Niveau einer Deutsch-GK-Klausur

  • Liebe Kollegen, vor allem: liebe Deutsch-Kollegen vom Gymnasium!



    Heute habe ich zufällig eine Deutsch-Klausur aus einem nicht-bayerischen Bundesland in die Hand bekommen und hätte gern mal ein paar Meinungen von Fachkollegen. Ich kann die Arbeit natürlich nicht einscannen und hier einstellen, deshalb nur eine Beschreibung:


    - Jgst. 11, Gymnasium, Deutsch-Grundkurs
    - Aufgabenstellung: Inhaltsangabe und Interpretation der Kurzgeschichte "Im Spiegel" von Margaret Steenfatt


    Schon an diesem Punkt musste ich heftig schlucken. Eine KG zu interpretieren ist ja OK - aber "Im Spiegel" ist doch schon für Zehntklässler zu leicht!


    Interessant auch die Korrektur: Bis auf Rechtschreibfehler war NICHTS angestrichen. In der ganzen Arbeit findet sich keine einzige inhaltliche Anmerkung. Dafür sind akribisch die Wörter gezählt (müssen die Schüler selbst machen) und ein "Fehlerindex" ausgewiesen. Die Schlussbemerkung bestand aus zwei Sätzen, einem für die Inhaltsangabe und einem für die Interpretation. Beide Sätze eher lapidar-formelhaft. Dass die Bewertung der Arbeit mit 7 Punkten mindestens 4 Punkte über dem lag, was in meiner Deutsch-Fachschaft gegeben worden wäre, ist schon nicht mehr weiter erwähnenswert.


    Hier in Bayern hätte ich mir für eine solche Korrektur (und Bewertung) zwei saubere Anschisse abholen können, vom Fachbetreuer ebenso wie vom Schulleiter. Wie soll denn ein Schüler aus einer solchen Korrektur irgendwas für zukünftige Arbeiten lernen? Immerhin geht es hier um Abiturvorbereitung! Eine durchschnittliche Arbeit (7-9 Punkte) wird bei uns üblicherweise mit einem Kommentar von 120 bis 150 Wörtern versehen.


    Deshalb meine ernstgemeinte Frage: Sitze ich hier auf dem oft ungerechtfertigt hohen bayerischen Ross, oder liege ich mit meiner Einschätzung dieser Arbeit vielleicht doch nicht so daneben?




    Gruß
    Fossi74



    PS. Wer errät, aus welchem Land die Arbeit war? (Ja, ich weiß, da gibt es mehrere mögliche Kandidaten)

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Erstmal muss ich gestehen, dass mir dieses Bayern-gegen-den-Rest-der-Welt-Getue hier (und überall sonst auch) ein wenig gegen den Strich geht. Ebenso 'regionalistisch' - vorsichtig ausgedrückt - kann man wohl die Erwartung nennen, dass wir von der knappen Beschreibung einer Korrektur auf das Bundesland schließen könnten, in dem die Klausur geschrieben wurde... Da darf dann eben jeder Bayer seinen Lieblingsbundesbuhmann (Bremen? Saarland?) nach Gutdünken einsetzen...


    Und ohne die Klausur gelesen zu haben, dürfte es ohnehin unmöglich sein, die Rechtmäßigkeit dieser Korrektur abzuschätzen.

  • Dazu etwas zu sagen, ist natürlich schwer, wenn man die Klausur nicht gelesen hat.
    Wenn die Beurteilung nur aus 2 Sätzen besteht, macht das erstmal keinen professionellen Eindruck.
    ABER könnte es nicht sein, dass es außerdem ein ausführliches Bewertungsraster gibt, was dir nicht vorliegt? Das ist in meinen Klausuren der Fall, dafür gibt es dann oft gar keinen Kommentar.
    Oder vielleicht gab es eine ausführliche individuelle Nachbesprechung?

  • BateauIvre: Die gelegentlich zu beobachtenden Niveauunterschiede zwischen Bayern und dem überweigenden Teil der anderen Bundesländer sind wohl, nüchtern betrachtet, leider keine reine Erfindung. Ich habe aber mit keiner Silbe verlauten lassen, dass ich das grundsätzlich gut oder die bayerischen Verhältnisse grundsätzlich besser finde (das Gegenteil ist der Fall).
    Bei der vorliegenden Klausur geht es mir auch nicht um die Rechtmäßigkeit der Korrektur (nicht meine Sache, das zu beurteilen), sondern um deren Sinnhaftigkeit. Nur Rechtschreibfehler zu korrigieren und zum Inhalt zwei Standardsätze zu schreiben, bringt dem Schüler nichts, auch wenn da eine "ausführliche Nachbesprechung" stattgefunden hätte (hat sie nicht).


    Brick in the wall: Die Klausur liegt mir komplett vor. Ausführliche Bewertungsraster kenne ich aus der eigenen Arbeit auch. Wir müssen trotzdem noch kommentieren (wenn auch dann nicht mehr so ausführlich).

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Nachtrag: Ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass ich diese Klausur vor dem Hintergrund dessen, was ich selbst seit ca. acht Jahren als Anforderung an Korrektur und Aufgabenstellung zu gewärtigen habe, beurteile. Vielleicht sind wir ja in Bayern einfach nur komplett bescheuert, den Schülern eine dermaßen aufwendige Positivkorrektur zu bieten, wo den durchschnittlichen Schüler eh nur die Note interessiert. Vielleicht ist es ebenso verfehlt, eine enigmatische, auf vielfältigen Handlungsebenen und mit schwer zu entschlüsselnden Metaphern gespickte Kurzgeschichte wie "Im Spiegel" in der achten oder neunten Klasse zu lesen.


    Insofern war mein Post der möglicherweise etwas polemisch formulierte, aber nichtsdestotrotz ernstgemeinte Wunsch nach einem Austausch mit außerbayerischen Kollegen.

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Zitat

    Eine durchschnittliche Arbeit (7-9 Punkte) wird bei uns üblicherweise mit einem Kommentar von 120 bis 150 Wörtern versehen.

    Hallo, bei dieser Anmerkung wüsste ich gerne einmal, wie viele Schüler denn dann durchschnittlich in einem Kurs sind. Ich gehe von meiner momentanen Kursgröße von 25-28 Schüler aus, dann Vollzeitlehrkraft und Schwerpunkt Oberstufe. Dazu maximal zulässige Korrekturzeit von 3 Wochen. Wenn ich da jeder durchschnittlichen oder schlechteren Arbeit einen derart ausführlichen Kommentar hinzufüge - wie soll das zeitlich zu schaffen sein? Oder sind das dann auch Kommentare, die letztlich z.T. aus Versatzstücken bestehen? Abgesehen davon frage auch ich mich, ob Schüler wirklich diesen unglaublichen Arbeitsaufwand schätzen und diese Kommentare ganz lesen - oder ob die Arbeit nicht recht schnell nach Kenntnisnahme von der Note in der Ablage verschwindet.
    Grüße Eugenia

  • Ich gehe von meiner momentanen Kursgröße von 25-28 Schüler aus, dann Vollzeitlehrkraft und Schwerpunkt Oberstufe. Dazu maximal zulässige Korrekturzeit von 3 Wochen.


    Das sind die Bedingungen, die ich von meiner (bayerischen) Schule kenne. Allerdings mit einer maximaler Korrekturzeit von zwei Wochen in Unter- und Mittelstufe. Drei Wochen nur in der Oberstufe und bei Deutsch außerdem in Klasse 10. Ob man schwerpunktmäßig in der Oberstufe eingesetzt wird, entscheidet sich an meiner Schule jedes Schuljahr neu, allerdings ändert das nichts daran, dass unter jeder Arbeit ca. 120 - 150 Wörter Kommentar erwartet werden. Ach ja, in Bayern muss man vor jeder Aufsatzarbeit einen vollständigen Übungsaufsatz pro Schüler korrigiert und mit entsprechendem Kommentar versehen haben.
    Die Einhaltung dieser Vorgaben wird durch die Respizienz überprüft, in der der Fachschaftsleiter des entsprechenden Fachs alle Klassenarbeiten nach ca. zwei Wochen im Klassensatz vorgelegt bekommt und stichprobenartig drei Arbeiten (eine gute, eine mittelmäßige und eine schlechte) nachkorrigiert, um Anspruchsniveau und Einhaltung der formalen Vorgaben und der Korrekturvorgaben zu überprüfen. Darüber wird ein Respizienzbericht verfasst, der der Schulleitung vorgelegt wird ("Endrespizienz").


    Und völlig unabhängig von allen inhaltlichen Niveaudiskussionen bin ich auch der Meinung, dass wir uns bezüglich der Korrekturvorgaben in Bayern auch langsam mal mehr an den anderen Bundesländern orientieren sollten!


  • Wenn der Threadersteller sein Argumentationshandwerk auch auf einem bayrischen Gymnasium gelernt hat, dann gibt es mit Sicherheit "gelegentlich zu beobachtende Niveauunterschiede" zwischen den Bundesländern – allerdings nicht in dem Sinne, in dem es vermutlich gemeint war. Mit so einer windschiefen Rabulistik wäre jedenfalls bei mir im Grundkurs kein Blumentopf zu gewinnen.


    Aus einer (!) Klausur auf das allgemeine Unterrichtsniveau eines Bundeslandes zu schließen, ist ähnlich abenteuerlich wie der Schluss, dass Bayern offenbar ein Polizeistaat sei, wenn man mal einen prügelnden Polizisten beobachtet hat (s.o.). Insofern ist die Frage ganz leicht zu beantworten: Ja, mit dem Schnellschuss-Urteil sitzt der Threadersteller mit Sicherheit auf dem hohen Ross, weil er unter der Hand Verallgemeinerungen vornimmt, die nicht belastbar sind.


    Wenn ich wissen will, wie das Anspruchs- und Korrekturniveau in einem Bundesland ist, dann muss ich die Lehrpläne und Korrekturrichtlinien zur Kenntnis nehmen, nicht aber eine zufällig herbeigeflatterte Arbeit (vermutlich aus NRW). Gründe für das Niveau der Arbeit können vielfältig sein:
    1) Der Kollege hat nichts drauf und stellt deshalb eine schlechte Arbeit.
    2) Der Kollege korrigiert nicht gern und unterschreitet deshalb die Korrekturanforderungen.
    3) Der Kurs ist leistungsschwach und hat deshalb eine leichte Arbeit bekommen (und ggf. eine zurückhaltende Korrektur).


    Ich räume gerne ein, dass z. B. in NRW die Respizienz kaum institutionalisiert ist und entsprechend auch sicher einige Kollegen das ausnutzen und korrekturtechnisch Murks machen – keine Frage. Und ich würde mir wünschen, dass der eine oder andere auch mal eins für seinen Murks auf die Finger bekäme. Aber daraus auf allgemeine Niveauunterschiede zu schließen, dient allenfalls der Bestätigung bereits vorhandener Vorurteile.

  • Wenn der Threadersteller sein Argumentationshandwerk auch auf einem bayrischen Gymnasium gelernt hat, dann gibt es mit Sicherheit "gelegentlich zu beobachtende Niveauunterschiede" zwischen den Bundesländern – allerdings nicht in dem Sinne, in dem es vermutlich gemeint war. Mit so einer windschiefen Rabulistik wäre jedenfalls bei mir im Grundkurs kein Blumentopf zu gewinnen.

    Der Ausgangspost ist in seinen Formulierungen durchaus etwas suggestiv. Ich finde diese Grundeinstellung, die hier in Bayern häufig vorherrscht, dass nämlich hier das Niveau im Vergleich zu anderen Bundesländern ohnehin viel höher sei, auch sehr zweifelhaft und arrogant. Vor allem, da man ja im Regelfall auch nur sehr wenige direkte Vergleichsmöglichkeiten hat. Selbst wenn man gleich nach dem Referendariat das Bundesland wechselt, dürfte im ersten Bundesland die Berufserfahrung fehlen, um zu einem echten Urteil kommen zu können.
    Ich finde aber den Aufruf, die verschiedenen Vorschriften zu vergleichen, gar nicht schlecht - und der steckt ja auch im Ausgangspost. Ich hatte ja in meiner ersten Antwort schon angedeutet, dass ich die Vielzahl der Regelungen in meinem Bundesland auch nicht optimal finde, wenn ich auch wenigstsens nachvollziehen kann, woher die Idee der Respizienz kommt.


    Ich räume gerne ein, dass z. B. in NRW die Respizienz kaum institutionalisiert ist und entsprechend auch sicher einige Kollegen das ausnutzen und korrekturtechnisch Murks machen – keine Frage. Und ich würde mir wünschen, dass der eine oder andere auch mal eins für seinen Murks auf die Finger bekäme. Aber daraus auf allgemeine Niveauunterschiede zu schließen, dient allenfalls der Bestätigung bereits vorhandener Vorurteile.

    Ich denke, das ist die spannende Frage: Führt ein größeres Maß an Freiheit dazu, dass mehr Kollegen "Murks" bei der Korrektur machen oder finden die entsprechenden Kandidaten auch in Bayern ihr Schlupfloch, um sich einen faulen Lenz zu machen? Oder ist es vielleicht sogar so, dass die Lehrer in Bayern durch die Vorschriften gezwungen sind, so viele nutzlose Auflagen zu erfüllen, dass sie schließlich kaum mehr Zeit haben, pädagogisch und didaktisch sinnvolle Arbeiten zu erledigen, die nicht explizit vorgeschrieben sind? Im Ausgangspost wird ja auch schon angesprochen, dass viele Schüler die ausführlichen Bemerkungen gar nicht erst lesen.


    Ich persönlich fände es manchmal beispielsweise sinnvoller, häufiger Haus- und Vokabelhefte einsammeln zu können als mal wieder eine Runde vollständiger Übungserörterungen korrigieren zu müssen, die von vielen Schülern sowieso nur hingeschlampt wurden.

    • Offizieller Beitrag

    Bei uns wird den Klausuren ein auführlicher Erwartunhshorizont beigelegt und dem Schüler auch in der Klausur angemerkt, wie sich das in seiner Klausur wiederfindet. zB durch Anmerkungen wie "Punkt 4 aus dem EWHZ gut ausgeführt" "Hier besteht keine Verknüpfung zu dem Gedanken vorher - siehe EWHZ Punkt 5 und 6" oder ähnlich. Damit haben die Schüler eine dezidierte Vorstellung davon, was sie konkret verbessern müssen. Manche nutzen es, manche interessiert nur die Punktzahl. Manche Kollegen schreiben zusätzlich noch Kommentare, was man wie üben kann.


    Der Fehlerindex wird bei uns auch erstellt, das ist Erlass, und ab bestimmten Zahlen (3,5,7) wird bis zu drei Punkten abgezogen. Angestrichen werden R, Z, A; Gr Fehler.


    Ob die Geschichte zu leicht ist weiß ich nicht, man kann ja fast jeden Text auf fast jedem Niveau analysieren. Da kommt es wohl eher auf die Erwartungen an.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Hallo, bei dieser Anmerkung wüsste ich gerne einmal, wie viele Schüler denn dann durchschnittlich in einem Kurs sind. Ich gehe von meiner momentanen Kursgröße von 25-28 Schüler aus, dann Vollzeitlehrkraft und Schwerpunkt Oberstufe. Dazu maximal zulässige Korrekturzeit von 3 Wochen. Wenn ich da jeder durchschnittlichen oder schlechteren Arbeit einen derart ausführlichen Kommentar hinzufüge - wie soll das zeitlich zu schaffen sein? Oder sind das dann auch Kommentare, die letztlich z.T. aus Versatzstücken bestehen? Abgesehen davon frage auch ich mich, ob Schüler wirklich diesen unglaublichen Arbeitsaufwand schätzen und diese Kommentare ganz lesen - oder ob die Arbeit nicht recht schnell nach Kenntnisnahme von der Note in der Ablage verschwindet.

    Hm, die durchschnittliche Klassengröße liegt im Allgemeinen schon auch in diesem Bereich. Das hängt natürlich von den örtlichen Gegebenheiten ab. Wie das zeitlich zu schaffen ist? Nun ja, man muss sich halt ranhalten. Ist doch kein Problem, wenn man kein "Minderleister" ist :D ! Es gibt ja keine gesetzlich vorgeschriebene Schlafenszeit... Natürlich gibt es aber auch Versatzstücke, die in allen Kommentaren gleich oder ähnlich sind, z.B. die vorgeschriebene Bemerkung zur formalen Korrektheit (Rechtschreibung, Grammatik etc.). Auch für die übrigen Bereiche ähneln sich die Formulierungen naturgemäß; solche Kommentare sollen ja keine belletristischen Edelsteine sein, sondern die Bewertung der einzelnen Arbeiten vergleichbar machen.


    Was die Schüler damit machen? Tja, wir wissen doch alle, wie Schüler so sind:
    Note angucken...
    --> passt: Arbeit kommentarlos zurückgeben
    --> passt nicht: Kommentar lesen, rummeckern, wenig Einsicht zeigen, Arbeit zurückgeben. (Wobei diese ganz ausgeprägte "Ich will hier nichts lernen, ich will gute Noten"-Haltung an der FOS noch ausgeprägter ist als am Gymnasium, jedenfalls nach meiner Beobachtung)


    Das ist ja mit ein Grund, warum mich diese Korrekturorgie so ankotzt.


    Ach ja, da wir ja in Bayern sind: die Arbeit "verschwindet" nicht in der Ablage, sondern wird - versehen mit komplettem Notenspiegel, Angabe in zwei Exemplaren und ausführlichem Erwartungshorizont dem Fachbetreuer übergeben, der dann - wie ja von Eliah schon beschrieben - je eine gute, mittlere und schlechte Arbeit nachkorrigiert, seine Ergebnisse schriftlich festhält (in Kategorien wie "Sauberkeit und Sorgfalt der Korrektur", "Angemessenheit der Aufgabenstellung" und "Fristgemäße Korrektur und Vorlage") und die Arbeit dem Schulleiter übergibt, der dann - je nach persönlichem Engagement - sein Signum druntersetzt oder sich den ganzen Sums nochmal vornimmt. Die Korrekturfarben sind übrigens vorgeschrieben - rot für den Erst-, grün für den Zweit-, violett für einen eventuellen Drittkorrektor. Muss alles seine Ordnung haben in Bayern! Ich vermute, dass der Kultusminister persönlich einzelne Arbeiten nachkorrigiert, vermutlich mit weiß-blauer Tinte.
    All das gilt übrigens auch für Stegreifaufgaben. Vernünftige Schulleiter und Fachbetreuer handhaben das dann natürlich etwas laxer. Leider korrelieren Vernunft und die Erlangung solcher Beförderungsstellen nicht immer. Ach ja, kleines Detail am Rande: Die Fachbetreuer waren bislang Kollegen ohne Weisungsbefugnis, werden nach einer Änderung der Dienstordnung in Zukunft aber Vorgesetzte sein.


    Lasst mich an dieser Stelle nochmals betonen, dass es mir fernliegt, einzelnen Kollegen aufgrund ihrer Herkunft fachliche oder pädagogische Kompetenzen abzusprechen. Mein Ursprungspost - möglicherweise an einzelnen Stellen nicht 100% objektiv und, mit etwas bösem Willen gelesen, durchaus polemisch - entstand in der ersten Verwunderung darüber, was in anderen Ländern offensichtlich möglich ist. Vielleicht ist jetzt ein bisschen klarer geworden, dass die Arbeit (Achtung: ab jetzt möglicherweise wieder ein wenig Polemik) auf mich so gewirkt hat, als hätte der nicht-bayerische Kollege ein Diktat als Grundkurs-Klausur schreiben lassen.
    Aus meinen in diesem Post gemachten Ausführungen mag natürlich der ein oder andere erkennen, dass hier auch eine ganz gehörige Portion Neid (oder nennen wir es besser Frust über die bayerischen Verhältnisse) im Spiel ist.




    Liebe Grüße
    Fossi

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Du vergleichst also die Korrektur einer Schülerarbeit mit einer Tracht Prügel mit dem Schlagstock? Interessanter pädagogischer Ansatz, muss ich schon sagen. Wer sich hier der windschieferen Rabulistik bedient, bleibt wohl offen.


    Aus einer (!) Klausur auf das allgemeine Unterrichtsniveau eines Bundeslandes zu schließen, ist ähnlich abenteuerlich wie der Schluss, dass Bayern offenbar ein Polizeistaat sei, wenn man mal einen prügelnden Polizisten beobachtet hat (s.o.). Insofern ist die Frage ganz leicht zu beantworten: Ja, mit dem Schnellschuss-Urteil sitzt der Threadersteller mit Sicherheit auf dem hohen Ross, weil er unter der Hand Verallgemeinerungen vornimmt, die nicht belastbar sind.

    Wo nehme ich denn Verallgemeinerungen vor? Wie mittlerweile ausführlich dargelegt - es ging mir lediglich um eine Diskussion über bayerische und nicht-bayerische Korrekturgepflogenheiten; nicht mehr und nicht weniger. Das mit dem hohen Ross bezog sich auf genau diese in Bayern recht verbreitete Haltung, die ich - das habe ich aber im Ursprungspost schon gesagt - nicht durchgängig teile.

    zufällig herbeigeflatterte Arbeit (vermutlich aus NRW)

    Ah, offensichtlich machst Du Dir also durchaus Gedanken um Niveauunterschiede, wenn Du hier so treffsicher Dein Heimatland zu identifizieren glaubst. Du kannst übrigens beruhigt sein: Es war nicht NRW, sondern das andere für generöseste Schülerfreundlichkeit bekannte Bundesland südöstlich davon. Das ist aber auch - wie gesagt - völlig nebensächlich.



    Liebe Grüße
    Fossi

    „Think of how stupid the average person is, and realize half of them are stupider than this.“ - George Carlin

  • Aus meiner Sicht ist das so: Dieses Kontrollsystem in Bayern macht auf mich einen wenig menschenfreundlichen Eindruck. Mitbestimmungsrechte scheinen da gering, denn ansonsten hätten Kollegen schon längst durchgesetzt, dass ein solcher Korrekturdoppelaufwand von Randbemerkungen, Bewertungsraster und nochmal Kommentar unter der Klausur Zeitverschwendung ist. Arbeitsressourcen kann man auch sinnvoller einsetzen. Das heißt im Umkehrschluss übrigens nicht, dass ich es befürworte, eine Klausur nur mit zwei Sätzen zu kommentieren.


    Ich für meinen Teil unterrichte gerne NICHT in Bayern, ich ziehe ein Bundesland der "generösen Schulerfreundlichkeit" und Menschenfreundlichkeit vor. Dass dabei mal ein Kollege weniger gut korrigiert als die anderen, muss ein Betrieb von 100 Lehrern kompensieren können, dafür fühle ich mich aber nicht dauerhaft kontrolliert. Und ich zumindest kann in einer solchen Umgebung besser arbeiten, denken und mich entfalten.


    Erstaunlicherweise ist das Leben ja auch nördlich von Bayern noch nicht zusammengebrochen. Da ist es mir auch egal, ob man in der PISA-Studie hier und da ein paar Punkte mehr oder weniger hat.


    Übrigens, fossi, auch wenn du dich bemühst, so ganz kannst du die bayrische Tendenz zu Verallgemeinerungen doch nicht ablegen:


    Zitat

    Es war nicht NRW, sondern das andere für generöseste Schülerfreundlichkeit bekannte Bundesland südöstlich davon.


    Aber ich kann gut damit leben ;)

  • Wenn ich den Begriff der Verallgemeinerung doch richtig verstehe, meint er folgendes: Aus einem beobachteten Sachverhalt, der einmal oder mehrfach auftritt, schließt man darauf, dass dieser Sachverhalt auf eine Norm oder Gesetzmäßigkeit verweise. Ist die empirische Grundlage breit (eine große Zahl von Beobachtungen), so sind wir geneigt, diese Verallgemeinerungen für berechtigt zu halten. Ist sie es nicht, dann nennen wir die Verallgemeinerung ein Vorurteil (oder, wenn wir es nicht als solches erkennen, "unsere Erfahrung" ;) ).


    Deine empirische Grundlage ist nun äußerst schmal (ein Heft!) – daraus lässt sich nicht einmal etwas über die Korrekturgepflogenheiten des Kollegen oder der Kollegin schließen, die die Arbeit korrigiert hat, geschweige denn über die Gepflogenheiten in der betreffenden Fachschaft, der Schule oder gar des Bundeslandes. Insofern handelt es sich bei der hinter Deiner Anfrage stehenden Vermutung geradezu um eine prototypische unzulässige Verallgemeinerung. Um das zu illustrieren, habe ich – weitgehend mit Deinen Worten – das Fallbeispiel des bayrischen Polizisten konstruiert: Aus einer einzelnen Beobachtung (prügelnder Polizist) schließe ich auf die dahinterstehende vermutete Norm (Bayern als Polizeistaat). Offenkundig ist das eine unzulässige Verallgemeinerung, mithin ein Fehlschluss. Die Pointe meiner Analogie ist Dir aber offenbar entgangen, jedenfalls deutet die Replik daraufhin.


    Ich kann die Beispiele aber gerne vermehren; sie sind Legion. Während des Italienurlaubes beobachte ich, wie der Kellner in der Nase bohrt und schließe messerscharf daraus, dass italienische Kellner es nicht so mit der Hygiene haben. Oder aber ich sehe eine Frau mühsam rückwärts einparken und folgere daraus, dass Frauen nicht autofahren können. Etc. pp. All diesen "Schlüssen" ist gemein, dass sie mehr über den Schließenden und seine Vorannahmen/Vorurteile sagen als über den zu erörternden Sachverhalt.


    Dessen ungeachtet bin ich durchaus mit einigen Korrekturfestlegungen in meinem Bundesland – die ich natürlich gleichwohl befolgen muss – nicht so glücklich und hege den Verdacht, dass mitunter Individual- und Sozialnorm die Sachnorm in den Hintergrund drängen. Ich glaube aber auch nicht, dass die Sau vom WIegen fett wird, was mir bei den bayrischen Regelungen unterschwellig als Motto zu gelten scheint. Fatal finde ich auch die (in diesen Regelungen mitschwingende) Haltung, eine Leistungsüberprüfung sei ein Wettstreit zwischen System und Schüler – und diese Haltung treibt ja kuriose Blüten.

  • Du verallgemeinerst aber in deinem Beitrag gleichzeitig auch - woher willst du wissen, dass es ein Heft ist? ich habe noch nie ein Klassenarbeitsheft gesehen, dennoch zweifle ich deren Existenz aber nicht an ;-).

  • Tja, ich unterrichte in Hessen und denke nicht, dass Klausur und Korrektur den Bildungsstandards irgendeines Bundeslandes entsprechen, lasse mich da aber gerne belehren.
    Eine Inhaltsangabe finde ich bei einer Kurzgeschichte eh meistens unpassend, da naturgemäß ja eher wenig äußere Handlung stattfindet und die Geschichte vom inneren Geschehen abhängt, das man meistens schlecht chronologisch wiedergeben kann.


    Ob eine KG für eine bestimmte Jahrgangsstufe "zu leicht" ist, bezweifle ich hingegen, da man sie bestimmt auf verschiedenen Niveaus behandeln kann, je nach Schwerpunkt, den man im Unterricht erarbeitet hat.


    Ich kommentiere Klausuren übrigens mit mehr als 100-150 Wörtern-wie schnell kommen die zustande, und leiste in der Regel eine Positivkorrektur, bei Schülergruppen zwischen 25-30 Schülern.


    Ich denke nicht, dass das Niveau von Klausuren eine Frage des Bundeslandes ist. Man kennt ja schon lange die zentralen Abiturklausuren von Bayern- ich finde nicht, dass sie sich wesentlich von dem unterscheiden, was einem vertraut ist. Schwarze Schafe gibts sicher in jedem Bundesland (vielleicht nicht in Bayern), aber die setzen ja noch lange nicht den Maßstab.

  • Ich glaube aber auch nicht, dass die Sau vom WIegen fett wird, was mir bei den bayrischen Regelungen unterschwellig als Motto zu gelten schein

    Ich glaube, da täuscht dich dein Eindruck - wobei ich mir nicht sicher bin, ob die "Sau" in dieser Aussage die Schüler oder die Lehrer sind. Jedenfalls haben wir nicht mehr Prüfungen/Klassenarbeiten/Klausuren für die Schüler als andere Bundesländer, nach meinen sehr bescheidenen Einblicken sogar eher weniger. Dass ich eine gewisse Kontrolle des Qualiätsstandards bei Lehrern nicht unbedingt verkehrt finde, habe ich in einem anderen Thread ja bereits ausführlich dargestellt.

    Fatal finde ich auch die (in diesen Regelungen mitschwingende) Haltung, eine Leistungsüberprüfung sei ein Wettstreit zwischen System und Schüler – und diese Haltung treibt ja kuriose Blüten.

    Das ist allerdings ein sehr passendes Beispiel für diesen "Wettstreit". Allerdings habe ich aus den Beiträgen hier im Forum und von meinen wenigen Lehrerfreuenden in anderen Bundesländern nicht den Eindruck, dass es in anderen Bundesländern anders ist. Der Schildbürgerstreich mit den Wörterbüchern im G8 ist zum Glück sogar in Bayern eine Ausnahme.

    Schwarze Schafe gibts sicher in jedem Bundesland (vielleicht nicht in Bayern), aber die setzen ja noch lange nicht den Maßstab.

    Von schwarzen Schafen weiß ich nichts, aber wir hätten rote Kühe, falls das weiterhilft?

  • Ach ja, da wir ja in Bayern sind: die Arbeit "verschwindet" nicht in der Ablage, sondern wird - versehen mit komplettem Notenspiegel, Angabe in zwei Exemplaren und ausführlichem Erwartungshorizont dem Fachbetreuer übergeben, der dann - wie ja von Eliah schon beschrieben - je eine gute, mittlere und schlechte Arbeit nachkorrigiert, seine Ergebnisse schriftlich festhält (in Kategorien wie "Sauberkeit und Sorgfalt der Korrektur", "Angemessenheit der Aufgabenstellung" und "Fristgemäße Korrektur und Vorlage") und die Arbeit dem Schulleiter übergibt, der dann - je nach persönlichem Engagement - sein Signum druntersetzt oder sich den ganzen Sums nochmal vornimmt.


    Kenn ich noch aus NRW (!). Brauch ich nicht.

    • Offizieller Beitrag

    Mal eine Frage an die Hessen:


    Ist es üblich, eine Deutschklausur mit Fehlerindex zu versehen? Ich kenne das nur von den Fremdsprachen - und in NRW ist im Zentralabitur selbst das mittlerweile abgeschafft.


    Dieser Korrekturmodus kommt mir völlig unabhängig vom Bundesland und dem vermeintlichen Niveau des Abiturs "spanisch" vor.


    Gruß
    Bolzbold

    • Offizieller Beitrag

    Ja, der Fehlerindex ist verpfichtend. Anlage 9d (zu § 14 Abs. 4) Bewertung und Beurteilung von schriftlichen Arbeiten im Fach Deutsch bzwAnlage 9 e (zu § 9 Abs.12): Bewertung und Beurteilung von schriftlichen Arbeiten im Fach Deutsch.
    Der Fehlerindex errechnet sich nach der Formel der Anlage 9 b.
    Tabelle für den Abzug von Notenpunkten im Fach Deutsch
    ab dem Fehlerindex 2 1 Notenpunkt Abzug
    ab dem Fehlerindex 4 2 Notenpunkte Abzug
    ab dem Fehlerindex 6 3 Notenpunkte Abzug
    ab dem Fehlerindex 8 4 Notenpunkte Abzug

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