Auf der Klassenfahrt haben wir zwei Mädchen dabei gehabt, die erst seit Beginn des Schuljahres unsere Schule besuchen.
Sie sind erst seit einem Jahr in Deutschland sind Roma und kommen aus einem Balkanland. Haben in der Heimat keine Schule besucht.
Merkt man auch, sie sind rein vom Wissen her jetzt auf dem Stand der zweiten Klasse.
Sie sind bei uns in der vierten Klasse und angeblich 10 und 11 Jahre alt.
Beide sind aber körperlich so dermaßen weit entwickelt, dass uns Zweifel am Wahrheitsgehalt der Altersangabe kam.
Was machen?
Nicht? Geht uns nichts an? Ändert auch nichts?
Oder müsste man sich um Richtigstellung bemühen? Was würde das ändern?
Denn irgendeinen Grund muss es doch haben, dass die Eltern schwindeln, wenn sie nach dem Alter ihrer Kinder gefragt werden.
Alter gefälscht?
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Bitte entschuldige, wenn meine Frage total naiv klingt: Mussten die Eltern bei der Anmeldung keine Papiere vorlegen?
In Bayern wandert der Schülerakt von Schule zu Schule mit - und bei der "Einschulung" (in eurem Fall dann eben in die 4. Jgst.) muss doch einmal ein Ausweis / eine Geburtsurkunde im Original vorgelegt werden. In den komplizierten Fällen eben noch Asylanträge oder Aufenthaltsgenehmigungen...
Besitzen die Eltern der Kinder überhaupt keine amtlichen Papiere?
Wenn an den Papieren was "gedreht" wurde, habt ihr wohl kaum Möglichkeiten das eingetragene Geburtsdatum anzuzweifeln (hätte ja dann der entsprechende Aussteller des Dokuments machen müssen)...Bin sehr auf deine Antwort gespannt - DEN Fall kenn ich auch noch nicht (und wir haben auch ne sehr "lustige" Schülerschaft)
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Denn irgendeinen Grund muss es doch haben, dass die Eltern schwindeln, wenn sie nach dem Alter ihrer Kinder gefragt werden.Kindergeldbezugsdauer.
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Klar gibt es Papiere... in denen steht das Geburtsdatum, das wir ja eben anzweifeln.
Aber das ist ja jetzt offiziell... also gilt es wohl. -
Kindergeldbezugsdauer.
Mag ja sein... aber die Eltern sind Analphabeten... denken die wirklich direkt so strategisch?
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Mag ja sein... aber die Eltern sind Analphabeten... denken die wirklich direkt so strategisch?
Es gibt gut organsierte Strukturen, die Betroffene in solchen Dingen beraten.
Ich will natürlich in diesem speziellen Fall nichts unterstellen, habe ähnliches aber selber schon erlebt. -
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Ich kenne einen Fall, bei dem das einfach etwas mit Aufenthaltsrecht zu tun hatte.
Dieser Mensch ist "inoffiziell" inzwischen über 70, offiziell arbeitet er noch (da 62). Hätte er damals sein wahres Alter angegeben, hätte er, aus einem afrikanischen Land kommend, in der DDR kein Aufenthaltsrecht für ein Studium erhalten.
Mag man verurteilen, ich persönlich kann es inzwischen verstehen.Genauso kann das natürlich mit dem Kindergeldbezug sein - aber letztendlich hat eine Behörde dieses akzeptiert. Du persönlich hättest möglicherweise (würde ich vermuten, habe aber keinerlei rechtlichen Kenntnisse diesbezüglich) sogar die Möglichkeit das anzuzeigen - aber die Frage ist: Was bringt dir das?
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Sowas kommt ständig vor. Wir haben ja sehr viel unbegleitete Jugendliche (oder solche, die sich als jugendlich ausgeben). Die kommen in Deutschland ohne Papiere oder mit sehr dubiosen Papieren an. Bei vielen wurde auch einfach ein willkürliches Geburtsdatum in die Papiere eingetragen, z.B. hat die hälfte unsere unbegleiteten Jugendlichen aus Afghanistan den Geburtstag 1.1. eingetragen. Das liegt oft auch daran, dass die gar nict wissen, wie alt sie sind. Ich habe z.B. bei mir in der Klasse einen ehemaligen Kindersoldaten aus Somalia, der sagt selbst von sich, er wisse nicht wie alt er ist. Als Asylsuchender hat man eben Vorteile, wenn man noch minderjährig ist, und wer sollte es den jungen Menschen verdenken, dass sie bei uns eine Chance haben wollen.
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Ich hatte auch mal einen Schüler, der sehr viel älter wirkte, als angegeben.
Er hatte übrigens auch am 1.1. Geburtstag ;-).
Papiere schienen nicht mehr vorhanden zu sein. Auch die Schreibweise seines Namen war nicht eindeutig zu klären,...
Wir schoben diese Zustände darauf, dass er viele Geschwister hat und es dort wahrscheinlich drunter und drüber geht und die Eltern es sich nicht merken konnten, wer wann geboren wurde. -
Ja, da gibt es auch viele Geschwister. Und ich schätze, die Eltern, wussten nichtmal in welchem Jahr oder an welchem Datum die Kinder geboren wurden.
Ihr habt Recht... es ist halt so... ich kann es nicht ändern. Ich werde ganz sicher kein Fass aufmachen.
Vom Wissensstand sind sie wohl in der Grundschule schon noch richtig... und sogar da noch weit zurück im Vergleich zu ihren Klassenkameraden.
Und ich bin echt erstaunt, dass es das so häufig gibt. -
Geburt eines Kindes nicht unbedingt amtlich anmelden - da man dort eh kein Kindergeld bekommt, lohnt sich der Aufwand auch nicht. Wir hatten auch oft Roma mit abenteuerlichen Geburtsdaten.
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An meiner neuen Schule zeigt sich ein ähnlicher Fall. Zwei Roma Mädchen in der 4. Klasse, bereits sehr weit entwickelt. Auf Nachfrage, wie alt sie seien, konnte mir nur eins der Mädchen eine Antwort geben, dass andere wusste ihr Geburtsjahr nicht. Mich hat diese Antwort sehr erschrocken, aber eure Ausführungen bringen da etwas Licht ins Dunkel...
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Falls es da übrigens sehr große Probleme geben, kann man vom Amtsarzt eine Altersschätzung vornehmen lassen. Man muss sich dabei aber im klaren sein, dass das für die Schüler meistens negative Folgen hat.
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Ich habe da nochmal drüber nachgedacht.
Ich werde es auf sich beruhen lassen. Das Mädchen ist halt mindestens 13... auch wenn sie als 10-jährige bei uns geführt wird.
Intellektuell ist sie eh mehr eine Zweitklässlerin... auch wenn sie im nächsten Schuljahr zur Hauptschule/Gesamtschule/egalwelche weiterführende Schule wechseln wird.Eure Beiträge zeigen mir, dass sie kein Einzelfall ist... und dass wir alle Mitleid mit den Kindern haben, die wir ja in den Schulen betreuen.
Andererseits ist das ja eine nette Ausbeutung unseres Sozialstaates.... wir finanzieren das auch noch gutmütig und unterstützen das, indem wir nichts dazu sagen.
Klar kann da jeder sagen, dass es ja nur um die Kinder geht und deren Zukunft... und jeder ja versuchen kann, für sich das beste herauszuschlagen... aber ich setze mein Alter ja auch nicht willkürlich auf 65, weil ich jetzt einen guten Zeitpunkt für die Pensionierung sehe... oder mache meine Tochter 10-jährig, weil ich dann länger KIndergeld bekommen kann... oder beim eventuellen Tod meines Mannes die *große* und nicht die *kleine* Witwenrente bekommen kann.Da schlagen zwei Seelen in meiner Brust... einmal das Mitleid mit diesen Kindern... und andererseits mein Widerwillen gegen die Ausbeutung unserers sozialen Netzes...
Ich neige aber nicht zum Aktionismus... also lasse ich das auf sich beruhen... finde es aber trotzdem nicht gut.
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Ich stimme dir zu caliope - es ist eine schwierige Situation, da da für dich auch ein konkretes Schicksal dahintersteckt. Diese Ausnutzung unseres Sozialsystems stört mich auch sehr und nimmt vor allem immer mehr zu - auch in andere Richtungen. Wo wird das hinführen?
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Im Ernstfall zu griechischen Verhältnissen... weil jeder nur sich und seinen Vorteil sieht... und das System für sich ausnutzt.
Ohne Rücksicht auf die Nachteile, die dadurch der Solidargemeinschaft entstehen... und die das kaum auffangen kann, da die Skrupellosigkeit all dieser *Einzelfälle* ins uferlose wuchert.
Soziale Verantwortung sieht anders aus.
Trotzdem will niemand der Buhmann sein und solche Missstände anprangern... und sich da aus dem Fenster lehnen... ich auch nicht.
Und die KInder tun uns ja Leid...
Und somit unterstützen wir alle diesen Missbrauch des Sozialen Netzes. -
Trotzdem will niemand der Buhmann sein und solche Missstände anprangern... und sich da aus dem Fenster lehnen... ich auch nicht.
Warum solltest ausgerechnet DU das auch tun? Die Schülerinnen wurden ja schon von mehreren Stellen hinsichtlich ihres Alters "begutachtet". Es muss durch das Ausländeramt bei dem Antrag auf Aufenthaltserlaubnis eine "Entscheidung" bzgl. des Alters stattgefunden haben, dem sicherlich ein medizinisches Gutachten o.ä. vorausgegangen ist. Zusätzlich hat deine Schule, d.h. die Schulleitung, die Altersangabe im Zusammenhang mit der Einschulung offensichtlich auch akzeptiert. Sieh es ganz pragmatisch: Wieso solltest ausgerechnet DU berechtigte(!) Zweifel an den Altersangaben haben, wenn alle anderen diese offensichtlich auch nicht hatten? Und ohne "berechtigte" Zweifel musst du auch nichts unternehmen.
Gruß !
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Andererseits ist das ja eine nette Ausbeutung unseres Sozialstaates.... wir finanzieren das auch noch gutmütig und unterstützen das, indem wir nichts dazu sagen.
Anders gesagt: da kommt ein junges Mädchen, dem bislang jegliche Schulbildung versagt wurde, und es hat jetzt die Gelegenheit im deutschen Schulsystem, das durch die Steuerzahler finanziert wird, zum ersten Mal etwas zu lernen und für seine intellektuelle Weiterbildung zu tun, indem es sein wahres Alter verschweigt.
Mag ja sein, dass das "die Regeln bricht", aber mit meinem professionellen Selbstverständnis als Lehrer hätte ich da kein Problem. Ich möchte, dass Leute, die zu mir kommen, hinterher mehr wissen als vorher. Der Rest interessiert mich nicht.
Nele
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