Religion als Fach in der Schule

  • Religionsunterricht ist nicht Unterricht ÜBER eine Religion, sondern aus einer bestimmten Religion heraus. Das führt dann dazu, dass die Urteile - egal, ob es um das Thema Kirche, Ethik, Menschsein, Aufeinandertreffen von Religionen, Tierschutz, oder was weiß ich, dass diese Urteile irgendwie viel überlegter, tiefgehender, menschlicher und differenzierter sind. Weil man eben nicht schlauschwätzerisch sich ÜBER Christentum und Kirche stellt und sagt: Die sagen das, die sagen das, und ich sage das, sondern dass man das viel mehr nach einer theologischen Beschäftigung mit dem Thema eben umfassender durchdrungen hat.

    Viel überlegter, tiefgehender, menschlicher und differenzierter sind als was, oder wessen Urteile, bitte? Ich reklamiere für meine Urteile schon auch ziemlich viel Menschlichkeit und Differenziertheit, Tiefe und Überlegung. Vielleicht missverstehe ich dich ja auch.
    Nach einer theologischen Beschäftigung mit dem Thema - irgendeinem Thema, scheinst du zu sagen - hat man es umfassender durchdrungen als ohne? Wenn du das "oder was weiß ich" sehr eng fasst und auf innerkirchliche Themen beziehst, kann ich das noch akzeptieren. Ansonsten hat man bestenfalls die Perspektive der Kirche dazu erfahren. Das allein macht bei mir noch keinen Vorteil aus. (Es ist für mich eine merkwürdige Auffassung von Umfassung, wenn man nach einer katholischen Beschäftigung mit dem Thema Homosexualität das Thema dann tatsächlich umfassender sieht denn als Laie, der sich nicht viel dabei denkt.)

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

    Einmal editiert, zuletzt von Herr Rau ()

  • [size=10][font='Trebuchet MS']
    Das führt dann dazu, dass die Urteile - egal, ob es um das Thema Kirche, Ethik, Menschsein, Aufeinandertreffen von Religionen, Tierschutz, oder was weiß ich, dass diese Urteile irgendwie viel überlegter, tiefgehender, menschlicher und differenzierter sind.


    Das will mir nicht so recht einleuchten. Wodurch bekommen Urteile, die ja idealerweise auf rationaler Argumentation ruhen sollten, eine höhere Dignität, dadurch, dass sie im Religionsunterricht formuliert werden?


    Zitat

    Weil man eben nicht schlauschwätzerisch sich ÜBER Christentum und Kirche stellt und sagt: Die sagen das, die sagen das, und ich sage das, sondern dass man das viel mehr nach einer theologischen Beschäftigung mit dem Thema eben umfassender durchdrungen hat. Ich behaupte, dass die religiöse Dimension des Menschen im Religionsunterricht ernster genommen wird – wenn auch eine unreflektierte Religiosität natürlich nicht akzeptiert wird. Deshalb werden eben auch religiöse Argumente ernster genommen, so wie es in Werte und Normen wahrscheinlich nicht der Fall sein kann.


    Was ist ein "religiöses" Argument im Vergleich zu einem "nicht-religiösen" Argument? (Nebenbei: Wenn andere Formen von Religion im konfessionell gebundenen Unterricht behandelt werden, stellt man sich nicht "über" diese, sie werden ja aus der Perspektive einer bestimmten Religion betrachtet?)

    Einmal editiert, zuletzt von philosophus ()

  • Naja, Herr Rau,


    also, natürlich stelle ich meine Urteile nicht höher als Eure. Aber darum geht es ja hier nicht (mir jedenfalls nicht), sondern es geht um den Beitrag, den der Religionsunterricht neben den anderen Fächern leistet.


    Homosexualität ist jetzt hier vielleicht nicht so ein gutes Thema, aber zum Beispiel "Liebe und Sexualität". Da ist ja das, was den Menschen nach christlicher Lehre "schön" sein lässt meilenweit entfernt von dem, was gesellschaftlich und medial als "schön" gilt. Im modernen Medien- und Internetzeitalter, in dem "Schönheit" oft erstmal auf das Äußerliche eingegrenzt wird, und in dem wahrscheinlich jeder Jugendliche schon mal einen Porno gesehen hat, hat doch das Christentum mit seinem ihm eigenen Menschenbild da schon Interessantes zu zu sagen. Ich teile nicht die katholische Sexualethik, aber man kann da z.B. mal erarbeiten, wie das die Kirche so sieht, und warum. Man muss in der Folge natürlich nicht alles "glauben" und allem folgen, was die Kirche da sagt, das ist ja ganz klar.


    Ich weiß, dass die Kollegen von Werte und Normen und von Philosophie auch sehr verantwortungsvoll arbeiten und für Meinungsvielfalt etc. sorgen, eben so, wie es auch sein soll. Im Reliunterricht wird -je nach Thema- eben Jesus / Gott / der Kirche mehr Raum gegeben, weil das immerhin gewisse Autoritäten sind, die etwas zu sagen haben, was zu bedenken man im Reliunterricht für sinnvoll hält. Diesen Raum bekommen Jesus / Gott / die Kirche im Alternativunterricht nicht in dem Maße. Aber wie gesagt, man sollte nicht alles blindlings übernehmen, denn es geht ja um die Auseinandersetzung mit der Religion in der heutigen Zeit, und nicht etwa um die Übernahme von theologischen Lehrsätzen in die heutige Denk- und Handlungsweise.


    Derartige Autoritäten gibt es meines Wissens nach in den Alternativfächern nicht, da ist der Mensch der alleinige Maßstab seines Denkens und Handelns. Deshalb spielt es da -meiner Einschätzung nach- keine so große Rolle, was z.B. Jesus in einer bestimmten Situation gedacht /gefordert hätte, oder wie er urteilen würde.


    So meinte ich das.


    Hamilkar

  • Aber wie gesagt, man sollte nicht alles blindlings übernehmen, denn es geht ja um die Auseinandersetzung mit der Religion in der heutigen Zeit, und nicht etwa um die Übernahme von theologischen Lehrsätzen in die heutige Denk- und Handlungsweise.


    Ich bin nun weder Theologe noch Religionslehrer, aber meines Wissens haben die Kirchen da einen etwas anderen Anspruch – warum würden sie auch sonst eine "kirchliche Lehrerlebnis" erteilen und die betreffenden Lehrer auf Herz und Nieren prüfen? Selbstredend ist der Religionslehrer dann verpflichtet, die Lehren der Kirche auch zu vertreten.


    Zitat

    Derartige Autoritäten gibt es meines Wissens nach in den Alternativfächern nicht, da ist der Mensch der alleinige Maßstab seines Denkens und Handelns. Deshalb spielt es da -meiner Einschätzung nach- keine so große Rolle, was z.B. Jesus in einer bestimmten Situation gedacht /gefordert hätte, oder wie er urteilen würde.


    Das ist in der Tat wohl die eigentliche "differentia specifica": In anderen Fächern, die weltanschauliche Fragen berühren – vornehmlich: Politik und Philosophie – gibt es keine vor anderen ausgezeichneten Autoritäten, sondern sogar explizite Selbstbescheidung: Es gilt das so genannte "Überwältigungsverbot", der Lehrer ist nicht Träger einer wie auch immer gearteten Wahrheit, sondern soll den Schülern das Selbstdenken ermöglichen. Das halte ich aber gerade für einen Vorzug dieser Fächer.

  • Philosophus,


    Religionsunterricht ist nicht Kirche in der Schule. Und das sagen die Kirchen selbst ebenfalls. Die Relilehrer bekommen ihre Vocatio nicht dafür, dass sie sozusagen flatratemäßig und ohne "Denkfilter" die kirchlichen Lehren in die Schüler reinlenken. Das zu glauben wäre falsch. Kein Relilehrer ist der verlängerte Arm der Kirche.
    Der Relilehrer kann -sollte sogar- Interesse für Religion und Christentum wecken, aber das ist ja nun in anderen Fächern genauso. Welcher Politklehrer soll seine Schüler nicht für Politik interessieren, oder welcher Fremdsprachenlehrer nicht für Fremdsprachen??


    Und, falls ich es noch nicht genug betont hatte: Der Schüler bekommt gute Noten nicht dafür, dass er religiöses Zeugs plappert. Auch im Reliunterricht zählt die Qualität der Gedanken und der Überlegungen. Ein atheistischer Schüler kann bei guter Argumentation beim Thema 'Gottes Existenz' deutlich mehr Punkte einfahren als ein religiöser mit schlechter Argumentation, das ist selbstverständlich. Die Bewertungsgrundlagen sind in Religion genau so wie in anderen Fächern auch, nur dass eben bei der Auswahl der Inhalte christliche Sachen etwas größeres Gewicht haben. Eigenständiges Denken und auch die Einübung darin haben einen hohen Stellenwert im Reliunterricht!


    Hamilkar

    • Offizieller Beitrag

    Philosophus,


    Religionsunterricht ist nicht Kirche in der Schule. Und das sagen die Kirchen selbst ebenfalls.


    Ganz ehrlich, bei den inflationär bei Referendar.de erscheinenden Threads zum Thema "Hilfe, ich bin Reli-Referendar(in) und habe es gewagt, eine Beziehung unter erwachsenen Menschen einzugehen - wie verheimliche ich das am besten vor meinem Chef (der Kirche, nicht der Schule, wohlgemerkt!)?" habe ich leichte Schwierigkeiten, dass zu glauben.


    Inhaltlich bin ich mit Frosch.
    Religionskunde und Wertevermittlung (Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es hinaus) unbedingt und ganz nötig, Religionsunterricht auf freiwilliger Basis an Randstunden.


    Edit: Und, nur um meinen Standort zu verorten: ich bin Atheistin (aus der katholischen Kirche ausgetreten), lege aber großen Wert darauf, dass meine Kinder trotzdem den Zugang bekommen. Ich geb mir Mühe, das Ganze zu vermitteln, denn sonst haben sie ja nicht die Kompetenz, später mal entscheiden zu können, ob sie sich taufen lassen wollen. Und trotzdem muss es möglich sein, das aus der Schule herauszuhalten. IMHO.

  • Ich möchte gar nicht in Frage stellen, dass Religionsunterricht nach klaren Kriterien unterrichtet wird und auch den Schülern Glaubensfreiheit gewährt. Ich habe auch nirgends geschrieben, dass ich Religionsunterricht zwangsläufig für eine Indoktrinationsveranstaltung halte. Gleichwohl: Das Bekenntnis der jeweiligen Kirche gibt für den Unterricht den verbindlichen (!) Rahmen ab. Der kath. Religionslehrer muss doch, wenn ich das Ganze richtig verstehe, die katholische Sexualethik vertreten, auch wenn er sie – als Privatperson – möglicherweise ablehnt. Deshalb muss er ja von der Kirche legitimiert sein. Und völlig ergebnisoffen kann doch da der Unterricht nicht laufen, oder?

  • Ich finde das Thema interessant, weil ich selber immer gesagt habe: Religion hat in der Schule nichts zu suchen.
    Bei einem Weihnachtsgottesdienst (Ein noch stärkerer Eingriff der Kirche in die Schule.) mit den 5. Klassen habe ich beobachtet wie wenig die SuS das interessiert hat, auch wenn er ganz ansprechend war - in so fern ich das als Nich-Kirchen-Besucher einschätzen kann. Die Eltern haben ihre Kinder beim Religionsunterricht angemeldet und wie schon jem. geschrieben hat, gehen die meisten selber nicht zur Kirche. Wie sollen die Kinder also einen Zugang zur Kirche oder zur Religion haben. Trotzdem müssen sie in den Unterricht. Daher wäre es, meiner Ansicht, besser einen Unterricht zu schaffen, der Pflicht für alle Kinder ist und sowohl Religion von außen betrachtet wie auch Themen der Ethik behandelt. Außerdem könnten so auch alle Kinder den gleichen Unterricht besuchen und wären nicht in drei Gruppen aufgeteilt.
    Die meisten Kinder werden vermutlich eine ähnliche Einstellung wie ihre Eltern zur Religion entwickeln, auch wenn diese ihnen wie jotto mit schaf die andere Seite näher bringen wollen. Ich weiß jetzt nicht wie das speziell gemient war, aber bringt man seinem Kind als Atheist jetzt lieber eine evangelische, katholische oder muslimische Religion nahe, damit es selber entscheiden kann, welcher Gruppe es sich anschließt. Das ist gar nicht möglich. Und wenn den Eltern eine religiöse Erziehung und Bildung wichtig ist, können sie dies doch selber übernehmen (bzw. zahlen). So bekommen die Kinder von zuhause eine Sicht auf die Dinge und von der Gesellschaft (ihren Freunden, Bekannten, Umfeld) und können in ihrer Entwicklung entscheiden, welche Religion sie annehmen oder nicht. Da Kinder das nicht bei der Einschulung entscheiden können, sollten sie das erst später entscheiden und nicht von den Eltern in einen Religionskurs gesteckt werden.
    Ich akzeptiere, wenn jem. eine andere Religion hat und behandele jeden gleich. Sollte nicht auch die Schule jeden gleich behandeln und nicht nur für eine Gruppe Religionsunterricht anbieten? So gib es meist nur christlichen Religionsunterricht und Ersatzunterricht gibt es ja auch noch nicht an allen Schulen.
    Welche Autorität soll Jesus, Gott oder die Kirche gegenüber einem atheistisch erzogenen Kind haben, Hamilkar? Das kann ich auch nicht nachvollziehen. Ab einem gewissen Punkt wirkt das eher lächerlich bzw. unglaubwürdig für viele, Dinge mit der Autorität von jemanden oder etwas zu begründen, an die man nicht glaubt.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe selbst Schwierigkeiten, das sinnvoll zu formulieren. Was ich meine, ist, dass mir bewusst ist, dass die christlichen Werte einen großen Einfluss auf meine Erziehung gehabt haben (9 von 10 Geboten finde ich nach wie vor selbstverständlich). Also lebe ich das vor. Außerdem sollen meine Kinder wissen, warum Weihnachten und Ostern gefeiert werden....
    Ach, ich formuliere morgen mal weiter, stillend im Halbschlaf wird das wirr.

  • Also ich bin mit und in dem Bidlungssystem der DDR groß geworden und damit ohne Religionsunzerricht. Im Nachhinein muß ich sagen, das ich gerne welchen gehabt hätte, allerdings nicht im Sinne eine missionierenden Unterrcihts, sondern als vergleichenden Religionsunterricht. Also so Fragen wie:


    Welche Weltreligionen gibt es? Wo kommen sie her bzw. wann und wo haben sie sich entwickelt? Was sind zentrale Glaubensinhalte? Wie ist die Stellung der Religionen in bzw. zur Gesellschaft (auch ein historischer Abriß)?
    Was sind zentrale Positionen heute im Kontext moderner (demokratischer, diktatorischer) Gesellschaften? Welche Verflechtungen mit der Politik gibt es und warum? Welche religiösen Strömungen gibt es, was sind Sekten? Was sind ureligiöse Lebensentwürfe, Atheismus, Agnostizismus? usw.


    ...hätten mich da interessiert und mir heute in der Auseinandersetzung mit den Anmaßungen diverser religiöser Organisationen helfen können.
    In diesem Sinne halte ich Religionsunterricht durchaus für sinnvoll, würde er doch so die freie Entscheidung des Individuums für oder gegen eine Religion ermöglichen und nicht indoktrinieren.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Das ist der Grund, weshalb ich Religion als mündliches Prüfungsfach im Abi hatte. Mich hat der allumfassende Charakter des Fachs interessiert. Wäre allerdings nur ein konfessioneller Religionsunterricht möglich gewesen, so hätte ich das Fach mit gutem Gewissen abgewählt. Ich finde, dass ein konfessioneller Religionsunterricht nichts in der Schule zu suchen hat. Wer daran Interesse hat, der möge doch bitte nachmittags irgendeinen Kurs etc. besuchen. Irgendetwas, was dann ncihts mit der Schule zu tun hat. Klar, unsere Gesellschaft beruht auf christlichen Werten, aber es gab und gibt nunmal auch eine Menge "drumherum", was das Zusammenleben beeinflusst. Da muss ich nicht zwangsläufig ein christliches Hütchen drüber stülpen. IMHO sollte man das Fach eh umbenennen in "Religionslehre" o. ä.

  • Das Fach heißt doch Religionslehre???


    Ich fände es im Interesse der Schüler wichtiger, wenn sie für dieses Fach nicht getrennt würden. Von verschiedenen Sichtweisen aus gesehen wäre es auch viel spannender. Und was ich absolut nicht okay finde, ist, wenn Pfarrer Religionsunterricht geben. Das war immer eine Farce....

    • Offizieller Beitrag

    Kleine Frage in die Runde:


    wer von allen "konfessioneller Reliunterricht in der Schule"-Kritikern / Skeptikern war denn in den letzten Jahren bei einem Schulgottesdienst? (Ökumene gilt bei mir nicht, weil es in jeder Schule doch mindestens einen muslimischen / jüdischen / ... Schüler gibt, der nicht mitgemeint ist.) Wer hat etwas gegen ein Kruzifix in einem Raum, wo er ab und zu Unterricht erteilen soll, unternommen?


    und weil ich die Frage stelle:
    Innerlich geärgert habe ich mich schon, der einen oder anderen Kollegin auch was gesagt, war aber ganz fleissig bei fast allen Gottesdiensten und ignoriere so weit es geht die Kruzifix-ähnliche Skulptur an der Wand in dem Raum einer Relilehrerin, obwohl ein Drittel meiner Kids Muslime sind...
    Also werfe ich nicht den ersten Stein... Ich wundere mich nur, warum wir wohl nix dagegen tun. Wollen wohl alle eine Stelle :-/


    Chili

  • Also, ich fand den letzten Beitrag von Philosophus ganz interessant.


    In den evangelischen Kirchen gelten die Bekenntnisse durchaus als richtungsweisend, letztlich beanspruchen sie aber nicht für sich, dass sie allein die Wahrheit besitzen. Sondern man spricht im Protestantismus vom "Priestertum aller Gläubigen", was bedeutet, dass sich in "privat-religiösen" Fragen jeder Gläubige selbst überlegen muss, wie er denkt und handelt. Er muss es vor Gott verantworten (können). Sämtliche Theologen sind "nur" theologische Fachleute, aber sie "besitzen" nicht mehr Wahrheit als die "einfachen Gläubigen". Das führt natürlich dazu, dass sich jeder Gläubige aber auch selbst Gedanken über seinen Weg machen muss! Eine gewisse Vielfalt ist also möglich, wenn auch keine Beliebigkeit möglich ist. Die Bibel als alleiniger Maßstab scheint erstmal eine klare Richtlinie vorzugeben, aber es wir verkompliziert durch die ganzen Probleme der Auslegung. Z.B. sind ja die Evangelien erst ab 30 Jahre nach Jesu Tod verfasst worden, automatisch unter Einfluss der Theologie der einzelnen Autoren: Was ist nun original von Jesus? Was ist von den Autoren hinzugefügt? Man muss die biblischen Schriften auslegen, und selbst da kann es noch zu unterschiedlichen Meinungen kommen. Freikirchlich orientierte Christen haben es da einfacher, weil sie die Bibel unbedingt 1:1 auslegen, davon ist ja in dem Thread mit dem Sexualkundeunterricht die Rede.
    Es ist also alles nicht so ganz einfach, aber man kann das Ganze schon positiv sehen. Im Religionsunterricht wird durchaus lebendig darüber diskutiert, und zwar auch von Seiten der Schülerinnen und Schüler.
    Und, da wir schon bei Bibelauslegung sind: Da geht es ja längst nicht nur um geschichtliche Sachen, sondern es geht inhaltlich um Religion und methodisch um den Umgang mit Texten. Das sind doch durchaus gute Sachen. Und wie gesagt: Man kann sich ja aus dem Reliunterricht abmelden.


    In der katholischen Kirche, und hier wieder die Anknüpfung an Philosophus, ist das Amtsverständnis der Kirche anders, weil sie sich als Schatz und Hüter der Wahrheit sieht und das an die Gläubigen weitergibt. Das führt aber nur theoretisch zu Problemen wie Philosophus anmerkt, denn unterrichtlich ist da der kath. Reliunterricht ebenso pragmatisch wie der evangelische. Auch innerhalb der kath. Kirche gibt es Laienbewegungen, z.B. "Wir sind Kirche", und sowas, die werden doch auch nicht alle exkommuniziert, nur weil sie kritische Beiträge liefern.


    Jotto-mit-Schaf berichtet von kath. Relilehrern, die Beziehungen eingehen, die der Idealvorstellung der katholischen Kirche nicht entsprechen, und die sich deshalb unter Druck fühlen. Ich jedenfalls habe davon noch nichts gehört (außer hier einmal in einem Thread), und ich fände das natürlich auch nicht gut. Aber andererseits würde ich hier den persönlichen Ratschlag geben, dass man sich doch möglichst vorher informiert, worauf man sich da einlässt. Dass die kath. Kirche eine Sexualethik hat, die nicht jeder teilt, ist ja bekannt.


    Ich werde mal meine Kollegin ansprechen, die kath. Reli unterrichtet. Wenn sie mir etwas sagt, was hier von Interesse sein könnte, werde ich es posten.


    Hamilkar


  • Ok, ich war auch mit im Schulgottesdienst, weil er zufällig in meine Stunde viel. Ich habe mich da aber nur als Aufsichtsperson gesehen und auch nicht mitgebetet und gesungen, weil ich nicht dran glaube. Mein Vertrag wurde trotzdem verlängert, weil jemand für Erdkunde gebraucht wird. Vielleicht kann ich die Sache als Student auch noch etwas lockerer sehen, als in der Refrendarzeit oder als angestellter Lehrer (das kann ich heute nicht sagen). Es ist schade, dass darauf noch geachtet wird, obwohl wir es da in einer nordrheinwestwälischen Großstadt sicher besser haben, als in einem bayrischen Dorf. Außerdem zeigt es keine Akzeptanz gegenüber andersdenkenen Menschen, ähnlich wie die Kopftuchdebatte. Von mir aus kann jeder seine Religion für sich ausleben, so lange er keinem anderen schadet (Die muslimische Lehrerin kann ein Kopftuch tragen.) aber ein Symbol (Kreuz) sollte nicht in der Klasse hängen, weil es nicht die Religionsausübung des einzelnen ist, sondern für alle SuS und LuL im Raum hängt, auch wenn sie einer anderen oder keiner Religion angehören.

  • Naja, auch bei den Evangelen sind die Zehn Gebote eine Glaubensgrundlage. Und dort wird ain absoluter Wahrheitsanspruch vertreten („Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.“)und auch ein Machtanspruch („Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir Feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen, an der dritten und vierten Generation; bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld.“), beides halte ich mit dem, was ich unter einer freien, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft verstehe, nicht kompatibel. So zumindest meine Lesart und da gibt es sicherlich noch viel andere Quellen, die diese bstätigen.
    Achso... die Zitate habe ich aus der Wikipedia, ich hoffe, dass sie in diesem Fall eine halbwegs zuverlässige Quelle ist.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • wer von allen "konfessioneller Reliunterricht in der Schule"-Kritikern / Skeptikern war denn in den letzten Jahren bei einem Schulgottesdienst? (Ökumene gilt bei mir nicht, weil es in jeder Schule doch mindestens einen muslimischen / jüdischen / ... Schüler gibt, der nicht mitgemeint ist.) Wer hat etwas gegen ein Kruzifix in einem Raum, wo er ab und zu Unterricht erteilen soll, unternommen?

    Das mit der nicht geltenden Ökumene verstehe ich nicht... aber ich war in den letzten Jahen aus Prinzipi nicht beim Schulgottesdienst, und wir haben keine Kruzifixe in den Räumen. Bayerische Kleinstadt. Und ich bin im Referendariat aus der Kirche ausgetreten, obwohl die Chancen auf Stellen schlecht standen und ich mir so kirchliche Schulen verbaute.

    Seit 2004 unter dem gleichen Namen im Forum, weitgehend ohne ad hominem.

  • Kleine Frage in die Runde:


    wer von allen "konfessioneller Reliunterricht in der Schule"-Kritikern / Skeptikern war denn in den letzten Jahren bei einem Schulgottesdienst?


    Ich war länger nicht mehr in einem Schulgottesdienst, weil ich mein Abitur 1987 gemacht habe. Das ist allerdings dem historischen Maßstab, in dem eine Ideologie wie das Christentum zu messen ist, sehr wenig. Und ja, ich habe den Religionsunterricht in der protestantischen Diaspora im Oldenburger Münsterland bei einigen Lehrern als sehr missionarisch oppressiv (bis hin zum verdeckt vertretenen Kreationismus) erlebt. Die Katholiken waren auch nicht ohne, hatten aber ein Heimspiel.


    Was modernen Religionsunterricht angeht: wenn ich in den Threads über Religionsunterricht in der Primarstufe lese, was da an Ritualen betrieben wird; da wird kleinen Kindern, die noch voll und ganz in der magischen Phase stecken, durch Habitualisierung die Überzeugung eingeprägt, es gäbe irgendeine transzendente allumfassende, allmächtige, alliebende Macht (Gebete, Gebete, schön kuschelig bei Kerzenschein) und die Kirche spielte in der Angelegenheit irgendeine Rolle (Schulgottesdienste) Das finde ich nicht in Ordnung!


    Was der Einfluss von Kirchen im Religionsunterricht soll marginal sein? Das ich nicht lache. Die Kirchen kontrollieren die Dogmatik der Theologie, sie haben Einfluß auf theologische Examina, bestimmen weitgehend die Lehrpläne, erheben den Anspruch über Vocatio und Missio "ungeeignete" Lehrer ausselektieren zu können. Dass sie sich weitgehend bedeckt halten, ist ja kein Wunder; die sind nicht doof und wissen, dass man in einer weitgehend säkularisierten Gesellschaft wie der unsrigen schon ein geschickteres Marketing betreiben muss. Wer wissen will, wie Religion betrieben wird, wo die Kirchen Deutungshoheit haben, sollte in andere Regionen der Welt schauen - Polen, Afrika, den USA. Wir sollten hierzulande tief dankbar sein, dass das Christentum in der Geschichte der Aufklärung weitgehend gezähmt wurde.


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    Das mit der nicht geltenden Ökumene verstehe ich nicht...

    Hallo!


    mir wurde immer wieder gesagt, man könne Schulgottesdienste nicht als religiöse / kirchliche Eingriffe in die neutrale Schulwelt sehen, da es schliesslich nicht konfessionsgebunden sei und ökumenisch sei.
    Dass die Ökumene allerdings nur die christlichen Konfessionen vereint und nicht die anderen Religionen, die unsere SchülerInnen nun mal haben, scheint in die christlichen Köpfe der Verantwortlichen nicht zu wollen.


    Chili

  • Das Fach heißt doch Religionslehre???


    Läuft hier nur unter "Religion". ;)


    Ich bin übrigens mit 14 schon aus dem Verein ausgetreten und besuche generell keinen Schulgottesdienst (den es bei uns sowieso nicht gibt). Bei mir hängt kein Kreuz an der Wand des Klassenzimmers, noch singe ich christliche Lieder oder bete mit den Kindern. Ich versuche, alle Religionen anzuerkennen, lehne es aber ab, den Kindern christliche "Wertvorstellungen" zu vermitteln. Ich lehre wissenschaftliche Tatsachen und Normen, die eh dem gesunden Menschenverstand entspringen. Und ich glaube, es gibt eh nur ein christliches Kind in meiner Klasse...


    Schulgottesdienste sind meiner Meinung nach schon ein Eingriff in die neutrale Schulwelt. Unter neutral verstehe ich auch die Tatsache, dass man sich Religionen gegenüber neutral verhält. Wenn ich gezwungen werde, an einem Gottesdienst teilzunehmen, so stellt es auch einen Eingriff in meine Entscheidungsfreiheit und Persönlichkeitsrechte dar.

    2 Mal editiert, zuletzt von Siobhan ()

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