Bin gerade ziemlich durch den Wind... Gehört hier vielleicht nicht hin, aber vielleicht hat ja jemand 'ne gute Idee:
Musste letzten Freitag zur Beerdigung einer von mir sehr geliebten Person. Meine Achte Klasse, die zwar immer recht aufgedreht ist, was ich im Normalfall durch gute Laune, Duchgreifen und ein bisschen Quatsch machen ganz gut in den Griff bekomme, hat mich heute an meine Grenzen gebracht. Nachdem nach fast zehn Minuten immer noch keine Ruhe eingekehrt war, um nochmal die letzte Stunde zusammenzufassen und den Bogen für das neue Arbeitsblatt zu spannen, habe ich es recht sauer ausgeteilt, mit dem Hinweis, alle Arbeitsanweisungen stünden schließlich drauf. Dann lief es eigentlich recht gut, ich konnte herumgehen und technische Fragen klären. Gegen Ende der Stunde wollte ich dann noch die Ergebnisse der Arbeit gemeinsam zusammenfassen, was aber wieder nur in totaler Unruhe endete. Dann war ich mit meiner Kraft derart am Ende, dass ich kurz vorm Heulen war, sagt dann noch, dass ich aus privaten Gründen nicht in bester Laune sei: Weiter Unruhe. Konnte mir dann nicht verkneifen, meinen Trauerbrief, den ich zur Zeit immer dabei habe kurz hochzuhalten, um den Grund meiner schlechten Laune zu erklären: Völlige Stille, ich mit nassen Augen. Na Super! Die letzten fünf Minuten noch die Ergebnisse kurz zusammengefasst mit toll mitarbeitenden Schülern.
Mittwoch habe ich die Klasse wieder. Ich mag die alle sehr gern, auch wenn sie recht aufgedreht sind. Im Allgemeinen komme ich aber super klar und gehe da super gerne rein. Aber was mache ich jetzt, nachdem ich mir eine derartige Blösse gegeben habe? Nochmal ansprechen? Völlig ignorieren? Ganz die alte gut gelaunte, immer zu Scherzen aufgelegte Person werde ich in naher Zukunft auch erst mal nicht sein. Passiert mir das Mittwoch gleich wieder?
Irgendwelche Tipps, Erfahrungen?
Trauerfall in der Familie - Fassung vor 8.Klasse verloren
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Mach dir nicht so viele Gedanken wegen deines Standings in der Klasse; deine Trauer geht vor. Ignorieren würde ich es nicht, als Blöße darfst du es auch nicht empfinden, das ist allzu menschlich.
Ich würde mich vermutlich kurz entschuldigen, dass ich die Fassung verloren habe (da können sie schließlich nichts dafür), kurz um Verständnis dafür bitten, dass du zur Zeit nicht scherzhaft drauf bist (aber nicht so, dass sie ANgst bekommen und befangen sind und nie wieder mit dir scherzen wollen), möglicherweise nicht so viel Geduld haben wirst, und dann weiterarbeiten.
Die Schüler reagieren erfahrungsgemäß sehr souverän auf so etwas. -
Ich würde mich am Mittwoch bedanken. Ernst gemeint bedanken, dass die Klasse am Ende, nachdem sie Bescheid wusste, reagiert hat. (ich weiß schon, gleich kommen wieder die Hinweise, dass das verhalten am Ende doch eigentlich selbstverständlich sei.)
Mach dir auch keine Sorgen, dass du dir eine Blöße gegeben hast. Lehrer sind auch nur Menschen, dafür muss man sich nicht schämen. warum auch.
Wenn du dich bedankt hast, kannst du ja darauf hinweisen, dass du an dem Todesfall noch eine Weile zu knabbern hast. Die Kinder werden es bestimmt würdigen und wenn du wieder besser drauf bist, kannst du zu deinem alten Stil zurückkommen.
Mach dir also keine Sorgen für Mittwoch.
kleiner gruener Frosch
Ansonsten von mir alles Gute und herzliches Beileid.
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Danke!
Glaube nur, wenn ich das auch nur anspreche, heule ich gleich wieder. Und die können ja nu wirklich nix dafür. Vielleicht bin ich ja Mittwoch auch schon wieder fitter. Ich fand es von mir auch total doof, dass ich quasi mit dem Holzhammer kam. Aber ich fühlte mich an dem Punkt echt überfordert, andererseits möchte ich die Kinder auch nicht mit einem so schlechten Gefühl entlassen.
Vielleicht ist es wiklich eine gute Idee, mich kurz zu bedanken (auch wenn ich dann wieder rote Augen habe). Den Unterricht werde ich dann wohl erstmal derart umbauen, dass ich mehr übers Schriftliche gehe und eher herumgehe und so helfe.
Vielen Dank noch und sorry für das doofe Thema. -
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Hallo Georgia,
du hast dir keine Blöße gegeben, sondern nur gezeigt, dass hinter der Fassade "Lehrer" auch ein Mensch steckt. Und dass deine Schüler danach so verständnisvoll reagiert haben und es dir leicht machen wollten, indem sie konzentriert mitgemacht haben, zeigt doch, dass sie das durchaus erkannt und v.a. wertgeschätzt haben.
Ich würde mich am Mittwoch ganz am Anfang der Stunde kurz bedanken für ihr Verständnis und auch erwähnen, dass es dir noch nicht so ganz gut geht und du vielleicht in den nächsten Stunden etwas ernster sein wirst als sonst. In der 8. Klasse sollten sie mit so etwas umgehen können. Können sie ja auch - siehe die Reaktion gestern. Das zeugt doch schon von Empathiefähigkeit. Umgekehrt würden die Schüler ja auch erwarten, dass man sie verständnisvoll behandelt, wenn ein Famililenangehöriger verstorben ist.
Falls dir wirklich die Tränen kommen - sie werden es dir sicher nicht als Schwäche auslegen! Vielleicht legst du dir gleich eine Strategie zurecht, wie du dann reagierst, z.B. sofort mit einem Arbeitsauftrag beginnen oder etwas, bei dem sowohl die Schüler als auch du gut beschäftigt sind, was dich ja dann zwangsweise ablenkt.
Mir ist so etwas ähnliches in einer Klasse dieses Jahr auch passiert, auch wegen eines Todesfalls eines mir sehr wichtigen Menschen. Was wären wir für Menschen, wenn man uns keinerlei menschliche Regung anmerken dürfte. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit mangelnder Professionalität zu tun.
Auch von mir herzliches Beileid!
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Guten Morgen !
"Mensch sein" und auch zeigen schön und gut ! Auch kein Beinbruch, wenn einem mal privat-menschliche Regungen aus einer extremen Gefühlssituation herausrutschen.Aber im Prinzip halte ich nicht viel davon, Schüler an privaten Befindlichkeiten teilnehmen zu lassen. Was hätte dagegen gesprochen, eine Woche krankzufeiern, um sich wieder emotional aufzustellen ?
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Elternschreck, vorsorglich ein wirklich ganz eindringlich gemeinter Hinweis von den Moderatoren:
Reiß dich zusammen. Wenn du Anstalten machst, auch diesen Thread zu sprengen, werden deine Posts gelöscht und du verwarnt. Mehrere Verwarnungen können zur Sperrung führen.Ontopic: Liebe Georgia, die anderen haben es geschrieben. Du bist Mensch, du darfst Mensch sein (was wäre man sonst für ein Lehrer?) und sagst morgen einfach kurz und knapp, dass du dich für das Verständnis der Klasse bedankst und nun hoffst, schnellstmöglich wieder zu alter Form zurückzukommen, sie es dir aber nachsehen sollen, falls es nicht sofort gelingt...
"Normale" Klassen werden es auch verstehen, sind ja ebenfalls Menschen
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Liebe Georgia! Mein herzliches Beileid!
Ich schließe mich den Kollegen an! Solche Vorfälle sind zwar sehr unangehm (ich kenne solche Situationen auch), aber jeder sollte dafür Verständnis haben. Jeder kann mal so etwas erleben und erwartet dann auch ein gewisses Entgegenkommen von seinen Mitmenschen. Deine Schüler haben gut reagiert, als sie erkannt haben, dass es dir nicht gut geht. Sie werden auch weiterhin Rücksicht nehmen (hoffe ich zumindest!), wenn du ihnen erklärst, dass du etwas Zeit brauchst.
Um solche Schicksalsschläge zu verarbeiten, hat es übrigens überhaupt keinen Sinn, sich so lange irgendwo einzuigeln, bis man wieder "fit" ist. Dieser Zeitpunkt ist nicht abschätzbar und es reicht auch nach Jahren ein geringer Auslöser und alles kommt wieder hoch! Der bessere Weg ist, wenn man das kann, das "im normalen Leben" zu verarbeiten. Je mehr man sich aus Angst, man könne sich blamieren (wobei der Begriff hier nun wirklich vollkommen falsch ist!), zurückzieht, desto unsicher wird man. Du machst das gut, Georgia, und ich wünsche dir, dass du bald wieder Freude am Leben haben kannst! Alles Gute für dich!
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Ich denke, man kann als Lehrer durchaus den Schülern zeigen, dass man auch ein ganz normaler Mensch ist.
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Ich würde gar nicht drauf eingehen. Die Schüler scheinen zumindest genug Anstand zu besitzen, um nicht nochmal nachzufragen. Einfach reingehen und ganz normalen Unterricht machen.
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Mal etwas OT: Was ist denn ein Trauerbrief?
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Liebe Georgia,
leider kenne ich die Situation, in der du dich befindest, selbst sehr gut und fühle daher mit dir. Vielleicht gibst du dir noch bis zur nächsten Woche Zeit, um über dein Vorgehen zu entscheiden, und versuchst, in der Zwischenzeit wenigstens darüber nicht allzu viel nachzudenken. Handle dann ruhig aus dem Bauch heraus so, wie es dir dann am stimmigsten erscheint. Deine Schüler dürfen gerne wissen und merken, wie es dir geht und du darfst ihnen auch gern sagen, dass dir ihre Reaktion beim letzten Mal geholfen hat. Wenn du dich dabei kurz fasst, stehst du das sicher auch durch. So fühlen sich auch deine Schüler (hoffentlich) ernst genommen, und du bleibst authentisch. Meiner Erfahrung nach (auch wenn ich an meine eigenen Lehrer zurückdenke) macht es in Schüeraugen nur menschlich und trübt in keinem Fall das Verhälnis, wenn wir nicht nur perfekt sind und uns auch mal eine Schwäche zugestehen. Mit Blöße hat das in meinen Augen wirklich nichts zu tun. Ich wünsche dir für die nächste Zeit viel Kraft, es kommen auch wieder hellere Tage! -
Mir erging es vor 1,5 Jahren ebenfalls in einer 8.Klasse ähnlich: durch eine Assoziation im Unterricht, deren Wirkung auf mich ich nicht halb so stark eingeschätzt hatte, erwischte es mich und meine Stimme war hörbar am Zittern. Hinter der Brille wurde mir wässrig.
Die Schüler, eine ganz liebe 8.Klasse (meine eigene), waren betroffen, führten aber das Unterrichtsgespräch mit mir leicht verunsichert weiter. Am nächsten Tag wollte ich den "Vorfall" eigentlich aufklären, fühlte mich aber immer noch nicht stabil genug dafür. Die Stunden darauf fielen aus, und damit war der Zug abgefahren. Ich hätte gerne etwas dazu gesagt vor der Klasse, doch ich denke, so war es auch okay.
Wichtig ist in meinen Augen, dass man bei so etwas, das ja wirklich selten vorkommt, hinterher nicht zu sehr verkrampft, sondern möglichst "authentisch" bleibt (wie ich dieses Wort hasse ). Dem Verhältnis zu meiner damaligen Klase hat meine Entgleisung jedenfalls keinen Abbruch getan!Nur Mut und viel Kraft in deiner Trauer!
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Ich werde immer ganz krüselig, wenn ich so Zeug lese, dass Lehrer bloß Fassade sein sollen. NEIN. Mich würgt es da. Ich möchte eine Gesellschaft, in der Menschen mit allen Fassaden akzeptiert werden. Das wiederhole ich gerne auch bei Twitter, bei Facebook, im Blog oder sonstwo...
Dazu gehört auch, dass Lehrer Gefühle haben, dass Lehrer Fehler machen und dass Lehrer authentisch und aufrichtig damit umgehen.
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Vielen Dank für die Antworten.
Ich denke, "krankfeiern" würde mir jetzt auch nichts bringen. Am Montag hat bis elf Uhr auch nichts darauf hingedeutet, dass mich das so erwischen würde. Den Sonntag über hatte ich mich sehr gut vorbereitet für eine etwas längere Arbeitseinheit. War mit meiner Vorbereitung sogar zufriedener als normal. Und bis elf hatte ich selbst schon seit Acht Uhr vieles, teilweise auch sehr Komplexes zu erledigen (Einzelgespräche, Unterricht etc.). Das hatte mich einfach eiskalt erwischt.
Inzwischen glaube ich, dass auch die rein körperliche Erschöpfung, die durch das ganze Drumherum der Beerdigung und des "normalen" Wahnsinns entstanden ist, dazu geführt hat. Für mich ein Lehrstück, dass Unterrichten ein Knochenjob sein kann. Ich muss an meinem Unterrichtsstil noch hart arbeiten. Körperliche Fitness - im Augenblick der Versuch ausreichend Schlaf zu bekommen- ist doch recht wichtig.
Ich werde mal sehen, wie es morgen so aussieht. Kurzes Bedanken finde ich eine gute Idee. Eine etwas längere Arbeitseinheit (für ein bis zwei Wochen), in der die Schüler auch etwas Praktisches erarbeiten sollen, ich also nicht so exponiert bin, habe ich ja glücklicherweise gerade schon vorbereitet gehabt.
Tja, und damit Rechnen, dass es mich wieder erwischen kann.
Vielen Dank auch für die lieben Zusprüche. -
Ich werde immer ganz krüselig, wenn ich so Zeug lese, dass Lehrer bloß Fassade sein sollen. NEIN. Mich würgt es da. Ich möchte eine Gesellschaft, in der Menschen mit allen Fassaden akzeptiert werden. Das wiederhole ich gerne auch bei Twitter, bei Facebook, im Blog oder sonstwo...
Dazu gehört auch, dass Lehrer Gefühle haben, dass Lehrer Fehler machen und dass Lehrer authentisch und aufrichtig damit umgehen.
Das spannende dabei ist ja noch, dass man wenn man das wirklich lebt, keine Autorität verliert, sondern dazugewinnt.
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