Hallo zusammen,
es tut gut zu lesen, dass es hier Leute gibt, die selbst noch mit 40 in den Lehrerberuf wechseln. Noch viel mehr erleichtert es, dass es auch einige andere gibt, die ähnliche Zweifel durchleben wie ich. Auch wenn ich "erst" 23 bin, möchte ich hier um Meinungen bitten und meine "Geschichte" erzählen:
Ich wollte mit kurzen Unterbrechungen eigentlich immer Lehrer werden. Auch aus diesem Grund (und weil ich mal raus wollte nachm Abi) habe ich dann sechs Monate als Englischlehrer in China verbracht (habe ich hier drüber berichtet: Englischlehrer in China). Das Unterrichten machte mir viel Spaß, aber die Kultur faszinierte mich mindestens genauso. Da ich diese Sprache unbedingt lernen wollte, entschied ich mich dann doch gegen das Lehramts- und für das Sinologiestudium. In diesem Monat schließe nun meinen Bachelorer eben in Sinologie und Politikwissenschaft ab.
Für eine Zeit lang war die Prämisse, dass ich unbedingt Chinesisch im Beruf benutzen möchte und auch gerne eine Zeit später wieder dort leben wollte. Das hat sich mittlerweile jedoch geändert, und ich will meinen beruflichen Mittelpunkt in Deutschland haben. Und zwischendrin kam auch immer wieder mein "alter" Lehramtswunsch hoch. Zusätzlich gibt es hier in Tübingen seit einem Jahr Chinesisch als Beifach (Drittfach), und es ist im Gespräch, das Fach an den Schulen langfristig auszubauen. Folgerichtig studiere ich seit April 2010 in einem Parallelstudium StEx Lehramt Gym in Englisch und Politikwissenschaft. Das Parallelstudium hat mich aber an und über meine Leistungsgrenzen hinaus belastet und ich glaube, im Master wird es nicht möglich sein, beides aufrehcht zu erhalten. Daher muss eine Entscheidung her und es fällt mir unheimlich schwer, diese zu treffen. Ich sehe meine Zukunft definitiv im Bildungsbereich, aber kann nicht entscheiden, auch welchem Weg ich ihn beschreiten soll.
Option 1:
Ich beginne hier in Tübingen im Winter den Master "Politik und Gesellschaft Ostasiens", der quasi auf meine Fächerkombination zugeschnitten ist. Anschließend könnte ich eine Promotion anstreben und versuchen, in der Wissenschaft Fuß zu fassen. Ich habe bereits mehrere Hiwijobs und die Aufgaben machen durchaus Spaß. Kürzlich, als ich an der BA-Arbeit ca. 5 Stunden pro Tag und zusätzlich noch an einer wissenschaftlichen Übersetzung mit 6 Stunden täglich saß, dachte ich aber: wie soll das später als Doktorand werden? 2 SWS Lehre pro Woche und sonst nur im Büro (ohne Kontakt zu Menschen)? Drei Jahre nur über ein Thema forschen? Es gibt zwar ein Thema, für das ich wirklich brenne (die chinesische Stadtentwicklung), aber ich weiß nicht, ob das ausreicht. Außerdem müsste mein Chinesisch noch deutlich besser werden und ich bin derzeit nicht sicher, ob ich so viel da rein investieren möchte. Ich lese zwar relativ gerne wissenschaftliche Literatur, allerdings nur, wenn sie mich wirklich interessiert - und definitiv weniger als andere. Auch hier sehe ich ein Hindernis. Eine reine Lehrtätigkeit an der Uni würde mich hingegen sehr reizen, da ich komplexe Themen gerne aufbereite - und ich glaube auch, dass ich lieber den demokratischen Wandel Taiwans an der Uni als die politischen Institutionen Deutschlands machen würde (wobei sicherlich beides irgendwann "Routine" wäre). Aber solche Stellen gibt es ja quasi nicht.
Option 2:
Ich folge meinem alten Traum und setze mein Lehramtsstudium, welches ich eigentlich schon fast beerdigt hätte, fort. Dann würde ich in Politik bereits ins Hauptstudium einsteigen können und müsste in Englisch noch so einiges nachholen. Auch bei Pädagogik und Fachdidaktik fehlt noch einiges. Ich hatte diesen September schon einen Platz für das Praxissemester in Marbach (wo es Chinesisch an der Schule gibt), jedoch habe ich, als ich dachte, ich hätte mich entschieden, abgesagt - wohl auch, weil ich sonst nicht mit meiner BA-Arbeit zum Wintersemester fertig geworden wäre. Ich würde mein Lehramtsstudium aber keinesfalls irgendwie so nebenbei weiterführen wollen, denn wenn ich Lehrer werde, dann richtig.
Wie gesagt, unterrichten hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich habe gute Resonanz bekommen. Kinder mag ich sehr gerne, obwohl ich da glaube ich wirklich den Praxisschock nochmal bräuchte. 45 chinesische Schüler, wenn man die Sprache nicht beherrscht, waren auch herausfordernd, aber wäre hier sicher nicht weniger. Gerade, was die Mittelstufe angeht, bin ich eben nicht so sicher, wie ich damit umgehen würde (aber wie war das bei Euch?)...
Ich bin auch nicht sicher, ob ich nicht viel zu viel wollen würde und dann irgendwie immer enttäuscht wäre, dass ich gar nicht alles schaffe, wie ich mir das so für die Stunden vornehme...
Da es jetzt aber Chinesisch Lehramt gibt, könnte ich so zumindest meinen Wunsch erfüllen, das beruflich irgendwie doch einzubauen. Und ich hätte den Vorteil, in D arbeiten zu können.
Option 3:
Ich könnte versuchen, irgendwie in der Erwachsenenbildung oder dem großen Bereich "politische Bildung" Fuß zu fassen. Ich habe das englisches Äquivalent zum DaF namens TEFL und überlege derzeit, eine Lehrzusatzqualifikation für Chinesisch an der Uni Frankfurt zu machen. Ich bin ganz ehrlich und glaube, dass mir dieser Unterricht sehr viel Freude bereiten könnte, mein "Traum" wäre wohl, an einer Uni Sprachkurse für Auslandsstudenten zu geben. Wenn ich aber die Realität wahrnehme, hört man oft von Honorarbezahlung u.ä. Das will ich eigentlich auch nicht...
Zuletzt könnte ich mir gut vorstellen, bei einer Stiftung (z.B. Stipendiatenabteilungen der Stiftungen, Bundeszentrale für politische Bildung etc.) zu arbeiten. Aber auch hier sehe ich keine so guten Chancen. Im Internet finde ich es relativ schwer, zu diesem Bereich etwas zu recherchieren.
Es tut gut, das alles mal niedergeschrieben zu haben. Diese Schwankungen machen einen wirklich auf Dauer unglücklich. Ich denke, ich hätte mich bereits für das Lehramt entschieden, wenn nicht zwei der Personen, die am besten wissen, wie ich "ticke" (meine Mutter und mein Patenonkel, ehemaliger Berufsberater), mich zukünftig eher außerhalb der Schule sehen. Ich selber aber eigentlich nicht...
So, danke fürs Lesen und ich hoffe wirklich auf einige Hilfe! Habe nächste Woche noch einen Termin bei der Berufsberatung des Arbeitsamtes, aber ich glaube, dass mir hier mindestens so sehr geholfen werden kann.
Und ich habe das Gefühl, dass ich mich vor Vorlesungsbeginn, also in 2 Wochen, definitiv entscheiden muss und sollte.
Vielen Dank und Grüße,
Sascha