auf sich nimmt und dafür in eine "Heile-Welt-Schule" kommt, würde ich die zweite Schule wählen.


    - alleine schon deshalb, weil ich meinem Kind die Umgangsformen auf dem Pausenhof ersparen würden wollte.

  • Auch wenn es dir um die Wahl der richtigen Grundschule geht, eine kleine Anekdote dazu:


    Zu der Zeit studierten mein bester Freund und ich damals an derselben Uni Lehramt. Wie ab und an trafen wir uns abends auf ein Bierchen und da er zu dieser Zeit ein Praktikum an einer örtlichen weiterführenden Schule machte, kamen wir darüber ins Gespräch. Bei dieser Schule handelte es sich (für damalige Verhältnisse) um eine, mit nahezu "revolutionärem" Schulprogramm in der Pilotprojektphase, was auch dazu führte, dass an ihr eine bunt gemischte Schülerschaft war, welche durch eine große Heterogenität (durchaus in vielen Bereichen) gekennzeichnet war. Allerdings war auch immer wieder von argen Problemen, verursacht durch eine (teilweise) recht renitente Schülerschaft, die Rede, auch schienen trotz aller Bemühungen die Leistungen (im Vergleich zu anderen Schulen) der SuS weit hinter dem, was man erwartet/angestrebt hatte, zurückzufallen.
    Trotz dieser Probleme war mein Kumpel geradezu vernarrt in das pädagogische Programm, welches er idealistisch überhöhte, dieser Schule und verteidigte es vehement und mit gewieften Argumenten gegen meine Bedenken.
    So entwickelte sich ein lebhaftes Gespräch, welches mal diese und mal jene Facette der Thematik in den Fokus nahm; unsere Standpunkte blieben allerdings unvereinbar.
    Zum Ende dieses Gesprächs hin sagte ich zu ihm: "Frank, jetzt mal zehn, fünfzehn Jahre weiter gedacht. Mal angenommen, du hättest Kinder und stündest vor der Wahl der weiterführenden Schule. Welche Schule, die von uns diskutierte oder das sich ebenfalls in der Nähe befindliche, gut bürgerliche Gymnasium, würdest du wählen?"
    Daraufhin sah er mich milde - ob meiner naiven und offenbar allzu offensichtlichen Fragestellung - lächelnd an und antwortete mit der Inbrunst tiefster Überzeugung: "Na, selbstverständlich auf das Gymnasium!" und fügte abwägend, ob ich denn möglicherweise schon das eine oder andere Bierchen zu viel genossen hätte und ein wenig frappiert hinzu: "Was ist das denn für eine Frage!?"


    Soviel zum Thema: (Pädagogischer) Idealismus vs. echtes Leben.

    Die Wahrheit liegt im Blickwinkel des Betrachters.

  • Mir käme es darauf an, wie der "Brennpunkt" denn beschaffen ist. Bei mir ist der Fall gerade umgekehrt, die reguläre Sprengelschule ist die "Heile Welt-Schule", die Alternative wäre eine angebliche "Brennpunktschule", nämlich die Grundschule im Haus meiner Hauptschule.


    Jetzt kenne ich aber meine "Brennpunktschule" von innen und muss sagen: Die Argumente, die man von hysterischen Eltern hört kann ich nicht nachvollziehen, z.B. sind bei uns Klasse 1 bis 6 auf einem Pausenhof - es gibt aber weder Tote noch Verletzte, das bekäme ich mit, denn ich bin die "Erste Hilfe-Frau". Die Klassen sind durch die vielen Anträge auf Aufhebung der Sprengelpflicht klein, die Lehrer engagiert, die Schüler teilweise Ausländer, das sind aber dann genau die, mit denen sie gerade in den Kindergarten geht und sich prima versteht. Auch aus dieser Schule gehen Kinder ans Gymnasium und die Realschule und kommen nicht mehr zurück. Ich war selber an einer sogenannten "Brennpunktschule" in einer riesigen Klasse mit einer uralten Lehrerin und bin anschließend mühelos zum Abitur gekommen.


    Die gut ausgestattete "Heile Welt-Schule" glänzt andererseits durch hohes Niveau, schnelles Lerntempo, überfüllten Hort in dem wir vermutlich keinen Platz bekommen den ich aber dringendst bräuchte und immer wieder hört man Berichte von völlig hysterischen Eltern im Übertrittswahn, die - gefüllter Geldbeutel sei Dank - auch schnell den Anwalt einschalten. Das einzige, was für mich für diese Schule spricht wäre, dass meine Kleine dorthin zu Fuß kommt und die Kinder der Nachbarschaft dorthin gehen.


    Ansonsten finde ich den "Brennpunkt" entspannter. :P

  • Danke, tina40, für deinen anderen Blickwinkel.


    Bei "meiner" Brennpunktschule ist der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund 70 %. Die meisten ganz nette Kinder aus intakten Familien, die aber eben vielfach auch nach dem Kindergarten nur sehr gebrochen Deutsch sprechen (und viele Mütter fast gar nicht).


    Auch viele moslemische Eltern suchen für ihr Kind bereits ihr Heil in der benachbarten KGS. Hysterie oder erfahrungsbasiert - ich weiß es nicht.

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