Erstklässler beim Stehlen erwischt!

  • Hallo ihr Lieben,


    ich habe eine 1. Klasse. Vor einem Schüler (ich nenne ihn hier "Hakan"), der die Klasse wiederholt, wurde ich bereits von dessen ehemaligem Klassenlehrer gewarnt: Er "klaue"; falls in der Klasse mal was "weg käme" (Radiergummis etc.), sollte ich bei ihm mal nachsehen...
    Allerdings kam dergleichen bis neulich nicht vor. Im Gegenteil, der Schüler ist soweit unauffällig gewesen und besonders zu mir immer sehr freundlich.
    Er kommt aus einem problematischen Elternhaus mit Migrationshintergrund. Aus sicheren Quellen habe ich erfahren, dass der Vater bereits kriminell in Erscheinung getreten ist (Autoknackereien) und seinen Sohn da wohl mit in den Sumpf zieht. Die Familie hat offenbar auch Schwierigkeiten mit der Aufenthaltserlaubnis; muss des Öfteren zum Konsulat (an solchen Tagen fehlt der Junge; mir wurde eine Bescheinigung des Konsulates mal als "Entschuldigung" zur Einsicht überlassen).
    Da der Junge bislang immer unauffällig war, übertrug ich ihm am Tag vor der Karnevalsfeier den Auftrag, etwas in den Klassenraum zu bringen (wir hielten uns in einem anderen Raum auf). Der Junge erfüllte den Auftrag, allerdings waren hinterher einige Süßigkeiten verschwunden, die für die Feier am nächsten Tag bereit lagen. Der Junge war der Einzige, der alleine im Klassenraum war. Allerdings stritt er alles heftig ab - ich konnte ihm auch nichts beweisen. Ich wurde aber hellhörig...


    Heute nun ereignete sich folgender Vorfall:
    Während dieser Woche sammeln wir von allen Kindern 5 Euro Kopiergeld ein (in der Frühstückspause). Der Sitznachbar des Jungen meldete sich plötzlich verzweifelt und sagte, dass sein 5-Euro-Schein verschwunden sei. Dieser habe vor ihm auf dem Tisch gelegen. Ganz spontan machte "Hakan" eine "Unschuldsgeste": Er zog die Schultern hoch und streckte die Arme vom Körper, so, als wolle er sagen: 'Ich war es aber nicht!' - Ohne, dass ich auch nur seinen Namen gesagt oder bewusst zu ihm hingeschaut hätte!
    Ich fragte ihn dann: "Hakan, hast du denn 5 Euro Kopiergeld mit?" - "Nein!", war die Antwort. "Weißt du, wo das Geld deines Nachbarn ist?" - "Nein!" Große Augen, Unschuldsmiene! Ich forderte ihn auf, seine Taschen zu leeren. Sofort zog er sein Innenfutter nach außen (so, als würde er dies nicht zum ersten Mal tun). Da war nichts. Ich befragte ihn nochmals eindringlich - er stritt alles ab!


    Ich schickte die Kinder in die Hofpause und holte mir eine Kollegin zur Unterstützung herbei. Während die Kinder draußen waren, schauten wir in Hakans Rucksack. Und siehe da: Zwischen den Mappen lag ein zusammengeknüllter 5-Euro-Schein!


    Nach der Hofpause befragten wir Hakan noch einmal zu zweit (auf dem Flur, abseits der anderen): Wieder stritt er alles ab.
    Ich fragte ihn nochmals, ob er vielleicht selbst Geld dabei hätte (er bezahlt selten "freiwillig und pünktlich", wenn mal was einzusammeln ist), ob ihm sein Vater die 5 Euro Kopiergeld mitgegeben hätte. "Nein, ich hab nix!" war die Antwort!
    Wir fragten ihn, ob wir mal in seinen Rucksack schauen dürften. Zögerlich meinte er "Ja" und holte seine Tasche. Nachdem wir das Geld hervorholten, spielte er eine, wie es schien, einstudierte Szene: Wiederum die Unschuldsgeste und: "Wer hat das da rein getan?" Er tat empört, wirkte aber sichtlich nervös!


    Tja, nun ist guter Rat teuer... Die Schulleitung war heute nicht im Haus.


    Habt ihr schon einmal vor einer ähnlichen Situation gestanden und wie habt ihr reagiert? Hätten wir direkt die Polizei holen sollen? Ich muss hinzufügen, dass unsere Schulleitung recht "eigen" ist und "Alleingänge" gar nicht zu schätzen weiß. Diese war aber heute nicht zu erreichen.
    Den Vater des Jungen zu verständigen, erschien uns zunächst nicht sinnvoll.


    Möglicherweise hätten wir die Schultasche des Jungen auch gar nicht eigenmächtig durchsuchen dürfen.
    Welche wäre die korrekte Vorgehensweise gewesen? Direkt die Polizei verständigen, damit diese die Schultasche durchsucht? Wäre dies verhältnismäßig (5 Euro)? Darüber hinaus wäre unsere Schulleitung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht damit einverstanden gewesen.... Schwierig....


    Wie sollte der Fall weiter gehändelt werden? Was sollte ich der Schulleitung vorschlagen, wenn diese morgen möglicherweise "abwiegelt"?


    Für Erfahrungsberichte und hilfreiche Tipps bin ich sehr dankbar!


    Viele Grüße
    Lea

    Carpe noctem!

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  • Puh, du bist nicht zu beneiden...


    Ich war mal in einer ähnlichen Situation, allerdings ging es dabei nicht um Geld, sondern um Spiezeug.


    Generell ein Tipp für alle: wir lassen in solchen Fällen die Kinder immer die Sporthose anziehen, damit wir die eigentliche Hose "untersuchen" können. Das alles erfolgt auch immer nur im Beisein einer zweiten Kollegin, in meinem Fall war es eh die Schulleiterin.


    Bei meinem Schüler wurden wir beim ersten Mal in den Hosentaschen fündig. Da war es also dann offensichtlich, dass er es war. Im Gespräch danach hat er zwar alles abgestritten, aber wer sollte ihm etwas in die Hosentasche stecken???
    Beim zweiten Mal haben wir in den Hosentaschen nichts gefunden. Im Gespräch haben wir ihn dann dahingehend "weich" bekommen, dass wir ihn etwas "eingelullt" haben. Ich habe ihm vorgelogen, dass ich es schon verstehen könnte, wenn man Spielsachen klaut, wenn man daheim nichts zum Spielen hat. Daraufhin hat er es so halb zugegeben. Beim Suchen haben wir es dann im Schulranzen gefunden.


    Sicherlich sind meine Angaben keine große Hilfe für dich!
    Aber dennoch würde ich morgen auf alle Fälle den Kontakt zur Schulleitung suchen und wenn möglich Situationen vermeiden, in denen dein Schüler unbeaufsichtigt im Klassenzimmer ist.


    Wie wäre es mit einem Gespräch innerhalb der Klasse? Dafür würde ich vielleicht die Situtation mit den Süßigkeiten nehmen. Du kannst ja schildern, dass du enttäuscht bist, weil scheinbar irgendjemand Süßigkeiten geklaut hat. Wie kann man das wieder gut machen? Wie fühlt sich jeder einzelne dabei?


    Puh, blöde Situation. Die Eltern sind aufgrund der Vorgeschichte sicherlich auch keine große Hilfe...

  • Hallo Joy,


    danke erstmal für deine Antwort!
    Den Tipp mit den Sportsachen werde ich mir merken - sehr gut!


    Ja, mir bleibt vorerst nichts anderes übrig, als morgen mit der Schulleiterin zu reden.
    Allerdings war diese mir neulich auch keine Hilfe - denn da war noch ein Vorfall bezüglich "Hakan":
    Auf der besagten Karnevalsfeier war er der einzige, der nicht verkleidet war. Allerdings zog er irgendwann eine vermeintliche Spielzeugpistole hervor, die mir aber seltsam "echt" erschien... Ich nahm sie an mich: Sie war aus Metall, schwer, und unten am Griff mit Tesafilm abgeklebt. Ich zog eine Kollegin zu Rate, die meinte, das wäre eine waschechte Gas- bzw. Schreckschusspistole. Sie schaffte es auch, das Ding zu öffnen und zeigte mir, wo man die Munition einfüllen könne.
    Ich war entsetzt und rannte sogleich zur Schulleitung. Diese aber wiegelte ab: So ein Quatsch, das wäre ein Spielzeug, woher sollte der Junge denn eine echte Waffe haben?
    Na toll, selbst auf meine Frage hin, ob wir das Ding "offiziell" einschließen sollten, wiegelte sie ab.
    Also schloss ich die Pistole in mein Fach ein und sagte Hakan, dass sie da bleibe, bis seine Eltern sie abholen kämen.
    Bis heute liegt sie da immer noch...


    Tja, mal sehen, wie es weiter geht... :-/


    Elternschreck:
    Die Schulleitung hatte einen Außentermin. Warum ist das wichtig?


    VG Lea

  • Oh je, das klingt ja echt heftig.


    Soweit ich weiß dürfen wir keine Taschen durchsuchen, nur wenn das okay des Schülers vorliegt und er es selber macht. Selber Hand anlegen geht nicht.


    Bei Zweifel ob es sich um eine echte Waffe handelt stets die Polizei befragen. Der Besitz einer Waffe ist nur unter strengen Auflagen erlaubt, nur Erwachsene dürfen dies und auch nicht in der Öffentlichkeit. Wir hätten den Fall, dass ein Schüler eine softair mitführte - da gab es für die Eltern ein Bußgeld.


    Aber das müsste eure Schulleitung auch wissen *kopfschüttel*

  • Hallo flecki,


    vielen Dank für deine Antwort!
    Hm, das mit dem "Nicht-Durchsuchen-Dürfen" dachte ich mir bereits - ich hatte mal ähnliches im Netz gelesen, da ging es aber um Sekundarstufenschüler und das Recht der Lehrer, in deren Handys schauen zu dürfen (bei konkretem Missbrauchsverdacht).
    Bei unseren Kleinen ist das ja immer so eine Sache... sie sind noch so jung und schützenswert. Darüber hinaus ist mein "Hakan" wohl ein ganz durchtriebenes Bürschchen, welches von zu Hause aus wohl ganz konkrete Verhaltensweisen eintrainiert bekommen hat, wenn er "erwischt" wird... Da mussten wir einfach "handeln".


    Ich werde morgen versuchen, über die Schulleitung unseren "Dorfsheriff" (der mit den Kindern das Verkehrstraining macht) in die Klasse zu bekommen. Bei der Gelegenheit werde ich ihm auch die Pistole zeigen. Mal sehen, was das gibt... :-/
    Ja, über unsere Schulleitung schütteln alle Kollegen den Kopf...


    VG Lea

  • Ich war entsetzt und rannte sogleich zur Schulleitung. Diese aber wiegelte ab: So ein Quatsch, das wäre ein Spielzeug, woher sollte der Junge denn eine echte Waffe haben?
    Na toll, selbst auf meine Frage hin, ob wir das Ding "offiziell" einschließen sollten, wiegelte sie ab.

    Na toll. ?( Wir haben vor dem Hintergrund der ganzen Amokläufe eingetrichtert bekommen, besonders aufmerksam zu sein und bei jedem Verdachtsfall, dass ein Schüler eventuell Amok laufen könnte, die SL zu informieren (und da würde ein Waffenfund wohl mit reinzählen). Klar. GS ist was andres als Gym, aber trotzdem ...


    Ich hoffe, dass die SL den Dorfsheriff informiert und der mal bei euch vorbeischaut.


    Zu Hakan weiß ich allerdings keinen Rat. Vielleicht einfach mal unter vier Augen und ohne Vorwürfe mit ihm sprechen.

  • Hallo Flipper,


    nun, auf den "Ernstfall Amok" sind auch die Grundschulen hinreichend sensibilisiert und konkret "von oben instruiert". Im Falle "Hakan" ist das aber weit hergeholt. Dieser Erstklässler hat das Problem, dass er in einem kriminellen Milieu heranwächst und dieses Zeug zum "spielen" bekommt. Das Ding war ja leer. Nichtsdestotrotz ist das Ganze sehr alarmierend!
    Ich werde auf jeden Fall durchsetzen, dass die Polizei in den Fall involviert wird und die Sache mit der Waffe gleichzeitig klären. Sollte sich die Schulleitung irgendwie quer stellen, werde über den Lehrerrat an sie herantreten. Leider ist der Kollege, der Hakan im letzten Jahr in der Klasse hatte, langfristig erkrankt. Ich schaue mal, ob ich ihn privat erreichen kann; bestimmt hat er auch noch Tipps für mich.


    Mir geht es in diesem Post in erster Linie darum, zu erfahren, wie man im heutigen Fall (Diebstahl von 5 Euro) "professionell" gehandelt hätte - eben besonders vor dem Hintergrund, dass es sich um einen Erstklässler handelt. Ich denke, mein Handeln war soweit "ok", aber ich hätte theoretisch noch Spielraum gehabt. (?) Ausgerechnet heute war die Schulleitung außer Haus...


    VG Lea

  • Schulsozialarbeit an der Schule?
    Mir fällt noch der Jugendpolizeibeamte ein. Der darf erstens mehr als ein Lehrer, z.B. "untersuchen" und kann auch mal in der Klasse einen kindgerechten Vortrag zum Thema Diebstahl halten. Das hat bei uns schon mal gut funktioniert.
    Gruß
    Pepi

  • Das mit der Waffe solltest du schnellstens klären, möglicherweise gibt es bei euch einen Erlass/Rechtsverordnung, der/die vorschreibt, dass man in solchen Fällen die Polizei unverzüglich informieren MUSS!


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Hallo Lea!


    Das "im Ranzen Nachschauen" wird ja kein Nachspiel haben. Zwar hattest du vorher schon mal geschaut, aber letztendlich hatte Hakan ja sein "Okay" dazu gegeben und ihr habt in seinem Beisein nochmal geschaut!
    Das muss deshalb ja gar nicht offiziell werden, dass man vorher bereits einmal nachgesehen hatte.


    Ich kenne aus einer Parallelklasse ein Kind, das geklaut hat (in der ERSTEN KLASSE!!), es ging um Dinge wie 2-Euro-Ausflugsgeld, einen schönen Stift des Nachbarn, einen Massageball der Lehrerin.
    Hier wurde nicht die Polizei eingeschaltet, aber eingehend mit Kind gesprochen (was außerdem natürlich den Schaden ersetzen und einen "Entschuldigungsbrief" bzw. "Nachdenkzettel" schreiben musste), mit dem Elternhaus sehr deutlich gesprochen und schließlich (aufgrund weiterer Umstände) auch das Jugendamt (die Bezirkssozialarbeit) hinzugezogen.

  • Hallo NIciCresso,


    vielen Dank für deinen Beitrag - das macht Mut! :)


    An alle:


    Der derzeitige Stand der Dinge ist folgender:
    Meine SL hatte erstaunlich gut reagiert und sich Hakan ordentlich "zur Brust" genommen. Sie schaffte es sogar rhetorisch trickreich, dass Hakan ein Beinahe-Geständnis abgelegt hatte: Er gab es zwar nicht konkret zu, jedoch versprach er, dass so etwas nie wieder vorkommen würde... ;) Dem Jungen ist das hartnäckige Abstreiten und Schweigen so furchtbar eingeimpft worden...!
    Auch das "Thema Waffe" hatte sie endlich geschluckt! Sie brachte Hakan dazu, dass er erzählte, wo er diese her habe (von einem Onkel, naja, wir werden sehen...)!
    Der Vater wird jetzt in die Schule zitiert und ihm wird in aller Deutlichkeit klargemacht, dass Hakan von der Schule fliegt, sollte derartiges noch einmal vorkommen... Wow!
    Weiterhin habe ich heute mit Einverständnis der SL mit der Polizei telefoniert, welche nächste Woche in die Klasse kommen wird. Ich habe von der Pistole berichtet und werde diese dem Polizisten übergeben. Alles weitere wird dann wohl polizeilich geregelt...


    Puh, ich fühle mich regelrecht erleichert!


    Euch allen danke ich für eure Antworten und euer Interesse!
    Einen schönen Abend und viele Grüße


    Lea

  • Ich denke doch, dass es richtig und auch erlaubt war, die Schultasche in diesem Fall zu durchsuchen.
    Den Schüler würde ich in einem 4- oder 6-Augengespräch (also ggf. mit Schulleitung) offen danach fragen, warum er es getan hat.
    Oft steckt hinter so etwas ein Aufmerksamkeits-Problem.
    Ist der Schüler ein Außenseiter?

  • Weiterhin habe ich heute mit Einverständnis der SL mit der Polizei telefoniert, welche nächste Woche in die Klasse kommen wird.

    Wie ist denn der Fall ausgegangen? Wieso hat die SL nicht selbst die Polizei angerufen, wo sie doch für Außenbeziehungen zuständig ist? Hatte sie Angst vor den Eltern?


    Wir hatten hier im Ort an der Förderschule so einen Fall: Drei Kinder derselben (ausreisepflichtigen) Familie fehlten regelmäßig zwei bis drei Tage am Monatsanfang und erzählten Klassenkameraden, dass die Familie nach Paris fahre, um dort Geld abzuholen. Offenbar Sozialhilfebetrug. Der Klassenlehrerin erzählte eines der Kinder, sie sollten in ihre Heimat (Kosovo) abgeschoben werden, aber ihr Anwalt habe ihnen geraten, wahrheitswidrig zu behaupten, Roma zu sein, um die Abschiebung zu verhindern. Einige Wochen hat das wohl funktioniert, doch dann verabschiedeten sich die Kinder, aber nicht um nach Hause zu reisen, sondern um bei einem Onkel in Dortmund unterzutauchen, was sie freimütig erzählten. Der von den Kolleginnen informierte Schulleiter unternahm nichts und untersagte ihnen sogar, von sich aus die Polizei zu informieren.


    Gibt es Regelungen über die Kooperation zwischen Schule und Polizei, oder liegt dies im Ermessen der SL?

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