Viele Gymnasialkollegen machen es sich echt einfach!
Ich fürchte, du hast das kleine RS unter meinem Benutzernamen übersehen...
Was ist an einer Realschule Alltag?
Eltern mitsamt ihren Kindern sitzen im Büro des Schulleiters/Stellvertreters/Beratungslehrers. In Tränen aufgelöst wird von den Versuchen der letzten Jahre berichtet:
Übertritt gerade so geschafft, in der 5. grade so durchgerutscht mit einem 5er und einigen 4ern. Dann in der 6. Klasse die zweite Fremdsprache. 2-3 mal pro Woche Nachhilfe. Das Kind lernt, schreibt aber trotzdem laufend schlechte Noten und ist zunehmend frustriert. Die Eltern steigern den Druck, Lernen wird zunehmend zum K(r)ampf, das Thema Schule beherrscht den familiären Alltag. Zwei 5er im Zeugnis, aber Vorrücken auf Probe gewährt. Dann in der 7. ist trotz Nachhilfe, Druck, Streit und Kampf die erste Wiederholung fällig. Die wiederholte 7. Klasse wird dann auch grade so bestanden, aber in der 8. sind die ersten Exen und Schulaufgaben schon wieder so schlecht, dass zu befürchten ist, dass das Klassenziel wieder verfehlt wird. Wiederholen wäre in zwei aufeinander folgenden Jahrgängen aber nicht möglich, also würde das Kind von der Schule verwiesen werden.
Und dann - endlich - kommen die Eltern zu uns. Das Kind kann z.B. die zweite leidige Fremdsprache (vorerst) loswerden und hat endlich wieder Erfolg. Außer: Der Druck und die andauernden Misserfolge der letzten Jahre haben die Psyche schon soweit beeinträchtigt, dass erfolgreiches Lernen auch an der RS nicht mehr möglich ist. Und dann droht tatsächlich eine völlig vermurkste Bildungskarriere und ein Abschluss, der hinter den Möglichkeiten weit zurückbleibt.
Das sind genau die Fälle, die jetzt um die Weihnachtszeit bei uns landen. Und ja - es wäre mir deutlich lieber, wenn hier früher erkannt worden wäre, dass das Kind für das Gymnasium nicht geeignet ist, auch wenn im Grundschulzeugnis die Erlaubnis dafür erteilt wurde. Es braucht bei den GYM-Lehrkräften natürlich viel Fingerspitzengefühl, eine vorübergehende Schwäche von einer andauernden Überforderung zu unterscheiden. Nach meiner Beobachtung gibt es aber kaum GYM-Lehrer, die bei den ersten schlechten Noten gleich die Eignung absprechen und auf die RS schicken wollen, viel häufiger dauert dagegen die Leidensgeschichte viel zu lange.
Aber ein Lichtblick existiert: Die Eltern denken um. 40-60% (je nach Standort) der Realschüler in Bayern haben bei der Anmeldung eine Gymnasialeignung im Übertrittszeugnis. Die Eltern erkennen aber, dass ihr Kind dort vermutlich nicht glücklich werden würde und wählen gleich den etwas langsameren Weg, der aber gleichermaßen alle Abschlüsse bis hin zur allgemeinen Hochschule ermöglicht. Und genau das ist die Stärke eines gegliederten Systems, auch wenn das - trotz nachgewiesener Erfolge - in anderen Ländern aus welchen Gründen auch immer nicht anerkannt wird.