Einen wunderschönen guten Tag !
Morgen Vormittag werde ich zum Zahnarzt gehen und mir einige (faule) Zähne ziehen lassen. Da mein Zeitfenster nicht so groß ist, hat sich einer meiner überlegt, ob mein Zahnarzt auch nicht gleich meinen Blinddarm herausoperieren könnte. Ach ja, Herzstechen habe ich ja auch noch in der Brust, das könnte er auch noch mitbehandeln. Und dann könnte er mich eigentlich auch noch psychiatrisch behandeln (Im Zahnarztstuhl habe ich bereits die richtige Position eingenommen). Ihr wisst ja, der jahrzehntelange Nervenkrieg in der Schulstube hinterlässt auch Spuren in der Psyche !
Nun werden einige von Euch jetzt denken, dass es im Zeitalter der hochspezialisierten Berufe nur absoluter Nonsens sein kann, was ich im ersten Abschnitt beschrieben habe.
Es ist auch absoluter Nonsens, aber leider nicht für den Lehrerberuf, worin auch eine gewisse Tragik in unserem Berufsstand liegt.
Inklusion heißt das moralingeschwängerte Zauberwort ! Moralingeschwängert deswegen, weil allein schon der Begriff mit erhobenem Zeigefinger bewusst auf eine moralische Verpflichtung hinweist und damit schon Kritiker im Vorfeld verstummen lässt. Wer möchte sich denn auch damit outen, dass er nicht auf der "richtigen" Seite der Moral liegt ?
Und natürlich ist es leichter und zunächst bequemer, erstmal dazu mit bravem japanischem Kopfnicken Ja und Amen zu sagen.
Nun ist es auch bei uns bald soweit, dass die Inklusion Realität wird. Und leider bemerke ich auch bei uns im Vorfeld, wenn man sich mit der Bezirksregierung und Schulträger auseinandersetzt, dass die Kritiker nicht gerne gehört werden, bzw. letzte immer mehr verstummen. Es schlägt die Stunde der Gutmenschen und selbsternannten Weltenheiler, die aber das Ganze freilich nur aus der Schreibtischperpektive betrachten !
So wie einer meiner macht sich natürlich Gedanken darüber, ob wir als konventionelle Lehrer Inklusion überhaupt leisten können. Ich ahne schon jetzt, dass ich da mit meiner Gymnasialausbildung und Realschulerfahrung nicht viel für eine effektive Inklusion werde leisten können. Und ich gebe auch zu, dass es nicht mein berufliches Ziel war, die Förderschüler unterrichten zu müssen.
Apropos Studium für Förderschullehrer : Ich denke, ein ernstzunehmendes und spezielles (!) pädagogisches Studium, das bis zum ersten Staatsexamen so ca. 4 Jahre dauert und wahrscheinlich ist die Tätigkeit als Förderschullehrer auch nicht jedermanns Sache. Ich behaupte mal, dass die Förderschullehrer mit Abstand den schwierigsten und anstrengendsten Lehrerjob haben und deswegen auch dafür speziell ausgebildet wurden. Von daher bin ich skeptisch, dass wir Sek1/Sek2-Lehrer es wirklich können werden.
Jetzt kann ich mir einige erboste Stimmen in diesem Forum vorstellen, die in etwa so lauten "Es ist unsere selbstverständliche moralische Verpflichtung ehemalige Förderschüler zu integrieren, schließlich werden ja dafür Ressourcen und Weiterbildung gestellt !".
Zu den Ressourcen : Bei uns an der Realschule würde es dann konkret so aussehen, dass eine Integrationsklasse aus 25 Schülern bestehen würde, incl. 8 Integrationsschüler. Förderschullehrer ständen für die Hälfte der Stundenzahl der Integrationsklasse zur Verfügung.-Ich musste da erstmal sehr tief durchatmen, wegen der anberaumten Klassenstärke sowie über die Tatsache, dass Förderschullehrer nicht für die volle Stundenzahl als Hilfe zur Verfügung stehen.
Böse ist, wer dabei denkt, dass zunächst mal die Hauptfächer mit Förderschullehrern versorgt werden. Der geehrte Elternschreck mit seinen "nur" Nebenfächern würde da wahrscheinlich allein im Regen stehen. Naja, und sowieso das Fach Musik mit ein bisschen Trallala wirkt ja schon per se integrativ. Der erfahrene und drahtige Schulstubenmeister Elternschreck kommt da schon irgendwie alleine klar. Er hat ja auch sonst immer eine große Klappe.-Naja, und in der Praxis haben wir dann nachher doch öfter mal die Ausnahmen, dass z.B. eine Integrationsklasse aus 28 Schülern besteht oder die Förderschullehrer krank sind und zufälligerweise dann auch ihre Vertretungen...
Zur Weiterbildung : Durch ein paar wenige Stunden Hospitation einer Inklusionsklasse an unserer benachbarten Hauptschule werden wir zu Inklusionsexperten gemacht. Dass die dortige Klasse nur aus 16 Schülern besteht und die betreffenden Hauptschullehrer ausgebildete Förderschullehrer sind, bräuchte man eigentlich gar nicht erwähnen. Unser Realschulkollegium wird das dann schon richten, wenn es so weit ist. Pädagogikstudium ist ja schließlich Pädagogikstudium !
Aber natürlich kann man sich im Bereich der Förderschulpädagogik ja einarbeiten und weiterbilden. Es ist ja unsere Pflicht, uns ein Leben lang weiterzubilden ! Aber wann, wenn wir trotzdem unsere 28 Wochenstunden wie eh und jeh ableisten müssen ? Es ist zeit- und kräftemäßig einfach nicht zu schaffen. Von daher hat sich eine Weiterbildung eh schon erledigt.
Wenn ich mir das Ganze vor meinem geistigen Auge Revue passieren lasse, so komme ich zu dem Schluss und oute mich hier im Forum : Inklusion, ich kann es nicht !
Ich bin der Meinung, dass Lehrer sich im Sinne der eigenen Gesundheit und Wohlbefinden öfter trauen sollten, zuzugeben, dass sie manches einfach nicht können, was ihnen zugemutet wird.
Damit wir uns richtig verstehen : Ich bin nicht generell gegen eine Inklusion, aber ich habe etwas dagegen, wenn plötzlich mit heißer Nadel und fehlenden Resourcen etwas initiert wird, was schon im Vorfeld nicht richtig durchdacht ist. Ist die Karre erstmal angeworfen, interessiert es später niemanden mehr, ob wir für die Inklusion angemessen vorbereitet und ausgestattet sind. Die verantwortlichen Initiatoren haben sich dann vom Acker gemacht und wir Lehrer stehen dann mit den Problemen alleine da.
-Wie immer !