Hallo,
vor kurzem ist eine Tante meines Mannes verstorben. Sie hat zwei Kinder (9 und 11 Jahre) hinterlassen, zu denen wir bis dahin nicht so intensiven Kontakt hatten. Wir haben sie zwar immer wieder gesehen, aber nie so eingehend mit ihnen geredet.
Jetzt kommt der ältere Junge in der Schule, 5. Klasse Hauptschule überhaupt nciht mehr zurecht - bisher hat seine Mama ständig mit ihm gelernt. Daher hat der Vater sich an uns gewandt (gerade an mich als GS-Lehrerin), ob ich ihn unterstützen könnte, was ich ja auch gern machen würde...
Nach dem ersten Termin letzte Woche mache ich mir sehr große Sorgen um ihn. Ich wusste shcon immer, dass er mit Zahlen bzw. Rechnen große Probleme hat(te), das hat auch seine Mutter mir immer wieder erzählt. Sie hat mit ihm sehr viel gelernt, eigentlich hatte der Kleine kaum Freizeit, weil sie ihn immer "gequält" hat (beim Weihnachtsessen mit der Verwantdschaft hatten sie z. B. auch was zum Üben dabei usw.). Jetzt meinte auch die Tante des Jungen, dass der Kleine die Grundschule wohl nur geschafft hat, weil seine Mutter ständig mit ihm geübt hat...
Ein paar Dinge, die mir letzten Freitag aufgefallen sind, weswegen ich die Fragen gestellt hab:
1. Der Junge ist jetzt 11,5 Jahre alt und kann die Uhr nicht lesen. (Obwohl seine Mutter ihm das immer versucht hat beizubringen und sie es in der Schule auch hatten.)
2. Er weiß auch nicht, wann er aufstehen muss in der Früh. Klar, wenn der Wecker klingelt (da ist der Papa schon weg, weil er arbeiten muss und die Kinder müssen selber aufstehen), aber er meinte, er glaubt, das ist um 16 Uhr irgendwas, also 16:xx Uhr. Auf jeden Fall sei eine 4 drin, genauer weiß er es nicht.
3. Er hat keine Ahnung, wann die Schule aus ist, es sei aber eine ähnliche Zahl (auf der Uhr) wie beim Aufstehen. Er weiß nur, dass er dann gleich zum Bus muss, damit er heimkommt.
4. Er lernt schon länger Schlagzeug. Als ich ihn gefragt hab, wie lang der Unterricht immer dauert, halbe oder ganze Stunde, meinte er, es sind nur "ein paar Minuten" - was ich sehr bezweifle.
5. Er hat erzählt, dass in seiner Klasse 25 oder 18 Schüler sind, genau weiß er es nicht. Auf jeden Fall sind es nach seiner Aussage etwa 100mal so viele Jungs wie Mädchen.
Ich muss ehrlich sagen, nachdem ich von meiner Schwiegermutter und auch vom Vater des Jungen gehört hab, dass er die Uhr noch nciht lesen kann, war ich schon etwas verunsichert, konnte es mir aber kaum vorstellen, dass das wirklich so stimmt. Als er aber bei unserem Gespräch das auch angedeutet hat, hab ich versucht, das Gespräch immer wieder auf "Zahlen" zu lenken...
Mittlerweile bin ich absolut sicher, dass der Junge eine sehr ausgeprägte Rechenschwäche hat, weil normal ist das wirklich nicht!
Zur Vorgeschichte noch:
Als er sechs war, wurde er nicht regulär eingeschult, man hat ihnen gleich eine Förderschule empfohlen, was die Mutter auf keinen Fall wollte. Er kam dann ein Jahr in einen Förderkindergarten und mit sieben wurde er dann normal eingeschult, keien Ahnung, wie sie das durchgesetzt hat, weil man ihnen weiterhin eine Förderschule ans Herz gelegt hat. Aber das wollte sie nicht.
Wie gesagt, er hatte von Anfang an große Probleme im Rechnen, beim Lesen udn Schreiben usw. ist er jetzt auch kein Spitzenschüler, aber da kam er relativ gut mit. Aber seine Mutter hat immer so viel mit ihm geübt, dass er durchwegs seine Vier in Mathe bekommen hat. Die Lehrer müssen immer wieder auf die Mutter eingeredet haben, man hat ihr wohl auch öfter empfohlen, den Kleinen auf Dyskalkulie testen zu lassen, was sie auch abgelehnt hat.
Seit diesem Schuljahr ist er in der fünften Klasse in der Hauptschule. Hat also seit ein paar Wochen komplett neue Lehrer...
Und jetzt hängt er halt total und kommt nicht mit, weil er in der "Ganztagsschule" (die diesen Namen nicht wirklich verdient hat, nachdem sie um 15 Uhr schon aus ist) zwar die Hausaufgaben macht und dabei auch Hilfe bekommt, wenn er sie braucht, aber LERNEN soll er zu Hause. Allein kann er es nicht und sein Vater muss arbeiten, hat daher auch nicht sooo viel Zeit und ganz ehrlich, kann er ihm die Sachen auch nciht erklären teilweise. Und dann kommt dazu, dass er nicht einfach schwach ist in Mathe, sondern ihm ein grundlegendes Verständnis für Zahlen fehlt, da helfen normale Erklärungen nichts...
Jetzt bin ich selber etwas überfordert und weiß gar nicht, wie ich an die Sache rangehen soll.
Was würdet ihr machen? Den Vater versuchen zu überreden, den Kleinen jetzt doch noch testen zu lassen? Was würde das konkret bringen? In der Schule bekommt er ja trotzdem keine "Sonderbehandlung" (falls es Unterschiede gibt, es handelt sich um Bayern). Würde ihm eine eventuelle Therapie bezahlt werden?
Was kann ICH selber mit ihm machen? Wahrscheinlich hängt das ja davon ab, woher diese Rechenschwäche kommt... Ich habe schon versucht, mich zum Thema einzulesen, aber man liest auch hauptsächlich von Fördermöglichkeiten im Vorschulalter oder in den ersten Schulklassen...
Kann mir bzw. der Familie bitte jemand Tipps geben, der sich mit der Problematik auskennt?
Liebe Grüße
Judit