Erfahrungsberichte über die Umsetzung der Inklusion in Schleswig-Holstein?????

  • Hallo,


    ich verfolge die Entwicklungen zur Umsetzung von inklusiver Bildung in NRW sehr genau, weil ich direkt davon betroffen bin. Zum Jahresende soll in NRW das Schulgesetz geändert werden. Vorab wurde vom Bildungsministerium ein Gutachten in Auftrag gegeben, das nun vorliegt:


    http://bildungsklick.de/a/7933…-jahr-2020-als-zielmarke/



    Darin wird vorgeschlagen die Umsetzung nach dem Modell aus Schleswig-Holstein vorzunehmen. Was mich interessieren würde sind nicht irgendwelche Idiologien bzw. schönen Konzepte, sondern Erfahrungsberichte von der schulischen Basis.


    Im Voraus schon herzlichen Dank


    rotherstein

  • Hallo rotherstein,


    nun haben wir ja Ferien, daher habe ich Zeit dir zu antworten.


    Also: Noch haben wir keine Inklusion! Was zur Zeit läuft ist "Integration"! Zuletzt hatte ich eine 8./9. Integrationsklasse (24 SuS - davon 9 Förderbedarf Lernen). Hier lief es wirklich sehr gut, da die I-Sus, wie eben auch die Doppelbesetzungen (6 von 10 Stunden bei mir) konzentriert waren und ich mich mit meiner Förderschul-Kollegin sehr gut verstand. War schon mehr Arbeit, aber andererseits ja auch weniger Arbeiten und Zeugnisse für mich, da meine Kollegin ja für Ihre SuS korrigiert und bewertet hat. Ganz wichtig war auch, dass die Kommunikation im Unterricht wirklich reibungslos war und wir die Vorbereitung gemeinsam erledigt haben. Für die Klasse sind ich und die Fachkollegen/innen mit der Förderschulkollegien als Team aufgetreten, es war aber immer klar, wann eine Hausaufgabe oder ein AB nur für einige Schüler galt - das konmnten auch mal Hauptschüler sein.


    Also könnte man denken: Alles gut? Nein, nun soll die Inklusion kommen, und davor haben wir alle Angst! Konzentration der I-Kinder in einer Klasse bedeutet jetzt Diskreminierung! Jezt sollen die Kinder mit Förderbedarf auf alle Klassen verteilt werden. Unsere Förderschulkollegen/innen sollen dann ab und zu vorbeischneien und uns beraten - aber nicht mehr direkt im Unterricht dabei sein - gemiensam planen - besprechen usw.


    Ja, wir in S-H sind auf dem Weg zur Kostenotimierung. Und das Schönste ist, dass die Eltern der Kinder mit Förderbedarf wirklich glauben, dass ihre Kinder nun nicht mehr benachteiligt werden.


    Inklusion ist so nicht möglich!

  • :cursing: Hallo,


    vielen Dank für den Bericht. So wie es scheint, ist das von mir erwähnte Modell in Ihrer Schule noch nicht umgesetzt worden. Das hört sich eher nach Integrationsgruppen an. Das mache wir seit Jahren mit eine HS vor Ort auch. Effektiv scheint das jedoch nur bei Schülerinnen und Schülern mit dem Förderschwerpunkt L zu sein. Was machen Sie mir den Kindern den anderen Förderschwerpunkten? Wir haben schon Kinder in den IL Gruppen mit den Förderschwerpunkten Sprache, emotionale Entwicklung, motorische Entwicklung und geistige Entwicklung. Das läuft zum Teil gar nicht gut und ist auch sehr davon abhängig wie das Team zusammen arbeitet. Falls sich in NRW der Vorschlag der Kommission durchsetzt, dass die Förderschulen LES bis 2020 aufgelöst werden sollen und wir nur noch als Besserwisser in Sachen sonderpädagogische Förderung tätig sein müssen, werde ich die Wege in den Ruhestand suchen und mich ehrenamtlich engagieren. Das kann und wird nicht funktionieren!! SonderPäd. Arbeit ist Beziehungs-und Erziehungsarbeit. Die Besserwisserei habe ich nicht gelernt.


    Lieben Gruß


    rothersten

  • Ja, das sehen Sie wohl genauso wie ich und meine Förderschulkollegin.


    Wenn ich jetzt versuche, die Fragen zu beantworten, so bezieht sich das auf meine Erfahrungen in einer Grund- und Hauptschule, jetzt Gemeinschaftsschule. Unterschiedliche Kreise in S-H verfahren da auch durchaus unterschiedlich. Über ein wenig Einblick, gerade für den Bereich sozial-emotionaler Förderbedarf verfüge ich allerdings, weil es bei uns ein Kooperationsmodell zur Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe gab (zwischenzeitlich Regierungswechsel, daher alles wieder auf Eis gelegt), in dem ich für den Bereich der Lernnpläne an der Regelschule zuständig war. Es gibt hier keine richtigen Förderschulen e-s, sondern die gar nicht mehr in der Regelschule zu beschulenden Kinder gehen dann auf Schulen in privater Trägerschaft, die vom Jugendamt bezuschusst werden. Sie sind offiziell aber immer noch einer Regelschule zugeordnet (sehr kompliziertes Verfahren!).


    Siehe z. B.: http://kiel.cylex.de/firma-hom…hencke-heime-2168439.html
    oder hier: http://www.heilpaedagogium-eckernfoerde.de/


    Zum Teil wohnen die Schüler dann auch dort in Wohngruppen, es gibt aber auch Tagesschüler.
    Eine Alternative sind sog. Schulbegleiter (z. B. bei Autisten, oder der Gefahr von Selbstverletzungen), aber auch die sind nur sehr schwer zu bekommen und auch nicht immer optimal ausgebildet (Preisfrage!). Die Förderschullehrer sind in diesem Bereich schon jetzt eher beratend tätig.


    Sprachheilschulen mit eigenen Klassen gibt es in meinem Kreis nicht mehr, die sind alle bestimmten Grundschulen zugeordnet.


    Bei Förderbedarf L gibt es die schon erwähnten Integrationsklassen, die natürlich sehr personenabhängig mal mehr und mal weniger gut funktionieren. Sehr schwer ist es für die nun erstmalig mit diesen Kindern konfrontierten Realschulkollegen/innen in den neuen Gemeinschaftsschulen. Doch das wäre allein schon ein Thema für sich.


    Ansonsten gibt es die ganze Bandbreite, je nach Grad der Behinderung. Möglichst wird versucht, die Kinder in der Regelschule unterzubringen. So reisen dann z. B. Lehrer für Hör- oder Sehgeschädigte von Schule zu Schule und versuchen vor Ort zu helfen und zu beraten. Auch das kann gut funktionieren, wenn wirklich alle engagiert zusammenarbeiten (incl. der Eltern).


    Das "Modell Schleswig-Holstein" würde ich selbst gerne kennen. Aber geredet wird bei uns tatsächlich schon länger darüber.


    Inklusion gibt es m. W. in Schleswig-Holstein noch nicht.


    Einen schönen Abend noch wünscht


    die Angestellte

  • Vielen Dank für diesen ausführlichen Bericht von der Basis. Es hört sich alles sehr, sehr kompliziert an. Wie soll man das alles nur organisieren und dabei das Wohl der KInder im Auge behalten.


    Lieben Gruß
    rotherstein

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