veraltete Erziehungsmaßnahmen

  • Hallo,


    habe hier ein sehr sensibles Thema. In meiner 2. Klasse ist ein Junge, der es nicht leicht hat. Er wurde eigentlich zu früh (mit 5 Jahren) eingeschult, hat immer noch feinmotorische Probleme und hat ADHS. Durch sein zu frühes Einschulen und sein ADHS hat er auch immer wieder Lernprobleme, vermutlich auch LRS. Er übt sehr fleißig jeden Tag mit seiner Mutter Deutsch und Mathe und nur durch diesen Fleiß hat er die 1. Klasse geschafft. Ich kann die Mutter als sehr engagiert bezeichnen, auch ist die Zusammenarbeit mit ihr gut.


    Aber ich vermute, dass sie sich oft überfordert fühlt und ihr dann die Hand ausrutscht. So geschehen gestern in meinem Klassenraum. Ihr Sohn wollte etwas anders als die Mutter machen und er bestand dann auch auf seiner Meinung. Die Mutter hat ihm daraufhin ein paar hinter die Ohren gegeben und ist gegangen. Ich war im Nachbarraum und habe das nicht mitbekommen. Als ich zurückkam, saß der kleine Fratz auf dem Fußboden und weinte jämmerlich. Seine Freunde hatten sich um ihn gescharrt, um ihn zu trösten und erzählten mir kurz das Dilemma.


    Nun ist meine Frage, wie gehe ich damit um? Ich möchte nicht, dass irgendein Kind geschlagen bzw. geohrfeigt wird und erst recht nicht in meinem Klassenraum! Sollte ich der Mutter das nur so sagen oder muss ich der Mutter noch mit weiteren Schritten drohen? Was habt ihr da für Erfahrungen? Möchte ja nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, aber der kleine Matz bekommt wohl öfter mal die Hand seiner Mutter zu spüren (das hat mir der Kleine auch schon mal erzählt und die Mutter machte auch mal so eine Andeutung, dass sie nicht zimperlich wäre).


    Was habt ihr für Tipps?


    grittigirasol

  • Ich würde ein Gespräch mit der Mutter führen und ihr klar machen, dass solche Maßnahmen von der Schule nicht respektiert werden. Über das Gespräch würde ich eine Aktennotiz anfertigen und diese in die Schülerakte geben.
    (Habe gerade heute gemerkt, wie wichtig sowas sein kann. Habe einen neuen Schüler und die alte Schule war dahingehend vorbildlich)

  • Hallo,


    In dem Fall wuerde ich das Gespraech mit der Mutter suchen und unsere stellv. Direktorin dazuziehen. (Sie ist an meiner Schule fuer derartige Faelle zustaendig, gibt's bei euch bestimmt auch. An meiner letzten Schule war z.B. die Direktorin dafuer verantwortlich.)
    Soweit ich mich entsinnen kann, ist es in Deutschland nicht erlaubt, seine Kinder zu schlagen. Alleine aus dem Grund wuerde ich mich wirklich mal mit der Mutter hinsetzen und ihr vielleicht auch die Addresse einer Hilfsstelle zukommen lassen. Das Angebot kann sie dann annehmen,...oder eben nicht. Wenn es immer wieder vorkommt, kann man sich wohl nur ans Jugendamt wenden.
    Hier bei uns koennen Eltern ihren Kindern nen Klaps (oder zwei, oder drei...) geben, solange keine Spuren zurueck bleiben. Dennoch wuerde ich das nicht in meinem Klassenraum gestatten.
    Wieso war die Mutter denn alleine mit deiner Klasse im Raum?


    Dejana

  • Vielen Dank erstmal für die Antworten. Ich sehe, ihr ratet zu großen Maßnahmen. Scheue mich da noch etwas, muss aber der Mutter gegenüber sehr deutlich werden.


    Die Mutter war nicht mit meiner Klasse alleine. Es war früh kurz nach halb acht. Der Unterricht beginnt 8 Uhr, Anwesenheitspflicht für Schüler und Lehrer ist 7:50 Uhr. Solange gibt es eine Aufsicht auf dem Flur. Ich war schon vor halb acht da, hatte aber noch verschiedene Materialien zusammengetragen. Daher war ich mal drinnen im Raum und mal wieder im Nachbarraum. Es waren auch noch mehr Eltern im Klassenraum (weiß aber nicht mehr genau welche), die ihre Kinder verabschiedeten.


    grittigirasol

  • Grundsatz: "Melden macht frei!"


    Ich würde die Schulleitung informieren, die Mutter kontaktieren ("So geht das nicht...") und den Vorfall inkl. der Begleitumstände und die entsprechenden Maßnahmen (Information der Schulleitung, Gespräch mit der Mutter) in einer Aktennotiz für die Schülerakte und deine persönlichen Akten festhalten.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Ich sehe das auch so wie Mikael. Auch wenn es jetzt blöd klingt. Ich würde es auch wegen der eigenen Absicherung ansprechen und aktenkundig machen.


    Im Ref. hat man uns immer gesagt, solche Dinge nicht stillschwigend unter den Teppich zu kehren. Wenn danach was "Schlimmers" passiert, kann das auch unter Umständen Konsequenzen für einen selbst haben. Dann heißt es plötzlich: Frau/Herr x hat das gewusst und nichts gemacht. Das kann böse enden.


    Zudem kommt noch hinzu: Wer weiß was bei dem Schüler sonst noch so zu Hause passiert? Das kann man nie wissen. Ich will den Teufel nicht an die wand malen, aber was ist wenn diese Ohrfeige nur der Anfang war oder der Junge zu Hause öfter geschlagen wird und keiner hilft. "Man schaut den Leuten nur vor den Kopf", sagt meine Mutter immer.

    Freundlichkeit ist kostenlos, aber niemals umsonst.

  • Hallo,


    vielen Dank für Eure Tipps. Habe mir die Mutter heute früh genommen und kurz, aber eindringlich gesprochen. Habe ihr gesagt, dass sie ihr Kind nicht hauen darf, egal ob er auf sie in dem Moment hört oder nicht. Und dass ich es überhaupt nicht dulden kann, wenn das auch noch in meinem Klassenraum geschieht. Sie kann mich gern um Hilfe bitten, denn auf mich hört der kleine Fratz immer. Ich habe ihr deutlich gemacht, dass ich es ihr nur dieses eine Mal sage und wenn ich es nochmal mitbekomme, dann werde ich andere Wege beschreiten.


    Das Lächeln wich ihr förmlich aus dem Gesicht. Ich glaube, sie hat begriffen, wie ernst ich das meine. Sie wollte noch abwiegeln, sie hätte ihm ja "nur" das Buch auf den Kopf gehauen... :evil: Habe ihr deutlich klar gemacht, dass sie ihr Kind nicht demütigen darf oder körperliche Gewalt ausüben darf, egal mit welchem Gegenstand!!! (als wenn ein Buch weniger schlimm wäre...)


    Werde morgen nochmal kurz mit meiner Schulleitung darüber sprechen und dann ggf. Aktennotiz machen.


    grittigirasol

  • Danke für dieses engagierte Eingreifen!
    Auf alle Fälle solltest Du das Gespräch per Notiz "sichern" und Rückhalt seitens der SL einfordern, damit keine "Triangulation" erfolgen kann.

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