Was ist Kuschelpädagogik?

  • In der Diskussion "Was ist ihr Leitbild..." las ich etwas von Kuschelpädagogen. Ich frage mich nun, was das in der Grundschule wäre? Was sind also Kennzeichen von Kuschelpädagogik? Wie sieht demgegenüber die nicht-Kuschelpädagogik aus? Gibt es dafür auch einen Begriff?


    Es würde mir helfen, wenn ihr mir eure Antworten an ein paar konkreten Beispielen erläutert. :) Danke!

  • Also für interessanter als die Beschreibung der Kuschelpädagogik halte ich eigentlich die Beschäftigung mit typischen Kuschelpädagogen bzw. mit Pädagogen, die das eben nicht sind. Kuschelpädagogen stehen im öffentlichen Ansehen in einer Reihe mit Warmduschern, Rehstreichlern und Beckenrandschwimmern - insofern orientiere ich mich sozusagen an Personen der Zeitgeschichte, weil sich öffentlich wohl niemand der einen oder anderen Seite zuordnen würde. ;)


    Also als Mindestvoraussetzung geht ein Kuschelpädagoge grundsätzlich auf die Bedürfnisse seiner Schüler ein und nimmt sich selbst schonungslos in seiner Rolle als Vorbild wahr, zumindest sieht er seine Rolle auf jeden Fall exemplarisch. Etwa so:
    http://www.gaw-verden.de/schul…9/Bilder/Lehrer-Beruf.JPG


    Natürlich freut er sich darüber, wenn seine Schüler höhere Schulabschlüsse anstreben.


    Der hier gilt irgendwie nicht als Kuschelpädagoge:
    http://answers.bettor.com/imag…n-the-DFB-Pokal-57847.jpg


    Zugegebenermaßen gehört er eher in den Bereich der Erwachsenenbildung und appelliert in seinem Arbeitsbereich ausschließlich an ziemlich teutsche Tugenden wie Leistungsorientierung, Ausdauer, Ordnung, Disziplin, Zielstrebigkeit, Geradlinigkeit, gutes Benehmen sowie Verbindlichkeit (Wo habe ich das nur schon einmal gelesen?). Er gilt als "harter Hund", Spitzname: Quälix.


    Wer diese Tugenden drauf hat, wird später dann (vielleicht) wie er:
    http://www.freiepresse.de/DYNIMG/53/57/3955357_W700.jpg


    Wie der in der Schule war, ist mir nicht bekannt. Ist aber auch egal, wer mit solchen Tugenden ausgestattet ist, kann zumindestens laufen und Tore schießen. Dem oben beschriebenen "harten Hund" sind solche Eigenschaften ebenfalls wichtiger, weshalb er denn gelegentlich seinen jüngeren Anvertrauten vom weiteren Schulbesuch abrät.


    Zwischen diesen beiden Antipoden gibt es sicherlich noch viele Zwischenstufen. Aber die lasse ich einfach mal weg. :P


    Mit freundlichem Gruß
    Anton Reiser

  • Kuschelpädagogen sind in meinen Augen diejenigen, die sich weigern, in der Erziehung ein Autoritätsgefälle zwischen Lehrkraft und Schüler anzuerkennen und stattdessen all ihr Wirken "auf Augenhöhe" stattfinden lassen. Damit einher geht für gewöhnlich die Weigerung, klare Grenzen zu setzen und ein Überschreiten dieser Grenzen zu sanktionieren.


    Beispiel:


    Fritz verkloppt in der Pause den Max, sodass der aus der Nase blutet.
    Anstatt dem Fehlverhalten eine klare Konsequenz folgen zu lassen, bestellt der Kuschelpädagoge Fritz zum Gespräch bei Tee und Plätzchen, erklärt ihm in aller Ausführlichkeit, warum das böseböseböse war, lobt den Fritz noch, dass er dem Max nicht gegen den Kopf getreten hat und begründet das Fehlen einer Sanktion dem Kollegium gegenüber mit Fritz' schwerer Kindheit.


    Parallelen zu deutschen Gerichten bei Fällen von jugendlicher Gewaltkriminalität sind nicht zufällig...


    Folgen der Kuschelpädagogik sind dann entsprechend fehlender Respekt (dem Erziehenden, den Mitmenschen, Sachen gegenüber) und bisweilen auch eine als grenzwertig zu beurteilende Nähe zwischen Erziehern und Schülern (--> Odenwaldschule).

    • Offizieller Beitrag

    Ich bin begeistert, Scooby! Deinen Beitrag kann ich voll unterschreiben, genau das ist bei mir auch das Bild vom Kuschelpädagogen.
    Eventuell könnte man noch hinzufügen, dass der Kuschelpädagoge bei jedem Gespräch den Kollegen erklärt, wie böseböseböse doch der Leistungsdruck ist und dass es nur und ausschließlich wichtig ist, dass die Kinder Spaß und Freude bei ihrem Tun haben.

  • ich stimme scooby zu, aber: wer von euch kennt denn so einen kollegen?! das war vielleicht mal ein ideal, das kann man aber doch nie erfüllen, da widerspricht doch der gesunde menschenverstand.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe so eine Bekannte, die ist aber Sozialpädagogin- aber die ist wirklich genau so. Und damit für mich unglaublich anstrengend. Allein wenn die Gespräche mit ihr immer so verlaufen: "Hermine, ich kann deine Gefühle nachvollziehen und deine Meinung ist mir auch wichtig, aaaaber..."

  • wer von euch kennt denn so einen kollegen?! das war vielleicht mal ein ideal, das kann man aber doch nie erfüllen, da widerspricht doch der gesunde menschenverstand.

    Ich empfinde einige Mitglieder im Forum relativ nah an der Kuschelpädagogik. So abwegig sollte es also nicht sein, dass es in Kollegien Kollegen gibt, die so sind.

  • Scooby


    Das, was du beschreibst, beklagt auch Winterhoff in seinen Büchern.


    Hermine


    Schließt sich Spaß und Leistung aus? Mit Hilfe von Google (Suchbegriff: Spaß Leistung) fand ich folgenden interessanten Satz von Prof. F.v.Cube: "Leistung setzt Spaß an der Arbeit voraus... Wer zuverlässig und auf Dauer gute Leistung bringen soll, muss an der Arbeit Spaß haben." Das leuchtet mir ein. Es gibt, wenn ich die Suchbegriffe leicht verändere, auch jede Menge weiterer Verweise zu Beiträgen aus der Hirnforschung, die in die gleiche Kerbe schießen.


    @alle


    Wenn ich die Beiträge lese, frage ich mich genau das, was Linna fragt: Wer kennt denn solche Kollegen überhaupt? Wer den Begriff Kuschelpädagogik benutzt, so entnehme ich den Beiträgen, müsste gleichsam auch die schwarze Pädagogik ansprechen, da beide zusammen gehören, wie Sonne und Mond. Zwei Seiten der selben ideologischen Medaille. Nur wer kennt solche extremen Lehrer? Ich muss in dem Zusammenhang an den Eintrag in Wikipedia: ...der Kampfbegriff werde vor allem von solchen Konservativen ins Feld geführt... Ein Kampfbegriff, der der Realität fern ist??

  • arbeitet die und agiert sie da auch so, hermine?


    ich ärgere mich hier im forum zumindest immer ziemlich, wenn gewisse kollegen, die die grundschule zu ihrer eigenen schulzeit das letzte mal gesehen haben (mit der dazu gehörenden subjektiven färbung der erinnerungen) und mal in der uni gehört haben, "die" grundschullehrer wären kuschelpädagogen, meinen, wir würden einen auf tüddelütüt und eititei und "lass' uns mal drüber reden" machen. dabei komme ich mir manchmal eher wie ein dompteur vor.


    von daher Kuschlerin: danke für deine frage! ich hoffe, diese gewissen kollegen haben jetzt auch den mut, mal ihren mut und ihre "erfahrungen" mit zigtausend kuschelpädagogen kundzutun.

  • Kuschlerin: nein, spaß und leistung schließen sich nicht aus. zumindest nicht immer.
    geübt werden muss, oft bis zum erbrechen und oft ohne lust. aber es gibt immer auch unterrichtsphasen, in denen schüler spaß haben UND leistung bringen.

  • Zitat Silicium :

    Zitat

    Ich empfinde einige Mitglieder im Forum relativ nah an der
    Kuschelpädagogik. So abwegig sollte es also nicht sein, dass es in
    Kollegien Kollegen gibt, die so sind.

    Das denke ich auch schon die ganze Zeit. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • Oh je, ich musste eben an einen uralten Kollegen denken! Was diese Diskussionen an Erinnerungen weckt! :)


    Der sagte mir mal: "Ich glaube, viele von uns Lehrern wollen gar nicht, dass es Kindern gut geht, weil sie den Kinder dieses Gefühl nicht gönnen - können. SIe haben es selbst nicht erlebt als Schüler und wissen auch gar nicht, damit umzugehen."


    Damals, wie heute, musste ich über diese Aussage nachdenken. :?: :?: :?: :?:


  • Ich empfinde einige Mitglieder im Forum relativ nah an der Kuschelpädagogik. So abwegig sollte es also nicht sein, dass es in Kollegien Kollegen gibt, die so sind.

    schön, silicium! "ich empfinde"!
    dann lass uns mal ein tässchen tee trinken, ein kekschen knabbern und ganz in ruhe über deine empfindungen reden. es finden sich bestimmt einige empathische kollegen der kuschelpädagogenfraktion, die dir gern aktiv zuhören, deine aussagen spiegeln und paraphrasieren und dir helfen, im rahmen einer systemischen familienaufstellung DEINEN weg zu finden. denn vielleicht bist du in wahrheit ja gar nicht der harte, stets provokative knochen, sondern der kleine verletzbare junge, der nur gern gehabt werden möchte.
    komm' mal auf den boden und in die praxis. meine these: solche "kuschelpädagogen" in reinform können im schulalltag gar nicht bestehen.


    edit: elternschreck darf natürlich auch gern mitmachen... :thumbup:

  • Frage: Was macht viele Kollegen hier zu Kuschelpädagogen? Ich lese hier erst seit ein paar Tagen mit, von daher wären einige pointierte Stichpunkte hilfreich.


    Ich fange einfach mal an, möglicherweise fühlen sich einige hier angesprochen, die Liste fortzusetzen:


    - Kuschelpädagogen sagen: Wir gehen auf die Interessen der Schüler.
    - Schwarze Pädagogen sagen: Die Interessen der Schüler haben in der Schule nichts zu suchen.


    - Kuschelpädagogen sagen: Tut doch, was ihr wollt.
    - Schwarze Päd. sagen klar, was die Schüler JETZT zu tun haben.


    ...

  • Ich bin auch nicht an der Grundschule, aber ich darf doch auch eine Meinung haben, oder?


    "Kuschelpädagoge" ist für mich das Schlagwort-Äquivalent zu "Gutmensch". Ich kann solche Schlagworte überhaupt nicht leiden, die töten jedes vernünftige Gespräch. Es hat, wie hier ja auch schon erwähnt, etwas von Nicht-gönnen-können an sich.


    Dann gibt es ja auch noch die "Spaßschule" - das absolut Schlimmste! Schüler mit Spaß! Wo kommen wir hin!


    Scooby hat ja schon formuliert, wie es nicht funktioniert. Man kann als Lehrer ohne klare Ansagen nicht existieren, und Gerede ohne Konsequenzen ist höchst problematisch. Aber abgesehen davon finde ich es schön, wenn Grundschulen noch etwas Kuscheliges haben, und bis hin zum Abitur ist "Spaß" der beste Motor für einen funktionierenden Lernprozess.


    Bei allem, was wirklich Spaß macht, gehört Arbeit notwendig dazu: Weder kann man auf Anhieb lesen noch Englisch reden noch Geige spielen noch Inline fahren. Der Spaß wächst, je mehr Arbeit man hineinsteckt. Ein leckeres Mahl ist immer auch mit Arbeit verbunden. Ist es nicht unsere Aufgabe, zu vermitteln, dass man Spaß an Arbeit haben kann, ja, soll?


    Oder habt ihr alle keinen Spaß an der Arbeit? Warum habt ihr sonst diesen Beruf gewählt?

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