Warum macht man aus Unterrichten eine Wissenschaft?

  • PS: Und bitte jetzt nicht die Ausrede: "...das hat alles mit Menschen zu tun, da geht das mit den wissenschaftlichen Kriterien nicht so..." Die Psychologen können sowas, und die Mediziner auch, warum die Pädagogik nicht?

    da stimme ich dir 100 pro zu - und siehe da, es gibt keine erwiderung auf deinen beitrag!

    Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.

  • nein, ich entschuldige mich - auf den kommafehler hinzuweisen, war wirklich sehr blöd von mir und typisch lehrer - ich nehme das zurück!
    lg
    sonnenkönigin

    Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.

  • Lustig fand ich in dem Zusammenhang übrigens die Erkenntnis aus empirischer Forschung, dass Frontalunterricht in Naturwissenschaften bei Mädchen zu besserem Lernerfolg führt, als der so hochgelobte schülerzentrierte Unterricht. Bei Jungs war es glaube ich nicht signifikant, muss die Studie noch einmal suchen.

    Das wäre super, wenn du die finden würdest ... die MUSS ich haben ;)


    Das deckt sich nämlich mit meiner eigenen bisherigen empirischen Forschung - also der Aussagen der SuS bzgl. meines Unterrichts.
    Der war während meiner Vertretungstätigkeit (und ist es größtenteils auch jetzt noch) in Physik aus den unterschiedlichsten Gründen ("trockenes" Thema, Unkenntnis der Sammlung, Unerfahrenheit mit den Experimenten, ...) vor allem frontal und experimentarm. Als ich mich zum Ende meiner Vertretungstätigkeit bei den SuS dafür "bedankt" habe, dass sie meiner Meinung nach trotzdem gut bei der Sache waren, obwohl sie doch viel mehr (auch eigene) Experimente im Unterricht gewohnt wären, kam als Antwort von fast allen ("ernsthaften") Kursteilnehmern: "Sie brauchen sich gar nicht zu rechtfertigen ... wir hätten sie gerne weiter behalten, weil wir noch nie so viel in Physik verstanden haben wie in den letzten Monaten bei ihnen!" Und die Mädchen waren deutlich ausgeprägter dieser Meinung als die Jungen.


    Und hinzu kam noch, dass eine parallel stattfindende Unterrichtsreihe zum gleichen Thema, aber schülerzentriert, im Parallelkurs (durch den Physikausbildungslehrer der Schule, der mir das einfach mal im Unterschied demonstrieren wollte - ich habe dort hospitiert und zum Teil während der Gruppenarbeitsphasen auch mitgemacht) total in die Hose ging ... also Erkenntnisgewinn bei den SuS nach Abschluss der Reihe nahe bei Null lag ... auch nach Meinung des durchführenden Lehrers, der das so nie wieder machen will (war das 1. Mal, dass er dieses Thema die SuS so erarbeiten ließ).

    "Der erste Schritt zum Lernen ist die Liebe zum Lehrer - weil man die Liebe zur Wissenschaft von Heranwachsenden noch nicht erwarten kann."


    Erasmus von Rotterdam



  • Zitat

    Womit - wenn dem tatsächlich so ist, aber ich mag ja wichtige Quellen übersehen haben - klar wäre, dass die Beziehungsarbeit in der Lehre/im Unterricht im Ursprung überhaupt gar keine zentrale didaktische Idee ist ... vom zeitlichen Ablauf her schon gar nicht sein kann. DIESE Idee war schon lange da ... als noch niemand überhaupt an so etwas wie Didaktik gedacht hat ... und damit hätte die Didaktik diese Idee schlichtweg nur geklaut.

    a) Ich habe nicht geschrieben, dass die Idee der Beziehungsarbeit von der Didaktik erfunden wurde, sondern nur, dass es sich um eine zentrale didaktische (oder vorsichtiger: pädagogische) Idee handelt, und zwar - und nur deshalb habe ich K. Reich genannt - AUCH und GERADE in der Gegenwart. (Ich räume aber ein, dass meine Ausdrucksweise etwas missverständlich war.) Mir geht es schlicht darum, dass die meisten Lehrer imho von Ansichten geprägt sind, die natürlich auch aus der Didaktik auf sie einwirken und die sie, mehr oder weniger reflektiert, übernehmen. Wenn Sonnenkönigin schreibt, sie sei der Ansicht, Unterricht funktioniere wesentlich über Beziehungen, ist auffällig, dass sie eine didaktisch heute sehr populäre Ansicht vertritt - hier MUSS sich kein unterschwelliger didaktischer Einfluss äußern, aber es ist nicht gerade unwahrscheinlich, dass (auch) die Didaktik sich hier bemerkbar macht.


    b) Auch wenn man in der didaktischen, pädagogischen oder philosophischen Erziehungs- und Unterrichtstheorie schon im 15. Jahrhundert Belege finden kann, die auf die Wichtigkeit von Beziehungen abstellen, ist die emphatische Vorstellung der "Beziehungsarbeit" oder des "Primats der Beziehung" natürlich keine Vorstellung, die die Schulrealität dieser Zeit prägt oder aus ihr entsteht. Erstens muss man bei der Rezeption der Quellen bedenken, dass es in ihnen sehr oft NICHT um Schule geht, sondern um Einzelunterricht und damit um etwas völlig anderes. Außerdem gilt, dass bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Schule in der Breite bedeutet: Beziehungen sind asymmetrisch und die Asymmetrie wird notfalls mit Gewalt durchgesetzt, Schulen sind Paukschulen, in denen frontal und instruktiv unterrichtet wird und für Arbeit am Lehrer-Schüler-Verhältnis eher wenig Raum bleibt. Natürlich existiert (notgedrungen) eine Schüler-Lehrer-Beziehung, aber sicher keine, die man mit dem Begriff "Beziehungsarbeit" bezeichnen könnte. Das Bild, das Du hier entwirfst, ist deshalb schlicht verdreht: Die pädagogische und didaktische THEORIE geht der schulischen PRAXIS in der Regel voraus. Die Aufklärungspädagogen des 18. Jahrhunderts reden theoretisch von der Selbstbestimmung der Kinder und drillen sie praktisch auf Gehorsam, die Reformpädagogen reden von der Liebe zum Kind, WEIL diese Liebe in der Breite des Schulsystems nicht sichtbar ist.


    c) Übrigens ist auch die Stilisierung der Psychologie zum Vorbild der Didaktik selbst ein populärer didaktischer Gedanke (auch wenn die Didaktik ihn nicht (!) erfunden hat) - bzw. genauer: es gibt genug Didaktiker und Pädagogen, die meinen, sie würden wichtige Beiträge leisten, wenn sie vom einzelnen Kind aus argumentieren. Es fällt eben schwer zu akzeptieren, dass Schule nicht primär mit einzelnen Kindern arbeitet. Abgesehen davon ist die Aussagekraft der gelobten psychologischen Studien oft doch selber arg begrenzt - wenn man einen psychologischen Aufsatz liest, liest man in der Regel erst einmal ein dutzend Seiten mit "Disclaimern", dann kommt irgendein sehr artifizieller Versuchsaufbau, dann werden Schlüsse gezogen, die, wenn es schlecht läuft, Lücken wie Scheunentore haben. Es wird nicht gelingen, Didaktik wie Physik zu betreiben - aber auch in der Psychologie klappt das natürlich nicht. Das kann aber nicht heißen, sich dozierend vor die Schüler zu stellen und ihre freundlichen Reaktionen (die manchmal auch nur die von Abhängigen sind - wer kennt es nicht, dass SChüler sagen, was für ein toller Lehrer man ist und wie schlecht x ist/war) zur einzigen Basis der Unterrichtsplanung zu machen.

  • Pädagogik wird doch gerade eifrig auf Meßbarkeit umgestellt (Kompetenzorientierung, einheitliche Prüfungsanforderungen für alle Fächer), da muss man sich nicht mehr lange gedulden, dann "können" die Pädagogen das auch. Die Frage ist wohl eher, was wird denn da gemessen?


    Didaktische Modelle, die man so üblicherweise im Studium kennenlernt, fokussieren jeweils bestimmte Aspekte des Unterrichtsprozesses, insofern sind sie auch nicht austauschbar und ergänzen sich zum Teil. Nehmen wir mal ein paar heraus:

    • Lehrtheoretische Didaktik (Heimann / Otto / Schulz): Schwerpunkt: welche Faktoren wirken auf Unterricht, was kommt alles im Unterrichtsprozess vor? Übrigens eine Didaktik, die wirklich kleine Brötchen backt, war ursprünglich für die Referendarsausbildung in Berlin gestrickt (daher auch: "Berliner Modell").
    • Bildungstheoretische Didaktik (Klafki) – Schwerpunkt: Welche Inhalte sind für Bildungsprozesse bedeutsam? (Ist es egal, ob man seine Lesekompetenz mit
      hoher Literatur, Abenteuerromanen, Staubsaugeranleitungen oder der Mitgliedszeitschrift des Heimatvereins schult? Oder hat das unterschiedliche Effekte? Die PISA-Forscher glauben übrigens, dass es im Prinzip auch die Staubsaugeranleitung tut.)

    Ironischerweise gelten gerade die didaktischen Modelle als veraltet bzw. unpraktisch, die auf Meßbarkeit setzten:

    • Lernzieltheoretische Didaktik – Schwerpunkt: welche Ziele hat Unterricht und wie lassen sich diese ausdifferenzieren? (Das sind die von nele schon aufgebrachten, von Referendaren gefürchteten "Lernzieltaxonomien", die außerhalb von Studienseminaren auf wenig Interesse stoßen, aber mittlerweile als Kompetenzraster fröhliche Urstände feiern. Und den Verantwortlichen fällt zum Teil nicht auf, dass es ein 70ies Revival ist.)
    • Kybernetische Didaktik – Übersetzung des Lernprozesses in einen Regelkreislauf, der optimiert wird.

    Gerade das letzte Modell hat besonders deutlich Wissenschaftlichkeit für sich reklamiert und ist dann schnell wieder verschwunden. Warum? Weil wir
    keine Regelkreisläufe unterrichten, sondern Menschen (Jaja, ich weiß, ist nur eine Ausrede ...). Weder die lehrtheoretische noch die bildungstheoretische Didaktik nehmen für sich in Anspruch empirische Bildungsforschung zu sein; gerade letztere ist ja letztlich der Hermeneutik, und damit geisteswissenschaftlucher Methodik verpflichtet.


    Sie tragen Unterschiedliches bei:


    Die lehrtheoretische Didaktik hat die Faktoren bestimmt, die in Unterrichtsprozessen bedacht sein wollen: Anthropogene und soziokulturelle Voraussetzungen des individuellen Lernprozesses (wie ist der Schüler vorgeprägt), Intentionalität (Unterricht ist zielorientiert), Thematik, Methodik, Medienwahl. Gewonnen sind diese Faktoren auf phänomenologischer Basis (auch das ist wieder eine den Geisteswissenschaften entlehnte Methodik) – aber sind die Beobachtungen falsch/unwissenschaftlich?


    Die bildungstheoretische Didaktik fragt schwerpunktmäßig nach den Inhalten und den Zielen – auf hermeneutischer Basis: Welche Inhalte sind gegenwarts- und zukunftsbedeutsam für die Schüler? Dahinter steht natürlich ein Bildungsbegriff der nur bedingt operationalisierbar ist. (Aber post PISA arbeitet man ja fleißig daran, diesen Teil 'wegzuschneiden'.)


    Unwissenschaftlich sind diese Modelle allenfalls gemessen an natur- oder sozialwissenschaftlicher Theoriebildung (Quantifizierung), aber das ist
    ja gar nicht das Vorbild, an dem sie orientiert sind. Ob empirische Bildungsforschung das Alleinseligmachende ist, darf bezweifelt werden,
    denn die Zielvorstellungen läßt sie sich von Wirtschaft und Politik vorgeben. Die bildungstheoretische Didaktik fragt z. B. darüberhinaus, ob die Ziele 'sinnvoll' sind – das ist natürlich nicht quantifizierbar.


    @empirische Psychologie: Die Psychologie hat ihre ganz eigenen Meßprobleme, manchmal weiß sie gar nicht, was sie misst (Lohhausen-Paradigma), dann
    wieder zieht sie Schlüsse, die sich gar nicht aus dem Gemessenen ergeben (Debatte um Willensfreiheit, Libet-Experimente, bei denen n=8 (!) war).
    Dann wieder wird das gemessene Konstrukt beliebig variiert, z. B. Intelligenz oder Hochbegabung (und am Ende sind wir alle ein bißchen "bluna").


    Edit: Formatierungen korrigiert. Edit 2: die Forensoftware "spinnt" bei den Zeilenumbrüchen, habe jetzt keine Lust, alles nochmal zu schreiben. Edit 3: Habe das einleitende Adpersonam gestrichen, mich interessiert die Sachebene.


    Grüße ph.

    7 Mal editiert, zuletzt von philosophus ()

    • Offizieller Beitrag

    In diesem Zusammenhang empfehle ich noch die Lektüre des wirklich gelungenen Artikels von Prof. Ladenthin zum Thema "Kompetenzorientierung als Indiz pädagogischer Orientierungslosigkeit". Der Artikel ist im PhV-Magazin abgedruckt.


    Er unterstellt der Kompetenzorientierung totalitäre Züge und moniert, dass Kompetenzen nicht automatisch zu humanem Handeln führen. Der Mann lehrt an der Uni Bonn unter anderem allgemeine Didaktik und führt die Kompetenz-Gläubigen regelrecht vor.


    Leider darf ich wohl aus Urheberrechtsgründen den Artikel nicht hierher kopieren. Möglicherweise ist er im Netz zu finden oder ein Kollege von Euch leiht Euch das Magazin.


    Gruß
    Bolzbold

  • @Silicium/step: Die Identifizierung von Naturwissenschaft mit Wissenschaft ist natürlich eine – wenn auch nicht seltene – Verkürzung. Aber dann bitte konsequent sein und nicht so unwissenschaftliche Begriffe wie "Beziehungsarbeit" benutzen; hinter der 'guten Chemie' zwischen Lerngruppe und Lehrer stehen natürlich exakt beschreibbare biochemische Prozesse, die sich sicher auch messen lassen; also messen wir demnächst Unterrichtserfolg am Serotoninwert der Probanden, wenn sie ganz hin und weg sind, von ihrem Lehrer begeistert, ließe sich das im Blut bestimmt nachmessen. Haben sie dann aber etwas gelernt, dass ihnen selbst sinnvoll erscheint und längerfristig abrufbar ist? "Sinn" ist keine chemische, biologische oder physikalische Kategorie.

  • Verschwurbelte Formulierung machen noch keine Wissenschaftlichkeit aus. Ich kann den Unmut verstehen, der einen befällt, wenn ein einfacher Sachverhalt in hochgestochenen Formulierungen verklausuliert wird - soll ja schließlich nicht jeder verstehen, oder? In meinen Entwürfen habe ich halt dann auch entsprechende Formulierungen benutzt - verschwurbelt kann ich nämlich auch.


    Das Interessante an der Lehramtsausbildung ist ja eigentlich, den Zusammenhang zwischen Fachwissenschaft und Didaktik auf der einen und der harten Realität auf der anderen Seite zu sehen und zu diskutieren, ein Gespür dafür zu entwickeln, was funktioniert und was nicht, und vor allem auch Kriterien dafür zu entwickeln, was "es funktioniert" eigentlich bedeutet.


    Das Beschäftigen mit Theorie wird immer interessanter, je mehr Erfahrung man hat. Dann sortiert sich vieles neu, was man vorher nicht so gesehen hat. Bei allen Härten der Ausbildung fand ich dies sehr bereichernd und zehre immer noch davon.


    Je nachdem aber, wie es vermittelt wird, kann es einem helfen oder eben schrecklich nerven. Aber darüber muss man hinauswachsen. Es geht ja nicht drum, es einem FL recht zu machen, sondern sich so zu entwickeln, dass man eigenverantwortlich und reflektiert unterrichten kann.


    Und wenn man genervt ist, dann hat man auch mal ein Gefühl dafür, was unsere Schülerinnen und Schüler Tag für Tag erdulden müssen.

  • In diesem Zusammenhang empfehle ich noch die Lektüre des wirklich gelungenen Artikels von Prof. Ladenthin zum Thema "Kompetenzorientierung als Indiz pädagogischer Orientierungslosigkeit". Der Artikel ist im PhV-Magazin abgedruckt.


    Er unterstellt der Kompetenzorientierung totalitäre Züge und moniert, dass Kompetenzen nicht automatisch zu humanem Handeln führen. Der Mann lehrt an der Uni Bonn unter anderem allgemeine Didaktik und führt die Kompetenz-Gläubigen regelrecht vor.


    Leider darf ich wohl aus Urheberrechtsgründen den Artikel nicht hierher kopieren. Möglicherweise ist er im Netz zu finden oder ein Kollege von Euch leiht Euch das Magazin.

    HIER: http://a-m-v.ch/Dokumente/amv_aktuell/AMVaktuell_2011_1.pdf auf Seite 21


    Davor ist der Artikel über das "Experiment zur Kompetenzorientierung" zu finden, in dem man Neuntklässler eine Zentralabiklausur im Leistungskurs Biologie hat lösen lassen ... ;)

    "Der erste Schritt zum Lernen ist die Liebe zum Lehrer - weil man die Liebe zur Wissenschaft von Heranwachsenden noch nicht erwarten kann."


    Erasmus von Rotterdam



    Einmal editiert, zuletzt von step ()

    • Offizieller Beitrag

    Ja, das hatte ich auch schon gelesen. Ist aber auch irgendwie nachvollziehbar.


    Wenn Schüler immer Lesekomeptenz üben, müssen die Aufgaben mit ordentlichem Lesen ja erfüllbar sein, ohne wirklich biologisches Wissen vorher erworben zu haben. Das kann man sicher auch bei anderen Kompetenzen nachvollziehen.

  • Zitat

    Pädagogik wird doch gerade eifrig auf Meßbarkeit umgestellt (Kompetenzorientierung, einheitliche Prüfungsanforderungen für alle Fächer), da muss man sich nicht mehr lange gedulden, dann "können" die Pädagogen das auch. Die Frage ist wohl eher, was wird denn da gemessen?


    Genau das ist das Problem. Ich meine wissenschaftlich untermauerte Erkenntnisse, nicht den ganzen QM-Murks (...naja, fast den ganzen)! Da wäre dann nämlich zunächst mal zu klären was Qualität ist. Außerdem sollte dann methodisch sauber unterschieden werden können zwischen Lehrer- und Schüleranteil am Unterricht bzw. am Ergebnis.


    Ich sehe das so: Lernen ist ein individueller, psychologischer und physiologischer Prozess (Grundannahme). Das heißt, zu aller erst mal, dass die kritischen Phasen (s.a. Entwicklungspsychologie) um bestimmte Dinge besonders gut zu lernen in de Lehrplänen berücksichtigt werden. Also, wann fängt die erste Fremdsprache an, ab wann sind abstrakte Modelle gut lernbar, ab wann ethische Diskussionen sinnvoll usw.. Außerdem gehören Erkenntnisse der Pädgogik berücksichtigt die inzwischen z.B. von der Neurobiologie wissenschaftlich unterlegt wurden, wie z.B. Lernen passiert durch Wiederholung oder dass Umlernen viel schwieriger ist, als Neulernen. Ws machen wie in den Schulen? Genau das nicht.
    Es gehören aus meiner Sicht Unterrichtsmethoden danach klassifiziert, wie gut sie aus psychologischer und physiologischer Sicht geeignet sind Fakten zu lernen, Prozesse und Handlungsabläufe. Danach kann ich sie als Lehrer sinnvoll einsetzen.
    Außerdem gehört klassifiziert, welche Fertigkeiten automatisiert werden müssen (Lesen, Schreiben, Rechnen im Zahlenraum bis 100 u.dgl.), welche vielleicht nicht.
    Das mal ganz grob umrissen.


    Was die Kompetenzen angeht, steht und fällt alles mit dem favorisierten Kompetenzbegriff. Die Inflation von Kompetenzen bzw. Kompetenzbegriffen, die wir derzeit erleben ist ziemlicher Murks. Die deutsche Sprache machts da sehr einfach mit ihren zusammengesetzten Substantiven. Also man nehme ein beliebiges Substantiv und hänge "Kompetenz" an und schon hat man eine neue Kompetenz erfunden...
    Was wir heute Kompetenz nennen, hieß früher "anwendungsbereites Wissen" oder "Wissenstransfer". Mein Kompetenzverständnis speist sich aus der Lehre von Schema und Ausprägung, einem Teilgebiet der Logik sowie aus dem Zusammenhang von Competence und Performance nach Chomsky. Das heißt, Kompetenzen sind für mich verfügbare Handlungsschemata, die es mir erlauben in neuen Situationen handlungsfähig zu sein. Nach Merö ("Die Grenzen der Vernunft") ist Wissen in unserem Hirn in Form kognitiver Schemata organisiert. Das sind letztlich Begriffshierarchien ähnlich (ganz grob ähnlich) denen, die wir als Fachsystematiken (Schema - Asuprägung) kennen.
    An dieser Stelle finde ich das Modell Handlungskompetenz = Methoden- + Sozial- + Fachkompetenz (Reihenfolge ist keine Wertung) durchaus sinnvoll und handhabbar.
    In diesem Zusammenhang aus meiner Sicht ebenfalls sinnvoll für den Kompetenzerwerb ist das Modell der vollständigen Handlung, allerdings nicht als Dogma und auch nicht ausschließlich als Abbildung von Geschäftsprozessen. Für meinen Unterricht heißt das, es geht um die handlungsorientierte Aneignung von Fachsystematiken.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Und wenn man genervt ist, dann hat man auch mal ein Gefühl dafür, was unsere Schülerinnen und Schüler Tag für Tag erdulden müssen.


    Aber bei meinen Unterrichtsentwürfen muss ich einen einfachen Sachverhalt möglichst kompliziert darstellen, während ich bei meinen SUS hoffentlich das Umgekehrte mache, nämlich einen (für sie) komplizierten Sachverhalt so einfach darstellen, dass sie es verstehen können.

    Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.

    Einmal editiert, zuletzt von Sonnenkönigin ()

  • Und hinzu kam noch, dass eine parallel stattfindende Unterrichtsreihe zum gleichen Thema, aber schülerzentriert, im Parallelkurs (durch den Physikausbildungslehrer der Schule, der mir das einfach mal im Unterschied demonstrieren wollte - ich habe dort hospitiert und zum Teil während der Gruppenarbeitsphasen auch mitgemacht) total in die Hose ging ... also Erkenntnisgewinn bei den SuS nach Abschluss der Reihe nahe bei Null lag ... auch nach Meinung des durchführenden Lehrers, der das so nie wieder machen will (war das 1. Mal, dass er dieses Thema die SuS so erarbeiten ließ).


    Also, ich kann mir schon vorstellen, dass es Mädchen, die sich in diesem Bereich ohnehin eher unsicherer fühlen (aufgrund ihrer gender-spezifischen Erziehung), lieber ist, wenn der Lehrer einen Vortrag hält, als wenn sie selbst experimentieren müssen. Jungen sind generell eher offen für Experimente. Aber dann müsste es doch bei deinem Ausbildungslehrer zumindest bei den Jungen gut geklappt haben.


    Es müsste halt eine gesunder Mischung sein zwischen Experimenten und Lehrervortrag - ich fand Physik nur mit Lehrervortrag auf jeden Fall tödlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass lehrerzentrierter Unterricht den SUS auf Dauer gefällt - außer wenn sie extrem unsicher oder faul sind. Also, ich versuche ja auch immer einen Wechsel zwischen Lehrer- und Schülerzentrierung reinzubrigen - wobei man am Anfang, wenn die SUS z. B. neu eine Sprache lernen, halt noch viel korrigieren muss, aber trotzdem möchte ich ihnen möglichst viel Raum zum eigenständigen Arbeiten geben, aus dem einfachen Grund weil ich mich selber langweile, wenn ich ihnen alles vorkauen muss.

    Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.

  • Also, ich kann mir schon vorstellen, dass es Mädchen, die sich in diesem Bereich ohnehin eher unsicherer fühlen (aufgrund ihrer gender-spezifischen Erziehung), lieber ist, wenn der Lehrer einen Vortrag hält, als wenn sie selbst experimentieren müssen. Jungen sind generell eher offen für Experimente. Aber dann müsste es doch bei deinem Ausbildungslehrer zumindest bei den Jungen gut geklappt haben.


    Es müsste halt eine gesunder Mischung sein zwischen Experimenten und Lehrervortrag - ich fand Physik nur mit Lehrervortrag auf jeden Fall tödlich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass lehrerzentrierter Unterricht den SUS auf Dauer gefällt - außer wenn sie extrem unsicher oder faul sind. Also, ich versuche ja auch immer einen Wechsel zwischen Lehrer- und Schülerzentrierung reinzubrigen - wobei man am Anfang, wenn die SUS z. B. neu eine Sprache lernen, halt noch viel korrigieren muss, aber trotzdem möchte ich ihnen möglichst viel Raum zum eigenständigen Arbeiten geben, aus dem einfachen Grund weil ich mich selber langweile, wenn ich ihnen alles vorkauen muss.


    Warum es in dem Fall auch bei den Jungen nicht geklappt hat ... diejenigen, die eh interessiert sind und die es immer begriffen hätten (egal bei welcher Unterrichtsform) mal außen vor gelassen ... die waren schlichtweg zu faul. Es ist halt einfacher, etwas nachzuvollziehen, was ihnen fix und fertig serviert wird, als sich selbst mit dem neuen Material zu beschäftigen.
    Was dann zu dem Ergebnis führte (durch den Vergleich der insg. 4 Parallelkurse (11, EF - je 2 vom Ausbildungslehrer und von mir)), dass der Lernerfolg bei den SuS insgesamt beim (überwiegend) lehrerzentrierten Unterricht deutlich höher war. Bei den Mädchen wie bereits beschrieben, und bei den Jungen - aufgrund der Faulheit der Schüler - eben auch.
    Daher das Gesamtfazit des Ausbildungslehrers, dass er es beim nächsten Mal beim gleichen Thema (mag ja auch eine Rolle gespielt haben) nicht wieder so machen würde. Wie wußte er auch noch nicht, "aber es muss halt auch hinten was dabei raus kommen". Und selbst wenn die SuS lt. Lehrplan so lernen lernen sollen, es aber nicht tun und der Lernerfolg auf einem anderen Weg größer ist ... Und schon sind wir wieder bei dem (alten) Problem: Kompetenzerwerb gegen Wissenserwerb.



    Und wenn wir die Mädchen herausnehmen, die eh nicht wollten ... dann bleibt die Gruppe übrig, die ganz offensichtlich viel besser damit zurecht kam und mehr lernte, wenn sie erst einmal in das Thema eingeführt wurde und dann mit dem bereits Gelernten weiter gearbeitet hat (nicht nur reine Anwendungen, sondern auch kompliziertere Aufgabenstellungen), als sich selbst mit dem neuen Material zu beschäftigen und das Thema (z.T. in Gruppen) zu erarbeiten.



    Was du bzgl. Physik sagst - ja, da gebe ich dir recht. Ist auch mein Ziel, wobei die Luft zum Selbermachen in der Oberstufe stark abnimmt, weil es da viel weniger Möglichkeiten gibt, etwas wirklich sinnvolles selbst zu experimentieren ... eine Mischung aus den zu bearbeitenden Themen und der Ausstattung der Schule. Denn prinzipiell ginge auch da vieles, es ist nur nicht mach- bzw. bezahlbar.


    Das Problem kommt dann - abgesehen von den Experimenten, die du als Lehrer selbst durchführen mußt - wenn zum eigenen Experimentieren "keine
    Lust" besteht, was bei meinem kleinen Kurs jetzt auch die Lehrerexperimente einschließt, weil sie die im Prinzip (abwechselnd) auch selbst machen könnten. Denn für die ganzen trivialen Dinge sind die auch nur schwer zu begeistern oder aber die Begeisterung rührt daher, dass man ja dann in der Zeit, wo man z.B. die Flummis durch die Schule bewegt", relativ bequemen Unterricht macht. Zeiten messen und notieren ist halt cooler als mit den physikal. Sachverhalten zu arbeiten (rechnen). Und man kann auch schlecht mehrmals im Jahr praktisch arbeiten und nach Brühl oder Bottrop fahren (wozu man sie nicht zwingen muss ;) ), wenn es um das Thema (Kreis-) Bewegung geht - obwohl das sicher DAS Highlight in der EF ist bzw. sein wird.



    Die Frage ist also:
    Was tun, wenn man eigenständig arbeiten lassen will, die aber nicht wollen und/oder auch nicht tun (selbst wenn sie den Rest zuhause erledigen müssen). Sich also der "Wissenschaft von der Didaktik" widersetzen :D . UND man feststellt, das lehrerzentriert unter'm Strich auch noch deutlich mehr dabei heraus kommt?
    Und:
    Ich habe mir diese Woche mal zwei absolut schülerzentrierte Stunden von "Lehrerprofis" angesehen (Mathe 7, Physik 6) ... nach den aktuellsten "wissenschaftlichen" didaktischen Gesichtspunkten sozusagen ... ich nenne es mal kurz Mode ;) . Also für mich als Beobachter waren beide Stunden nicht weit von "Chaos" entfernt. Den Lernerfolg konnte ich natürlich nicht direkt messen, aber die präsentierten Ergebnisse waren - abgesehen von den SuS, die schon in der Stunde davor "Experten" waren - nicht berauschend.


    Mal sehen, was da in der nächsten Woche mit meinen Parallelklassen passiert, wenn ich da auch mal ganz eigenständig arbeiten lasse ... :schreck:



    Ach so ... ein paar Kollegen (auch von anderen Schulen), z.T. in der Lehrerausbildung tätig, meinten zu mir, als ich mit denen über meine Hospitationserlebnisse gesprochen habe: Sobald die Sau durch's Dorf durch ist, hört das auch wieder auf! :sleeping:

    "Der erste Schritt zum Lernen ist die Liebe zum Lehrer - weil man die Liebe zur Wissenschaft von Heranwachsenden noch nicht erwarten kann."


    Erasmus von Rotterdam



  • Ich kann aus meiner persönlichen Erfahrung, dass wir nie Unterrichtsentwürfe schreiben mussten, die künstlich verwissenschaftlich wurden. Es ging dabei um eine nachvollziehbare Darstellung unserer Überlegungen und Entscheidungen und dies auf einem akademischem Niveau. Ob manche Fachleiter da übertreiben, um die eigene (Macht-)Position zu stärken oder manche Referendare das 'Problem' hochkochen, da ihnen die notwendigen Fähigkeiten fehlen, vermag ich nicht zu sagen. Beides ist möglich und kann wohl nur im Einzelfall entschieden werden. Ich bin der Meinung, dass wir Lehrer Wissenschaft brauchen und zwar aus mehreren Gründen: Zum einen dient sie zweifellos der gedanklichen Durchdringung, Aufarbeitung und handlungsentlastenden Reflexion der Lehr- und Lernpraxis. Sie tut dies zumeist (nicht immer) auf klar nachvollziehbare Weise und kommt so zu verallgemeinerbaren Ergebnissen (im Gegensatz zu den eher naiven Beobachtungen und induktiven Schlüssen einzelner Lehrer), die uns helfen, unsere Arbeit besser zu verstehen und damit auch besser zu machen. DA wo Empirie stattfindet, kann sie helfen, evidenzbasierte Entscheidungen zu treffen. Das mag zugegebenermaßen noch zu wenig geschehen, aber Wissenschaften sind auf Weiterentwicklung aufgebaut und das kann ja also noch kommen. Sollten wir Lehrer selber dieser Wissenschaft ihre Berechtigung absprechen, sägen wir am eigenen Stuhl und reden denen das Wort, die eine Lehrerausbildung auf Fachhochschulniveau haben wollen. Das ein Beruf sich einer eigenen (wissenschaftlichen) Fachsprache bedient ist denn übrigens auch ein Zeichen seiner Professionalität und Eigenständigkeit. Wer jetzt reflexartig versucht, die eigene (frontale) Unterrichtspraxis damit zu rechtfertigen, dass die schülerzentrierte bei ihm oder anderen in die Hose ging und die Schuld dann auch noch der Wissenschaft in die Schuhe schiebt, der hat einiges nicht bedacht: Es gibt wohl kein einheitliches Schülerzentrierungsdogma in der Wissenschaft. Man darf politisch gewolltes nicht immer mit wissenschaftlich erarbeitetem verwechseln. Ein zentrales Problem bei der Anwendung schülerzentrierter MAßnahmen ist, dass sie nicht zu Ende gebracht werden (meist aus curricularem Zeitdruck): der Lernweg muss reflektiert, Schlüsse für die Weiterarbeit gezogen und ggf. alles wiederholt werden. Das macht Sinn, ist zeitlich aber oft nicht zu schaffen. Damit sind die Rahmenbedingungen ungünstig und nicht die Methode falsch. Auch gibt es Schulformen, in denen Frontalunterricht sicher sinnvoll und auch machbar ist. In anderen Schulformen macht es aber weit mehr Sinn, schülerzentriert zu arbeiten, da die Schüler dort gar nicht dazu in der Lage sind, lange konzentriert zuzuhören. Es ist Aufgabe eines wissenschaftlich ausgebildeten Lehrers hier die richtigen Entscheidungen zu treffen (ohne die anderen Methoden als wirkungslos zu betrachten, nur weil sie im eigenen Zusammenhang nicht funktionieren). Zumal Schülerzentrierung auf sehr viele unterschiedliche Weisen gestaltet werden kann. Es gibt nicht die eine schülerzentrierte Methode und Vorgehensweise.


    Gruß
    CKR

  • CKR: Exakt das wollte ich auch sagen, hätte es nurnicht so schön auf den Punkt bringen können. Volle Zustimmung!

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Ein zentrales Problem bei der Anwendung schülerzentrierter MAßnahmen ist, dass sie nicht zu Ende gebracht werden (meist aus curricularem Zeitdruck): der Lernweg muss reflektiert, Schlüsse für die Weiterarbeit gezogen und ggf. alles wiederholt werden. Das macht Sinn, ist zeitlich aber oft nicht zu schaffen. Damit sind die Rahmenbedingungen ungünstig und nicht die Methode falsch.

    Aber wenn die schülerzentrierte Methode es nicht schafft innerhalb der nun einmal vorgegeben Zeit gewisse Lernerfolge zu erzielen, dann ist doch besser für diese Einheit eine andere eher lehrerzentrierte Methode einzusetzen, wenn diese dort besser wirkt. Die Methode wird doch durch die Rahmenbedingungen mitbestimmt, das heißt die Rahmenbedingungen entscheiden mit darüber, ob eine Methode in dem Moment gerade richtig oder falsch ist.
    Wie immer läuft es aus meiner Sicht darauf hinaus, dass die Methoden abgewechselt werden sollten. Allein schon aus dem Grund, weil an den Universitäten auf ganz unterschiedliche Art und Weise gelernt wird als nach der modernen Didaktik. Wenn Schüler nicht mehr lernen aus dem Lehrervortrag Informationen zu ziehen, dann werden sie in den Vorlesungen gnadenlos scheitern.
    Schaut Euch mal die Asiaten an, die haben noch mehr Schulerfolg als die hochgelobten Skandinavier und da ist mit sicherheit der Unterricht knallhart, langweilig und nicht sehr schülerzentriert.
    (Sage ja nicht, dass Unterricht nur so ablaufen soll, aber durchaus auch zum Teil!)


    Es ist auch eine ganz wichtige Fähigkeit die unbedingt gelernt werden muss, aus einem, vielleicht sogar langweiligen (!!!) Vortrag, Informationen zu ziehen und seine Aufmerksamkeit aufrecht erhalten. Wenn Schüler nicht lernen, dass man auch ohne selbst aktiv zu werden (Schülerzentrierung) lernen kann, dann sind viele Formen der Erwachsenenbildung / Universität für sie ineffizient.

    In anderen Schulformen macht es aber weit mehr Sinn, schülerzentriert zu arbeiten, da die Schüler dort gar nicht dazu in der Lage sind, lange konzentriert zuzuhören.

    Ich möchte dazu mal in allgemeiner Form was sagen. So oft höre ich, der Unterricht müsse
    1) den Schüler ansprechen
    2) den Schüler aktivieren
    3) auf die mangelnde Konzentration zu bestimmten Gegebenheiten oder bei bestimmten Klassen etc. Rücksicht nehmen.


    Darüber habe ich viel mit einer Psychologiestudentin gesprochen und habe erfahren, dass es vielleicht gerade diese Haltung ist, die dazu führt, dass Schüler nur noch aktiv werden, wenn etwas für sie interessant ist, sich berieseln lassen und unkonzentriert sind.


    Wie kann jemand lernen länger konzentriert zu sein, wenn man ihn nicht zwingt sich mal längere Zeit zu konzentrieren, auch wenn es weh tut (=anstrengend ist!)?


    Wie kann ein Schüler lernen seinen inneren Schweinehund zu überwinden und sich auch mal mit Dingen zu beschäftigen, die eben nicht ansprechend gestaltet sind, wenn er es jahrelang gewöhnt ist, dass ihm immer alles ansprechend und motivierend präsentiert wird! Ab und an ein bisschen trockene Texte, Auswertungen schnöder Zahlen etc. würde dem Schüler gut tun! Denn wer nicht frühzeitig lernt sich auch durch "langweiliges, kompliziertes" durchzubeißen, der wird später Motivationsprobleme haben.


    Es mag hier ja einige im Forum geben, die riesig Spaß an ihrem Job haben, Glückwunsch, aber in der Regel heißt arbeiten nicht zu unrecht so, sondern weil es anstrengend ist, kaum Spaß macht und der Sicherung des Lebensunterhalts dient. Damit klar zu kommen sollte man frühzeitig vermitteln. Sonst studieren alle Theaterwissenschaft, weil es ihnen Spaß macht. Die Volkswirtschaft wird sich bedanken und das Sozialsystem auch.
    Warum studieren so wenig Leute Naturwissenschaft, die unserer Wirtschaft so gut tun würde? Weil Naturwissenschaft kompliziert ist, anstrengend ist und eben oftmals nicht so viel Spaß macht wie "was mit Medien" oder "was mit Tieren arbeiten aka Biologie / Veterinärmedizin". Wenn der Schüler mehr lernen würde, dass es noch andere Faktoren gibt, als wieviel Spaß einem Dinge machen, würden manche Studienwahlen bestimmt anders ausfallen.
    Wenn dem Schüler mehr bewusst würde, wie viel man mit Technik mehr verdienen kann, wie wichtig Naturwissenschaft für Deutschlands Zukunft ist, wäre vielleicht mancher brotloser Studiengang nicht mehr so überlaufen und mancher Fachkräftemangel behoben. Aber gut, dass in der Schule Religion genauso wichtig ist wie Informatik. Anderes Thema, ich höre schon auf.


    Die Didaktik sagt: Das Experiment muss von links nach rechts aufgebaut werden, damit dem Schüler der Verlauf des Experiments ganz eingängig ist wegen der natürlichen links nach rechts Leserichtung. Sollte man dies nicht beachten, führt das in Lehrproben zu Punkteabzug.
    Meine These: Ein Experiment, das mal anders herum aufgebaut ist trainiert räumliche Vorstellung oder generell die Funktion des Hirns, weil der Schüler mal anders denken muss!


    Wenn ausserdem jedes Experiment schnell durchführbar, bunt und anschaulich ist, aus allen Winkeln des Klassenraums deutlich zu sehen ist, wie kann ich dann den Blick des Schülers für kleine Veränderungen schulen, den ein jeder Naturwissenschaftler braucht? Ist es nicht vielleicht sinnvoll auch mal ein bisschen Geduld und Beobachtungsgabe zu schulen?
    Ein didaktisches Feuerwerk führt aus meiner Sicht dazu, dass die Schüler gesättigt werden mit Eindrücken und vieles, was der echten Arbeits- oder Forschungswelt später näher kommt, als langweilig oder uninteressant betrachtet wird.
    Heutzutage wachsen Schüler so reizüberflutet auf und haben so kurze Aufmerksamkeitspannen und so ein schlecht ausgebildetes Kurzzeitgedächtnis. Ist ja auch klar, wenn diese nicht mehr Gedichte auswenig lernen müssen, jede Formeln nachschlagen dürfen, Power Point Präsentationen bunt und anschaulich machen sollen anstatt vor allem inhaltlich richtig usw.
    Der Schulunterricht ist, wenn ich an so manche Hospitation denke, zu einem bunten Kindergeburtstag geworden.
    Man sollte Schüler nicht zu sehr verwöhnen, sondern sie sich auch Sachen hart erarbeiten lassen.

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  • Zur Ausgangsfrage : Damit gutbezahlte Stellen legitimiert werden und (klardenkende) Kritiker, die den Nutzen dieser Stellen in Frage stellen könnten, mit wichtigtuerischer Erhabenhheit und Aura von (inszenierter) Wissenschaftlichkeit eingeschüchtert werden. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

  • "Wenn Schüler nicht lernen, dass man auch ohne selbst aktiv zu werden (Schülerzentrierung) lernen kann, dann sind viele Formen der Erwachsenenbildung / Universität für sie ineffizient. "


    Also wenn ich irgendwas an der Uni machen musste, dann war es 'selbst aktiv werden'. Und auch in der Erwachsenenbildung kenne ich das vielfach so.


    "Wie kann ein Schüler lernen seinen inneren Schweinehund zu überwinden und sich auch mal mit Dingen zu beschäftigen, die eben nicht ansprechend gestaltet sind, wenn er es jahrelang gewöhnt ist, dass ihm immer alles ansprechend und motivierend präsentiert wird! Ab und an ein bisschen trockene Texte, Auswertungen schnöder Zahlen etc. würde dem Schüler gut tun! Denn wer nicht frühzeitig lernt sich auch durch "langweiliges, kompliziertes" durchzubeißen, der wird später Motivationsprobleme haben. "


    Schülerzentrierung muss ja nicht heißen, dass alles Spaß macht. Es geht darum, dass der Schüler nicht mehr nur alles passiv aufnimmt, sondern aktiv erarbeitet. Das ist das eine. DAbei geht es um das zum Tragen kommen kognitiver Prozesse, die das Erarbeitete besser verankern sollen, die denke ich auch ausreichend lernpsychologisch begründet sein sollten. Der andere Punkt ist: Schülerzentrierung heißt auch, dass jeder erstmal selbst arbeitet und das auch tun kann. Im Frontalunterricht ist jeder von jedem abhängig und wenn da eine Störfraktion ist, dann können auch die nicht lernen, die es wollen. Und glaube mir, es gibt Schulformen, da ist es beileibe nicht einfach, im Frontalunterricht eine konzentrierte Lernatmosphäre zu schaffen und schon gar nicht über die 90 Minuten, die ich zu unterrichten habe. Ich habe also gar keine andere Wahl, als mich zurück zunehmen und die SuS selbst arbeiten zu lassen. Wie gesagt: es gibt nicht die eine schülerzentrierte MAßnahme und nicht die eine Begründung, sie anzuwenden.


    "Aber wenn die schülerzentrierte Methode es nicht schafft innerhalb der nun einmal vorgegeben Zeit gewisse Lernerfolge zu erzielen, dann ist doch besser für diese Einheit eine andere eher lehrerzentrierte Methode einzusetzen, wenn diese dort besser wirkt. Die Methode wird doch durch die Rahmenbedingungen mitbestimmt, das heißt die Rahmenbedingungen entscheiden mit darüber, ob eine Methode in dem Moment gerade richtig oder falsch ist."


    DAs ist ein wichtiger Punkt. Hier muss sich auf curricularer Ebene klarer entscheiden werden, was eigentlich gewollt werden soll. Selbstständig denken, arbeiten und reflektieren lernen oder in kurzer Zeit viel Fachwissen aufnehmen (Achtung, das meine ich jeweils völlig wertfrei). Wenn man klar sagt, dass viel Fachwissen relevant ist, dann muss man sich auch klar für die geeigneten Methoden (z.B. Frontalunterricht) entscheiden. Geeigneter ist allerdings wohl der richtige Mix. Mir selber liegt es übrigens fern, die eine gegen die andere Methode ausspielen zu wollen. Meiner Meinung nach sind wir in der günstigen Sitaution einen großen Fundus an unterschiedlichen Unterrichtsmethoden zur Verfügung zu haben und aus diesem Fundus das zu wählen, was in unseren Unterrichtszusammenhang passt. Sei es frontal, schülerzentriert oder sonst etwas.


    Gruß
    CKR

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