An die Sportkollegen: Seilspringen in einer Minute?

  • Zitat

    Ein stark übergewichtiger Schüler wird aller Wahrscheinlichkeit nach diesem Raster zufolge eine schlechte Note bekommen, wohingegen der fittere automatisch die 1 oder 2 bekommt.

    Ja, mein Gott, sorry, dann ist es halt so. Übergewichtige Schüler sind auch nicht aus Zucker, die können damit schon umgehen, meiner Erfahrung nach. Ich sehe da keinen großen Unterschied zu den anderen Fächern. Ein lesefauler Schüler wird im Lektüretest aller Wahrscheinlichkeit nach auch eine schlechte Note bekommen, wohingegen der lesebegeisterte automatisch eine 1 oder 2 bekommt. Wenn er sich aber anstrengt, kann er es auch auf ne drei schaffen. Genauso ist es im Sport auch.


    tiffy: Natürlich haben sie die Chance, das zu trainieren. Ich mache ja nicht die Überprüfung in der ersten Stunde. Sie bekommen bei mir sogar oft als HA auf, das zu Hause zu üben. Ein Seil kann man sich günstig kaufen (oder meinetwegen sogar von der Schule leihen) und zu Hause trainieren. Nach ein paar Wochen wird dann erst die Überprüfung gemacht. Ich hatte im Schwimmen schon den Fall, dass manche keine 300m am Stück geschafft haben. Die sind dann aber außerhalb der Schule trainieren gegangen, weil sie der Ehrgeiz gepackt hat, und haben so sogar ihre 1 bekommen. Das ist eine Art von Erfolgserlebnis für "unsportliche Schüler". Diese Schüler haben gemerkt, dass auch in ihnen motorische Leistungsfähigkeit steckt und dass man durch Training was erreichen kann, auf das man stolz sein kann. Hätte ich erst gar keine Note angesetzt, die die Zeit auf 300m misst, hätten die S auch keinen Anreiz gehabt, überhaupt erst trainieren zu gehen.


    Und nochmal: diese messenden Noten sind immer nur ein Teil der Gesamtnote. Bei der Unterrichtsreihe zum Seil, wird es hauptsächlich um die Gestaltung einer Gruppenkür gehen. Dafür sind übrigens auch ganz viele überhaupt nicht begabt, weil sie null kreativ sind oder weil sie null Teamwork zeigen können. Die werden aller Wahrscheinlichkeit eine schlechte Note bekommen... da haben wir es wieder.

    Zitat

    Ein sehr guter Mathelehrer wird bei einer "normal begabten Klasse" sicherlich vielen Kindern Mathe beibringen können und entsprechend vielen Kindern je nach Level auch Erfolgserlebnisse bereiten können.

    Das verstehe ich nicht. Was soll das heißen? Ist das im Sport nicht möglich?


    Möglichkeiten für Erfolgserlebnisse für unsportliche S gibt es sehr viele, z.B. wie oben genannt das wichtigste: Deutliche Verbesserung der Leistung durch Training und Anstrengung; aber auch z.B. durch: Teamerfolge / im Sozialgefüge geschätzt werden und andere schätzen / Hilfestellungen geben / kreativ-gestalterisch tätig werden / kognitive Beiträge / organisatorische Beiträge / positives Körpergefühl nach Belastung / das Gefühl, das Sport auch den Kopf "befreien" kann / die Verbesserung der Körperwahrnehmung / Muskelkater / Schwitzen / ein wichtiger Teil eines Teams/ einer Staffel sein / sportartspezifische Erfolgserlebnisse, wie z.B. ein wichtiger Korberfolg im Basketball oder ...


    Zitat

    Ich finde es wie erwähnt immer problematisch, mit Extrembeispielen zu argumentieren, um die Argumentation der Gegenseite zu kontern.

    Das waren keineswegs Extrembeispiele, das ist die bewegungsarme Realität in Deutschland. Viele sind nunmal faul und körperlich unfit. Und das kann man ihnen auch gerne vor Augen führen. Man muss ihnen natürlich Wege aufzeigen, wie sich verbessern können und man muss ihnen Angebote machen, die ihnen Spaß machen und sie zum Sporttreiben motivieren, aber: You can lead a horse to the water, but you can't make it drink.


    Zitat

    Ebenso verkehrt wäre es, jegliche Form der Leistungsmessung anhand festgelegter Kriterien außen vor zu lassen - das hat auch nie jemand gefordert.

    Das hat sich aber genauso angehört, oder wie soll ich folgende Aussage interpretieren:

    Zitat

    Was ich allerdings geringschätze, ist die absurde Messerei von Geschwindigkeit, Sprungkraft, Körperkraft etc. zur "Bewertung" von körperlicher Leistungsfähigkeit anhand von "offiziellen Tabellen". Das sind offensichtlich noch verkrustete Überbleibsel der Anfänge des Sportunterrichts im 19. Jh. als Fach zur Wehrselektion und Wehrertüchtigung; dafür zeige ich ganz bestimmt keinen Respekt.

    Noch was zur Sache: Ja, ich habe einen Klicker, sogar mehrere. Ich würde es so machen: der Springende zählt selbst, ich zähle mit einem Klicker und ein weiterer S zählt mit einem Klicker. So wird man hoffentlich eine verlässliche Zahl bekommen. Und: normalerweise mache ich das schon so, dass ich erstmal festlege, was für die 4 erreicht werden muss und beginne nicht bei der 1. Da ich hier halt aber wie gesagt, keine Erfahrung habe (deshalb ja der thread), wollte ich eben mal fragen, was denn als sehr gute Leistung eingeschätzt werden kann, um mal einen Anhaltspunkt zu haben. Und: ein Sprung pro Sekunde hört sich erstmal heftig an, ist aber glaube ich halb so wild. In 12er Schritten runtergehen ist aber natürlich eine Überlegung wert.

  • So wirklich kann ich die große Aufregung hier nicht verstehen. Auch bei einem guten Mathelehrer lernen´nicht alle Schüler auch gut Mathe. Die Nachhilfeinstitute sind voll mit ihnen, Schüler investieren in diesen Fächern teilweise viel Zeit, um ordentliche Noten zu bekommen. Wenn nun ein Schüler in Sport seine "Hausaufgaben" macht, also immer schön zu Hause Seil springt oder läuft, dann wird er auch seine Sportnote verbessern. Viele Schüler sind aber auch unsportlich oder nicht fit, tun zu Hause nichts und erwarten dann aber, dass sie in Sport noch eine 3 bekommen. Ich finde das ebenfalls nicht richtig. Eine solche Seilspringnote würde ich mal als genauso punktuell ansehen wie das Abfragen von Vokabeln und genauso wenig zählt die Note ja auch. Wenn die allgemeine Mitarbeit und das Engagment des Schülers sowie seine Entwicklung - wie in jedem anderen Fach auch - berücksichtigt werden, wir kaum ein Schüler, der sich Mühe gibt, sitzenbleiben. Eine 5 auf eine Seilspringübung wird ja aber wohl jeder verkraften. Schüler überleben solche Noten ja auch in anderen Fächern.

    • Offizieller Beitrag

    Ja, verkraften wird er es sicher.


    Die Frage ist aber, was bleibt ihm in Erinnerung? Bzw. was hat er gelernt?


    Bzw. was auch durchklingt: Was ist das Ziel und Sinn meines Unterrichts?


    Noten geben?



    Grüße von einem Deutschlehrer, der 6er gibt, weil auch Muttersprachler nicht immer Deutsch können...der aber unzufrieden bleibt.

  • Wenn nun ein Schüler in Sport seine "Hausaufgaben" macht, also immer schön zu Hause Seil springt oder läuft, dann wird er auch seine Sportnote verbessern. Viele Schüler sind aber auch unsportlich oder nicht fit, tun zu Hause nichts und erwarten dann aber, dass sie in Sport noch eine 3 bekommen. Ich finde das ebenfalls nicht richtig.

    Sehe ich genauso.



    Was mich fragt ist ausserdem, ob eine bessere Note für beobachtete Anstrengung, die aber keine Verbesserung am Ergebnis bringt, überhaupt so sinnvoll ist.
    Eigentlich sollte doch über Engagement, Training und Anstrengung die Leistung besser werden, was dann in einer besseren Note resultiert. Dieser Zusammenhang wird doch entkoppelt, wenn man jetzt schon die Anstrengung besser benotet, egal ob es etwas bringt oder nicht.


    Wenn der Schüler zuhause joggen geht um besser zu werden (so wie der schwache Schüler in Mathe sich hinhockt und lernt) und dadurch besser wird, bekommt er ja seine bessere Note und sein Erfolgserlebnis.
    Ich finde es einfach merkwürdig und unintuitiv. Ich meine wo im Leben funktioniert das so?
    Dem Patienten, dessen Arzt versucht hat ihn zu retten und dabei seine Aorta angesägt hat, bringt es auch nichts wenn er tot ist, aber der Arzt sich redlich bemüht hat. Oder der Kunde wird auch nicht zahlen, wenn ich mich bemüht habe, seinen Auftrag aber in den Sand gesetzt habe.
    Im Endeffekt zählt das Ergebnis und Engagement und Einsatz sollte nicht als Selbstzweck belohnt werden, sondern dazu führen, dass die Leistung steigt und diese dann wieder belohnt wird.


    Sonst müsste ich fairerweise in Physik auch anfangen Punkte dafür zu geben, wenn jemand sich eine halbe Stunde an die Aufgabe hinsetzt und trotzdem ein leeres Blatt abgibt, er aber eben enorm darüber nachgegrübelt hat.

    • Offizieller Beitrag


    Sonst müsste ich fairerweise in Physik auch anfangen Punkte dafür zu geben, wenn jemand sich eine halbe Stunde an die Aufgabe hinsetzt und trotzdem ein leeres Blatt abgibt, er aber eben enorm darüber nachgegrübelt hat.


    Magst Du Dir nicht endlich einmal diese sehr polemisch anmutenden Extrembeispiele sparen? Die führen zu nichts.


    Gruß
    Bolzbold

  • Ich finde es einfach merkwürdig und unintuitiv. Ich meine wo im Leben funktioniert das so?
    Dem Patienten, dessen Arzt versucht hat ihn zu retten und dabei seine Aorta angesägt hat, bringt es auch nichts wenn er tot ist, aber der Arzt sich redlich bemüht hat. Oder der Kunde wird auch nicht zahlen, wenn ich mich bemüht habe, seinen Auftrag aber in den Sand gesetzt habe.
    Im Endeffekt zählt das Ergebnis und Engagement und Einsatz sollte nicht als Selbstzweck belohnt werden, sondern dazu führen, dass die Leistung steigt und diese dann wieder belohnt wird.


    Ja, aber ist das SOZIAL GERECHT?


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Engagment drückt sich für mich darin aus, ob Schüler mitarbeiten, bereit sind Ergebnisse vorzutragen usw. Mit Engagemnt ist natürlich nicht gemeint, dass jemand zu Hause lernt und trotzdem eine schlechte Note screibt, von mir dann aber belohnt wird. Und ist es schon ein Unterschied, ob eine Schüler einfach nur nichts tut oder jemand aktiv am Unterricht teilnimmt. In Sport ist das ähnlch. Auch da gibt es doch längst Reflexionsphasen, Theoriephasen...Und auch da sehe ich einen Unterschied zwischen einem unsportlichen Schüler, der aber aktiv an Spielen teilnimmt und sich für die Gruppe einsetzt, und solchen, die sich in ihrer Unsportlichkeit weiden. Ich war immer sehr schlecht in Sport und daran auch selbst schuld, meine schlechte Note fand ich auch als Schülerin vollkommen in Ordnung. Heute spiele ich begeistert Tennis und kann mein früheres Verhalten nicht mehr nachvollziehen. Als Schülerin war ich aber auch politisch völlig desinteressiert, kann ich heute auch nicht mehr verstehen! Aber schlechte Noten führen doch nciht automatisch zu lebenslangem Desinteresse.


    @ Hawkeye: Ziel meines Unterrichts ist nicht das Notengeben, das trifft sicherlich auf die meisten zu, aber es ist doch logisch, dass man in einem Thread zum Thema "Noten" eben auch über Noten schreibt.

  • Sonst müsste ich fairerweise in Physik auch anfangen Punkte dafür zu geben, wenn jemand sich eine halbe Stunde an die Aufgabe hinsetzt und trotzdem ein leeres Blatt abgibt, er aber eben enorm darüber nachgegrübelt hat.


    Wieso, du gibst doch hoffentlich für teilweise Lösungen oder Lösungsansätze auch Teilpunkte.


    Und ja, wenn man also die individuelle Bezugsnorm nimmt, die ja oft gefördert wird, kann das dann genauso viel Punkte geben, wie die komplette Lösung bei einem guten Schüler!


    Aber bisher sind wir in der Schule leider davon noch weit entfernt!

  • Ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig verstehe. Wenn Du es so gemeint hast, wie ich es verstehe, dann muss ich sagen, zum Glück sind wir davon noch weit entfernt! Soll demnach irgendwann die wissenschaftliche, unabhängig und rational begründbare, unbestreitbar korrekte Lösung genauso viel zählen wie die individuelle Verbesserung, die ein S vollzogen hat, auf dem Weg dorthin, auch wenn er noch weit von der Lösung entfernt ist? Ich finde schon, wenn jemand die absolute Leistung voll erbringt, sollte das noch etwas besser bewertet werden, als die individuelle Bezugsnorm. Etwas überspitzt formuliert (und nicht ganz ernst gemeint, sondern eher lustig): Irgendwann tanzen wir alle nur noch unsere Namen und Wissen und Können sind nicht mehr so wichtig?

  • Zurück zur eigentlichen Frage - da ich seit mehreren Jahren hobbymäßig boxe und gut Seil springe, möchte ich noch folgenden Hinweis ergänzen: Die Anzahl der Sprünge ist sehr stark von der Qualität der Seile abhängig.


    Falls es sich um die leichten Hanfseile handelt, die ich aus meiner Schulzeit kenne, ist es auch für den fittesten schwer möglich, 100 Sprünge pro Minute zu machen. Handelt es sich aber um die seit einigen Jahren erhältlichen Fitness-Seile aus Kunststoff, sind auch 150 Durchschläge pro Minute relativ leicht.


    Solltest du unbedingt vorher an dir selbst testen.

  • Danke für den Hinweis FraV. Wir haben in der Schule beides. Gymnastikseile (für die Kür) und Kunststoffseile für die Fitness und den Speed. Ich hab selbst schon gemerkt, dass die Kunststoffseile viel schneller sind. Nach ein bisschen Übung bin ich an die 150, 160 schon rangekommen. Mit ein wenig Fitness und etwas Rhythmusgefühl (und eben nach etwas Übungszeit) sollten schon einige der S an die 100 rankommen, denke ich.

  • die Überlegung mit den 100 Sprüngen pro Minute und in 10er Schritten abwärts ist isoliert betrachtet zwar an andere Fächer und Punktetabellen angelehnt, berücksichtigt aber nicht die physische Konstitution der Schüler.


    Ein stark übergewichtiger Schüler wird aller Wahrscheinlichkeit nach diesem Raster zufolge eine schlechte Note bekommen, wohingegen der fittere automatisch die 1 oder 2 bekommt. Die Anstrengungsbereitschaft und die Möglichkeiten auf der Basis der individuellen physischen Voraussetzungen werden hier nicht berücksichtigt. Das entspricht in meinen Augen einem antiquierten und in Teilen diskriminierenden Bild von Leistung und Notengebung im Sportunterricht.


    Die Leistungsbewertung sollte so angelegt sein, dass auch physisch weniger fitte Schüler, wenn sie alles geben, zumindest auf eine drei kommen können. Alles andere halte ich für darwinistisch und demotivierend.

    Eine kleine Anekdote dazu aus einem Proseminar zu meiner Studienzeit (den Namen des Profs verschweige ich besser mal bewusst, da er Federführend am Lehrplan Sport mitgearbeitet hat): Genau dieses Thema hatten wir im Seminar. Der Prof fand die Idee gut auchwenn man sich über die Umsetzung und Notenvergabe Gedanken machen muss. Die Diskussion zur Bemerkung, dass man Sportstudenten schon eher für das Thema sensibilieren könnte wenn man so auch die sportlichen Leistungen der Sportstudenten bewerten würde, wurde jedoch gleich abgewürgt und auf die nächste Woche vertagt. Als das Thema dann in der folgenden Woche angesporchen wurde, wurde man darauf hingewiesen, dass an jetzt ja schon ein anderes Thema behandelt und man sich gerne am Semsterende darüber unterhalten könnte. Daraus wurde natürlich auch wieder nichts.

  • Stellt sich diese Frage nicht in JEDEM Fach?
    Und diese Frage kann wohl aus Schülersicht mit "JA!" beantwortet werden, das braucht man sich nicht schönzureden!

    "Die beste Methode das Gute im Menschen zu wecken ist, ihn so zu behandeln, als wäre er schon gut." (Gustav Radbruch) :troest:

    • Offizieller Beitrag

    Es gibt Tage, da könnte ich mir als Konfessionslose sogar vorstellen zu beten. Heute ist einer davon.


    "Schöpfer/Schöpferin, ich danke dir, dass ich keine Schülerin mehr bin und nicht mehr am Sportunterricht teilnehmen muss."


    Conni, die immer die 100m in 23 Sekunden gelaufen ist, weil die Bestzeit von 19 auch noch mehrere Sekunden von der 5- entfernt war.
    PS: Ich war normal- bis idealgewichtig.
    PPS: Im Handgranatenwerfen war ich freilich ein wenig besser als beim Laufen.

  • Gibt's eigentlich auch Standardbewertungen im Sportunterricht für Handgranatenweitwurf, Kriechen unter Stacheldraht und Gepäckmarsch?


    Die Bestrafung für schwache Leitungen in den Diszplinen Handgranatenweitwurf oder Kriechen unter Stacheldraht, erfolgt postwendend...:nixmitkrieg:

    "Die beste Methode das Gute im Menschen zu wecken ist, ihn so zu behandeln, als wäre er schon gut." (Gustav Radbruch) :troest:

    Einmal editiert, zuletzt von mara77 ()

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