Meike, klar darfst du in Hessen auch Bavarismen anstreichen. Schwieriger wird es dann mit regionalen Unterschieden: Gibt es einen "Hessisismus"? Oder sollte man gleich alle Fehler als "Dialektismus" kennzeichnen?
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Meike, klar darfst du in Hessen auch Bavarismen anstreichen. Schwieriger wird es dann mit regionalen Unterschieden: Gibt es einen "Hessisismus"?
Und wie es den gibt!"Der Kurve ihr Graph"
"binomiche Formel" (analog zu isch, disch misch, binomisch)
"Dem Büchner sein Stück"
usf.. -
Und in Franken hieße das dann Frankismus? hmmmm, klingt aber dämlich
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Wird hier in HH gerne von Schülern und Lehrern benutzt:
"Stöcker" anstelle von "Stöcke". -
Zitat
Und in Franken hieße das dann Frankismus?
Nein, da isses frankiert. -
Und wie es den gibt!"Der Kurve ihr Graph"
[...]
"Dem Büchner sein Stück"
usf..
Diese beiden würde ich aber jetzt als Bavarismen bezeichnen... -
Und wie es den gibt!"Der Kurve ihr Graph"
"binomiche Formel" (analog zu isch, disch misch, binomisch)
"Dem Büchner sein Stück"
usf..Naja, der Dativus possessivus ist deutschlandweit verbreitet, wenngleich "wem ist das Fahrrad - mir" in genau dieser Form zugegebenermaßen selten ist. Hessismen sehe ich eher in dem gegenüber dem Standarddeutsch verringerten Phoneminventar; so ist es dem gemeinen Hessen schlechterdings unmöglich, zwischen stimmhaften und stimmlosen Plosiven zu unterscheiden (/'papa/ vs. /'baba/). Auch Konsonantencluster aus stimmhaften bzw. stimmlosen velaren Plosiven und bestimmten Liquida fallen im Hessischen zusammen (Standarddeutsch: /graχt/ vs. /kraxn/ oder /gli:d/ vs. /'klɪtorɪs/). Auch die Verschleifung von /ç/ zu /ʃ/ ist typisch: /ɪʃ/ für "ich" und /ˌʦva:n'fɪʦɪʃ/ für "zweiundvierzig". Das typisch hessische Bonmot "Bub, ich bin zweiundvierzig und Elektroingenieur" erhält da ein ganz besonderes Kolorit - ungefähr so die linguistische Entsprechung einer Seppelhose.
Ne "ganz schnell weglauf" le
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Schön ist auch: darf ich mal ins Klo? Und
Ich bin runter gefallen statt hingefallen...und der hat mich mit dem Fuß geschlagen... -
Wart ihr alle bei mir im Unterricht? Ich glaube, es gibt keinen der hier im thread genannten Sprüche, der in meiner Klasse nicht regelmäßig fälllt.
Mein persönlicher Favorit ist übrigens die Frage eines deutschen Kindes: "Wer gehört den Bleistift?" Da aber grundsätzlich niemand seine Stifte wiedererkennt, blieb uns die Antwort "Ich!" bisher erspart.
Außerdem verkündet unsere Elternschaft gern: "Mein Kind geht Ginasiomschule." -
Der nordhessische Schüler nutzt Ersatz-Vokabular.
Die Konjunktion "als" ist flexibel einsetzbar.
So schreibt / sagt man: "Ich werde als vom Arbeiten abgehalten" - anstatt: "ich werde andauernd vom Arbeiten abgehalten."
Das ist steigerungsfähig: "Ich werde alsezu ..... "-
Sollte man aber einen Satz mit der Konjunktion formulieren, heißt es dann:
"Ich habe mir eine neue Hose gekauft, wo ich bei meiner Schwester war." -
Der nordhessische Schüler nutzt Ersatz-Vokabular.
Die Konjunktion "als" ist flexibel einsetzbar.
So schreibt / sagt man: "Ich werde als vom Arbeiten abgehalten" - anstatt: "ich werde andauernd vom Arbeiten abgehalten."
Das ist steigerungsfähig: "Ich werde alsezu ..... "-Das "als" ist hier aber nicht die Konjunktion sondern ein niederdeutsches Adverb, das "immer", "schon", "ganz" etc. ausdrücken kann. Soweit ich mich aus alten Tagen erinnere, wird dieses als im Hessischen auch gedehnt ausgesprochen, anders als die kurze Konjunktion "als". Auf Platt hieße der Satz "Ik ward alls vunn die arbeet afhalten! Nix to mooken." In't Platt ut dat dörp, wo ik von wech komm, kannst ji ook "allens" för "all" seggen. Dat is dann ook n' lütjen beeten länger.
Auf Hochdeutsch ist dieses Adverb als Partikel noch verkrustet in "allzu" enthalten, ; im Englischen im Wort "already". Oder im Märchen von Hase und Igel: "Ik bün allwedder dör!"
ZitatSollte man aber einen Satz mit der Konjunktion formulieren, heißt es dann:
"Ich habe mir eine neue Hose gekauft, wo ich bei meiner Schwester war.""Wo" als allgemein gebrauchte Konjunktion oder auch als Relativpronmen ist, soweit ich weiß, eine süddeutsche dialektale Besonderheit. Der Wikipedia-Artikel über Bairische Dialekte nennt das Beispiel "er is da größte docker, wo gibt". Der Gebrauch von "wo" im Artikel selbst, zeigt übrigens eine größere Bedeutungsbreite, öfters über das rein örtliche hinaus, als für mein norddeutsch geprägtes hochdeutsches Sprachverständnis akzeptabel wäre.
Ganz nebenbei, wie ich mit einigem Erstaunen zur Kenntnis genommen habe, gibt es dem Artikel zufolge im Bayrischen auch das Phänomen der präpositionslosen Orts- oder Richtungsangabe, ganz wie im sich herausbildenden deutschen Großstadtdialekt: "ma gêd moakt" vs. "Isch geh Aldi" oder "er geht erste Klasse Schul" vs. "er geht Gymnasiumschulle" sind syntaktisch identisch. Sicherlich sind die Gründe dafür unterschiedlich - der Großstadtdialekt ist stark türkisch geprägt, in dieser agglutinierenden Sprache werde die Aufgaben unserer Präpositionen morphologisch über Suffixe und Infixe gelöst.
Linguistisch ist das alles sehr interessant und man sollte bei Schülern die Abweichungen vom Standarddeutsch nicht reflexhaft als Dummheit oder Bildungslosigkeit betrachten, da steckt oft mehr dahinter, als wie man so denken tut.
Nele
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Linguistisch ist das alles sehr interessant und man sollte bei Schülern die Abweichungen vom Standarddeutsch nicht reflexhaft als Dummheit oder Bildungslosigkeit betrachten, da steckt oft mehr dahinter, als wie man so denken tut.
bingo, sowas kann man doch perfekt für den Unterricht fruchtbar machen ...
edit: witzig ist das manchmal "tropsdem"
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bingo, sowas kann man doch perfekt für den Unterricht fruchtbar machen ...
wenn in einer ostfriesischen Hochdeutsch-Übersetzung die Fragestellung mit "tun" gebildet wird, braucht man sich um das englische Pendant keine große Sorge zu machen
so wie die hessischen Schulkinder kein Problem mit dem dativ possessivus hatten, weder im Lateinischen noch im Französischen
die armen Hannoveraner, sag ich da nur
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Das Konzept des progressive-Aspekts im Englischen erkläre ich immer mit einer Ruhrpott-Form, die genau das gleiche ausdrückt:
"Hömma, kommste runner, Fußball spielen? - Kannich, ich bin grad am Mittachessen dran!" "Hey, you would like to come down and play football? - I can't, I am having lunch."
"Ich war gerade voll am malochen dran, als die Tür klingelt." - "I was hard working, when suddenly the doorbell rang."Nele
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Zitat
"Der Kurve ihr Graph"
[...]
"Dem Büchner sein Stück"
usf..Diese beiden würde ich aber jetzt als Bavarismen bezeichnen...
Genau, sie müssen Bavarismen sein, denn in HEssen sagt man doch:"De Kurv ihrn Graph"
und ...
"De Büschna sei Stück"
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...bei uns heißt es nach der Pause immer mal wieder: "XY hat mich erwürgt!"
Na DANN erledigen sich "unsere" Sprachprobleme sowieso bald von alleine. :nixmitkrieg:
Ich denke, viele Dinge sind einfach regional bedingt, da finde ich es dann nicht so schlimm (Westen: NACH Aldi gehen, Nordhessen: als/wie, Schwaben "Teppich" statt Decke", Bayern: falsche Artikelzuordnungen etc.). Tropsdem sollte man den Unterschied erklären und es zumindest markieren. [Auch wenn ich bei als und wie immer erst über die Regel nachdenken muss ;)) - ohne meine alte Deutschlehrerin hätte ich diesen Fehler ja nie bemerkt.]
Nordhessische GrüßeLyna: Das heißt "alszus" - und so heißt inzwischen sogar ein Lokalmagazin hier.
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Genau, sie müssen Bavarismen sein, denn in HEssen sagt man doch:"De Kurv ihrn Graph"
und ...
"De Büschna sei Stück"
Hast rescht -
Ich weiß gar nicht, was ihr alle wollt! Ich wohne hier in BaWü und stelle mit Entsetzen fest, dass anscheinend der Spruch "Wir können alles - außer hochdeutsch" nicht nur bei uns zutrifft!
Mein Lieblingsspruch:"Des is des beschde des wos gibt " (Translation : "Das ist das Beste, das wo es gibt" )
Bemängelt wird auch immer wieder der Unterschied zwischen "wie" und "als" - "Der ist größer wie ich" - Meine Viertklasskollegin sammelt mittlerweile bei jedem Fehler dieser Art Geld ein für die Klassenkasse
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wie und als im Vergleich bekommen auch viele Erwachsene nicht hin, da könnte ich ja richtig Knete machen
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Ich liieebe Dialekte und kann mich auch jeden Tag damit "rumschlagen". Der Genitiv mit "dem" hat sich ja schon längst durchgesetzt, aber im Badischen gibt es noch die wunderbare Nominativ-Form. Man wird im Laden mit "Schöner Tag noch" verabschiedet und die Schüler haben gestern noch "ein gruseliger Film" angschaut... von als und wie mal ganz zu schweigen, und sitzen, setzen, stehen und stellen wird hier auch nicht unterschieden.
Die weil-Konstruktion mit dem vorgezogenen Verb ist gesprächsanalytisch eine der häufigsten "falschen" Formen und gesprochen völlig in Ordnung, finde ich. ("Ich konnte nich kommen, weil ich war beim Arzt...")
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