Auskunftsrecht ohne Sorgerecht


  • Sachverhalt:


    Eltern getrennt, Kind lebt beim Vater, Mutter hat kein Sorgerecht. Kind ist in der Schule extrem verhaltensauffällig sowie aggressiv gegenüber Mitschülern und soll deshalb von der Teilnahme an einer Klassenfahrt ausgeschlossen werden.


    Die Mutter verlangt von der Klassenlehrerin Auskunft über ihren Sohn.


    Fragen:


    Gibt es hierfür Richtlinien der Schulaufsichtsbehörde (Gym.; B-W)?


    Ist hier jemand in einem ähnlich gelagerten Fall dem Auskunftswunsch eines nicht sorgeberechtigten Elternteils nachgekommen? Welche Konsequenzen hat dies gehabt?

  • Einen solchen Fall hatte ich bisher an meiner Schule nicht, aber ich kann Dir sagen, was ich an Deiner Stelle tun würde.


    Man darf ja von Schulleitern erwarten, dass ihre Entscheidungen juristisch korrekt sind, obwohl es wohl kaum einen Schulleiter gibt, der eine angemessene juristische Ausbildung hat.


    Was das Auskunftsrecht betrifft, würde ich als erstes mit meinem Schuljuristen im RP telefonieren. Zunächst würde ich Auskünfte an die Mutter verweigern, es sei denn, sie kommt gemeinsam mit dem Kindsvater zu mir.


    Der Ausschluss von der Klassenfahrt kann eine Maßnahme nach § 90 SchG sein, wenn damit vorausgegangenes Fehlverhalten sanktioniert wird. Ein rein präventiver Ausschluss ist mit § 90 sehr schwierig. Schulen können hier sehr viel falsch machen, wenn nicht alle Formalien eingehalten werden. Die Maßnahme ist ein Verwaltungsakt:
    - Dokumentation von bisherigen Aggressionshandlungen des Schülers
    - Ermittlung des Sachverhalts, Zeugenaussagen - alles dokumentieren!
    - Anhörung des Schülers durch den Schulleiter, bei minderjährigen Schülern Einladung des Erziehungsberechtigten
    - Anhörung der Klassenkonferenz
    - Schriftlicher Bescheid mit Darlegung des Sachverhalts, Begründung, Ermessensentscheidung . Wenn Sofortvollzug angeordnet wird, hat ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung.


    Der Ausschluss von der Klassenfahrt kann - sehr viel einfacher - als Maßnahme nach § 23 Abs. 2 SchG angeordnet werden. Hier ist wegen § 41 SchG allein der Schulleiter zuständig. In diesem fall ist der Ausschluss eine präventive Maßnahme.


    Dazu aus der Rechtsprechung:


    "Geben Schüler wegen vorhergegangener erheblicher Störung zu der Sorge Anlass, dass sie den Erfolg der außerunterrichtlichen Veranstaltung gefährden, können sie nach § 23 Abs. 2 SchG ausgeschlossen und für diese Zeit einer Parallelklasse zugewiesen werden." (VG Karlsruhe, Beschluss vom 23.06.1992 - 8 K 345/92)


    Ein zeitweiliger Ausschluss KANN dem Jugendamt mitgeteilt werden; bei der gegebenen Fall- und Familienkonstellation würde ich es sofort tun.


    Weil diese Fragen recht diffizil sind, veranstaltet mein RP regelmäßig SL-Fortbildungsveranstaltungen mit Richtern vom Verwaltungsgericht.

  • Kein Sorgerecht - keine Info! In deinem Fall ist die Mutter genau so zu behandeln wie jede fremde Person auch!
    (Über diese Info verfüge ich nicht aus dienstlichen, sondern aus privaten Gründen. Eine Schulrechtsleitlinie oder Gesetz wird es dazu nicht geben, da hier immer von sorgeberechtigten Personen die Rede ist.)

  • Kein Sorgerecht - keine Info! In deinem Fall ist die Mutter genau so zu behandeln wie jede fremde Person auch!
    (Über diese Info verfüge ich nicht aus dienstlichen, sondern aus privaten Gründen. Eine Schulrechtsleitlinie oder Gesetz wird es dazu nicht geben, da hier immer von sorgeberechtigten Personen die Rede ist.)


    Dem kann ich mich anschleßen. Selbst das fehlende Sorgerecht im Schulischen Bereich (acuh wenns in anderen da ist) sorgt dafür, dass nach dem Datenschutz keinerlei Informationen rausgegeben werden dürfen.

  • Vielen Dank für eure Einschätzungen. Es war die Frage einer Kollegin am Gymnasiums, welche diese Bedenken bezüglich des Auskunftsrechts einer nicht personensorgeberechtigten Mutter hatte und nach einer entsprechenden Vorschrift suchte.


    Die betreffende Mutter ist zudem Klassenelternvertreterin. Anders als in anderen Ländern, wo von ‚Erziehungsberechtigten’ oder 'sorgeberechtigten Personen' die Rede ist, spricht das Schulgesetz von Baden-Württemberg bei der Klassenpflegschaft von ‚Eltern der Schüler’. „Die Eltern der Schüler einer Klasse wählen aus ihrer Mitte einen Klassenelternvertreter und dessen Stellvertreter.“ Unter Hinweis auf diese Vorschrift hat der Schulleiter schriftlich die Einwilligung zur Information gegeben.


    Ich halte dies für bedenklich, habe aber kein Urteil gefunden, das dem entgegen steht.


    Der Ausschluss von der Klassenfahrt wurde genau aus dem Grund nicht weiter verfolgt, dass nichts beweiskräftig dokumentiert worden war.

  • Hey, das ist aber echt eine diffizile Lage. Ich denke, dass das Problem nicht im Schulrecht, sondern in der Definition von "Eltern" liegt.
    Bei uns im hessischen Gesetz ist klar geregelt, wer als "Eltern" gilt: -gibt es das evtl. auch im Ba-Wü-Schulgesetz?
    Ich finde es schon von meinem "normalen Denken" her sehr fragwürdig, dass die Mutter Elternvertreterin ist..


    Nachtrag: Nach der Rechtsauffassung/interpretation des Schulleiters dürften demnach ja auch Eltern in der Pflegschaft sein bzw. Auskünfte erhalten, selbst wenn ihnen das Kind vom Jugendamt entzogen wurde - denn die "Eltern" sind sie ja immer noch (nur mal ins Extreme weitergedacht..)


    Hah! Nachtrag Nummer 2 (das hat mich nun doch auch echt interessiert): Des Rätsels Lösung ist bei euch nicht im Schulgesetz sondern in einer Verordnung (Verordnung des Kultusministeriums für Elternvertretungen und Pflegschaften an öffentlichen Schulen (Elternbeiratsverordnung) :(

    Zitat

    BADEN WÜRTTEMBERG
    § 1
    Eltern
    (1) Eltern im Sinne dieser Verordnung sind alle Erziehungsberechtigten, denen die Sorge für die Person des Schülers zusteht, oder Personen, denen diese die Erziehung außerhalb der Schule anvertraut haben.

    Ergo: Nicht erziehungsberechtigt - nicht "Eltern" im Sinne des Gesetzes!
    Das bedeutet logischerweise wiederum, dass die Mutter nicht Elternvertreterin sein darf und auch keinerlei Auskünfte erhalten darf!


    (Link: http://www.landesrecht-bw.de/j…=R&toc.poskey=#focuspoint)

  • Das bedeutet logischerweise wiederum, dass die Mutter nicht Elternvertreterin sein darf und auch keinerlei Auskünfte erhalten darf!

    DAs sowieso, denn sonstkönnte man mal weiter spinnen. Das Kind lebt bei der Mutter, der AVter hat kein Sorgerecht. Die Mutter ist neu verheiratet. NUn wären ja dann alle Eltern, dürfen dann drei Eltern abstimmen usw.?!?

  • Der Hinweis auf die Elternbeiratsverordnung war sehr hilfreich. Vielen Dank. Offenbar wird in dem 'Rosenkrieg' zwischen den Eltern dieses Schülers mit allen Mitteln gekämpft.


    Mit Eltern haben wir an unserer Schule glücklicherweise nichts zu tun, da unsere Schüler volljährig sind. Den Schulleiter des Gymnasiums sollte man allerdings auf die oben erwähnten Fortbildungsseminare in Schulrecht hinweisen.

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