Inklusion : Ich kann es nicht !

  • Zitat von »kleiner gruener frosch«
    Also: hier im Forum und auch im RealLife sagen die wenigsten Lehrer (auch elternschreck, etc. nicht), dass man die heutigen Förderschüler NICHT an die Regelschule lassen soll, solange dies vernünftig unterstützt wird.



    Also Siliciums Beiträge lesen sich da anders, wenn er von "einer Schule für leistungsstarke und leistungswillige" Kinder spricht. Aber vielleicht verstehe ich das nur wieder nicht richtig ... ?


    Nee - du liest das durch deine Brille - jede Schulform ist halt auf ihr Klientel ausgerichtet - und wenn da nun Schüler ingegriert/inkludiert oder sonstwas werden sollen, dann geht das halt nicht ohne Plan und zusätzlichen Aufwand. Bei guter Organisation und Unterstützung ist mir absolut jeder willkommen - aber einfach mal so dazusetzen wird doch keinem gerecht.


    Noch zum Thema Förderschulen - in unseren Abgangsklassen sind dieses Jahr einige Förderschüler (L). Fünf davon waren in der Förderschule - und wurden die letzten Jahre in die Regelschule eingegliedert - mit OK des Lehrers. Davon haben alle den Hauptschulabschluss, vier den Quali und vier eine Lehrstelle. Bei mehr als einer weiteren Handvoll haben die Eltern die Umschulung auf die Förderschule in der GS verweigert, davon hat nun keiner den Quali, keiner eine Lehrstelle und zwei nicht mal den Hauptschulabschluss. Gut - ist jetzt nicht repräsentativ aber ich wage dennoch die These, dass Förderschule auch fördern kann.

  • Die guten Kinder werden wahrscheinlich trotzdem relativ gut bleiben.



    Relativ ist nicht gut genug. Auch gute Schüler benötigen Aufmerksamkeit und wollen Erfolgserlebnisse haben. Wie schon einmal geschrieben (anderer, älterer Thread), an unserem Gymnasium hatten wir vor Jahren eine blinde Schülerin. Sie ist nach der 9. Klasse auf eine Spezialschule für Blinde bzw. Sehbehinderte gewechselt. Auf eigenen Wunsch und nach viel Überzeugungsarbeit ihrerseits bei ihren Eltern. Fazit: Schülerin und Eltern waren hin und weg von der Schule dort! Alles bestens. Zudem: Die Regelschulmitschüler aus dieser Klasse waren am Ende genervt, weil vieles auf das blinde Mädel ausgerichtet werden musste etc. "Immer dreht sich alles nur um X." hieß es von Klassenkameradenseite. Und das war eine echt nette Klasse. Ich bleibe bei meiner Meinung, so wie Inklusion derzeit umgesetzt wird und werden soll fährt alles an die Wand.


    Schon einmal Berufsalternativen überdenkend
    Raket-O-Katz

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Ich bleibe bei meiner Meinung, so wie Inklusion derzeit umgesetzt wird und werden soll fährt alles an die Wand.


    Da denken wir gleich. Hatte das mit den "guten Schülern" auch nur geschrieben, um zu betonen, dass die Guten nicht die Hauptleidtragenden der Idee sind.


    kl. gr. frosch


  • Nun will ich mich auch einmal zu Wort melden. Das hervorgehobene Zitat von Raket-O-Katz ist mein Sorgenkind seit jeher.
    Ich habe im Grunde schon eine Inklusionsklasse - ganz inoffiziell! 1. Schuljahr: 25 Kinder, davon 5 Jungen, die extrem verhaltensauffällig sind - und zwar sowohl im Sozial- als auch im Arbeitsverhalten. Mindestens 70 % der täglichen Unterrichtszeit dreht sich nur um diese: Es gilt Streits zu klären, zu schlichten, Beschwerden über diese aufzunehmen, diesen nachzugehen, Kinder zu befragen, Unterrichtsstörungen direkt zu unterbinden, was dann aber wieder sehr zeitintensiv ist, Vorlesezeiten nach der Hofpause gehen regelmäßig drauf (zu Lasten aller Kinder), um wieder einmal Pausenkonflikte zu klären, ich muss (!) zu meiner eigenen Sicherheit alles dokumentieren (bin nur am Schreiben), bin in ständigem Austausch mit Jugendamt und Sozialarbeitern, schreibe tägliche Elternnotizen in die Notizhefte, versuche, diese Jungen während der Arbeitsphasen ans Arbeiten zu kriegen, unterbinde dabei ständige Störversuche, wende mich ihnen zu, bekomme sie wieder an die Arbeit, bis...
    Ja, uff, man kann sich vorstellen, wie dieses an die Substanz geht! Ich habe wöchentliche Elterngespräche, meist in Verbindung mit Schulleitung, weil eben gerade die Eltern dieser Jungen auch noch unverschämt und anklagend mir gegenüber auftreten!


    Im Grunde genommen könnte (müsste!?) ich für jeden dieser 5 ein AO-SF einleiten, Förderbedarf für soziale und emotionale Entwicklung! Wenn ich dies täte, dann würde mir ganz schnell das Schulamt aufs Dach steigen: Wie kann es nur möglich sein, gleich 5 Fälle Förderschule E zu melden?? - So die Rückmeldung meiner SL.
    Den Schulpsychologen habe ich mir eingeladen, ihn eine Stunde vor seiner Hospitation "gebrieft". Seine Rückmeldung: Es "laufe doch alles". Er würde die von mir beschriebenen Probleme durchaus sehen und bestätigen können, sehe aber auch, dass der Unterricht läuft (mit mir als "Leithammel"). Dies sei "mein Verdienst", ich könne "stolz auf meine Leistung sein".


    Klasse. Was kann ich mir dafür kaufen? Nichts! Die 5 Auffälligen "laufen mit", insoweit, dass sie leidlich ihre Grundlagen bearbeiten und währenddessen die anderen weitestgehend in Ruhe lassen. Allerdings nur, wenn ich als "Dompteur" (so komme ich mir vor) ständig in Bereitschaft stehe (nicht falsch verstehen: Ich bin eine sehr ruhige, aber eben konsequente L-Persönlichkeit). Sobald ich als Leithammel nicht zur Verfügung stehe (Fachunterricht/Vertretung), laufen die Beschwerden bei mir ein... über wen wohl?
    Und dass mir das so leidlich "gut" gelingt, ist tatsächlich das Resultat eines Jahres anstrengendster Arbeit!


    Noch einmal: Ich habe 25 Kinder. Davon 5, die mich überproportional beanspruchen - sowohl während, als auch nach der Unterrichtszeit!
    Dabei habe ich 3 "Überflieger" in der Klasse. Sie konnten schon vor Schuleintritt fließend lesen und rechnen im Hunderterraum! Ich habe eine Menge an durchschnittlich begabten Schülern! Wer von diesen bedarf nun vordringlich meiner unmittelbaren Aufmerksamkeit?


    Ihr versteht schon... Es schmerzt mich regelrecht, wenn ich darüber nachdenke, dass ich während des gesamten Schuljahres kaum Zeit hatte, mich persönlich meiner "Leistungsspitze" zu widmen! Selbstverständlich habe ich diesen "Futter" zur Verfügung gestellt. Und mich immer wieder darauf verlassen (müssen!), dass diese selbstverantwortlich zurecht kommen.


    Wer meine Energien frisst, ist klar...


    Hier vermischt sich der Bildungs- mit dem Erziehungsauftrag: Beide nehmen mich so sehr in Anspruch, dass die restlichen 20 (!) Kinder einfach so mitlaufen müssen! Ganz besonders meine Leistungsspitze. Der Tipp des Schulpsychologen übrigens: "Lassen Sie die 5 einfach mal machen und nehmen Sie in Kauf, dass diese halt mal weniger lernen. So haben Sie Zeit, sich um die anderen zu kümmern."
    Dass diese "mal weniger lernen" nehme ich gerne in Kauf. Allerdings nicht, dass diese dann (wenn ich mich anderen Kindern zuwende) wieder den Frieden entern...


    Wenn ich meine Klasse beschreiben sollte, dann wäre das schon für mich eine Inklusionsklasse. Noch mehr ist nicht zu verkraften - weder für mich, noch für die Klassengemeinschaft.


    Noch mehr? Ohne mich!

  • Hallo Lea,


    danke für diesen Praxisbericht.
    Ich kann mir gut vorstellen, wie der tägliche Umgang, ja wirklich Kampf, mit diesen 5 anstrengenden Jungs an Deine Kraft und irgendwann, wenn nicht schon geschehen, vielleicht sogar an Deine Gesundheit geht.
    Dass Du keine Zeit mehr hast die Leistungsspitze zu fördern ist sehr schade, denn diese Schüler sind es, von denen tragende Rollen in der Gesellschaft zu erwarten sind. Vielleicht sind es diejenigen, die später das Geld an Steuern zahlen, von dem einem der 5 Jungs die Sozialhilfe gezahlt wird. Ist natürlich Spekulation, aber Du verstehst, was ich sagen möchte. Die Leistungsspitze ist sehr wichtig und verdient auch, dass man das volle Potential aus ihnen ausschöpft um ihre Höchstleistungen entfalten zu können.


    Dies soll kein Vorwurf an Dich sein, Du bist mit den 5 Jungs voll beschäftigt und scheinst, auch nach Einschätzung der Supervision, dies im Griff zu haben (auch wenn es Dich total Kraft kostet).
    Es ist aber einfach kein Zustand, weder für Dich noch für die anderen Kinder! Meiner Meinung darf es nicht sein, dass 5 Schüler, in extremen Fällen, von denen ich z.B. weiter oben im Text aus dem Praxissemester berichtet habe, reicht ein Schüler, die ganze Aufmerksamkeit binden.


    Dass die Eltern dieser extremen Kinder oftmals eine Art Realitätsverzerrung haben ist anscheinend symptomatisch. In dem Fall meines Praxissemesters hätten die Eltern wohl gegenüber der Lehrerin und dem Schulleiter mehrfach behauptet, ihr Kind sei zuhause total brav und alles sei in Ordnung dort. (Gaben aber gleichzeitig zu, dass er sich in psychologischer Behandlung befand ?( )
    Typisch für die Eltern war, so die Lehrerin, dass sie dem Kind anscheinend keine Grenzen setzten. Ob das nun die alleinige Ursache ist, ist natürlich unwahrscheinlich.


    Zitat

    "Lassen Sie die 5 einfach mal machen und nehmen Sie in Kauf, dass diese
    halt mal weniger lernen. So haben Sie Zeit, sich um die anderen zu
    kümmern."


    Dass diese "mal weniger lernen" nehme ich gerne in Kauf. Allerdings
    nicht, dass diese dann (wenn ich mich anderen Kindern zuwende) wieder
    den Frieden entern...


    Ich denke auch, dass man durchaus bei den Schülern in Kauf nehmen kann, dass sie halt mal weniger lernen. Das wichtigste ist bei denen, dass sie den Frieden nicht weiter stören. Wie macht man das? Ich selber sehe am Gymnasium totale rechtliche Probleme. Es gibt keinen Raum, wo ich den Schüler, sobald er wieder ausfällig wird, hinschicken kann um erstmal Ruhe im Unterricht zu haben. Ich kann auch nicht mal eben die Eltern vorbeikommen lassen zum Abholen, wurde mir gesagt. Man ist diesen Schülern ziemlich ausgesetzt ohne eine schnell für Ruhe sorgende Handhabe zu haben. Jedes Mal ist mal gezwungen langwierig darauf einzureden, in der Hoffnung, dass irgendwann Ruhe ist, weil keine Sofortmaßnahme zulässig ist.


    Ich habe es bei dem Kind, das auf dem Tisch stand (!) und lauthals im Unterricht sang (!) gesehen. Kein Wort, das die Lehrerin, ob beruhigend oder fordernd, sagte hat ihn da herunter gebracht oder verstummen lassen. Das ging bestimmt 5 volle Minuten so, bis das Kind selber entschied, es sei genug. Die anderen Kinder fanden das zum Teil schlimm und redeten ihm auch zu, andere fanden es sogar lustig und nutzen den Tumult um ihrerseits das Schwätzen zu beginnen.
    Wenn ein Kind, und solche gibt es, partout nicht hört, dann hat der Lehrer komplett keine Handhabe.
    Solche Kinder sind imho einfach unbeschulbar in einer Regelschule.
    Selbst die Kandidaten, die sich zureden lassen, aber sagen wir erst nach längerer Zeit oder ständig wieder neu ausrasten sind für den Unterricht nicht verantwortbar.


    Solche Kinder sollten in spezielle Einrichtungen, in denen sie psychologisch betreut werden. Dann setzt der Unterricht für diese eben einfach ein Jahr lang aus und in diesem Jahr lernen sie täglich sich richtig zu verhalten und bekommen Psychotherapie. Das verlorerene Jahr an Unterrichtsstoff ist dann halt so, dann müssen sie halt die Klasse wiederholen. Aber erst einmal muss das Verhalten therapiert werden, dann erst geht es an der Regelschule weiter.
    Stecke 30 von diesen extrem verhaltensauffälligen Schülern zusammen in ein Bootcamp, dazu einen Psychologen und einen rigoros strengen Bundeswehrausbilder. Dort sollten die zum Teil extrem verwöhnten Tyrannen eben nicht mehr ihre Playstation und alles haben, was sie nur wollen. (So wurde das auf dem Tisch singende Kind verwöhnt, bzw. es hat seine Eltern unter Druck gesetzt bis sie ihm alles kauften)
    Und dann müssen die mal ordentlich umgekrempelt und auf Linie gebracht werden.
    Problem werden die Kosten für solche Therapiemaßnahmen sein.



    Ich möchte dazu aber mal sagen, dass die Kosten, die solche Extremfälle in Regelschulen verursachen einfach nur nicht so auffallen! Nicht jeder Lehrer kommt so klar, wie Lea. Viele Lehrer werden krank durch den Streß, manche werden vielleicht sogar auf lange Sicht frühpensioniert. Man einem Lehrer ist seine psychische Stabilität vielleicht auch einfach näher als sein Pflichgefühl und nimmt einfach des öfteren eine Tinnitus oder Migräne Auszeit bei Doc Holiday.
    Immense Kosten! Die Mitschüler bekommen keine Aufmerksamkeit, kommen durch ihre Grundintelligenz vielleicht trotzdem mit dem (kaum ordentlich ablaufenden Unterricht) mit, aber entfalten nicht ihr volles Potential. Das sind auf lange Sicht dann auch Kosten, denn würden sie es enfalten können, würden sie als qualfiziertere Arbeitnehmer in das Berufsleben starten.
    Es ist wie ein Schneeballeffekt.


    Wenn ich meine Klasse beschreiben sollte, dann wäre das schon für mich eine Inklusionsklasse. Noch mehr ist nicht zu verkraften - weder für mich, noch für die Klassengemeinschaft.




    Noch mehr? Ohne mich!

    So wie Du es beschreibst, hast Du echt schon 5 Inklusionskinder.
    In Deutschland liegt ganz schön was im Argen, wenn man wirklich möchte, dass die Regelschulklassen systematisch so aufgemischt werden sollen, dass, wie Du schreibst, halbwegs normaler Unterricht und Aufmerksamkeit auch für normale und leistungsstarke Kinder nicht möglich ist.

  • Hat irgendjemand von euch Erfahrung mit Inklusion? Ich meine, ganz praktisch?

    Ich hatte vor einigen Jahren die Gelegenheit in einer Hauptschulklasse 6 einen quasi-Inklusionsschüler betreuen zu "dürfen". Die Eltern hatten das Kind von der Förderschule kommend in die Regelschule "hineingeklagt". Der Junge hatte einige spezielle Fähigkeiten. Er war handwerklich sehr geschickt und konnte dem Unterricht intellektuell auch einigermaßen folgen, aber seine Schreib-, Lese- und Rechenfähigkeiten entsprachen denen eines Erstklässlers. Ausserdem war er nicht verhaltensauffällig. Obwohl das sicher relativ "leichte" Bedingungen waren hat es mir eigentlich schon gereicht! Allein schon die Vorbereitung des Unterrichts: Jedes Arbeitsblatt musste ich in zweifacher Ausfertigung gestalten für die "Normalos" und separat für den "Inklusionsschüler". Da es kaum möglich war "fertige" AB's auf seine Bedürfnisse umzuarbeiten war hier also auch für das "normale" AB Handarbeit angesagt. Mit den Schulbüchern habe ich in dieser Zeit so gut wie gar nicht gearbeitet, denn deren Niveau war viel zu hoch für ihn. Bei bestimmten Themen konnte ich ihn gar nicht mitnehmen: Einen Fachtext lesen und zusammenfassen? Bei den normalen Schülern schon schwer, bei ihm ein absolutes no-Go. Und was soll ich mit ihm bei einer Klassenarbeit machen? Eine mündliche Note ginge ja zur Not noch, aber schriftlich ...



    Im Lauf der Zeit gab es einige wenige Verbesserungen (er bekommt keine Noten sondern eine ausführliche Bewertung in Textform; ausserdem sitzt fast ständig eine Betreuungsperson neben ihm, die ihm beim Lesen und schreiben hilft), aber das ist mMn pure Augenwischerei. Kein Lehrer in der Schule kann wirklich etwas mit ihm anfangen (ausser in Technik/Werken vielleicht). Keiner hat eine entsprechende Qualifikation. In meinem Fach (Biologie) ging es ja noch so gerade, in anderen Fächern (Deutsch, Englisch, Mathe) haben die Lehrer gar nicht erst angefangen ihn mitzunehmen, weil es einfach mit vertretbarem Aufwand nicht zu realisieren war. Und solange die öffentlichen Schulen zu altertümlichen Formen (Frontalunterricht, Klassenverbände, feste Stundeneinteilungen) verdonnert sind kann auch nichts wirklich passieren. Schon jetzt fallen viele der normalen Schüler aus diesem festen Raster heraus und jetzt soll man auch noch "Aliens" inkludieren.


    Die Frage ist: tut man dem Kind damit einen Gefallen? Anfangs war er sehr motiviert und wurde in der Klasse auch gut aufgenommen. Aber bald merkte er selbst das er nicht mehr mitkam, zog sich von den Klassenkameraden weg und in sich zurück. Entsprechend abweisend reagierten die Mitschüler. Heute ist er weitgehend isoliert, sitzt teilnahmslos in der Klasse rum - aber die Eltern freuen sich: Er geht auf die Hauptschule - jahaha - was für ein Erfolg ... :mahlzeit:


    Inklusion mag funktionieren, aber nicht solange Schulbehörden und die Politik die Schulen zwingen, an althergebrachten Formen festzuhalten. In offenen Schulformen mit Kurssystemen, Individualförderung, Selbstlernzeiten, etc. sowie entspr. Fachpersonal ist Inklusion sicher für alle Schüler eine Bereicherung. Aber davon muss ich wohl noch lange träumen ...

  • Noch ein Praxisbericht:
    Klassenzusammensetzung (27 Kinder zu Beginn des 1. Schuljahres) Regelklasse
    2 Kinder ADHS Ritalin
    2 Kinder psychiatrische Kinderklinik
    3 Kinder im GU (Sehen, LB, sozial-emotional (psychologische Untersuchung empfohlen wg. Verdacht auf Asperer))
    1 Pflegekind ( schwere Misshandlung im Säuglingsalter)
    1 Kind bei Schuleintritt Tod der Mutter, Trauma
    1 hochintelligentes Kind
    6 Kinder frühzeitig eingeschult (Durchschnittsalter der Klasse 5,8 Jahre)
    2 Kinder mit starken Wahrnehmungsproblemen (beim Schulspiel ersichtlich)
    1 Kind (bzw. Eltern) mit Problemen in der Organisation und Strukturierung des Alltags


    Nach drei Monaten wurden 3 Kinder abgemeldet, weil die Eltern mit meiner Einschätzung des Förderbedarfs nicht einverstanden sind. Mir wurde daraufhin von dem Schulleiter der Vorwurf gemacht, ich würde den Ruf der Schule ruinieren.


    Danach war ich krank, ausgebrannt und habe lange gebraucht, um die Schuld nicht mehr ausschließlich bei mir zu sehen. Das geht nur mit professioneller Hilfe. Jetzt bin ich soweit, dass ich sage, ich kann es nicht ändern, es geht definitiv nur auf Kostern der Leistungsstarken und der sozial weit Entwickelten. Solange kein vernünftig durchdachtes Konzept vorliegt, dass die personnellen, sächlichen und räumlichen Vorrausetzungen berücksichtigt, bin ich zum absoluten Gegner der Inklusion geworden.

  • Danach war ich krank, ausgebrannt ...

    <bittere_ironie> Ich hätte ... [Blockierte Grafik: http://www.greensmilies.com/smile/smiley_emoticons_selbstmord.gif] </bittere_ironie>


    Kein Job der Welt ist es Wert, das man dafür seine Gesundheit ruiniert!


    P.S.: Ich weiß wovon ich rede, ich habe das schon einmal durch! Deshalb meine Entscheidung für den Lehrerberuf: der ist schön entspannend verglichen mit meinem alten Job in der Industrie (keine Ironie!!!)


    Die Inklusion wird genauso ein Rohrkrepierer werden wie die Mengenlehre, das G8, Bachelor & Master - leider müssen es nie die ausbaden, die es verbockt haben.

  • Ich weiß nicht, ob in dem langen Thread der Link schon gepostet wurde:


    Schulunterricht: Das große Experiment
    http://www.zeit.de/2012/28/C-Inklusion-Bremen/seite-1


    Einige Zitate daraus:


    "Dopp arbeitet nachmittags, abends und am Wochenende, er ruft Eltern an, macht Hausbesuche, liest Fachbücher zum inklusiven Unterricht."


    "Das Team um Frank Dopp wirkt erschöpft, ernüchtert, aber auch stolz, nicht aufgegeben zu haben."


    "Der ständige Zweifel an der eigenen Kompetenz lähmt und quält, genau wie die Frage, die sich alle Lehrer der 5.3 immer wieder stellen: Lernen die Kinder unter den neuen Bedingungen überhaupt etwas?"


    "Frank Dopp musste den Eltern seiner Klasse vor Kurzem beichten, dass er von acht Lektionen im Englischbuch in diesem Schuljahr nur zwei schaffen würde."

    • Offizieller Beitrag

  • "Dopp (...) ruft Eltern an, macht Hausbesuche, liest Fachbücher zum inklusiven Unterricht."


    Blöde Frage, ich studiere ja auch noch, aber gehören die Zusammenarbeit mit Eltern sowie die Lektüre von Fachliteratur nicht immer zum Berufsbild des Lehrers?




    "Frank Dopp musste den Eltern seiner Klasse vor Kurzem beichten, dass er von acht Lektionen im Englischbuch in diesem Schuljahr nur zwei schaffen würde."


    Hierzu hatte ich ja schon geschrieben, dass ich einen gleichschritten, schulbuchorientierten Unterricht nach "Lektionen" generell nicht mehr als zeitgemäß erachte und ich überrascht bin, dass das im Regelschulbereich immer noch Usus zu sein scheint. Individualisierung ist nicht spezifisch sonderpädagogisch, sondern Grundlage eines jeden guten Unterrichts.

  • Individualisierung ist nicht spezifisch sonderpädagogisch, sondern Grundlage eines jeden guten Unterrichts.


    Deshalb ja auch der Einwand, dass die Merkmale die selben sind und sich eigentlich nciht unterscheiden.


    Blöde Frage, ich studiere ja auch noch, aber gehören die Zusammenarbeit mit Eltern sowie die Lektüre von Fachliteratur nicht immer zum Berufsbild des Lehrers


    Sollte man meinen.

  • Zitat

    Blöde Frage, ich studiere ja auch noch, aber gehören die Zusammenarbeit mit Eltern sowie die Lektüre von Fachliteratur nicht immer zum Berufsbild des Lehrers?


    Kommt auf das Ausmaß an - Hausbesuche weniger, das übernimmt die Jugendsozialarbeit bei uns. Generell läuft es schon noch so, dass die Eltern einen Termin ausmachen und dann in die Sprechstunde kommen bzw. den Elternabend nutzen. Mich persönlich darf man auch abends gerne anrufen, aber in die Wohnzimmer setze ich mich eher nicht.



    Zitat

    Hierzu hatte ich ja schon geschrieben, dass ich einen gleichschritten, schulbuchorientierten Unterricht nach "Lektionen" generell nicht mehr als zeitgemäß erachte und ich überrascht bin, dass das im Regelschulbereich immer noch Usus zu sein scheint. Individualisierung ist nicht spezifisch sonderpädagogisch, sondern Grundlage eines jeden guten Unterrichts.



    Aber Individualisierung und Differenzierung sind kein Selbstzweck sondern dienen schon dazu, bestimmte Lernziele, die im Lehrplan stehen, zu erreichen. Irgendwann kommt ja auch eine zentrale Abschlussprüfung - da nützt das nichts, wenn alle ganz individuell zwei Jahre zurück sind.

  • Irgendwann kommt ja auch eine zentrale Abschlussprüfung - da nützt das nichts, wenn alle ganz individuell zwei Jahre zurück sind.


    Ja, die kommt leider noch, aber es nützt viel, wenn jeder dazu individuell seinen Weg hin gefunden hat. Denn jeder hat seinen eigenen Weg und der muss nicht immer mit dem der Schulbücher übereinstimmen!

  • Wenn jeder individuell auf ein Level kommt, mit dem er einen Abschluss erreicht, dann bin ich sehr glücklich. Wenn aber - wie in dem Artikel beschrieben - alle gemeinsam in Englisch festhängen, dann bin ich nicht zufrieden. Und wenn das dann noch x andere Fächer betrifft, dann bin ich äußerst unzufrieden.

  • Wenn aber - wie in dem Artikel beschrieben - alle gemeinsam in Englisch festhängen, dann bin ich nicht zufrieden. Und wenn das dann noch x andere Fächer betrifft, dann bin ich äußerst unzufrieden.


    Aber ob sie festhängen weißt du doch gar nicht, sie haben nicht das geschafft, was das Lehrbuch in dem Schuljahr vorsah, aber wer sagt dir, dass sie das alles schaffen müssen, dass dies alles relevant ist oder sie nciht im nächsten Jahr viel schneller sind usw.

  • Zitat

    Aber ob sie festhängen weißt du doch gar nicht, sie haben nicht das
    geschafft, was das Lehrbuch in dem Schuljahr vorsah, aber wer sagt dir,
    dass sie das alles schaffen müssen, dass dies alles relevant ist oder
    sie nciht im nächsten Jahr viel schneller sind usw.

    Ich verstehe, was du meinst, aber als Mutter eines Kindes, dessen Klasse kollektiv am Anfang des Schuljahres festhängt und dessen Lehrer mehr als nur andeutet, dass das an der Inklusion liegt... würde mich das doch äußerst unfroh machen und ich würde eine individuelle Lösung für mein Kind suchen und zum Beispiel auch offen für einen Klassen- oder Schulwechsel sein. Denn ich würde doch erwarten, dass die Schule mein KInd auf einen Abschluss gut geplant vorbereitet und in jedem Schuljahr entsprechender Stoff geschafft wird.
    Auf Spekulationen wie... im nächsten Jahr arbeiten die KInder bestimmt besser, schneller, konzentrierter... darauf würde ich mich nicht verlassen wollen... und schon gar nicht, wenn es sich um Kinder im Pubertätsalter handelt...

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Denn ich würde doch erwarten, dass die Schule mein KInd auf einen Abschluss gut geplant vorbereitet und in jedem Schuljahr entsprechender Stoff geschafft wird.
    Auf Spekulationen wie... im nächsten Jahr arbeiten die KInder bestimmt besser, schneller, konzentrierter... darauf würde ich mich nicht verlassen wollen... und schon gar nicht, wenn es sich um Kinder im Pubertätsalter handelt...


    Genau deshalb gibts bei uns keine Vorschriften mehr, was du in einem Schujahr zu schaffen hast, sondern immer für mindestens zwei Schuljahre.
    Denn nein, diese Vorgaben, man muss ein Buch in einem jahr schaffen finde ich reichlich unsinnig und war hier auch in der Oberschule nie so. Ganz ehrlich, ich würde mir darüber keinen Kopf machen, denn ich gehe davon aus, dass der Lehrer die Schüler auf die Prüfung vorbereitet und das hier immer alles nach Lehrplan geschafft wurde ohne Inklusion, wäre auch eine Mogelpackung.


    Nicht umsonst bekam schon meine Mutter im Referendariat gesagt "Mut zur Lücke!" Ich hatte z.B. die Französische Revolution auch nur in 45 Minuten abgehandelt, denn das war eine der Lücken, ja und, die gibts überall, wer keine hat, macht sich selbst etwas vor!

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