Problematik Zweitkorrektur

  • Liebe Kollegen und Kolleginnen,


    ich habe dieses Jahr zum ersten Mal als Erstkorrektor das Deutschabitur bewerten müssen. Leider habe ich mit dem Zweitkorrektor private Diffenrenzen, wobei ich nicht gedacht hätte, daß es sich tatsächlich so zuspitzen würde. Nach Abgabe meiner Bewertungen habe ich mitbekommen, daß sich der Zweitkorrektor bei der Schulleitung über die mangelnde Qualität meiner Korrektur beschwert hat. Ohne mein Wissen wurde ein Drittkorrektor mit der Arbeit vertraut gemacht. Es gab keinen Notenabgleich, kein Gespräch...nichts! Nun gibt es Ärger mit der Schulleitung. Ich bin mir sicher, die Arbeiten gewissenhaft und gut korrigiert zu haben. Ich suche nun nach schriftlichen Quellen, die deutlich machen sollen, was besonders bei der Korrektur eines schriftlichen Deutschabiturs beachtet werden muss. Weiterhin suche ich nach Passagen, die den Begriff und die Aufgaben des Zweitkorrektors darstellen. Ab wann darf oder kann eine dritte Person hinzugezogen werden?!


    Ich hoffe inständig auf Feedback. Besten Dank vorab!

  • Ohne Kenntnis des Landes ist es schwierig zu antworten. Gibt es bei euch keine Korrekturrichtlinien? Ich würde allerdings weniger nach den Aufgaben eines Zweikorrektors suchen, sondern nach Vorschriften über die Notenbildung.


    Für unsere Schulart gilt folgende Regelung:


    Erst- und Zweitkorrektor bewerten die Prüfungsarbeiten unabhängig voneinander. Weichen die Ergebnisse um mehr als eine Note voneinander ab und können sich die Korrektoren nicht einigen, entscheidet ein Drittkorrektor. Im Übrigen gilt der Durchschnitt, der auf eine Dezimalstelle genau berechnet wird.


    Also:


    2 und 2/3 ergibt 2,2 ==> 2
    2 und 3/4 ==> Einigungsversuch, ansonsten Drittkorrektor


    Dieses Verfahren funktioniert bei uns problemlos. Drittkorrektoren gibt es nicht.


    Allerdings gab es früher Fälle, wie von dir beschrieben. Die damalige Schulleitung behauptete, dies entspreche der Vorschrift: Da die Korrektoren von ihr nicht über die abweichenden Ergbnisse in Kenntnis gesetzt worden waren, hätten sie sich ja nicht einigen können. Somit habe sie zu Recht einen Drittkorrektor eingeschaltet (der die Note des von ihr favorisierten Kollegen bestätigte).


    "Fatta la legge, trovato l'inganno."


    Ich kann gut nachvollziehen, dass dich das nicht schlafen lässt (mich weckte lediglich ein Gewittersturm), und hoffe, dass dein Schulleiter nicht nach dem 'Peter-Prinzip' ausgewählt und eingesetzt wurde.

  • Hallo Vanderbilt,
    vielleicht habt ihr in Eurer Schule so etwas wie einen Abteilungsleiter, der für die Fächer(gruppe) zuständig ist, der sich der Sache annehmen kann?


    (Da lobe ich mir doch das (weitestgehend anonyme) Korrekturverfahren in Ba-Wü.)


    Jorge:
    was ist denn das für eine Schulart genau?
    Unterrichtest Du in Baden-Württemberg?


    Gruß!

  • Ich unterrichte an einer Fachschule für Wirtschaft in Baden-Württemberg.


    Hier ein Link nicht zu unserer, sondern zu einer vergleichbaren Schule in Hessen:


    http://fachschule-wirtschaft.de


    Nachdem wir ausdrücklich darauf hingewiesen worden sind, dass ‚bei der Verbreitung wichtiger Interna in sozialen Netzwerken oder anderen Äußerungen, die gegen die Interessen der Schule verstoßen', disziplinarische Maßnahmen ergriffen werden können, bleibt man in Internet-Foren besser so anonym wie möglich, auch wenn man loyal ist und nichts Böses beabsichtigt. Der Begriff ‚gegen die Interessen der Schule verstoßen’ kann schließlich sehr weit ausgelegt werden.


    Das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer, der erklärt hatte, der Chef sei ein Idiot, soll wegen Verrats von Geschäftsgeheimnissen fristlos gekündigt worden sein. :)

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Kollegen und Kolleginnen,


    ich habe dieses Jahr zum ersten Mal als Erstkorrektor das Deutschabitur bewerten müssen. Leider habe ich mit dem Zweitkorrektor private Diffenrenzen, wobei ich nicht gedacht hätte, daß es sich tatsächlich so zuspitzen würde. Nach Abgabe meiner Bewertungen habe ich mitbekommen, daß sich der Zweitkorrektor bei der Schulleitung über die mangelnde Qualität meiner Korrektur beschwert hat. Ohne mein Wissen wurde ein Drittkorrektor mit der Arbeit vertraut gemacht. Es gab keinen Notenabgleich, kein Gespräch...nichts! Nun gibt es Ärger mit der Schulleitung. Ich bin mir sicher, die Arbeiten gewissenhaft und gut korrigiert zu haben. Ich suche nun nach schriftlichen Quellen, die deutlich machen sollen, was besonders bei der Korrektur eines schriftlichen Deutschabiturs beachtet werden muss. Weiterhin suche ich nach Passagen, die den Begriff und die Aufgaben des Zweitkorrektors darstellen. Ab wann darf oder kann eine dritte Person hinzugezogen werden?!


    Ich hoffe inständig auf Feedback. Besten Dank vorab!

    In der Tat lässt sich ohne Angabe des Bundeslandes nicht viel dazu sagen.


    In NRW würde bei erheblichen Abweichungen zwischen Erst- und Zweitkorrektor ein Drittkorrektor eingeschaltet werden, formal jedoch nicht aufgrund der angeblichen schlampigen Korrektur des Erstkorrektors. Schau in der Abiturprüfungsordnung Deines Bundeslandes nach, ob so ein Vorgehen überhaupt zulässig ist. Falls die Noten des Zweitkorrektors von Dir so erheblich abgewichen sind (und das kann ja in der Tat ein jämmerlicher Versuch der Profilierung durch übermäßige Strenge unter der Annahme, dass Strenge mit höherer Qualität gleichzusetzen wäre, sein), wäre ein Drittkorrektor in NRW formal ja zwingend notwendig und auch den Abiturienten gegenüber fairer.
    Ein Gespräch zwischen den Beteiligten wäre hier menschlich sicherlich sinnvoll gewesen. Da es aber eben keine Absprachen zwischen Erst- und Zweitkorrektor geben soll, würde ein Drittkorrektor auch ohne Rücksprache mit Dir dann eingeschaltet werden.
    Einen faden Beigeschmack hat das Ganze trotzdem. Ihr solltet jetzt zusehen, dass das Ganze nicht auf dem Rücken der Abiturienten ausgetragen wird.


    Gruß
    Bolzbold

    Gruß
    #TheRealBolzbold

    Ceterum censeo factionem AfD non esse eligendam.

  • Was Jorge über die Regelungen an seiner Schulart (Fachschule, die zur Fachhochschulreife führt; Zugangsvoraussetzung mittlerer Bildungsabschluss, abgeschlossene Berufsausbildung und Berufserfahrung) ausführt, hat mit der Abiturkorrektur in Baden-Württemberg nichts zu tun.


    Unser (zugegeben: sehr personal- und zeitaufwendiges) Korrekturverfahren sollte m. E. auch für die Bundesländer, die jetzt ebenfalls das Zentralabitur eingeführt haben, das Vorbild sein, weil es größtmögliche Objektivität und Vergleichbarkeit gewährleistet.


    Die Erstkorrektur wird grundsätzlich vom Fachlehrer des Kurses geleistet. Er hat sich wie alle Korrektoren an die vorgegebenen Korrekturrichtlinien zu halten. Die Zweitkorrektur wird von einem Fachlehrer einer anderen Schule erledigt. Dies geschieht völlig anonym. Jede Arbeit ist mit einer (jährlich wechselnden) Chiffre der Schule und der Chiffre des Schülers versehen, sodass dem Korrektor keinerlei Rückschlüsse möglich sind. Der Drittkorrektor - wieder an einer anderen Schule - bekommt ALLE Arbeiten eines Kurses zu sehen, dazu erhält er die Korrekturlisten; im Fach Deutsch die Gutachten zu jeder einzelnen Arbeit. Zunächst prüft der Drittkorrektor stichprobenhaft, ob die Korrekturen insgesamt angemessen erfolgt sind, danach setzt er endgültig die Note fest. Stimmen Erst- und Zweitkorrektur überein, bestätigt er ohne weiteren Prüfungsaufwand die Note, weichen die beiden Korrekturen um einen Notenpunkt voneinander ab, gibt er die höhere Punktzahl; bei einem Abstand von zwei Notenpunkten setzt er die Mitte der beiden Punktzahlen als Note fest. Bei einer Abweichung von drei und mehr Notenpunkten MUSS er selbst korrigieren; sein Urteil ist unabhängig von den Noten des Erst- und Zweitkorrektors.


    Wenn der Drittkorrektor gravierende Verstöße des Erstkorrektors oder auch des Zweitkorrektors feststellt, informiert er die Schulaufsicht (bei uns das jeweilige Regierungspräsidium), die sich dann mit dem entsprechenden Kollegen dienstlich auseinandersetzt.


    Was Vanderbilt hier schildert, wäre in Baden-Württemberg völlig unmöglich.

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