Hallo,
wollte mal fragen, ob's hier Menschen gibt, denen es ähnlich geht:
Hatte in den letzten Wochen Besuch vom Schulleiter, die "erste Runde" innerhalb der Probezeit. Vor ein paar Tagen bekam ich dann die Beurteilung zu lesen und was ich schon in den Nachbesprechungen meiner Stunden ahnte, bewahrheitete sich: Es ist halt keine 2, die ich so gerne gehabt hätte, sondern eine 2,5, was schlussendlich fast das Gleiche wie eine 3 ist. Diese blöden positiven Formulierungen finde ich völlig merkwürdig. Klar, mit etwas Grips kann man sich schon zusammenreimen, was tatsächlich gemeint ist, aber warum sagt man das dann nicht einfach? Nicht mal auf meine Frage, was konkret mir denn zur 2 gefehlt habe, hab' ich eine vernünftige Antwort bekommen... Ich lese nur ungefähr drei Mal, dass ich zurückhaltend bzw. freundlich-zurückhaltend sei und mit etwas dynamischerem und bestimmterem Auftreten, die Schüler zu mehr Mitarbeit veranlassen könnte, auf Deutsch: Ich bin eine Schlaftablette...
Ich weiß, dass eine der beiden Stunden, die ich abgeliefert habe, nicht wahnsinnig toll war. Allerdings war die Problemdiagnose von Seiten meines Schulleiters relativ merkwürdig und erscheint mir desto merkwürdiger, je länger ich darüber nachdenke: Es ging darum, eine Figur in einer Kurzgeschichte zu charakterisieren. Nun stellte ich den Schülern zu diesem Zweck zunächst eine Liste mit Adjektiven als Hilfsmittel zur Verfügung, aus der die Schüler diejenigen auswählen sollten, die zu diesem Charakter passen und überdies sollten sie jeweils eine Textstelle als Beleg anführen. Im anschließenden Unterrichtsgespräch stellte sich heraus, dass leider kein Schüler die dem Text zu Grunde liegende Ironie verstand, die Schüler alles wörtlich nahmen und somit zu völlig falschen Annahmen über den zu beschreibenden Charakter kamen. Nun versuchte ich verzweifelt durch Nachbohren, Fragen usw. anhand von konkreten Textstellen (an denen die Ironie mehr als deutlich zum Ausdruck kam), die Schüler dorthin zu bringen, dass sie merken, dass eben nicht alles wörtlich gemeint ist, was in diesem Text steht. Dies gelang mir leider nicht. Stattdessen geriet mein Unterrichtsgespräch ziemlich zäh und lang, was mir natürlich zu Recht vom Schulleiter angekreidet wurde.
Nun meinte er aber in der Nachbesprechung, ich sei, statt einfach die Arbeitsergebnisse der Schüler zu besprechen "immer wieder in ein Interpretationsgespräch abgeschweift". Ich hätte zunächst die Textstellen einfach nur mit Zeilenangabe aufnehmen sollen und später auf den ironischen Unterton des Textes zurückkommen sollen. Falls nötig, hätte ich in einem zweiten Durchgang die Deutung der Textstellen durchführen sollen und bei dieser Gelegenheit "Falschaussagen" über den Charakter wieder durchstreichen sollen...
Also ich weiß ja nicht... wie hätte ich denn die Schüler durch Betrachten des Gesamttextes eher zu der Erkenntnis bringen sollen, dass in dem Text ein ironischer Unterton vorherrscht? Und was bitte ist eine Charakterisierung anderes als eine Interpretation und wieso wird mir dann zum Vorwurf gemacht, in ein "Interpretationsgespräch abgeschweift" zu sein...? Bin nun nach diesem Gespräch ungefähr genauso schlau wie vorher, zumindest was Verbesserungsvorschläge angeht... sollte mich wohl eher an Fachkollegen wenden, da mein Schulleiter das Fach Deutsch nicht unterrichtet.
Ebensowenig wie das Fach Musik, bei dem er mich in einem Grundkurs der Jg I besuchte und anschließend meinte, das Niveau wäre nicht angemessen gewesen... ich hätte mehr mit dem Notentext arbeiten sollen. Leider weiß ich aber (und habe dies auch zu verdeutlichen versucht), dass die meisten Schüler in diesem Kurs kaum über die notwendigen Grundlagen verfügen, um mit dem Notentext zu arbeiten oder musikalische Fachbegriffe zu verwenden. Eine Arbeit mit Notentext hätte also auch wieder nur vermittelst Hilfsmitteln in Form von Fachbegriffen und Definitionen funktioniert... Hachja.
Um ehrlich zu sein: Ich hab' mir nun ein Jahr lang wirklich Mühe gegeben, habe tierisch viel gearbeitet, kaum ein Privatleben gehabt (was eindeutig ein Fehler war), habe an diesem Gymnasium (das über ein Sportprofil verfügt und leider am Ort ein anderes Gymnasium existiert, das ein Musikprofil hat, was nicht gerade dazu beiträgt, musikalisch interessierte Schüler anzuziehen) ein Jahr lang zwei Schulchöre (Mittel- und Oberstufe) mühsam und durch großen Arbeitseinsatz am Leben erhalten, habe Zusatzproben geleitet, habe mit meinen Kollegen zusammen Schulkonzerte durchgeführt und habe vor allem auch dem Alltag dort standgehalten, in dem der Regefall so aussieht, dass die Schüler im Musikunterricht mit der Einstellung auftauchen, jetzt neunzig Minuten lang bespaßt zu werden und wo das nicht der Fall ist, mit Empörung und Meuterei zu reagieren. Ihre musikalischen Interessen beschränken sich (bis auf einige wenige Ausnahmeschüler) auf das Liedrepertoire, das bei SWR 3, VIVA oder MTV 'rauf und 'runter läuft. Und da soll ich Musikunterricht machen, der leider Gottes laut Bildungsplan auch noch was anderes beinhaltet, als Youtube zu öffnen und die Schüler zu irgendwelchen Liedern gröhlen zu lassen????
Mein Schulleiter will das alles nicht hören bzw. fühlt sich sofort persönlich angegriffen, da er selber ein Arbeiterkind sei und in diesem Alter auch nicht über eine besonders hohe musikalsiche bzw. literarische Bildung verfügt habe... aber darum geht's mir doch garnicht, es geht um diese Mentalität, die die Schüler haben. Eine Mentalität, die sie in Bezug auf bestimmte Dinge einfach unbelehrbar und unaufgeschlossen macht. Ich kann mir da an motivierenden Stundenmodellen und Konzepten ausdenken, was ich will...
Und alles was dabei herauskommt, ist nun diese 2,5... das ist nicht besonders motivierend.
Es bestätigt nur einmal wieder mein Gefühl, dass ich in diesem Beruf nicht richtig bin und mir irgendeine Art von Alternative suchen sollte. Das wird nicht auf einmal gehen, aber hoffentlich doch Stück für Stück durch zweite Standbeine und Zusatzausbildungen...
Bei meinem Problem hilft auch die Supervisionsgruppe für Junglehrer nicht viel weiter, der ich mich vor ein paar Monaten angeschlossen habe. Leider.
Nun, jetzt hab' ich mich aber ziemlich ausgekotzt. Tut mir leid. Danke für's Lesen, falls jemand es so weit gebracht hat.
Viele Grüße, Langohr