Brauche Mutmacher

  • Hallo,


    ich habe gerade ein Jahr als Seiteneinsteiger geschafft. Umzug in ein anderes Bundesland, zwei naturwissenschaftliche Fächer, Klassenleitung, Prüfung durch Kultus....das volle Programm. Ich habe es tatsächlich hinbekommen und eine gute Bewertung erzielt.


    Und jetzt nach den Sommerferien....hänge ich total durch. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, diesen Wahnsinn noch einmal zu schaffen. Nach der Erleichterung über das überstandene Jahr türmt sich das neue Schuljahr wie ein Horrorgespenst auf. Ich finde meine Klasse einfach nur furchtbar, könnte nur noch heulen und möchte am liebsten morgen gar nicht hingehen.
    Ich sitze hier zwischen einem Wust von Arbeit, fühle mich hoffnungslos inkompetent und schaffe es nicht anzufangen. Ich will auch nicht. ;(


    Wie kann das jetzt sein? Ich müsste doch eigentlich motiviert sein und das zweite Jahr sollte doch auch einfacher werden.


    Kennt das jemand und kann mir Mut machen?


    Oder Alternativen zum Seiteneinsteiger-Lehrer aufzeigen? So wirklich etwas anderes kann ich nun auch nicht mehr.


    Tschuldigung, das ist jetzt echt ein Jammerbeitrag :S .


    Frustrierte Grüße von
    Frieda

  • Auch wenn es vielleicht sehr abgedroschen klingt: Aller Anfang ist schwer. Ich habe gerade mein erstes Berufsjahr nach dem Referendariat hinter mir, ebenfalls mit Klassenleitung und einer Klasse (die zum Glück nicht meine eigene war), die mich an den Rand der Verzweiflung trieb. Ich habe mich einfach über jeden noch so kleinen Erfolg gefreut und versucht, mich nicht zu sehr stressen zu lassen. Suche dir so viel Unterstützung wie möglich von den lieben Kollegen. In der Regel sind die doch ganz hilfreich, wenn jemand neu im Job ist. Gutes Material ist die halbe Miete und man braucht nicht immer alles neu zu erfinden. Und man darf sich nicht zu sehr stressen lassen, wenn es mal nicht so läuft, wie man sich das vorgestellt hat. Man ist nicht immer selbst schuld, wenn Schüler keine Lust haben, mitzuarbeiten. Auch da kann man sich immer mal wieder gute Tipps von erfahrenen Kollegen abholen. Sprich offen über deine Probleme, dann wird dir sicher geholfen. Jeder hatte mal einen schweren Anfang und die meisten Lehrer hatten auch nicht von Anfang an den Respekt aller Schüler auf ihrer Seite (die meisten haben das nichtmal nach 20 Berufsjahren ;) )
    Lass dich nicht völlig entmutigen und erfreue dich an den vielen Kleinigkeiten, die unseren Beruf so schön machen! :) Ich wünsche Dir auf jeden Fall ganz viel Erfolg dabei!

    "I propose we leave math to the machines and go play outside."
    (Calvin and Hobbes, Bill Waterson)

  • Hallo Frieda,


    beschreib doch einmal genauer im Detail was Dich so fertig macht.
    Deine Klasse ist furchtbar sagst Du. Sind die so undiszipliniert oder uninteressiert? Sind wirklich alle Schüler so oder gibt es auch ein paar in der Klasse, die nicht furchtbar sind?


    Warum fühlst Du Dich inkompetent? Vom fachlichen oder vom didaktischen oder pädagogischen Aspekt her? Gibt es auch Aspekte, denen Du Dich gut gewachsen fühlst, die schon gut klappen?
    Wenn man genauer darüber nachdenkt was das Problem jeweils im Detail ist, stellt man vielleicht fest, dass man zwar vielleicht in Bereichen Schwächen hat, aber es auch Bereiche der Kompetenz gibt, die man gut erfüllt.
    Und was hat Dir bis jetzt an dem Jahr gut gefallen, gibt es auch positive Aspekte?


    Was hattest Du für Erwartungen an den Beruf und was ist anders als erhofft?

  • Vielen Dank Euch Beiden schon mal fürs Mutmachen!


    Genauer beschreiben sagst du :S :
    Sind die so undiszipliniert oder
    uninteressiert? Sind wirklich alle Schüler so oder gibt es auch ein paar
    in der Klasse, die nicht furchtbar sind?


    Tja, meine Klasse... sie sind vor allem undiszipliniert. Genauer hingeschaut sind es viele undisziplinierte Kinder, teilweise recht schlecht erzogen, wie man so sagt. Aber Du hast völlig Recht: Es gibt tatsächlich auch ein paar nette Kinder dabei, die sollte ich nicht aus den Augen verlieren.


    Warum fühlst Du Dich inkompetent? Vom fachlichen oder vom didaktischen
    oder pädagogischen Aspekt her? Gibt es auch Aspekte, denen Du Dich gut
    gewachsen fühlst, die schon gut klappen?

    Ich fühle mich momentan inkompetent, weil ich ein paar neue Fächer, bzw. Jahrgangsstufen unterrichten muss. Die Lehrinhalte möchte ich gerne auffrischen aber dafür fehlt die Zeit. Auch ein paar pädagogische Bücher warten darauf gelesen zu werden. Im ersten Jahr bin ich zwar trotzdem gut klar gekommen, finde es aber unbefriedigend.


    Wenn man genauer darüber nachdenkt was das Problem jeweils im Detail
    ist, stellt man vielleicht fest, dass man zwar vielleicht in Bereichen
    Schwächen hat, aber es auch Bereiche der Kompetenz gibt, die man gut
    erfüllt.

    Stimmt 8o , danke.


    Und was hat Dir bis jetzt an dem Jahr gut gefallen, gibt es auch positive Aspekte?
    Ich arbeite gerne mit Jugendlichen und freue mich, wenn sie Begeisterung gezeigt haben. Mein eigentliches Hauptfach klappt ganz gut.


    Was hattest Du für Erwartungen an den Beruf und was ist anders als erhofft?
    Der Aufwand ist immens höher als ich gedacht hatte. Ich arbeite "Teilzeit" (Familie), meine tatsächliche Arbeitstundenzahl liegt allerdings weit über Vollzeitniveau. Die "Nebenaufwendungen" (Klassenleitung, Aufsichten, Besprechungen, Konferenzen, Vertretungen etc. :wacko: ...) werden durch weniger U-Stunden eben nicht weniger. Außerdem brauche ich natürlich mehr Vorbereitungszeit als ein alter Haase. Im Grunde ist diese "Teilzeit" eigentlich nur eine Lohnkürzung. Ich finde das frustrierend und demotivierend.


    Na, ja, genug gejammert. Ich fand deine Herangehensweise sehr hilfreich, mir geht es schon besser. Hoffentlich komme ich bald wieder aus diesem Depri-Loch heraus.


    Viele Grüße


    Frieda

  • Auch wenn man noch so schlimme Klassen und Schüler hat, aber es ist doch auch immer wieder schön und für mich aufbauend gewesen, bei denen, die wollen, etwas erreichen zu können und mit ihnen arbeiten zu können.


    Manchmal kann so etwas auch bei einigen anderen in der Klasse ansteckend sein, versuch Deinen Weg weiter zu gehen, verändern wird man sich u. U. durch die tgl. Praxis und Erfahrung ja auch, und nicht immer nur negativ :-).


    Kopf hoch!

    Es grüßt aus Sinzig am Rhein


    Mario Wettlaufer

  • Hallo Frieda,
    ich hatte im letzten Jahr (mein 3. Jahr inklusive Ref) auch eine erste Klasse, die super anstrengend war und bin teilweise echt am Stock gegangen. Ich habe mich durchgebissen, mit der Klasse gearbeitet und am Ende des Jahres habe ich eine deutliche Entwicklung sehen können! Also Kopf hoch und durchhalten! Es lohnt sich!
    Die Menge an Arbeit wird erst mal nicht weniger ... es kommen immer neue Inhalte, vom Alten kann man kaum zehren. Aber ich bereite es lieber jetzt gründlich vor und freue mich dann in den folgenden Jahren, in Reli passiert es mir jetzt schon immer wieder, dass ich von früheren Jahren profitieren kann. Und ich merke genau was ich intensiv vorbereitet habe ;)
    Du schaffst das :)

  • Hallo Frieda!
    Ich glaube, dass man besonders wenn man eine schwierige Klasse hat (und das zu Anfang) echt verzweifeln kann. Wie machen das die anderen? Wieso kommen die "besser" klar als ich? (Obwohl ich das bezweifle ;) )
    Ich stand in meinem ersten Jahr im Lehrerzimmer und habe geheult, weil die Klasse echt unter aller Sau war. Zumindest habe ich das damals so gesehen. Ich wollte doch ALLES richtig machen. Guter Unterricht, perfekte Pädagogin, Elternberaterin, super hilfsbereite Kollegin....... bis ich gemerkt habe (irgendwann), dass DAS NICHT funktionieren KANN.
    Man lernt besonders die ersten Jahre auch hier und da Abstriche zu machen. Und man muss lernen, sich auch mal selbst zu loben. In einer schwierigen Klasse wäre das so was wie: "Sie waren zwar wieder unruhig, aber ich habe jetzt echt das Gefühl, einige haben Freude dran und haben es verstanden.Und das wegen mir!!!"
    Rede doch auch mal mit deinen Schülern und erkläre ihnen ganz offen, dass du ja eigentlich gerne unterrichtest, aber du sie echt anstrengend findest. Vielleicht hat die Klasse das selbst schon gemerkt und Ideen, woran es liegt und wie man auf einen besseren gemeinsamen Weg kommt?


    Du hast als Seiteneinsteiger den Weg in den Lehrerjob geschafft (Respekt dafür!!!!), was sicher nicht einfach war!!! Dann schaffst du den Rest jetzt auch! Du hast dir dieses "Programm" gegeben, weil du das unbedingt wolltest! Dann ist das auch das Richtige für dich. Den Rest schaffst du auch.


    Und das mit dem "Teilzeitjob" :


    Hört sich vielleicht doof an, aber genau deine Argumente haben mich dazu gebracht, nie weniger als voll zu arbeiten. Den Unterricht vorzubereiten .....darin wird man ziemlich effektiv. Alles andere hängt IMMER an einem, egal wie wenige Std. man arbeitet. Aber so werde ich wenigstens ordentlich bezahlt dafür und mir macht mein Job ja auch Spaß!


    Du kriegst das hin, halte durch!


    Panama

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Liebe Frieda


    Ich hab Montag die zweite von neun Examensprüfungen und noch um die 18 Monate vor mir, bevor die Uni endlichendlichendlichendlich zu Ende geht. Ich wünschte, ich hätte deine Probleme :D Stell dir einfach vor, wie es dir zum Ende des Studiums ging: Nur noch doofe Seminare, die man belegt, weil man muss, nicht weil man will. Nur noch Dozenten, die einen langweilen, mit Themen, die einen nicht interessieren, mit Hausarbeitswünschen, die völlig überflüssig sind. Und wenn du zu Hause bist, legst du dich ins Bett und fragst dich, warum du das eigentlich machst. Ist doch alles doof. Ist doch alles blöd. Dann wachst du auf und denkst dir: Ja und? 18 Monate? Sitz ich doch auf einer Backe ab! Natürlich hast du gerade ein Tief. Wäre komisch, wenn nicht. Aber mach dir nichts draus, auch Tiefs gehen vorbei.
    Als ich in Irland gearbeitet habe, hatte ich eine Klasse, die ging mir so sehr auf die Nerven, dass ich morgens schon wach wurde und mich fragte, was ich getan habe, dass man mich mit denen straft. Die waren desinteressiert, arbeitsunwillig und schrieben Testergebnisse, die mich bald wahnsinnig gemacht haben. In Irland wird nach Prozenten gerechnet und hatte ich mal mehr als zwei, die über 50% kamen, nannte ich das einen großen Erfolg. Was also hab ich getan? Ich hab mir ein Mantra gebaut. Such dir irgendeinen Spruch, ein Lied, irgendwas, was dich fröhlich macht. Kauf dir ein Haustier - ich schlage Katzen vor, ich hab vier Stück und gäbe sie nie wieder her :love: -, aber lass dich nicht hängen. Irgendwas geht alles weiter! Irgendwann kriegst du eine Klasse, die dir Spaß macht!


    Ich wünsch dir alles Gute, das wird schon wieder! :thumbup:

  • Vielen Dank Euch Lieben,


    ihr seid toll! Ich war mir erst unsicher, ob ich hier mein "Leid" klagen soll, aber ihr habt mich wirklich aufgemuntert!


    Inzwischen merke ich wieder - es ist zwar höllisch anstrengend, aber trotzdem macht dieser Beruf irgendwie auch immer mal wieder.......na ja ........Spaß...... :rolleyes: und wie es scheint, habe ich vieles durch die Erfahrung im letzten Jahr tatsächlich ein wenig besser im Griff.


    Liebe Grüße von


    Frieda

  • Ist zwar bissl spät jetzt, aber mir ging es ab Mitte der Sommerferien genauso (hatte auch gerad das 1. Jahr hinter mir). Ich wollt da einfach nicht mehr hin. Bin dann natürlich trotzdem hingegangen und - oh Wunder -, die Klasse, die ich als schlimmste befürchtet hatte (sagen wir, es handelt sich häufig um schwer erziehbare Jugendliche u.ä.), ist trotz fast 30 Schülern die ruhigste von den 3 neuen Klassen, die ich habe. Die Schüler arbeiten motiviert mit usw. Wenn man sich das herauspickt und nur das betrachtet, dann fällt es nicht mehr wirklich ins Gewicht, dass die beiden anderen neuen Klassen mit jeweils über 30 Schülern viel unruhiger sind und letztendlich ist dann doch alles viel einfacher als befürchtet. Auch wenn die Rahmenbedingungen unseres Berufes meiner Meinung nach immer noch gegen die Genfer Konventionen zur Behandlung Kriegsgefangener verstoßen.

  • Ohh, mir geht es irgendwie ähnlich... ich bin ja auch Seiteneinsteigerin in Teilzeit und habe noch nicht einmal die Prüfung vom Ministerium hinter mir, viele Hospitationen vor mir und ebenso Schüler, die wissen, dass ich noch total unerfahren bin. Ich lebe von der Hand in den Mund.... zeitversetzt 7 Klassen 26 +/-unbekannte Gesichter in Nebenfächern, es gibt keine guten Schulbücher, die ich im Unterricht einsetzen kann, bleiben selbsterstellte Kopien. Ich erarbeite den Stoff in vielen (Nacht-) Stunden vor dem Unterricht und bin dann 4h je in einer Klasse eigentlich erwachsener Schüler. Ich wuschtle mich durch den Tag, lerne, was die Schüler motiviert und was weniger... bin viel zu lieb und zu lässig. Wieso soll ich 18-20jährige Schüler erziehen, dachte ich immer, Wissensvermittlung tut's doch. Man kämpft gegen demotivierte Jugendliche, übernächtigte Jungeltern, Nebenjober oder Discogänger, die dann im Unterricht pennen oder sich wichtige Dinge mitzuteilen haben oder übereinander herfallen.


    Ich gehe nur gern in die Schule, wenn ich meinen Unterricht bestens vorbereitet habe und zwar so, dass ich auch was in der Hand habe, wenn die Schüler mal unberechenbarerweise schlecht drauf sind, also leichte Gruppenaufgaben, ein Video... typisch Planungstyp.


    Schön ist es trotzdem, weil bei allem was besser laufen könnte, doch auch vieles super klappt. Wenn man so schaut, was die Schüler im oder nach dem Unterricht umsetzen, erstaunt es doch oft, wo sie im Unterricht so herummaulten, lästerten oder träge dehinvegetierten. Ich freu mich auch auf solche Dinge wie ein Volleyballspiel Schüler gegen Lehrer - die Schüler unterschätzen ihre Lehrer ebenso wie andersrum. Wenn die Schüler manchmal wüssten, wen sie vor sich haben - mich motivieren solche Dinge zusätzlich - das Selbstwertgefühl.


    Ich hoffe, Du hast Die Freude am Lehrerdasein wieder vollkommen gefunden und drückst die Klinke zum Klassenraum wieder voll Neugier, Tatendrang und Spannung... abgesehen davon gibt es noch die Zeit nach dem Unterricht.


    Liebe Grüße und lass Dich nicht frustrieren,


    S.

    „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“ - aus „Der Kleine Prinz“ von A. de Saint Exupery

    Einmal editiert, zuletzt von Steffi4416 ()

  • Hi, hi,


    unsere Arbeitsbedinggegen "verstoßen gegen die Genfer Konventionen zur Behandlung Kriegsgefangenerungen", herrlich formuliert ^^ . Merke ich mir.


    Mir geht es immer noch recht schwankend. Ich merke deutlich, dass ich im letzten Jahr doch viele Reserven aufgebraucht habe. Aber....nein.... aufgeben werde ich so schnell nicht :thumbup: .


    Liebe Grüße von
    Frieda

  • ...für alle geplagten Lehrer kann ich dieses wirklich nette Büchlein nur empfehlen...liest sich sehr gut, manchmal ein bisschen platt aber manchmal auch voll getroffen...


    viel spaß...

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