Korrektur eines offensichtlich nicht selbst verfassten Textes "verweigern"

    • Offizieller Beitrag

    Hallo!


    Ich habe gerade einen neuen Kurs (12. Klasse) übernommen und damit auch die Korrektur / Bewertung einer Facharbeit. Die Arbeit liegt mir jetzt vor und 2 Seiten sind in der Fremdsprache geschrieben.
    Es handelt sich um einen Anfängerkurs, so dass ich selbstverständlich keine grandiosen Kunststücke erwartet hatte.


    Allerdings ist der komplette Text offensichtlich das Ergebnis einer technisch unterstützten Übersetzung (da die deutsche Fassung von Wikipedia stammt, tippe ich auf Google). Ich - Muttersprachlerin - kann den Text kaum verstehen, die Satzstellung ist katastrophal, der Wortschatz ist unglaublich komplex, die Hälfte der Verben sind im Passé simple (unbekannte Form), im Futur simple (eine Woche vor Abgabe der Arbeit eingeführt), im Passé antérieur (wird an der Uni eingeführt), die Redewendungen sind höchstens mit Wörterbuch für jedes Wort zu schaffen...


    1) MUSS ich den Text korrigieren ? (also sprachliche Verbesserung am Rande oder besser auf einem Nebenblatt den Text neu schreiben)


    2) MUSS ich der Schülerin einen Fehlerraster anbieten à la "hier könntest du daran arbeiten"?


    3) DARF ich die Korrektur verweigern und einfach drunter schreiben "Plagiat, Unterschleif, Tschüss..." ?


    Schöne Grüße,


    Chili

  • Hast du den deutschen Wikipedia-Text schon selbst in Google Translate kopiert und geschaut, ob DAS dabei rauskommt? Ist doch die einfachste Möglichkeit, deinen Verdacht zu bestätigen - und dann guten Gewissens unter die Arbeit zu schreiben "Plagiat, Unterschleif, Tschüss" :D

    • Offizieller Beitrag

    Die Arbeit hat 8 Seiten, die 6 Seiten auf Deutsch sind "Umformulierungen" von Wikipedia.
    Ein Kollege meinte, es "sei schon eine eigene Leistung, umzuformulieren" und ich solle gucken, wo ich Punkte rauskriegen kann. Nur habe ich ehrlich gesagt keine Lust, Stunden damit zu verbringen, einen Text zu korrigieren, wenn ich eine rechtliche Grundlage hätte, mich zu weigern.
    So oder so kommt sie selbst mit bestem Willen, den ich nicht bringen werde, auf eine 5 oder 5+.


    Das mit selbst Übersetzen geht nicht, weil die deutschsprachigen Teile schon umgeschrieben / gekürzt wurden, also nicht 1:1-Plagiat..


    Chili

  • Wenn du den Text als sprachlich katastrophal bezeichnest, dann ist die Note für die sprachliche Richtigkeit durch deine Korrekturen begründbar. Zum Inhalt: Hat der Schüler Quellenangaben gemacht? Das sollte ja auch bei Umformulierungen in einer Facharbeit erwartet werden können. Wurden mehrere Quellen oder nur Wikipedia angegeben? Falls letzteres der FAll ist, fände ich es etwas mau. Vielleicht kannst du damit deine Inhaltsnote begründen.


    À+

  • Ich kenne mich mit den Regelungen in der Sek II zwar nicht aus, aber unsere Werkrealschüler müssen in Klasse 8 eine ähnliche Arbeit schreiben (natürlich ist da der Anspruch geringer und sie ist nicht in einer Fremdsprache). Da diese Arbeit aber auch benotet wird - und ziemliches Gewicht hat - müssen unsere Schüler vorher schriftlich versichern, die Arbeit allein geschrieben zu haben und dass übernommene Zitate korrekt angegeben sind. Wenn dies nicht der Fall ist (egal ob ein bissl umformuliert oder nicht), gibts bei uns die 6 und keiner macht sich die Mühe, so ein Machwerk noch zu korrigieren. Warum auch?


    Falls das bei euch nicht so ist, würde ich evtl. die Arbeit nochmal erstellen lassen oder nur die Stellen korrigieren, die der Schüler offensichtlich alleine formuliert hat. Der Rest ist schlicht ein Täuschungsversuch.

  • Ein Kollege meinte, es "sei schon eine eigene Leistung, umzuformulieren"

    Und das ganze Tippen erst. Was das für eine Leistung ist. Ihr Kollege ist, mit Verlaub, ein Saftsack, der das Niveau nach unten zieht. Da könnt' ich mich übergeben. Umformulierung ist für sich genommen keine Leistung. Sie wird notwendig, um die Ideen anderer dem eigenen Duktus anzupassen. Geht dabei alles glatt, d.h., schafft man es den Sinn beizubehalten, wenn sich die Formulierung ändert, hat man nachgewiesen, dass man etwas verstanden hat.


    Aber dann müsste ja auch die Quellen angegeben werden. Und es müsste sich um wissenschaftlich belastbare Quelle handeln, da fällt Wikipedia schon mal aus.


    Das scheint mir hier alles nicht vorzuliegen. Vielmehr scheint es ein klassischer Fall von Wikipedia-Abtipperei zu sein. Ein solcher kann nur als Plagiat, ergo Täuschungsversuch, behandelt werden. Somit wäre die Herkunft des fremdsprachlichen Teils irrelevant. Sollte dieser Textteil aber, so lese ich da 'raus, insgesamt unverständlich sein, sollte er als solcher gekennzeichnet werden. Er entzieht sich somit nämlich einer detaillierten Korrektur und einer inhaltlichen Bewertung.


    L. A


    P.S.: Drucken Sie die nicht als Quellen angegebenen Wikipedia-Texte aus und fügen Sie diese als Anlage dem "Gutachten" bei.

    Einmal editiert, zuletzt von Lehrkraft A () aus folgendem Grund: P.S.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo!


    Dass der Kollege aus Gutmütigkeit anders handelt als ich es gerade will, ist keine Frage. Nur bin ich Vertretungslehrerin und er der Kollege.
    Es ist allerdings egal, da ich selbst mit seinem Raster "ich gebe Punkte für die Einhaltung von Rändern, Absätzen und so weiter" auf keine gescheite Note komme. Ein Dank an den Raster also.


    Ich habe schon alle Wikipedia-Quellen markiert und an den Seiten der Arbeit (kopierte Fassung) getackert und markiert.


    Bei einem "normalen" Text würde ich selbst bei katastrophaler Unverständlichkeit mir die Mühe machen, alles aufzuzählen und zu korrigieren. Darauf haben die SchülerInnen ein Anrecht.
    Ich weiß allerdings nicht, ob Schüler (in so einem Fall) überhaupt Anspruch auf eine Korrektur haben. Das werde ich wohl nächste Woche klären müssen, ich hab eh genug Anderes zu tun erstmal.


    Danke,


    Chili

    • Offizieller Beitrag


    Da muss ich in allen Punkten zustimmen. So etwas als Facharbeit abzugeben ist eine Unverschämtheit. Die NRW Bildungspolitik zielt zwar darauf ab, für jeden Satz, den ein Schüler halbwegs geradeaus schreibt, bereits massig Punkte zu vergeben, aber man muss das Ganze nicht zu wörtlich nehmen.


    Gruß
    Bolzbold

    • Offizieller Beitrag

    Ohne viele Worte: L.A. hat vollkommen recht.


    Leider kenne ich es auch, dass man "gegen" gnädigere Kollegen anarbeiten muss. Schafft auch ungute Stimmung, deswegen würde ich mit meinen Ausdrucken zum Rektor wackeln und mich kurz seiner Rückendeckung versichern. Dann kann man auch Eltern, die bei sowas gerne mal anrufen, gleich an ihn verweisen. Einmal durchgezogen, hat man seinen Ruf weg und längere Zeit Ruhe. Blöd nur, dass du den Trupp mittendrin übernehmen musstest. Hilft dir nicht, hast aber mein Mitgefühl.

  • Gutmütigkeit

    Der Begriff passt auch bei gutmütiger Betrachtung nicht. Solche Kollegen meinen zwar häufig etwas Gutes zu tun, aber sie machen genau das Gegenteil. Sie entwerten die Leistungen derjenigen, die ernsthaft und ehrlich dafür gearbeitet haben.


    Deshalb sollte man bei so etwas "standhaft" bleiben und sich weder von Schülern, Eltern oder "Kollegen" über die Tränendrüse beeinflussen lassen.


    Viel Erfolg!


    L. A

  • Zitat

    ...Saftsack...


    Bleiben wir doch mal sachlich:
    Angestrebt war hier ja das geben einer "6", wegen Plagiat. Ein Plagiat ist aber nur die identische Übernahme fremder Zitate (auch kurzer). Das liegt hier offensichtlich nicht vor, denn der Schüler hat den abgegebenen Text nach der Beschreibung selbst formuliert. Das er das sowohl inhaltlich (Beschränkung auf eine einzige Quelle, deren Inhalte - nicht Texte - auch noch unreflektiert übernommen wurden) als auch sprachlich ungenügend (im wörtlichen Sinne) gemacht hat steht auf einem anderen Blatt. 0 P zu geben wird nach der Beschreibung gerechtfertigt sein, aber ich wäre sehr vorsichtig mit der Startegie "Ist eh 0 P, da brauche ich den Mist auch nicht mehr im Detail zu korregieren". Letzteres geht nur, wenn die Voraussetzungen für die Wertung als Plagiat auch wirklich erfüllt sind. Wenn das nicht der Fall ist und man trotzdem 0 P geben muss - weil die Leistung schlicht ungenügend ist - muss man das auch einwandfrei begründen und kommt um eine Korrektur nicht herum.


  • Angestrebt war hier ja das geben einer "6", wegen Plagiat. Ein Plagiat ist aber nur die identische Übernahme fremder Zitate (auch kurzer).


    Plagiat ist auch die SINNGEMÄSSE Übernahme ohne Kennzeichnung. Für jede Seminararbeit an meiner Uni musste ich diese Erklärung unterschreiben

    Zitat

    Von Plagiat spricht man, wenn Ideen und Worte anderer als eigene ausgeben werden. Dabei spielt es keine Rolle, aus welcher Quelle (Buch, Zeitschrift, Zeitung, Internet, usw.) die fremden Ideen und Worte stammen, ebenso wenig ob es sich um größere oder kleinere Übernahmen handelt oder ob die Übernahmen wörtlich oder übersetzt oder sinngemäß sind. Entscheidend ist allein, ob die Quelle angegeben ist oder nicht. Wird sie verschwiegen, liegt ein Plagiat, eine Täuschung vor.


    Ist also keine Quelle angegeben oder wikipedia nicht als Quelle angegeben, dann ist es ein Plagiat.

  • So, oder so. Ob die Arbeit nun wissenschaftlich unredlich oder wissenschaftlich ungenügend ist, die Bewertung muss begründet und dokumentiert sein.


  • Plagiat ist auch die SINNGEMÄSSE Übernahme ohne Kennzeichnung. Für jede Seminararbeit an meiner Uni musste ich diese Erklärung unterschreiben ...


    Das mag an der Uni sicher richtig sein, da ist aber auch ein neuer wissenschaftlicher Erkenntnisswert der Arbeit gefordert. Die Hürden an der Schule liegen etwas tiefer, da kann eine Arbeit auch rein reproduktiv sein. Und da ist die Grenze zwischen ich schreibe Bekanntes mit eigenen Worten zu ich schreibe ab und formuliere nur ein bischen um schwieriger zu ziehen.


    Wie gesagt: nach der Beschreibung ist es keine Frage für mich, dass die Arbeit mit 0 P zu werten ist und dass es auch eine ziemliche Frechheit vom Schüler ist so etwas abzugeben. Ich würde nur davor warnen, hier die 0 P alleine durch "Täuschungsversuch" zu begründen. Nach der Beschreibung halte ich es durchaus für möglich, dass es sich einfach nur um eine sehr schlechte Arbeit handelt und nicht um einen Betrugsversuch. Wenn man bei bei der beschriebenen Lage 0 P ohne weitere Bewertung der Arbeit gibt, riskiert man, dass der Schüler damit zum Schulleiter rennt und man sich da - je danach, wie der Schulleiter halt tickt - eine Klatsche einfängt. Und das ist dann dem Kurs und dem Schüler gegenüber erst recht problematisch. Ich würde mir also auf jeden Fall vorher die Rückendeckung des Schulleiters holen. Die sauberste Lösung wäre für mich, die Arbeit zumindest grob zu korrigieren und eine Bewertung zu formulieren, die klar macht, dass die Arbeit in wirklich allen Beziehungen ungenügend ist (formal, inhaltlich, sprachlich). Detaillierte Rückmeldungen im Sinne von "Du musst besonders an 1., 2. und 3. arbeiten um dich zu verbessern" würde ich hier natürlich nicht geben.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo!


    Mein Stand ist folgender:


    Der deutschsprachiger Teil ist komplett korrigiert (sprachlich, inhaltlich, plagiat-vermerke, Fragezeichen, fehlende Überleitungen, usw..).
    Die Einleitung in der Fremdsprache ist vollständig korrigiert.
    Die 2 Seiten in der Fremdsprache wurden auf die Absurdität des ständigen Sprachwechsels hin korrigiert (Ländernamen und Zwischentitel noch auf Deutsch), sprachlich grob aufgezeigt, was wirklich gar nicht geht und inhaltlich selbstverständlich auch, soweit ich es verstehen konnte.
    Eine dreiseitige Begründung des Erwartungshorizonts liegt auch vor.
    So bin ich sicher auf der richtigen Seite.


    Schade um meine Zeit, ich hätte als erste Facharbeit lieber eine Arbeit gehabt, die gut ist.


    Chili

  • Moebius: Die Plagiatserklärung meiner Facharbeit lautet wie folgt:

    Zitat

    Ich erkläre, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im Literaturverzeichnis aufgeführten Quellen und Hilfsmittel verwendet habe.


    Das führt zum gleichen Ergebnis: wenn wikipedia nicht als Quelle angegeben ist, ist es ein Plagiat.

  • Zitat von Moebius

    Die Hürden an der Schule liegen etwas tiefer, da kann eine Arbeit auch rein reproduktiv sein.

    Zumindest in Niedersachsen darf eine Facharbeit nicht rein reproduktiv sein. Im SVBL (Schulverwaltungsblatt) 6/97 heißt es z.B.:

    Zitat von SVBL 6/97

    Die Facharbeit gibt den Schülerinnen und Schülern exemplarisch Gelegenheit zur vertieften selbständigen wissenschaftspropädeutischen Arbeit. Sie bezieht sich auf den Unterrichtsgegenstand des Kurshalbjahres und soll den Rahmen von 15 Textseiten in Maschinenschrift nicht überschreiten. Die Schülerin oder der Schüler hat durch Unterschrift am Ende der Facharbeit zu versichern, daß sie oder er diese selbständig angefertigt, keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt und die Stellen der Facharbeit, die im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt anderen Werken entnommen wurden, mit genauer Quellenangabe kenntlich gemacht hat.
    (Text lässt sich hier nachlesen.)

    Zumindest diese fehlt in der eingangs erwähnten Facharbeit.


    Die reine Wiedergabe einer Biografie (auch wenn sie aus verschiedenen Quellen zusammengetragen wird) ist deshalb übrigens keine ausreichende Leistung (da selbstständiges Denken, Recherchieren nicht möglich sind).


    (Und ja, ich weiß, der oben zitierte Erlass ist von 1997 und das neue Seminarfach gibt es erst seit 2006, aber die neuen Empfehlungen hatten für die Ausgestaltung ausdrücklich auf die alten Regelungen verwiesen, so dass sie somit weiterhin Gültigkeit haben sollten.)

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