Gedrillte Kinder - ein neuer Trend?

  • Hallo ihr Lieben,


    aus aktuellem Anlass sortiere ich gerade meine Eindrücke der angehenden Erstklässler.


    Dabei habe ich viele Kinder erlebt, die einerseits schon vieles vom Stoff der ersten Klasse bereits beherrschen, andererseits aber riesige Defizite bei selbstverständlichen Dingen haben. Von 23 Kindern, die ich gesehen habe, können 11 schon jetzt lesen (Einschulung ist im September!). 8o Beigebracht wurde es allen bis auf einem gezielt von den Eltern, das haben die Kinder zumindest im Gespräch so erzählt. Mit der Schere umgehen können einige davon leider nicht. Über eigene Erlebnisse sprechen, Geschichten zu BIldern erzählen, malen, etc. fällt auch vielen schwer.


    Hilfe, ist das ein neuer Trend??!! Kinder die zur Einschulung dank häuslichem Drill perfekt lesen und rechnen können, sich aber nicht selbst anziehen?

  • Hallo,


    das kann ich voll unterschreiben und zwar aus Sicht einer Mutter. Meine Tochter kommt im Sommer in die Schule. Alle Eltern ihrer Freunde, die etwas auf sich geben und viel von Bildung halten, sorgen dafür, dass ihre Kinder regelmäßig für die Schule "üben". Sie bekommen einen Vorschulblock nach dem anderen, üben die Buchstaben etc. Die meisten ihrer Freundinnen beginnen gerade mit dem Silbenlesen. Auch Mathepäckchen sind hoch im Kurs. Die Mütter versuchen das allerdings zu vertuschen. Sie haben einfach nur panische Angst, dass ihr Kind in der Schule nicht mitkommen könnte und wollen dem versuchen vorzugreifen und sich absichern. Deshalb soll auch nach Möglichkeit keiner merken, wie viel zu Hause wirklich geübt wird.


    Ich muss allerdings dazu sagen, dass bei uns auch im Kiga im Vorschulförderprogramm viel in der Hinsicht getan wird. Dort haben die Vorschulkinder immer einen Buchstaben der Woche. Sie müssen diesen nicht schreiben können, aber wiedererkennen und benennen sowie in Wörtern abhören. Ein Kind, das daran Interesse hat (die meisten Mädchen finden das toll) sind ganz schnell so weit, dass sie von sich aus mit dem Lesen beginnen und danach fragen. Schneiden etc. wird dort allerdings ebenso geübt. Es gibt auch immer eine Zahl der Woche.


    Ich finde das Thema höchst problematisch


    a) als Mama: Ich fühle mich auch unter Druck gesetzt dem Trend zu folgen. Meine Tochter löchert mich noch und nöcher, dass sie auch Lesen will. Ich selbst gerate auch in Sorgen, wenn ich beobachte, dass schon 10 Kinder bei Schuleintritt lesen können, meins aber noch nicht und sie deshalb im Nachteil ist. Bisher halte ich es so: Wenn sie fragt, sage ich etwas. Wenn nicht, sage ich auch nichts. (Zum Glück kann sie sich selber anziehen :thumbup: )


    b) als Lehrerin: Wo soll das hinführen? Die schulischen Lerninhalte werden immer weiter in die KIndergartenzeit verlagert. Das ist nicht altersgemäß. Sie sollen die Zeit lieber zum SPielen, draußen sein etc. nutzen. Außerdem was ist mit den Kindern, die zu Hause keine, überhaupt keine Förderung erhalten? Die können den Vorsprung doch gar nicht aufholen.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe das auch beobachtet, allerdings an meiner früheren Schule. Meine jetzige liegt im Brennpunkt, da sind extrem ehrgeizige Eltern eher die Ausnahme. ;)


    Es gab da einen Kindergarten, in dem haben die Kinder neben lesen und rechnen auch diverse Sachunterrichtsthemen abgearbeitet und Themenhefte dazu angelegt. War dann toll, wenn sie alle schon mal gemacht hatten, denn besonders im SU ist es ja oft spannend, wenn nicht schon alles bekannt ist.


    Denke aber, dass sich der Trend durchsetzen wird, weil eine große Angst unter Eltern herrscht, dass das Kind nicht gut in der Schule sein könnte. Und, wie ja schon gesagt wurde, wächst der Druck auf Eltern, die das (noch) nicht machen.
    Müssen wir in der Schule wohl entsprechend mit umgehen.

  • ich denke das liegt 1. daran wo die schule liegt.
    bei uns würde das nicht passieren.
    ich muss allerdings gestehen, dass ich (ok mein kleiner ist erst 10 monate und meine kurze noch gar nicht da) wahrscheinlich auch so ein paar sachen anbieten würde, wenn es meine kinder wollen.
    ich hab füher auch unbedingt mit meiner mama schule spielen wollen und da hab ich dann auch so manches vorschulheft "abgearbeitet", aber aus spaß.
    als kind wollte ich das.. ich hab mich auf die schule total gefreut. wollte dass meine bilder, die ich gemalt habe, im letzten jahr vor der schule benotet wurden usw..
    wenn kinder einen natürlichen wissensdrang entwickeln finde ich es völlig legitim den auch zu "stillen".. nur "drillen" ist m.e. etwas ganz anderes.
    ich werde mich sicherlich nicht vor der schule mit meinen kindern expliziz hinsetzen und unterrichtsstoff lernen.


    aber wenn ich z.b. merke, dass mein kind spaß an mathe hat dann werde ich wohl auch das eine doer andere wittmann buch kaufen.. da gibts nämlich ganz tolle bücher die man VOR der schule bearbeiten kann (frühförderung),


    lg

  • Hallo Charia,


    Hilfe, ist das ein neuer Trend??!! Kinder die zur Einschulung dank häuslichem Drill perfekt lesen und rechnen können, sich aber nicht selbst anziehen?

    Ich glaube nicht, dass man von so einem Trend ausgehen kann. Denn die meinsten Fähigkeiten und Leistungen, die die Kinder zeigen, sind von sehr vielen Faktoren abhängig (Einfluss durch die Erzieherinnen, die Freunde, anregendes/nicht anregendes Umfeld, familiäre Situation....). Nicht nur davon, ob Eltern hinter bestimmten Dingen stehen oder eben auch nicht.


    Mich würde zudem interessieren, wie du die Eindrücke über die angehenden Erstklässler gewonnen hast.
    Hast du sie einzeln kennen gelernt oder in einer Gruppe?
    Hast du bei allen Kindern das Lesen und Schneiden getestet?
    Hattest du Gelegenheit, dich mit jedem einzelnen Kind ausführlich zu unterhalten?


    Ich stelle diese Fragen deshalb, weil erste Eindrücke auch manchmal täuschen können.
    Kinder sagen Dinge, die von Erwachsenen anders aufgefasst werden können. So würden meine Kinder bestimmt auch sagen, dass ich das Lesen oder bestimmte Sachunterrichtsinhalte (z.B. Thema Wald / Tiere o.ä) mit ihnen geübt hätte. Tatsächlich haben sie einfach "nur" Antworten auf ihre Fragen bezüglich der Buchstaben (aber auch aller anderen Themen, die sie interessierten) gegeben. Da sind meiner Meinung nach schon zwei unterschiedliche Definitionen des Wortes "üben".
    Kannst du durch den ersten Eindruck schon sicher beurteilen, wie die Kinder ihr "üben" meinen?


    Oder bezogen auf das Schneiden.
    Vielleicht waren einige Kinder sehr nervös, als du sie kennen lernen durftest. Vielleicht wollten sie schnell fertig sein oder auch nur schneller als andere Kinder. Das kann durchaus zu weniger ansprechenenden Ergebnissen führen, muss aber nicht heißen, dass sie nicht gelernt haben mit einer Schere umzugehen. Wobei mir durchaus bewusst ist, dass motorisch unbegabte KInder sehr schnell zu identifizieren sind.


    Ich glaube, dass Eltern, die ihre Kinder wirklich zu guten, schulischen Leistungen drillen wollten, nicht nur Wert auf das Lesen und/oder Rechnen legen würden.
    Gerade solche Eltern sind doch darauf bedacht, dass ihre Kinder einfach immer einen guten Eindruck machen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass gerade diese Eltern mit ihren Kindern basteln, da man da ja dann so schöne Ergebnisse präsentieren kann.


    Also lass dich nicht von dem ersten Eindruck schockieren. Dazu kommt ja auch noch, dass die Kinder -wie du selbser sagst- erst im September in die Schule kommen. Sie haben also noch Zeit, sich in allen Bereichen zu entwickeln. Und 4 Monate sind bezogen auf das Alter eine sehr lange Zeit.
    Liebe Grüße
    Try

    • Offizieller Beitrag

    ich sehe das mit sehr großer Skepsis.


    1. wird letztendlich ein Wettlauf der Mütter daraus, mit allem dazugehörenden Konkurrenzgehabe. :thumbdown:
    Wohlgemerkt: Aufgabe einer Mutter ist es NICHT, sich durch das eigene Kind zu verwirklichen.


    2. denke ich, dass man Kinder auch ganz anders mit Vorschulprogrammen fördern und für die Schule fit machen kann. Z.B. durch Sport, Musik, Malen, helfen im Alltag und dort Verantwortung in Form von festen Aufgaben zu übernehmen. Warum wird so was nicht mit den Kindern gemacht??


    3. hatte ich auch Kinder, die diese Vorschulhafte liebten. Dennoch blieben sie die absolute Ausnahme zu besonderen Gelegenheiten. Warum muss denn jedes aufkeimende Interesse eine Kindes in schulische Begabungsförderung münden? "Mein Kind interessiert sich für Mathe" finde ich bei Vorschulkindern (oder jüngeren) eine einseitige Interpretation. Wenn es sich für zahlen und regelmäßigkeiten interessiert, kann man daraus z.B. Sortieraufgaben im Kinderzimmer oder im Haushalt/Garten basteln. A propos: Basteln ist auch in jeder Hinsicht geeignet für mathematisches und räumliches Interesse. Aber nein, es muss ein Mathebuch angeschafft werden :nein:

  • Nun ja: Dass Schreiben, Lesen und Rechnen vor der Schule "nicht altersgemäß" wären, kann man so nicht sagen. Nicht ohne Grund fragen ja viele Kinder nach Kulturtechniken und interessieren sich dafür. In vielen Ländern setzt der sprachliche und mathematische Unterricht auch früher ein als in Deutschland.
    Und vor allem sieht ja auch die aktuelle Didaktik des Elementarbereichs einen Umgang mit Schrift und Schriftlichkeit, Zahlen und Operationen auf jeden Fall vor - das ganze natürlich auf spielerischer und kindgemäßer Ebene und nicht als "Drill" (und neben lebenspraktischen Fertigkeiten und Selbstständigkeit) - Stichwort: Literacy, siehe z.B. den Orientierungsplan in Baden-Württemberg. Diese grundlegenden Erfahrungen mit der Schriftlichkeit sollten im Kindergarten eben allen Kindern, auch denen aus benachteiligten Verhältnissen vermittelt werden, was auch eine größere Kontinuität im Übergang zur Schule bedeutete.



    aber wenn ich z.b. merke, dass mein kind spaß an mathe hat dann werde ich wohl auch das eine doer andere wittmann buch kaufen.. da gibts nämlich ganz tolle bücher die man VOR der schule bearbeiten kann (frühförderung)


    Frühförderung ist ein professionelles sonderpädagogisches Bildungsangebot für behinderte und von Behinderung bedrohter Kinder - das hat nichts mit der Bearbeitung eines "Mathebuchs" zu tun.

  • Vielleicht habt ihr Recht, erste Eindrücke können täuschen.
    Die Kinder habe ich einzeln kennengelernt und es wurden bei allen die gleichen Tests durchgeführt. Ein Bild beschreiben, malen, schneiden, Würfeln, etc. Ich hatte sehr viel Zeit für jedes Kind und dabei fiel es mir eben auf. Ich finde es nicht unnormal, dass Kinder vor der Schule lesen oder rechnen können. Aber wenn ein gerade 5-Jähriger neben mir sitzt und erzählt, dass seine Mama nach dem Kindergarten abends immer mit ihm lesen übt? Der Knabe wird erst Ende Dezember 6 und soll früher eingeschult werden. Und das ist nur eines der Beispiele. Ein Kind übt Diktate zuhause und kannte das Zahlenbuch, das im Klassenzimmer auslag. Die Mutter ist übrigens keine Grundschullehrerin.
    Es ist ein sehr gutes Einzugsgebiet. Ich habe (noch) keine Kinder und vielleicht ist das auch alles normal?

  • Frühförderung ist ein professionelles sonderpädagogisches Bildungsangebot für behinderte und von Behinderung bedrohter Kinder - das hat nichts mit der Bearbeitung eines "Mathebuchs" zu tun.


    naja, die bücher die ich meine sind auf alle fälle nicht für behinderte btw. für kinder die von behinderung bedroht sind speziell gemacht, sondern eher für einen spielerischen zugang zur mathematik VOR der schule.. ich link hier mal das buch das ich unter anderem meine.. ohne werbung dafür machen zu wollen.
    http://www.amazon.de/Das-kleine-Zahlenbuch-Spielen-Z%C3%A4hlen/dp/3780052377/ref=pd_sim_b_4?tag=lf-21 [Anzeige]
    und davon gibts ja noch viele in der art.
    jeder sieht das anders.. ich finde es absolut nicht verwerflich solche bücher, spiele usw. mit den kindern VOR der schule zu verwenden...


    und wer sagt, dass es ihm egal ist wie sich sein kind in der schule entwickelt.. naja... ich muss schon gestehen, dass ich für mein kind sicherlich einen guten abschluss anstrebe,, nicht weil ich mich durch mein kind verwirklichen will.., aber weil ich weiß wie die realität aussieht...
    wenn ich sehe, dass heutzutage schon erzieher, krankenschwestern usw. abitur brauchen bzw. sonst kaum reale chancen haben auf einen job da weiß ich wo die reise hingeht.


  • naja, die bücher die ich meine sind auf alle fälle nicht für behinderte btw. für kinder die von behinderung bedroht sind speziell gemacht, sondern eher für einen spielerischen zugang zur mathematik VOR der schule..


    Ja, eben. Deshalb ist es auch keine Frühförderung. Ging mir nur um diesen von dir verwendeten Terminus.

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