Provokationen pubertierender Schüler

  • Kürzlich habe ich in einer 8er Klasse in Partnerarbeit Gedichte schreiben lassen, die bestimmte formale Kriterien erfüllen sollten - andere aber nicht. Einige Schüler - durchweg Jungs (ich bin eine Frau) - haben diese Gelegenheit genutzt, im Stil von pubertärem deutschem Hip-Hop ihre pornografischen Phantasien auszuleben, die auf üble Art frauenverachtend waren (teilweise Vergewaltigungswünsche). Ich habe die Partnerarbeit beaufsichtigt und dachte, es sei eine Strafe für die entsprechenden Schüler, diesen Mist laut vorzulesen, aber sie haben ihre Rolle als provokante Regelbrecher geradezu genossen und hatten nicht einen Anflug von Scham oder Befürchtungen, was ich nun Schlechtes über sie denken könnte. Da ich ja zuvor erklärt hatte, auf den Inhalt käme es nicht an, musste ich sogar zugeben, dass die formalen Vorgaben alle erfüllt waren - ja leider waren sie sogar auf fehlerfreie Weise erfüllt. Zum Inhalt habe ich nur gesagt, dass das, wenn es ein Aufsatz gewesen wäre, eine schlechte Note gewesen wäre.


    Das hat mich ziemlich erschüttert, weil es mir klargemacht hat, dass ich nicht die geringste Autorität gegenüber diesen pubertierenden Knaben zu haben scheine. Ich bin, nach ihrem Verständnis, vor der Klasse vorgeführt worden. Auch bei anderen Gelegenheiten merke ich, wie sie sich über mich und andere SuS lustig machen - und sogar glauben, ich würde ihre Ironie gar nicht bemerken. Ich habe einen von ihnen im Einzelgespräch verwarnt, damit sie wenigstens das begreifen. Die bisher angedrohten Strafen habe ich allerdings bisher nicht umsetzen können, da ich keinen von ihnen eindeutig erwischt habe. Vielleicht ändert das dann etwas.


    Ich bin mir unsicher, wie eine erfahrene Lehrkraft sich in dem oben geschilderten Fall verhalten hätte. Und weil ich auch in der Stunde unsicher war, konnte ich nicht zeitnah reagieren. Ich habe mir natürlich nichts anmerken lassen. Denn tatsächlich hat mich das Pornografische an dem Gedicht - ich kannte das schon aus einer anderen Klasse, wo es aber sehr verschämt vorgetragen worden war - nicht schockiert. Ich kann ja niemanden ins Klassenbuch eintragen "aus sittlichen Gründen" - da käme ich mir zu gouvernantenhaft vor und es ist mir auch egal. Aber diese aggressive Frauenverachtung - womöglich gar nicht einmal so bewusst, sondern eher nachgeahmt - hat mir vor allem im Nachhinein zu denken gegeben, was man da tun könnte. Sollte ich den Klassenlehrer benachrichtigen? Oder die Eltern? Oder ist das jetzt zu spät? Hätte ich sie in der Stunde sanktionieren sollen? Aber wie? Oder geht mich das als Deutschlehrerin etwa gar nichts an, was meine SuS über Frauen denken?


    Und wie geht ihr mir persönlichen Angriffen um, wenn ihr z. B. permanent verarscht werdet? Ich denke immer, das muss man eben schlucken, solange es nicht den Unterricht stört (also z.B. davor oder danach stattfindet). Es ist ja lächerlich, wegen so etwas um sich zu schlagen. Es mindert allerdings auch die Autorität, sich das immer gefallen zu lassen, oder nicht?


    Ich hoffe, ihr versteht ungefähr die Situation. Erschwerend kommt hinzu, dass ich als Neuling im Schulbereich mir gar nicht sicher bin, was ich eigentlich darf und was nicht... Klar, das wird irgendwann besser, aber ich frage mich ja auch hier durch, um dazuzulernen. Danke schonmal.

  • hast du die "gedichte" noch...
    wenn ja.. würde ich sie mit einem freundlichen hinweis an die schüler von ihren eltern unterschreiben lassen...
    vielleicht mit einem kurzen hinweis an die eltern , dass die formalen bedingungen gut gelungen sind sie sich aber mit ihrem kind noch einmal intensiv mit dem inhalt auseinander setzen mögen....evtl. noch ein paar hinweise bzgl. des frauenbildes.. welches das kind zu haben scheint...
    zu spät ist es dafür sicherlich nicht.... du solltest handeln, denn sonst läuft dir das ganze mehr und mehr aus dem ruder.


    da du an einem gym bist.. sollten die eltern da meist noch interesse an ihren schülern haben...


    meist gibt sich das dann ganz schnell....

  • Raket-O-Katz: Du gibst die Orignale den Schülern mit? Bei uns die dann immer den "Abgang" und sind nicht mehr auffindbar, so dass diese bei den Eltern gar nicht ankommen.. Ich gebe den shcülern höchstens die Kopie mit udn behalte das Original. Meistens (je nach Inhalt) schicke ich die Kopie mit einem Schreiben unangekündigt den Eltern und bitte um Unterschrift udn Stellungnahme.

    Freundlichkeit ist kostenlos, aber niemals umsonst.

    • Offizieller Beitrag

    Tipp fürs nächste Mal: wenn ich die Schüler antike Texte verarbeiten lasse und die formalen Kriterien klar sind, sage ich immer: "Einziges inhaltliches NoGo: Kein Porno!"
    Gibt Gelächter, und sie halten sich dran.


    Ansonsten würde ich so handeln wie oben beschrieben.

  • Zitat Bateulvre :

    Ehrlich gesagt, wundert es mich nicht, was da die Jungs so von sich gegeben haben. Dieses ganze Hip-Hop-Geäffe mit den fragwürdigen Ghetto-Texten scheint mittlerweile auch in etablierteren Gesellschaftsschichten anzukommen. Zur Erinnerung : Bushido hat im letzen Jahr einen Bambi feierlich überreicht bekommen. Wer glaubt, dass Bushido sich in den letzten Jahren geläutert hätte, möge seine letzten Videos betrachten.


    http://www.youtube.com/watch?v=aHHdxRSLzkw&feature=related


    -Von daher hätte ich von den o.g. Schülern auch keine Scham erwartet.


    Zitat

    Da ich ja
    zuvor erklärt hatte, auf den Inhalt käme es nicht an, musste ich sogar
    zugeben, dass die formalen Vorgaben alle erfüllt waren - ja leider waren
    sie sogar auf fehlerfreie Weise erfüllt.

    Du musst gerade bei pubertierenden Jugendlichen die Grenzen vorher dichter und genauer abstecken. Mit zu viel Freiheit können die nichts Sinvolles gestalten.


    So gesehen haben sie ihre Aufgabe erfüllt und Dich dabei gut vorgeführt. Als Anfänger kann es einem deswegen passieren, dass man in den Menschen (Schülern) zunächst nur das Gute sehen möchte. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    Einmal editiert, zuletzt von Elternschreck ()

  • eltern mit einschalten finde ich auch eine gute sache; darüber hinaus muss ich aber sagen, dass dieser punkt an die schüler geht ;) , (was ich aber gar nicht schlimm finde) und zwar auf gar keinen fall wegen der inhalte, sondern, weil du ihnen eine steilvorlage gegeben hast, die sie schamlos ausgenutzt haben.


    unter umständen wäre es noch einmal sinnvoll, das ganze gemeinsam zu reflektieren. die implizite relevanz dieser texte für die gesellschaft usw zu thematisieren, und auch den skopus der betroffenen über das geschlecht zu erweitern (ich überspitze mal: würden die so etwas auch über ihre mutter schreiben? da sind sie nämlich häufig sehr empfindlich)... müsste man sich aber sehr genau überlegen, wie man das anstellt. nur so ein gedanke...

  • Zwei Wege würden mir spontan einfallen:


    1) Wie schon geschrieben: die Eltern mit einbeziehen. Unangekündigt heimschreiben mit der Bitte um Rücksprache, den Text des Kindes in Kopie beilegen.


    2) Das Thema Familien- und Sexualerziehung steht vermutlich in allen BL irgendwo in 7-9 als fächerübergreifendes Bildungs-/Erziehungsziel in den Lehrplänen. Ich könnte mir auch vorstellen - wenn man sich den Aufwand antun mag - die "Gedichte" zum Anlass zu nehmen, einen Projektvormittag (oder auch nur eine Doppelstunde) zum Thema "Sexuelle Gewalt" abzuhalten und dazu einen Referenten von außen (z.B. von einer Opferorganisation) mit hinzuzubitten, die dann den Text gemeinsam mit den Urhebern vor der Klasse seziert. Das dürfte tendenziell unangenehm sein...

  • Referenten von außen

    noch besser!


    Zartbitter e.V. wäre möglich, aber auch http://www.wildwasser.de/ scheint ganz gut zu sein, um was in der Nähe zu finden. Kann man ja einfach mal anrufen, was geht und was nicht geht, sagen die einem schon relativ schnell.


    am besten auch zeitnah das ganze abwickeln, dann ist es allen noch präsent.

  • hast du die "gedichte" noch...


    Leider nein. Sie wurde nur vorgelesen. Aber ich werde in der nächsten Stunde die Hefte einsammeln. Ich fürchte, dass die Übeltäter, wenn ich nur IHRE Hefte oder gar nur ihre Gedichte einsammeln will, Lunte riechen und einfach abstreiten, dass sie sie dabei- oder überhaupt noch hätten.
    Eine Kopie mit Anmerkung geht an die Eltern, die das nicht nur unterschreiben sollen - das könnten ihre Söhne nämlich auch leicht... - sondern auch dazu Stellung nehmen.

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