Seitenausstieg?

  • Hallo,


    ich suche Seiteneinsteiger zum Austausch über den Abbruch der Ausbildung. Ich suche also Leute, die schon ernsthaft darüber nachgedacht haben, die Ausbildung abzubrechen, oder dies tatsächlich getan haben.


    Zum Hintergrund: Ich stehe zwar schon kurz vor dem Examen, bin aber ziemlich unzufrieden und denke daran, aufzuhören. Da die Prüfungsphase für mich schon begonnen hat, wäre das dann auch ein endgültiger Ausstieg.
    Ursprünglich habe ich eine akademische Laufbahn angestrebt, musste aber leider erst spät feststellen, dass diese sehr riskant und familienunfreundlich ist und daher für mich nicht in Frage kommt. Dann habe ich eine Weile in der freien Wirtschaft gearbeitet, aber dort nicht wirklich Fuß fassen können. Daher habe ich zunächst eine Stelle als Vertretungslehrer angenommen, die mir gut gefiel. Dann habe ich den Seiteneinstieg gewagt. Leider sind die Probleme im Laufe der Zeit gewachsen.
    Ich komme mit der Ausbildung immer weniger klar, weil ich das, was im Seminar gelehrt wird, zum großen Teil nicht umsetzen kann. Ich habe kaum Ideen für Unterrichtseinstiege und weiß nicht genau, wann ich welche Methoden anwenden soll. Als Folge ist die Beurteilung durch meine Ausbilder am Seminar auch sehr demotivierend. Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass ich jetzt schlechter beurteilt werde als am Anfang der Ausbildung.
    Es kommt hinzu, dass ich mit wachsendem Unterrichtspensum immer größere Organisationsprobleme habe und viele Dinge einfach durch meine Schusseligkeit durcheinanderbringe oder vergesse.
    Und an der Schule gibt es einige Kollegen, die mir dauernd erzählen, dass die Zustände an den Schulen immer schlimmer würden und jemand mit meiner Ausbildung sich doch eine lukrativere und angenehmere Stelle suchen solle. Auch das demotiviert mich sehr.


    Andererseits denke ich dann wieder, dass ich weitermachen sollte, weil die Situiation bei meinen früheren Stellen noch viel schlechter war (vor allem wegen der Unsicherheit und Ungewissheit). Und die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen macht mir auch Spaß. Mit der Schulleitung und den meisten Kollegen komme ich auch prima aus.


    Also bin ich hin- und hergerissen und suche auf diesem Wege Leute mit ähnlichen Erfahrungen zum Austauschen, um mir klarer zu werden.

  • Ich schildere dir das mal aus der Perspektive einer, die vor 1,5 Jahren die Prüfung(als Seiteneinsteigerin) gemacht hat. Ich hatte, genau wie meine Ausbildungskollegen, Zweifel und Krisen und dachte zwischenzeitlich sehr ernsthaft ans Aussteigen. Ich verstehe dich von daher sehr gut.


    Wir haben im Seminar vieles sehr kontrovers diskutiert. Man muss nicht nachbeten, was die Ausbilder einem vorbeten. Mit Blick auf die Prüfung muss man schauen, dass man das abliefert, was erwartet wird - aber dazu gehört durchaus auch selbstständiges Denken und Handeln. Ja, viel ist einfach schön gedacht, aber unrealistisch und an den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Schüler vorbei.


    Dass du jetzt kritischer bewertet wirst, liegt natürlich auch daran, dass es auf den Abschluss zugeht und entsprechend mehr erwartet wird.


    Ich weiß nicht, wie schlimm deine organisatorischen Probleme sind, aber in der letzten Phase hat jeder den Kopf voll und vergisst schon mal was.


    Denke daran, in der Zukunft musst du nicht mit den Ausbildern klar kommen - die bist du bald los -, sondern mit den Kindern und den Kollegen. Und das scheint ja zu funktionieren. Du glaubst gar nicht, wie man sich auf ganzer Linie entspannt, wenn man erst mal fertig mit der Ausbildung ist.


    Ein Abbruch zum jetzigen Zeitpunkt würde sich im Lebenslauf ähnlich schlecht machen wie eine versiebte Prüfung, also kannst du das ebenso gut noch durchziehen. Und auf dem Arbeitsmarkt umsehen kannst du dich später immer noch - allerdings ist das mit einer festen Stelle viel entspannter.


    Viel Erfolg und lass dich nicht mürbe machen ;)

  • Ich denke auch, du solltest jetzt nicht die Flinte ins Korn werfen. Wenn du schon so weit gekommen bist und dir die Arbeit mit den Schülern Freude macht, du dich auch im Kollegenkreis gut aufgehoben fühlst - dann wäre es doch sehr schade, wenn du jetzt aufgibst! Gerade gegen Ende der Ausbildung fühlen sich viele überfordert und werden von Zweifeln geplagt. Ich denke, das liegt ganz entscheidend daran, dass der Stresspegel in dieser Zeit einfach sehr hoch ist. Kein Wunder, wenn man bedenkt, welche Ansprüche (von den Ausbildern, Kollegen, SL, SuS und von einem selbst...) an die eigene Person gestellt werden!


    Ratschläge sind ja bekanntlich auch Schläge, aber ich würde dir wünschen, dass du durchhältst! Wenn du in einigen Monaten oder Jahren immer noch das Gefühl hast, dass dieser Weg für dich nicht der richtige war/ist, kannst du dann doch noch immer eine Kurskorrektur einleiten.


    Alles Gute!


    muckele

  • Hallo Piksieben, hallo Muckele,


    vielen Dank für Eure Beiträge und Eure Aufmunterung. Jetzt habe ich doch wieder mehr Motivation, die Ausbildung zu Ende zu bringen. Es bleiben natürlich noch etliche Zweifel.
    Was sich nun im Lebenslauf besser macht, ist sicher eine Frage der Perspektive. Entweder man sieht den Abbruch als mangelndes Durchhaltevermögen oder als konsequentes Handeln an (wenn man dies gut begründen kann). Außerdem muss man ja nicht jedem potentiellen Arbeitgeber auf die Nase binden, dass man am Seiteneinstieg gescheitert ist. Das lässt sich im Lebenslauf auch anders verpacken.
    Schwieriger finde ich schon, mit einem schlechten Prüfungsergebnis oder sogar mit dem Nichtbestehen fertig zu werden. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich damit umgehen könnte. Und meine Noten sind schon jetzt nicht im guten Bereich.
    Ich muss auf alle Fälle noch weiter darüber nachdenken, aber im Prinzip kann ich mir immer noch vorstellen, Lehrer zu bleiben. Und wie Muckele schon richtig schrieb, kann ich ja auch später immer noch meinen Kurs korrigieren.

Werbung