Referendariat und Technokratie

  • Liebe Forumsteilnehmer,


    ich habe diesen Beitrag wieder entfernt, da ich eigentlich auch einem Moderator vorher mitgeteilt habe, dass ich ihn wieder einziehen will.
    Ich bin jetzt überrascht, dass er noch eingestellt wurde.
    Es hat sich ergeben, dass Ich aus zeitlichen Gründen leider nicht angemessen antworten kann. Und halbe Sachen mache ich nicht gerne.


    Ich bitte um Verständnis.

    • Offizieller Beitrag

    Ich habe das Referendariat auch nicht geliebt, vor allem, weil ich davor selbstständig tätig war und meine eigene Chefin. Es gab viele Dinge die hakten und unrund liefen, und es hat ordentlich gemenschelt uter den Ausbildern, es gab aber auch viel Gutes, vor allem eine sehr eng zusammenarbeitende Truppe Mitreferedare, die sich das, was nicht ausgebildet wurde, in gegenseitiger "Supervision" und kollegialer Hospitation beigebracht haben.


    Ich denke, jedem, der das hinter sich hat, geht es eine Weile lang so, dass er keine Lust hat, sich ständig auf die Finger gucken zu lassen und (zT von Menschen deren Ferne zum Unterricht beträchtlich ist!) Kommentare anzuhören. Das ist eine menschliche Reaktion. Die muss man aber dan auch mal überwinden.


    Nichtsdestotrotz find eich es bedenklich und nicht sehr professionell, wenn man "pädagogische Freiheit" mit völliger Allmacht im Klassenraum verwechselt und möglichst unbeobachtet für den Rest der Zeit machen möchte, was man will. Die - zum Glück wenigen, aber doch unbestreitbar vorhandenen - Kollegen, die den Schülern und Kollegen das Leben schwer machen und z.T. echte Schäden anrichten, blühen in dieser "Freiheit" wie Unkraut.


    Aber auch für die Kollegen, die nicht in diese Kategorie gehören, gilt: Sein eigenes Tun zu reflektieren, andere auch mal draufschauen zu lassen, sich mit Kritik auseinanderzusetzen und seine Arbeit immer mal wieder zu reflektieren, ist in sozialen Berufen unerlässlich. Für Lehrer ist das nach dem Referendariat bisher in nur sehr geringem Maße gegeben. Sich vor Überprüfungen wegzuducken und zu hoffen, das man ungestört "wurschteln" kann - in einem Beruf, der ständig überprüft, bewertet, Leistungen kommentiert etc - ist höchst unprofessionell.


    Über die Form der Überprüfung kann man diskutieren. Kollegiale Hospitationen finde ich gut. Supervision ist wichtig. Aber auch das Gespräch mit den Chef muss man als Profi und Erwachsener aushalten können. Das gehört zu einer erwachsenen Berufsaufassung dazu. Schülerfeedback - NACH der letzten Notenvergabe und anonym - muss sein.


    Das in Deutschland noch relativ weit verbreitete "hinter meiner Klassenzimmertür mach ich, was ich will" ist nicht nur inhaltlich katastrophal und unserer Weiterentwicklung hinderlich, es ist auch rufschädigend im höchsten Maße.


    Dass man diese Zeit der Ausbildung aushalten kann, zeigen viele Kollegen, die durchaus ohne "Dachschaden" daraus hervor gegangen sind. Dafür muss man gemacht sein. Und nicht das allergrößte Pech mit den Ausbildern haben. Man muss vielleicht auch seine Vorstellungen etwas revidieren: viele Studenten gehen mit idealisierten Vorstellungen von Unterricht und von Ausbildung (ich komme da rein und alle haben mich lieb, meine Stunden sind ein Feuerwerk und mir gelingt alles, weil ich den Beruf sooo sehr will) hinein. Und empfinden Kritik als persönlich abwertend. Und leiden daran. Das ist etwas, was im eigenen Kopf gelöst werden muss.


    Eine systematische Weltverschwörungstheorie würde ich jetzt eher nicht draus machen wollen. Unter den Ausbildern gibt es von der linken Socke bis zum Oberneoliberalen alles, untereinander sind die kaum vernetzt. Von daher gibt es auch keine einheitliche "Schleifrichtung" für Referendare, die von höherer Stelle angeordnet wurde. Wenn du Pech hast, will der eine Ausbilder dies und der andere genau das Gegenteil.


    Dass unser Bildungssystem stark verbesserungswürdig ist, ist unbenommen.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    2 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Grundsätzlich muss ich dir (leider) Recht geben, auch wenn meine Erfahrungen nicht ganz so extrem waren wie deine. Ich antworte erst Mal auf deine Einzelpunkte:


    zu 1:
    Wie gesagt waren meine Erfahrungen nicht ganz so extrem, aber im Grundsatz gilt wohl, dass jeder nur das Referendariat mitmacht, um anschließend in seinem Traumjob arbeiten zu können. Ich bin mir sehr sicher, dass es in Baden-Württemberg (mein Bundesland, Lehramt Realschule) keinen einzigen Lehrer gibt, der sagen kann: "Das Seminar hat mich in meiner Ausbildung wirklich weitergebracht und mich im Beruf unterstützt". Nein, ausnahmslos alle sagen, dass man da eben durch muss, um in den Beruf rein zu kommen.


    Hauptfokus bei mir war das erarbeiten von "Zauberstunden" für die Lehrproben. Ein Seminarbeauftragter sah es explizit als seinen Job an, uns für die "Zauberstunden" vorzubereiten, dann das sei nun mal das, worauf es in der Prüfung ankäme. Ergebnis: Dieser Seminarbeauftragte hatte in seiner Gruppe die allerbesten Prüfungsergebnisse. Ich bin diesem Mann noch heute sehr dankbar für seine Arbeitsauffassung, und das ist nicht ironisch gemeint! Er hat das System so ausgenutzt, wie es ausgenutzt werden wollte.


    zu 2:
    Im Allgemeinen gibt es an Seminaren einen großen Teil an Lehrbeauftragten, die den Job nur machen, weil sie dafür weniger unterrichten wollen oder weil sie diese Phase brauchen, um sich für Rektorenstellen bewerben zu können. Das ist meiner subjektiven Einschätzung nach nicht zu bestreiten. Mehr gibt es nicht zu sagen...


    zu 3:
    Ich gebe es ungern zu, aber das wurde mir leider erst spät bewusst. Vielen Dank für den Artikel. Das Wenige, an das ich mich aus meiner Pädagogik-Zeit an der PH Heidelberg noch erinnern kann ist, dass Schule drei Funktionen habe:


    Selektion (die Guten ins Töpfchen, die Schlechten in Kröpfchen, sprich an die Hauptschule).
    Legitimation (der Staat trichtert den Schülern im Unterricht so lang ein, dass die vorhandene Staats- und Wirtschaftsform die beste sei, bis sie es alle glauben. Da jeder die Schule durchläuft, glaubt es im Laufe der Zeit einfach fast jeder.)
    Qualifikation (die Schüler werden für die Anforderungen der Wirtschaft qualifiziert)


    Tja, wie gesasgt, ich gebe es ungern zu, aber zu Studienzeiten habe ich das gar nicht mal als falsch empfunden. Erst nachdem ich eigene Kinder hatte und gelernt habe, jedem Zeit für seine eigene Entwicklung zu lassen und nachdem ich im Schuldienst feststellen musste, wie Schüler von Rektoren gezielt durch eine Prüfung "geprügelt" wurden, damit sie keine Chance haben, die Abschlussklasse zu wiederholen (man wollte sie loshaben), habe ich einiges anders gesehen.


    Inzwischen bin ich nicht mehr im Schuldienst, sondern nach Entlassung auf eigenen Wunsch nach 5 Jahren in der freien Wirtschaft tätig. Aber hier stellt sich die Sinnfrage im Beruf noch schneller...


    Soweit alles Gute für dich in der Zukunft.

  • Ein Mit-Referendar hat das mal so zusammengefasst:


    "Die Ausbilder wollen Therapie machen, und wir Ausbildung. Beides ist nicht kompatibel."


    Ich denke, er hat nicht ganz unrecht, wenn man überlegt, wer an den Seminaren Ausbildung macht.
    Da sind etliche Schulflüchtlinge dabei.
    Außerdem haben die Ausbilder auf Grund der totalen Abhängigkeit der Referendare große Macht und etliche leben das auch voll aus.


    Grüße
    Steffen

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Das Referendariat ist doch keine Zeit der Selbstverwirklichung, in welcher man seinen Träumen vom "idealen Lehrer" hinterherläuft. Es handelt sich um einen Ausbildungsabschnitt mit klaren Vorgaben "von oben". Und die muss man nun einmal erfüllen, wenn man Lehrer werden will. Das ist wohl in den wenigsten Berufen anders. Manchmal kann ich schon verstehen, wenn große Teile der Gesellschaft die Lehrer für weltfremd halten...
    Und als fertiger Lehrer ist man in allerster Linie dafür zuständig, Rahmenvorgaben (Bildung, Erziehung, ...) umzusetzen. Sorry, aber ich kenne genug Lehrertypen, die ihren Job zur persönlichen Selbstverwirklichung machen. Früher oder später sind dann die Schüler die Leid tragenden, auch wenn solche Lehrer öfters bei den Schülern sehr beliebt sind...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zitat

    Es handelt sich um einen Ausbildungsabschnitt mit klaren Vorgaben "von oben".


    Hast du jemals klare Vorgaben vor einer Unterrichtsprobe bekommen?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

  • Wenn man nicht mit der Einstellung "Alles blöde hier. Ich bin der Beste." in die Fachseminare geht, dann bekommt man schon mit, was die Erwartungen sind. Was verstehst du unter "klaren Vorgaben"? Eine Checkliste zum Abhaken? Nach dem 1. Staatsexamen sollte man sich eigentlich solche Dinge selbstständig zusammenreimen können...


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Was ist denn das für ein Verhalten, einen 4 Tage alten Beitrag, auf den mehrere Forumsteilnehmer geantwortet haben, einfach wieder zu löschen?


    Ich vermute, die Probleme des Themenerstellers lagen nicht in der Struktur des Referendariats sondern waren anderer Natur...

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zitat

    Was verstehst du unter "klaren Vorgaben"? Eine Checkliste zum Abhaken? Nach dem 1. Staatsexamen sollte man sich eigentlich solche Dinge selbstständig zusammenreimen können...


    Nun, wenn ich bewertet werde, dann möchte ich die Bewertungskriterien vorher kennen. Bei uns im Seminar wurden derartige Kriterien nicht kommuniziert.
    Und nein, nach dem 1. Saatsexamen muß ich nicht in der Glaskugel lesen können.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Moralische Entrüstung ist der Heiligenschein der Scheinheiligen.

    • Offizieller Beitrag

    Mikael Blizz hatte Anfang der Woche per PN an mich drum gebeten, den Beitrag zu löschen. Als ich die PN gelesen habe, konnte ich ihn aber nicht mehr finden und dachte daher, er wäre schon gelöscht.
    Daher hat er ihn dann wohl abgeändert.


    kl. gr. Frosch

  • Zudem hat werther Herr/werthe Dame diesen titelfremden Thread bereits in einem anderen, ähnlichen Forum auf ziemliche anmaßende Weise breit getreten - wir haben also nichts verpasst.

  • Ich finde den thread von blizz80 im anderen Forum genial, geehrte Pearl ! Aber etliche User können dort blizz80 gedanklich nicht so richtig folgen. Seine Thesen konnte dort niemand auch nur annähernd widerlegen. 8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    • Offizieller Beitrag

    Oh wie schön, die hatten wir schon lange nicht mehr. Ich will auch!


    [Blockierte Grafik: http://www.daniellesplace.com/Images17/LoveBug1PicB.jpg]

    Bolzbold #5

    Gutmensch und Spaß dabei (= das GG und der Diensteid sind schon 'ne gute Sache 😉)

    "Und hast du die Ausrufezeichen bemerkt? Es sind fünf. Ein sicheres Zeichen dafür, dass jemand die Unterhose auf dem Kopf trägt." (T. Pratchett)

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